Canal du Midi: Traumtörn im Hausboot 2

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Canal du Midi: Traumtörn im Hausboot 2
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Canal du Midi: Traumtörn im
Hausboot
2
Vor kurzem aktualisiert!
Eintrag veröffentlicht in Languedoc-Roussillon und getagged mit BooturlaubBramCanal du
MidiCarcassonneCastelnaudaryEburomagusÉcluse de GayÉcluse de GuillerminÉcluse de LalandeÉcluse de PeyruqueÉcluse de SaintSerninÉcluse de VivierÉcluse St-RochHausbootKanalLanguedocLe BoatMidi-PyrénéesMontagne NoireMS TangoNavigationPierre-Paul
RiquetRiquetSchifffahrtSonnenkönigVillepinte on 25. Oktober 2015 by Hilke Maunder
Er ist der Weg des Sommers unter der warmen Sonne des Südens, die Sehnsuchtsstrecke der
Hausbootfahrer in Frankreich: der Canal du Midi. Auf 240 km verbindet er Toulouse mit dem Mittelmeer –
als technisches Wunderwerk, das uns als Freizeitskipper staunen lässt. Und reichlich schwitzen…
Seine Schleusen, 63 an der Zahl, bringen immer wieder Abwechslung und Aufregung in die Ruhe des
Dahingleitens, die Muße auf dem Wasser. Hochbetrieb herrscht auch auf der höchstgelegenen Schleuse der
Strecke, der Écluse Océan auf der Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik westlich von
Castelnaudary in Naurouze. Wo sich heute hinter einem verschlossenen Mauerring ein Obelisk in
Erinnerung an den Erbauer erhebt, hatte Pierre-Paul Riquet in der Mitte des 17. Jahrhunderts die Lösung
für eine Vision gefunden, die seit Römertagen die Gedanken der Könige und Kaufleute beflügelte: einen
Verbindungskanal zwischen den beiden Meere auszuheben.
Auf diese Weise bräuchten die Schiffe nicht mehr den gefährlichen und kostspieligen Umweg über die
Meerenge von Gibraltar zu machen. 1666 unterschrieb Ludwig XIV. das königliche Edikt zum Bau der
damals „Canal Royal“ genannten Schifffahrtsstrasse. Die Frage, wie der Kanal, der auf seinem Weg 194
Höhenmeter überwindet, ständig mit Wasser versorgt werden könne, meisterte der Baron aus Béziers mit
einem Geniestreich: Er ließ am höchsten Punkt der Strecke in den Montagne Noire ein riesiges Staubecken
anlegen, in dem das Wasser der gesammelt werden konnte. Von dort aus sorgt ein genau berechnetes
System aus unterirdischen Wasserrinnen und Zuflüssen dafür, dass der Kanal bis heute das ganze Jahr
hindurch schiffbar ist.
15 Jahre lang, nur mit Schaufel und Schubkarren, wurde das Kanalbett ausgehoben. Mehr als sieben
Millionen Kubiktonnen Erde und Gestein räumten 12.000 Arbeiter, darunter 600 Frauen, fort. 450.000
Platanen, Pappeln und Zypressen wurden entlang der Treidelpfade gepflanzt, 328 Brücken, Dämme,
Aquädukte und Schleusen gebaut – auf der nur 35 km langen Strecke zwischen Castelnaudary und
Carcassonne allein 18.
Und nicht, wie in anderen Revieren, gerade, kurze Schleusen mit einer Kammer und gelb markierten
Schleusenbereichen, sondern mehre hunderte Meter lange Schleusentreppen mit vier, fünf, sechs, sieben,
acht, sogar neun ovalen Kammern, die mehr als 20 Höhenmeter überwinden.
„Pas de soucis“, keine Sorge, meint Pierre nur, der eine Stunde lang die Freizeitskipper in die Technik und
das Handling der MS Tango einführt, die im Grand Bassin von Castelnaudary in der Crown Blue LineMarina vertäut liegt. Gut zwölf Meter misst das schwimmende Ferienheim für die nächsten Tage. Das Heck
birgt zwei Doppelkabinen mit 80 cm breiten Betten, wenig Staufläche, aber Blick aufs Wasser.
Dusche, Waschbecken und WC sind im Gang zur Galley untergebracht, wo Innen-Steuerstand und
Kombüse sich einen hellen, geräumigen Raum am Bug teilen. Der Kühlschrank nimmt die Einkäufe vom
Markt auf, der jeden Montag Vormittag Castelnaudary in ein Schlemmerparadies verwandelt. Eine kleine,
steile Treppe führt an Deck mit Außensteuerstand und Panoramasitzecke, die rasch zum Lieblingsplatz
wird: beim Frühstück in der Kühle des Morgens wie beim abendlichen Apéritif.
Am sommerlichen Himmel ballen sich Gewitterwolken und lassen die Altstadt dramatisch im Licht
leuchten, als das Dreimädelstrio ablegt. Zwei Frauen und ein Kind. Oh, là là! Mit sichtlicher Neugier
schauen die Passanten zu. Bis zur ersten Schleuse sind es 170 m. „Kommt mal hoch in den Turm“, ruft
Schleusenwärter Jacques aus der geöffneten Fensterklappe, „dann könnt ihr sehen, was ihr vor euch habt!“
Die Écluse St-Roch, vier Staustufen, zwölfeinhalb Höhenmeter, und zig Hausboote, die gleichzeitig auf
und ab geschleust werden. Trotz Bootsführerschein hat Claudia kleine Sorgenfalten auf der Stirn, als sie die
nasse, schmale Leiter hinauf klettert, die Taue über die Schulter gelegt. Lara springt sicherheitshalber an
Land, nur der Skipper bleibt am Außenstand an Bord.
Mit ungeheurer Kraft schießt das Wasser durch die geöffneten Schleusentore, will das Boot von der Wand
wegdrücken, das an beiden Pollern beschlagen ist, vorn und hinten mit Leinen gehalten wird. Minuten
später ist der Spuk vorbei, liegt die Tango wieder träge im Wasser und wird mit den Leinen per Hand über
alte, gusseiserne Schleusenräder und Armaturen zur nächsten Schleusenkammer gezogen. Nach 30 Minuten
Anspannung die Erleichterung: Welch ein erhebendes Gefühl, die erste Schleuse gemeistert zu haben!
Schleuse um Schleuse
Ernüchterung bringt ein Blick auf das Emailleschild am Schleusenwärterhäuschen: 1.533 m sind es bis zur
nächsten Herausforderung, der doppelten Écluse de Gay, 1.653 m bis zur dreistufigen Écluse de Vivier.
Danach bleibt kaum noch Zeit, einmal den Schweiß von der Stirn zu wischen. 418 m weiter folgt
die Écluse de Guillermin, nur 523 m sind es danach bis zur Écluse de Saint-Sernin, die den Beginn
entspannteren Schleusens markiert. Die nächsten elf Schleusen haben nur eine einzige Schleusenkammer.
Mittlerweile längst ein eingespieltes Team, ist das Trio darauf bedacht, an jeder Schleuse eine gute
Vorstellung abzuliefern für die Radfahrer, Wanderer und Neugierigen, die das Schauspiel beobachten:
Perfekt in der Schleusenmitte einfahren, das große Boot gaaaanz sanft zum Halt bringen, dann die zwölf
Meter Stahlschiff in voller Länge an den Kai ziehen, nicht den Bug beim Abschleusen an der
Schleusenwand aufhängen lassen, nicht gegen die anderen Boote stoßen… Das Interesse der Passanten ist
stetig und ungebremst, an jeder Schleuse die gleichen Fragen. „Geht das wirklich ohne Führerschein?“ –
„…ist es denn so einfach?“, „woher kommen Sie?“ – „und schaffen Sie das, so ohne Mann?“
Besonders die letzte Frage scheint auch die Schleusenwärter zu beschäftigen. Und so wirft Claudia dem
Staatsdiener an der Écluse de Lalande mit einem charmanten Lächeln die beiden Taue entgegen und ruft:
„Merci.“ Verdutzt und stolz zugleich zieht er den Flachkieler durch die Doppelschleuse, während Claudia
in der Kombüse das Déjeuner vorbereitet: Salat, Oliven, Rosé und Käse – Mittag à la française. Vorn
scheint unbarmherzig die Sonne auf das Deck, in der flimmernden Luft liegt der Duft von Kräutern. Weit
schweift der Blick über das Land, über Sonnenblumen- und Weizenfelder, hin zu den schneebedeckten
Bergspitzen der Pyrenäen.
Jetzt sind alle Schleusentore geschlossen. Auch die Schleusenwärter gönnen sich nun bis halb zwei eine
Pause. Morgens wird von 9 bis 12.30 Uhr geschleust, nachmittags ist je nach Reisemonat zwischen 17 und
19 Uhr Schluss, Nachtfahrten auf dem Kanal sind verboten. Nach fünf weiteren Schleusen und sieben
Kilometern Fahrt tanzen die Strahlen der tief stehenden Sonne zwischen den Baumreihen, lassen die Fluten
in immer neuen Formen funkeln. Wasserlilien leuchten gelb am Ufer, Frösche quaken, Stille. Die „Tango“
liegt ruhig an einem kleinen Steg vertäut.
Ein verwittertes Holzschild informiert: La Boutique de l’Écluse, 1 km, artisanat, vin, pain, 9 – 21 heures.
An den aufgestellten Holztischen sitzen Jean Louis Aillaud und seine Frau Fréderique. Beide haben sich in
ihrer Heimat Île de Réunion kennen gelernt, in vielen Orten der Welt gearbeitet und hier ihre Wurzeln
geschlagen: an der Écluse de Peyruque. Im Schleusenwärterhäuschen verkauft Frédérique
Selbstgetöpfertes, hausgemachte Marmelade, Honig der Region, Confit, Cassoulet und Croissants.
Abends genießen beide ein Glas Rotwein mit den Gästen, die mit den Pénichettes den Kanal entlang
schippern. Einsamkeit oder Langeweile kennen sie nicht: „Zu uns kommt die Welt.“ Gestern zwei Japaner
mit Mountain Bikes, heute morgen eine Familie aus Melbourne, die im Hausboot unterwegs war, und jetzt
das deutsche Trio. Es wird gelacht und getrunken, das Kind spielt mit den Hunden, die Uhr hat Urlaub.
Immer neue Tipps für Ausflüge und Abstecher fallen Frédérique und Jean Louis ein. „Nach dem nächsten
„bief“, so nennen die Franzosen die Strecke zwischen zwei Schleusen, müsst ihr festmachen und
nach Villepinte bummeln, im einstigen Keller der Wein-Kooperative Glaskunst angucken, danach
in Bram angelegen, einer kleinen Stadt mit kreisrundem Grundriss. Da gibt es mitEburomagus ein tolles
gallo-römisches Museum und eine Ölmühle, die 25 verschiedene Bio-Olivenöle produziert! Und wenn ihr
zwischen Alzonne und Pezens seid, radelt doch einmal durch Weingärten der Cabardès an den Hängen der
Montagne Noire. Und dann sind es nur noch vier Schleusen bis zur größten Festung Europas, der Cité von
Carcassonne…“
Doch wieder sind es die Schleusen, die den geplanten Reiseverlauf überraschend ändern. „Die staatlichen
Schleusenwärter streiken“, flüstert es von Bord zu Bord. Donnerstag, vielleicht auch Freitag. Da heißt es
dann schon Mittwoch: zurück zur Basis. Die vielen Schleusen? Pas de problème. Am ersten Streiktag
fahren die Frauen per Bahn zur imposanten Burg. Als sie den Bahnhofsvorplatz überschreiten, treffen sie
wieder auf den Canal du Midi. In der schmalen Schleuse drängen sich drei Boote. Lauter Männercrews, das
Bier in der Hand, die Leine lässig auf der Schulter – bis sie plötzlich beim nächsten Schluck mit einem
lauten Platsch ins Wasser fällt. Die drei Frauen blinzeln sich zu.
Info
Anreise: Mit Germanwings, Lufthansa oder Air France nach Toulouse, Leihwagen oder SNCF bis
Castelnaudary
Hausbootvermietung: Le Boat, c/o Crown Blue Line GmbH, Theodor-Heuss-Str. 53-63, Eingang D, 61118
Bad Vilbel, Tel. 06101/55 791 75, www.leboat.de; Preise: Die „Tango“ kostet je nach Reisezeit 1.400 –
2.700 Euro pro Woche zuzügl. Nebenkosten für Betriebskosten (Wasser, Diesel, Gas), Liegegebühren,
Versicherung. Tipp: Leihräder gleich mit mieten!
Souvenir: Die Köstlichkeiten der Region gibt es auch als Gourmet-Konserve: Cassoulet, Confit de Canard
und Rillettes.
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