Nicht müde werden sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die

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Nicht müde werden sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die
Lichtblick
für den Monat Juni 2013
von Sr. Maria Reinhildis Gehring SND, Kloster Mülhausen
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.
Hilde Domin
Liebe Lichtblick-Freunde,
die seit längerem verstorbene jüdische Schriftstellerin Hilde Domin hat uns viele kostbare
Texte zurück gelassen. Diese wenigen Zeilen von ihr klingen wie ein Appell „Nicht müde
werden“, denn die Welt und unser Leben sind voller Überraschungen. Es kann immer und
überall geschehen: das „Wunder“, das Überraschende! Und es kann uns tief beglücken und
staunen lassen.
Pfarrer Dr. Willi Bruners deutet eine ähnliche
Erfahrung an:
manchmal
triffst du
einen
auge in auge
der dich
nicht
liegen lässt
wenn er
ruft
steh auf
kannst du
nicht anders
du stehst
auf
auch wenn du
liegen bleiben
willst
müde und
tot
seine stimme
geht dir
unter die
haut
lässt dich
tanzen
hebt dich
in die
luft
auch wenn du
fliehen willst
voll angst
und furcht
seine nähe
gibt dir
vertrauen
lauf
wenn du ihn
triffst
du läufst
ihm
mitten
in die
arme
Das sind nachösterliche Gedanken und Erfahrungen. Im Alltag widerfährt uns –gleichsam als
Vorwegnahme, dass wir überraschend etwas erleben, das uns „unter die Haut geht, das uns
tanzen lässt und in die Luft hebt“. Das sind gnadenhafte Augenblicke, die wir dankbar
verkosten dürfen, die wir aber nicht selbst machen können.
Darum empfiehlt Hilde Domin: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem
Vogel die Hand hinhalten“.
Wir alle kennen die Stunden, die mühsam und anspruchsvoll sind und die wir nur schwer
durchstehen können. Und doch kann nur die Geduld Neues hervor bringen.
Die Wochen zwischen Ostern und Pfingsten lassen uns in den liturgischen Texte miterleben,
wie sich der österliche Gedanke, durch Tod zum Leben und Neubeginn ganz langsam Bahn
bricht. Immer mehr greift in den jungen christlichen Gemeinden der Glaube um sich, dass der
Gekreuzigte wirklich im Kreis der Glaubenden erfahrbar wird und Mut zum Neubeginn
macht. Sein Geist beseelt und beflügelt die Glaubenden in den kleinen Gemeinden, die sich
in seinem Geist treffen. Sie erleben, wie das Glaubenszeugnis des einen oder anderen Mut
macht, dem Geist des auferstandenen Herrn zu trauen und die österliche Wirklichkeit der
Auferstehung Jesu in das Bewusstsein der Jünger eingeht.
Und sie erleben, wie immer mehr Menschen sich zum Glauben an Jesus Christus bekennen.
In unserer Zeit erleben wir, wie sehr die Säkularisierung alle Bereiche auch unseres
persönlichen Lebens mitbestimmt. Und dieser ‚Weltgeist’ hindert uns oft daran, dem Geist des
Auferstandenen Herrn in unserm Leben genügend Raum zu schenken. Da kann es uns helfen,
wenn wir das Glaubenszeugnis anderer Menschen hören und beherzigen.
Glauben und Hoffnung miteinander teilen, heißt Leben miteinander teilen und den Glauben,
dass der Tod nicht das letzte Wort hat.
In dieser österlichen Hoffnung sind wir miteinander verbunden.
Herzlich grüße ich Sie alle verbunden mit dem Wunsch, dass Gottes Geist uns alle belebe und
erfülle
Ihre und Eure Sr.M.Reinhildis Gehring