Kriminalgeschichten der Klasse 9b - Dietrich-Bonhoeffer

Transcription

Kriminalgeschichten der Klasse 9b - Dietrich-Bonhoeffer
Kriminalgeschichten der Klasse 9b
Tödliche Gier von Simon Deitenbeck………………………………………………………….. 1
Schrei für mich! von Celina Tust………………………………………………………………… 7
Für ein paar Dollar mehr von Susanne Oesinghaus………………………………………………… 16
In allerletzter Sekunde von Christine Zeher………………………………………………………... 20
Im Fadenkreuz von Alexander Kubin……………………………………………………………27
Atemlos von Sophie Messer…………………………………………………………………. 32
Das Casino von Fabio Battiato………………………………………………………………… 37
Die Wolfsmaske von Kaja Hecker……………………………………………………………….. 41
Eine Kriminalgeschichte von Jonas Zahra…………………………………………………………… 46
Rache von Christopher Michel……………………………………………………………… 51
KID von Kim Gadomski…………………………………………………………………... 55
Alte Freundschaften von Ann-Kathrin Matz……………………………………………………….60
Der Regentag von Celina Kutzner……………………………………………………………… 65
Tödliche Blicke von Chris Verfuß………………………………………………………………. 70
Eine Kriminalgeschichte von Oliver Mathiak………………………………………………………... 75
Mord im Nebel von Patrick Griesbach…………………………………………………………. 81
Verzweiflung von Yannick Pestka……………………………………………………………… 88
Mord an Bord von Yannik Raddatz…………………………………………………………….91
Eine Kriminalgeschichte von Rabia Gür…………………………………………………………....... 97
Cold Blood von Torben Bagusat……………………………………………………………… 102
Rache von Björn Beuke……………………………………………………………………... 108
Über den Wolken von Florencia Egger…………………………………………………………... 112
Zugeschneit von Gözde Akman………………………………………………………………… 116
Zwei Freundes Tod für Zwei Freundes Glück von Markus Brenken………………………………………… 123
Rot-Kariert von Laura Müller………………………………………………………………… 127
Spiel des Todes von Ezgi Yilmaz……………………………………………………………….. 131
Mord mit Ansage von Niklas Kastner…………………………………………………………… 135
Tödliche Gier
von Simon Deitenbeck
Es war kühler geworden als Sheriff Stonewood aus dem kleinen Büro des
Polizeireviers trat. Der Winter stand vor der Tür und die meisten Leute saßen zu
Hause oder auf der Arbeit, im Warmen jedenfalls. Doch Stan Stonewood musste jetzt
da raus, denn kaum hatte er an seinem frisch gebrühten Kaffee genippt, klingelte das
Telefon und eine Frau behauptete, ihr Nachbar wäre angeblich verschwunden. „So ein
Unsinn!“, fluchte Stonewood und stapfte über den kleinen Parkplatz zu seinem
Dienstwagen, einem Ford Explorer. Wahrscheinlich war der Mistkerl einfach nur
übers Wochenende zu seiner Familie nach Denver, oder sonst wo gefahren. Er stieg in
den Wagen, schaltete die Heizung an und fuhr los. Seit er vor fünf Jahren in die
Fußstapfen seines Vaters getreten war und Sheriff von Ally Spring, einer kleinen Stadt
nahe Denver, geworden war, passierte hier eigentlich nicht viel Aufsehenerregendes,
Mal wird ein Hund überfahren oder besoffene Jugendliche randalieren, aber sonst gar
nichts. Er lenkte den Ford auf einen kleinen Parkplatz, direkt vor der ihm genannten
Adresse und stieg aus. Dieser Wind war echt zum Kotzen. Eine Frau kam aus dem
Haus zum ihm herüber. Er schätze sie auf Mitte Vierzig, hochgestecktes, braunes Haar
und ein freundliches Gesicht. „Vielen, Dank dass sie gekommen sind Sheriff, ich hab
hier die Ersatzschlüssel, lassen sie uns gleich rübergehen“, sagte Sie und Stonewood
bejahte das mit einem Brummen. Sie gingen zum dem danebenliegenden Haus.
„Warten Sie, ich klopfe erst ein paar Mal.“, erklärte der Sheriff der Frau diesmal
freundlicher. Aber niemand öffnete. „OK, jetzt können sie aufschließen.“ Mit einem
leisen Klicken öffnete sie die Tür und Stonewood ging voran. „Mister Blasedale? Sind
sie zu Hause?“, rief er, während er langsam durch den dunklen Flur ging. Plötzlich
stieg ihm ein Geruch in die Nase, der aus der Richtung des Wohnzimmers zu kommen
schien. Er erinnerte ihn irgendwie an eine Metzgerei und eine dunkle Vorahnung
überfiel ihn auf einmal. „Würden sie bitte zurück in ihr Haus gehen, Ma'am.“ befahl er
der Nachbarin barsch, aber in beherrschtem Ton.
„Oh...OK, aber wieso...“
„Keine Fragen, gehen sie bitte.“ Die Frau gehorchte und drehte sich mit einem
nervösen Blick auf dem Absatz um. Stonewood hingegen atmete tief durch und zog
seine Dienstwaffe. Er ging langsam auf das Wohnzimmer zu und trat durch den
1
Türrahmen hinein. Der Geruch wurde unerträglich und es war nichts zu sehen, da die
Rollläden herunter gezogen waren. Der Sheriff suchte den Lichtschalter und legte ihn
vorsichtig um. Was er dann sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Der Fahrer lenkte die schwarze Limousine auf einen Parkplatz nahe dem abgesperrten
Bereich und Captain William Dearing stieg aus. Hinter ihm verließ Special Agent
John Harper den Wagen und sie gingen gemeinsam in den Sperrbereich, ein
uniformierter Beamter hielt ihnen nach Vorlegen des Ausweises das gelbe
Absperrband hoch. Sie kamen beide aus Denver, aber so ein Verbrechen verlangt nach
dem FBI und sein Freund Harper wollte Dearing unbedingt dabei haben. Der Himmel
war ein einziger hellgrauer Schleier und leichter Nieselregen veranlasste Dearing seine
Jacke fester zu schließen. Harper schien das nicht zu stören er redete bereits mit einem
dickleibigen Mann in Uniform und Sheriff Stern, wahrscheinlich der zuständige
örtliche Sheriff. „Ah, Bill, da sind sie ja“, begrüßte ihn Harper, „ich habe schon mit
Sheriff Stonewood geredet, er hat die Leiche vor ca. 2 Stunden gefunden. Wollen wir
gleich rübergehen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten stiefelte Harper los und Dearing
folgte ihm zwischen den Beamten hindurch, die alle einer anderen Arbeit nachgingen.
Im Haus hingegen war es fast gänzlich leer, bis auf die Leute von der Spurensicherung
und den Gerichtsmediziner, der über die Leiche gebeugt war. Es war kein schöner Tod
gewesen. Dieser Mistkerl hat den armen Mann ja richtiggehend ausbluten lassen.
„Guten Morgen“, begrüßte Harper den Mediziner fröhlich wie immer, „was können
Sie uns zur Todesursache sagen?“ Der Mann stand auf und guckte sie an. „Nun ja, er
ist verblutet durch einen Stich mit einem Küchenmesser in den Hals, das sehe ich ohne
Obduktion. Und ich vermute, er wurde vor seinem Tod getreten, er hat Hämatome am
Bauchbereich, die jünger sind als die am Hals. Der Täter hat ihn erst verletzt und dann
verprügelt. Ein ziemlich brutaler Mord. Vielen Dank. Wir werden uns noch ein wenig
umsehen“, gab Harper zum Besten und schaute sich um. Der Gerichtsmediziner nickte
und beugte sich wieder über die Leiche. Harper und Dearing kannten sich schon lange
und hatten viele Fälle zusammen gelöst. Der letzte hatte sehr an seinen Nerven gezerrt,
Harper schien davon völlig unbeeindruckt gewesen zu sein. Aber das war vorbei, sie
hatten jetzt einen neuen Fall wie es schien. Plötzlich fiel Dearing auf, das Harper
verschwunden war, als er sich mit seinen Gedanken beschäftigt hatte. Aber da tauchte
der FBI-Agent auch schon wieder aus einem Raum auf und hielt eine Tüte mit einem
Messer in der Hand. „Die Tatwaffe“ verkündete er stolz, „es sind Fingerabdrücke
darauf, die nicht dem Opfer gehören. Er hatte auch keine Familie, die hier lebt. Es
2
müssen also die des Täters sein.“ Captain Dearing nickte und sagte: „Unsere erste
Spur also.“ Einen Moment verfielen sie in Schweigen, bis Harper unterbrach: „ Ach
Bill, könnten sie zum Bürgermeister fahren und ihn auf den neuesten Stand der
Ermittlungen bringen. Er hatte mich darum gebeten und ich weiß, Sie können so etwas
besser.“ Immer musste er 'so etwas', wie Harper es ausdrückte, erledigen. Aber
verdammt! Er hatte Recht. Dearing konnte so etwas wirklich besser.
Das Büro des Bürgermeisters war riesig. Dearing saß an einem kleinen Tisch gegenüber vom
Bürgermeister, ein kleiner Mann mit Halbglatze im Anzug. Neben ihm ein Mann, der ihm als
Thomas Greedy vorgestellt wurde. Ihm gehörte die halbe Stadt hier und er verdiente
Unmengen an Geld damit. Er hatte ein Whiskyglas in der Hand und schwenkte es leicht.
Dearing hasste solche Leute. Sie scherten sich kein bisschen um das Leben anderer. „Es ist
wirklich tragisch, was passiert ist“, sagte der Bürgermeister traurig. „Ja, wirklich
tragisch“ sagte auch Greedy ohne die reinste Regung. „So ein Snob“, dachte Dearing, sagte
aber etwas anderes: „Wir haben Fingerabdrücke an dem Messer gefunden, die vom Täter
stammen und unsere Datenbanken nach den Fingerabdrücken untersuchen lassen. Es wäre
aber ein großer Zufall, wenn sie registriert wären. Der Täter würde wohl kaum so
unvorsichtig sein, wenn er vorbestraft ist.“ Greedy blickte ihn erstaunt an. „Ach, sie haben
Fingerabdrücke des Täters?“, sagte er. „Ja, es war wohl eine echte Verzweiflungstat. Wir
werden ihn bald haben“, antwortete Dearing. „Schön das zu hören. Wenn sie mich
entschuldigen, die Geschäfte rufen.“, verabschiedete sich Greedy und Dearing ergriff die
Gelegenheit: „Ich werde mich auch wieder an die Ermittlungen machen. Herr
Bürgermeister.“ „Auf Wiedersehen, meine Herren“, sagte der Bürgermeister und sie verließen
den Raum.
Wenig später, Dearing war zu Hause und machte sich gerade etwas zu Essen, klingelte das
Telefon. „Hallo Bill, hier ist John, könntest du morgen zum Büro des Sheriffs kommen? Es
hat sich etwas Neues ergeben.“ meldete sich Harper und Dearing antwortete ein wenig
zerknirscht: „ Ja ... klar.“
„OK, danke Bill dann bis morgen.“ beendete Harper das Gespräch und hängte auf. Aber das
war seine Art. Dearing hatte eigentlich keine Lust, morgen so früh wieder nach Ally Spring
rauszufahren. Seine Hoffnungen, die Ermittlungen wie immer hier durchzuführen, waren eh
sinnlos. Jetzt machte er sich erstmal was zu essen und dann schaute er sich ein Football Spiel
an.
3
Ein neuer Tag erwachte in Denver und Captain Dearing war gerade dabei seinen Schlüssel
aus der Kommode im Flur seines kleinen Appartements zu holen, als sein Handy klingelte.
„Ja“, meldete er sich tonlos. „Guten Morgen Bill, ich hoffe, sie haben gut geschlafen. Ich rufe
an, weil es eine kleine Änderung an unserem Treffpunkt gibt.“, meldete sich Harper mit
ungewöhnlich ernster Stimme. Dearing wurde sofort hellhörig. „Es hat einen weiteren Mord
gegeben. Kommen sie bitte zur Borderless Road 45. Wir treffen uns dort in einer halben
Stunde, OK?“
„Äh ja, Ok.“ stammelte Harper, der von der neuen Nachricht so überrascht war, dass er
einfach auflegte. Als er sich wieder gefangen hatte, steckte er seinen Schlüssel ein und nahm
den Aufzug nach unten. Seit seine Frau und er sich getrennt hatten, lebte er in diesem
Appartement. Aber sich hatten sich nicht im Streit getrennt. Er konnte seinen Sohn, sehen
wann immer er wollte und war nicht mehr gebunden. Eigentlich sollte er zufrieden sein, aber
irgendwie war er es nicht. Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen als er an seinem Auto
ankam und aufschließen musste. Er legte seine Sachen auf den Beifahrersitz und lenkte den
Wagen aus dem Parkplatz raus. Eine halbe Stunde später hielt das Auto vor der von Harper
genannten Adresse. Dearing stieg aus und betrachtete das Haus, welches von Polizisten
umschwärmt wurde. Die Sonne schien auf das Dach, es war ein schöner Tag, trotzdem
ziemlich kalt. Harper war nirgends zu sehen deshalb entschied der Captain ins Haus zu gehen.
Das Szenario, was ihm sich dort bot, war in ungefähr das gleiche wie bei dem vorherigen
Mord auch. Der Gerichtsmediziner beugte sich über eine, diesmal weibliche, Leiche. Harper
stand mit ernster Miene neben ihm. Das Haus war sehr groß, die Leiche lag auf dem
blutverschmierten Teppich im Wohnzimmer, welches mit großen Ölgemälden geschmückt
war. An einem davon klebte Blut, wahrscheinlich ist das Opfer dagegen gestolpert. „...
gleiche Ursache, “ hakte Dearing sich in das Gespräch des Gerichtsmediziners ein, „und ich
vermute gleiche Vorgehensweise.“
„Vielen Dank, “ sagte Harper, „ nun mein Lieber Bill, wir haben diesmal keine Spuren, aber
es war bestimmt der gleiche Täter, da bin ich mir sicher. Wir müssen ihn nur noch finden.“,
wandte er sich an Dearing. Der glotze ihn an. „Sie wissen, wer es war, John?“ „Ja, habe ich
ihnen das nicht erzählt? Ach nein, deswegen hatte ich sie ins Büro des Sheriffs gebeten. Nun
ja, die Fingerabdrücke sind in unserer Datenbank vermerkt. Es war ein gewisser Daniel
Johnson, hat 9 Jahre wegen versuchtem Mord an seiner Frau im Gefängnis verbracht, ist seit
2009 wieder frei. Sein letzter Aufenthaltsort war in Denver, ganz im Süden der Stadt.
4
Allerdings vermute ich, dass er sich nicht dort aufhält. Wir müssen ihn unbedingt kriegen,
Bill.“
„Findest Sie nicht auch, dass die Lösung viel zu einfach klingt, John?“
„Ich weiß, Bill, ich weiß, aber das ist eindeutig seine DNA an dem Messer. Er war es.“
Eine kühle Nacht brach an und die letzten Sonnenstrahlen hatten sich schon vor einer halben
Stunde verflüchtigt. Lily Mercour stand auf ihrer Veranda und blickte in den schwach
erleuchteten Garten mit seinen vielen Blumen und dem künstlichen Bachlauf. Sie war tief in
Gedanken versunken, über ihren Job und den neuen Chef, es war im Moment echt nicht
einfach. Doch plötzlich ließ sie ein Geräusch hochfahren. Es hatte sich angehört wie ein Tier,
was auf Holz springt. Ein Tier? Oder ein Mensch? Sie musste unwillkürlich an die beiden
Morde denken, die in den anliegenden Vierteln geschehen waren. Vorsichtig ging sie ins
Haus und schloss die Glastür zur Veranda. Vielleicht war es auch ihr Mann, der nach Hause
kam. „Schatz?“ rief sie, „bist du es?“ Keine Antwort. Aber da waren eindeutig Schritte, jetzt
ganz nahe in der nebenan liegenden Küche. Lilys Herz wummerte heftig und die Angst
schnürte ihr die Kehle zu. Ein kreischendes Geräusch ertönte aus der Küche, wie schleifendes
Metall. „Er stiehlt sich Küchenmesser des Opfers.“, dachte sie, „Genau wie bei den
anderen.“ So stand es in der Zeitung. Sie löste sich aus ihrer Angst Starre und hastete zu dem
Telefon. Sie wählte die 911 und es kam ein Freizeichen. Aus den Augenwinkeln sah sie eine
Gestalt ins Zimmer stürmen, sie rannte mit dem Telefon los und preschte durch die
geschlossene Glastür. Ihr Gesicht wurde zerschnitten und ein harter Aufprall bestätigte ihre
Vermutung, dass sie die Tür durchbrochen hatte. Der Täter war anscheinend verwirrt durch
ihre plötzliche Aktion, sodass ihr Zeit blieb sich aufzurichten und loszulaufen. „...hallo ist da
jemand?“, tönte es aus dem Telefon. Mittlerweile nahm die Gestalt die Verfolgung auf,
während sie durch die Dunkelheit in den großen Garten rannte. „Sheriff, bitte helfen sie
mir...der Killer...er ist hier und will mich töten. Er verfolgt mich“, stammelte Lily. „Was, wo?
Wo wohnen sie, ich komme sofort Rennen sie auf die Straße!“ brachte der aufgeregte Sheriff
hervor. Er hörte noch wie die Frau „Lembar Road 15“ stammelte und dann ein dumpfes
Geräusch erklang und das Telefon tutete. „Scheiße“, fluchte Stonewood und hastete zu dem
Wagen. Er raste wie ein Irrer, während er Harper informierte, der sich zum Glück noch näher
als er am Wohnort des Opfers befand. Er versprach ihm sofort dort hinzufahren. Stonewood
fuhr immer noch unglaublich schnell. Er würde trotzdem mindestens 10 Minuten brauchen.
Als er endlich ankam erblickte er ein seltsames Szenario. Captain Dearing hielt einen Mann in
5
Schach und legte ihm Handschellen, an während Harper sich um eine scheinbar verletzte Frau
kümmerte. „Sheriff, wir haben ihn, das ist unser Mann.“, sagte Dearing stolz, „er hat sie
angegriffen, aber nur leicht am Arm verletzt, ein Notarzt ist unterwegs. Er hat noch nicht
geredet, aber bald haben wir Beweise wenn wir die DNA verglichen haben.“ Harper nickte
zustimmend und Stonewood sagte: „ Gut gemacht, meine Herren.“
Thomas Greedy war eben zurück vom Bürgermeister, um den beiden Ermittlern zu
gratulieren. Sein Plan war wunderbar aufgegangen, die Grundstückswerte waren durch die
Morde so drastisch gesunken, dass es ein leichtes war 60 % der Anteile zu kaufen. Nun
gehörte ihm so gut wie die ganze Stadt, und das Wichtigste war, diese letzten Viertel auch.
Denn diese Anteile machen ihn zu dem Hauptbesitzer der Grundstücke und alles, was auf
ihnen zu finden wäre. Oder unter ihnen. Er war so zufrieden, dass er leise pfiff, während er
sich seinen Mantel anzog und seine Schlüssel suchte, die noch auf dem großen Mahagoni
Küchentisch lagen. Dummerweise hat dieser Idiot von Johnson sich fangen lasse, wie kann
man auch so blöde sein sich keine Handschuhe anzuziehen und das Messer vergessen.
Nächstes Mal würde er sich seine Leute besser aussuchen. Wenn Johnson redet, wäre er tot,
und dass wusste er. Er legte die Hand an die Türklinke und zog sie mit einem Lächeln auf den
Lippen auf. Plötzlich leuchtete ein grelles Licht ihn an, Schreie tönten durcheinander und er
wurde hart zu Boden geworfen. Als er sich benommen aufrichtete, hatte er Handschellen an
und dieser Harper stand vor ihm. „Ihr Spiel ist aus, Greedy.“ sagte er selbstzufrieden. Dieser
Bastard. „Sie haben nichts gegen mich...“, fing Greedy an doch Harper unterbrach ihn: „Sie
haben das Recht zu schweigen.“ „Aber wie...“, versuchte es Greedy wieder. Harpers Blick
ließ ihn verstummen, doch dann erklärte er: „Ich hatte das Gefühl mit Johnson hätten wir den
Täter gefangen, ich dachte, es wären Verzweiflungstaten, ein psychisch gestörter Mann, der
Leute tötet. Aber mein Freund Bill fühlte sich nicht wohl mit dieser Lösung. Er bat mich, das
FBI danach zu ersuchen, alles über diesen Mann herauszufinden. Und Einiges machte auch
mich hellhörig. Zum Beispiel ist nach jedem Mord eine Summe von 10.000 Dollar auf sein
Konto eingegangen. Außerdem haben wir seine Telefonkontakte überprüft und er hat mit
ihnen telefoniert.“
„Verdammt, ich habe ihm gesagt, er solle ein Handy benutzen und es danach wegwerfen. Und
das Konto sollte auf falschem Namen laufen. Dieser...“ unterbrach ihn der tobende Greedy der
von zwei Officers festgehalten wurde. Harper ließ ein Lächeln auf seinen Lippen spielen, was
Greedy stutzig machte. Dann verstand er. Das war eine Falle und er war hinein getappt. „Nun
ja, mein lieber Greedy, dann erklären sie mir doch mal, warum? Ich konnte es mir nicht
6
erklären, warum ein so erfolgreicher Mann so etwas tun würde.“ Greedy schnaubte. „ Nun gut,
es ist eh alles vorbei. Es war das Öl. Ich habe damals durch private Proben aus dem
Wasserwerk diese zufällige Entdeckung gemacht. Doch leider waren die Grundstücke, wo die
Ölvorkommen lagen nicht in meinem Besitz. Jetzt wären sie es gewesen und hätten mich
unglaublich reich gemacht.“ Greedy hörte auf zu toben und ließ den Kopf hängen. Harper gab
den Befehl zum Abführen.
Captain William Dearing sah dem gepanzerten Wagen nach, der Greedy in die
Untersuchungshaft bringen würde. Die Sonne ging unter und das orange-rote Licht ließ alles
so friedlich erscheinen. Er lächelte. „Mein Lieber John, das haben wir prima gemacht.“ sagte
er. Harper nickte nur. Dieser Fall hatte echt an Dearings Nerven genagt. Doch jetzt würde er
erstmal nach Hause fahren und sich entspannen. Und dann würde er seinen Sohn besuchen,
gleich morgen früh.
Schrei für mich!
von Celina Tust
Montreal, Montag, 7. März, 6:30 Uhr
Das Erste, was Joanna Crighton wahrnahm, war ihr eigener keuchender und flacher Atem. Ihr
Blut rauschte in ihren Ohren. Was ist passiert? Denk nach Joanna, denk nach! Sie erinnerte
sich noch daran, dass sie jemand hochgehoben und aus ihrer Wohnung weggezerrt hatte.
Auch an den Schlag ins Gesicht konnte sie sich erinnern, alles was danach passiert war, war
weg. Mit der Erinnerung an den Schlag kam der Schmerz. Ihre Augen brannten höllisch und
die Stricke schnitten ihr schmerzhaft in Hand- und Fußgelenke. Sie versuchte sich zu
bewegen. Keine Chance. Joanna, konzentriere dich, wo bist du? Sie starrte mit zitterndem
Blick umher. Die Dunkelheit lastete kalt und schwer auf ihren Schultern und machte es ihr
unmöglich, etwas in ihrer Umgebung zu sehen. Sie hörte das Klacken eines Riegels und
plötzlich war keine Zeit mehr nachzudenken. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Ein Schatten
löste sich aus der Dunkelheit und kam auf sie zu. Groß und dunkel kam er vor ihr zu stehen.
Kalte Hände packten sie, trennten ihre Fußfesseln und knoteten diese um ihren Hals. Eine
tiefe männliche Stimme sprach zu ihr. „Du folgst mir ohne Widerstand. Versuch gar nicht erst
zu schreien, es ist niemand da, der dich hören könnte. Ist das klar?“ Sie antwortete nicht. Ein
heißer Schmerz durchfuhr ihren Schädel und ihr wurde bewusst, dass er sie hart geschlagen
7
hatte. „Ist das klar, habe ich gefragt!“ „Ja.“ wimmerte sie. Er zerrte sie wie einen Hund hinter
sich her und führte Joanna in einen anderen Raum. Irgendwas kam ihr an dem Raum bekannt
vor, sie konnte aber nicht sagen, was. Diesmal gab es eine von der Decke herabbaumelnde
Glühbirne, aber sie war so schwach, dass sie nur grobe Umrisse erkennen konnte. Joannas
Herz hämmerte heftig. Der Mann war in einem großen, weißen Maleranzug gekleidet, so dass
man unmöglich seine Körperform darin ausmachen konnte. Seinen Kopf umgab eine
Schwarze Maske mit 2 Schlitzen für die Augen, die grausam und voller Hass auf sie
herabblickten. Er löste den engen Strick von Joannas Hals und fesselte sie auf einen Stuhl.
Eine böse Vorahnung stieg aus ihrem Bauch auf und Furcht raste durch all ihre Glieder. Vor
ihr war ein Tisch mit allen möglichen Messerarten, die man sich nur vorstellen konnte. In der
Mitte des Tisches stand ein kleines Tonaufnahmegerät. Du wirst sterben. Er will dich sterben
hören. Ihr Körper zuckte und zitterte vor Angst. Der Mann kam jetzt zu ihr und zog die
Maske von seinem Kopf. „Schrei für mich, Joanna.“ Sie konnte es kaum fassen, als sie
erkannte, wer vor ihr stand und sie mit rachsüchtigem Grinsen anblickte. ein, nein, das darf
nicht wahr sein. Aber dann war keine Zeit mehr irgendetwas zu fühlen oder zu denken, denn
da waren nur noch Fragen, Angst und Leere. Zum ersten Mal in ihrem Leben wusste sie, wie
es war, keinen Funken Hoffnung mehr zu haben.
Montreal, Donnerstag, 10. März, 14:42 Uhr
Detective Matt Nillson betrachtete eingehend die brutal zugerichtete Frauenleiche. Tot, mit
weit aufgerissen Augen starrte sie die Zimmerdecke an. Neben ihm stieß Detective Samantha
Altman einen langen Seufzer aus. Samantha war seit drei Jahren seine Partnerin in der
Mordkommission. Sie waren ein gutes Team und konnten sich vertrauen. Die junge Frau vor
ihnen war auf grausamste Art verstümmelt und gefoltert worden. Ein lauter Schluchzer von
Mia Crighton ließ ihn schließlich den Blick von der Leiche abwenden. Es war Zeit für
Anweisungen. „Niemand fasst etwas an. Die Kollegen werden den Tatort sichern. Hat jemand
schon die Spurensicherung gerufen?“ „Gerade erledigt, sie sind bereits auf den Weg und
müssten in Kürze eintreffen.“ erwiderte Samantha. „Ok. Dann zum weiteren Vorgehen: Ich
werde ein paar Nachbarn befragen, während Altman Aussage von Ms. Crighton nimmt und
zusieht, dass sie von hier weggebracht wird. Was den Rest angeht: Macht euch vom Acker
und gebt keinen Kommentar zur Presse, ich möchte das Donner die Leiche heute schon
anfängt zu untersuchen, damit wir morgen bereits Bluttests vorliegen haben. Wir treffen uns
Morgen früh im Versammlungszimmer. Euch allen viel Erfolg.“ Die Menge löste sich auf und
Matt machte sich auf den Weg zu möglichen Zeugen eines Mordes.
8
15:02 Uhr
Der Killer war zufrieden mit sich. Er hörte sich den Schrei jetzt schon zum fünften Mal an
und bekam immer noch nicht genug. Er klickte wieder auf Play und ein qualvoller Schrei
ertönte aus dem CD-Player. Perfekt. Du hast gute Arbeit geleistet. Nun ja, er hatte ja auch
lange Zeit mit Planung, Warten und Übung verbracht. Er wollte fehlerfreie Arbeit und hatte
sich dafür viele Jahre bis zum richtigen Moment gedulden müssen. Aber jetzt hatte er es
endlich vollbracht und bereute nichts. Gar nichts. Das Endergebnis war grandios. Er hatte die
Leiche zurück zur Wohnung gefahren und sie dort achtlos in die Küche geschmissen. So wie
sie sich es verdient hat. Er war kein grausamer Mensch. Nein. Aber diese abscheuliche
Kreatur hatte sich nichts mehr als ein Ende voller Leid und Qualen verdient. Außerdem hatte
er einen gewissen Kick verspürt, als sie den letzten Atemzug tat. Die Zeit schien still zu
stehen und er hatte diesen lang erwarteten Moment sehr genossen. Bald, bald wirst du es noch
einmal spüren. Oh ja, aber er musste sich zusammenreißen. Sobald die Leiche entdeckt
worden war, konnte er weitermachen. Hoffentlich in ein paar Tagen.
15.23 Uhr
Es kostete Samantha viel Überwindung Mia Crighton in diesem schrecklichen Zustand zu
befragen. Gerne hätte sie sie im Arm genommen und getröstet, aber Matt und sie standen
unter Zeitdruck und brauchten dringend Hinweise. „Ms. Crighton, wann hatten sie mit ihrer
Schwester das letzte Mal Kontakt?“ Die hübsche Brünette sah dem Opfer verblüffend ähnlich,
sie hatten beide braune Haare und grüne Augen. Mia schniefte, holte Luft und beantwortete
schließlich stotternd Samanthas Frage: „Meine Schwester und ich haben vor kurzem
telefoniert. Sie hat gefragt, ob wir mal wieder etwas zusammen unternehmen wollen. Sie
wollte mich bis Dienstag noch einmal anrufen. Als sie sich nicht meldete, habe ich bis
Mittwochabend dann selber versucht sie zu erreichen, aber sie ging nicht ran. Also bin ich zu
ihr gefahren und überall war Blut. So viel Blut. Und dann ihr Körper- nein. Oh Gott, wieso
sie?“ Sie schluchzte. Samantha stellte mitfühlend die nächste Frage: „Hatte ihre Schwester
irgendwelche Feinde? Oder hatte sie irgendetwas Ungewöhnliches erwähnt?“ „Nein, Joanna
war sehr friedlich. Sie hatte sich immer bemüht ein gutes Verhältnis zu ihren Mitmenschen zu
haben.“ Samantha hörte ganz aufmerksam zu. „Gibt es ansonsten noch Dinge, die ich über
Joanna wissen sollte?“ „Sie hat sich vor zwei Monaten von ihrem Freund getrennt, aber sie
sagte immer wieder, dass sie drüber hinweg sei und es die richtige Entscheidung
war.“ „Kennen sie zufällig Name und Adresse des Ex-Freundes?“ Mia legte das Taschentuch
zur Seite und holte Notizblock und Stift aus der Küche. Samantha hatte vorgeschlagen Ms.
Crighton in ihrem eigenen Haus zu befragen, weil sie dann endlich nicht mehr die grauenvoll
9
zugerichtete Leiche sehen musste. Mia reichte ihr den Zettel und Samantha steckte ihn ein.
„Vielen Dank, Ms. Crighton, Sie haben mir sehr geholfen. Gibt es noch irgendjemanden, der
informiert werden muss? Eltern?“ „Danke, aber unsere Eltern sind beide an einem Unfall früh
gestorben. Mein Bruder Andrew kommt morgen angereist. Ich habe ihn eben angerufen.
Ansonsten gibt es Niemanden. Detective, eines noch: Meine Schwester war gerade erst 25
Jahre geworden. Sie hatte das Leben praktisch noch vor sich. Bitte finden sie den
Mörder.“ „Wir werden unser Bestes geben. Sie werden von mir hören.“ Samantha drückte
Mias Hand und lächelte ihr aufmunternd zu, bevor sie das Haus verließ und David Polter,
dem Ex-Freund von Joanna einige unangenehme Fragen stellen würde.
Montreal, Freitag, 11.März, 7:25 Uhr
Matt Nillson hörte Donald Donner, dem Rechtsmediziner aufmerksam zu, als dieser seine
Untersuchung zusammenfasste: „Die offizielle Todesursache von Joanna Crighton waren die
15 Messereinstiche. Die Größe der Einstiche war unterschiedlich, woraus man schließen kann,
dass der Mörder verschiedene Messerarten verwendet hat. Der Todeszeitpunkt war wohl
zwischen 5-7 Uhr am Montagmorgen. Die Bluttests, die heute angekommen sind, zeigen
Spuren von Betäubungsmittel. Joanna Crighton wurde ohne Zweifel gequält und mehrmals
bewusstlos geschlagen. Sie hat am ganzen Körper Schwellungen. Sie hat zwei gebrochen
Rippen und am Hals sind Würgemale zu erkennen. Abgesehen davon wurde sie an Hand- und
Fußgelenken gefesselt, da dort die Haut stark gereizt und abgeschürft ist. Genaueres kann ich
noch nicht sagen.“ Matt bedankte sich für die Informationen und Samantha erhob sich und
stellte ihre Ergebnisse vor: „Mia Crighton, die Schwester des Opfers gab mir die Adresse von
Joannas Ex-Freund, David Polter. Er war ernsthaft bestürzt, ich glaube nicht, dass er in die
Sache verwickelt ist. Ich denke wir schaffen es nicht ohne einen Profiler.“ Matt meldete sich
zu Wort: „Ich habe einen für uns. Mia hatte mich heute Morgen angerufen und die Hilfe ihres
Bruders, Andrew Crighton, angeboten. Er ist Profiler und möchte gerne bei den Ermittlungen
helfen, da er während des Aufenthalts in Montreal nicht untätig herum sitzen möchte. Wir
werden seine Hilfe brauchen, denn auch ich war gestern, auf der Suche nach Zeugen,
erfolglos.“ Die Kollegen stimmten Nillson zu und die Versammlung war vorüber.
Montreal, Sonntag, 13. März, 1:34 Uhr
Mia Crighton seufzte tief und blickte aus dem Fenster. Sie konnte nicht schlafen. Seit
Donnerstag nicht mehr. Seit dem sie die schreckliche Leiche gesehen hatte. Ihr Magen knurrte.
Mia ging in die Küche und machte sich ein Sandwich. Ihr Bruder Andrew hatte sie nicht
wirklich getröstet, aber das wunderte sie nicht. Er war schon immer kein Mann der großen
10
Gefühle gewesen. In ihrer Kindheit hatten sie sich andauernd gestritten und geschlagen. Er
hatte sich ein Zimmer im Hay Hotel gebucht. Während sie im Kühlschrank nach dem Käse
suchte, wurde ihr bewusst, dass sie sich seit Tagen nicht mehr um die Post gekümmert hatte.
Sie ging zum Postkasten und machte ihn verschlafen auf. Sie hatte definitiv zu wenig Schlaf
und zu viel Kaffee in den letzten Tagen gehabt. Er war überfüllt mit Werbung und Flyern. Sie
brachte den Stapel ins Haus. Abrupt hielt sie inne. Mia sah etwas Ungewöhnliches. Etwas,
was nicht in den Briefkasten gehörte. Einen CD- Player. Wer schickt dir bitteschön einen CDPlayer?! Sie setzte sich auf ihr Sofa und klickte auf „Play“. Ein qualvoller, langer und
schmerzerfüllter Schrei ertönte. Oh mein Gott. Sie kannte diese Stimme. Sie wusste von wem
der Schrei kam. Joanna. Sie merkte gar nicht die heißen Tränen, die ihr über die Wangen
liefen. Plötzlich ertönte ein Geräusch hinter ihr. ein Mia, dreh jetzt nicht durch. Sie musste
die Polizei wegen des CD-Players informieren. Aber zuerst würde sie das Messer, das unter
ihrem Bett versteckt ist, holen. Nur zur Sicherheit. Mit dem Messer in der Hand würde sie
sich besser fühlen. Langsam steckte sie den Kopf aus der Küchentür und spähte in beide
Richtungen. Nichts. Auf Zehenspitzen eilte sie ins Schlafzimmer. Mia ging vor dem Bett in
die Hocke und suchte auf dem Boden nach dem Messer. Es war nicht mehr da. Ihr Herz
begann wild zu schlagen. Rasch lief sie in die Küche zurück und kramte wie wild in den
Schubladen, auf der Suche nach einem anderem anderen spitzen Gegenstand. Wieder nichts.
Alle ihre Messer, Scheren und andere scharfen Küchengeräte waren nicht mehr da. Kein
Einziges. Sie raste zum Telefon im Flur und wählte. Die Leitung rauschte. Verdammt. Sie
rannte zur Toilette und sperrte die Türe ab. Sie steckte eilig das Mini-Reisetaschenmesser in
ihre Socke. Schnell kramte sie das Handy aus der Hosentasche und schickte eine SMS an
Samantha: 'HILFE'. Mia öffnete die Tür und blickte panisch hin und her. Nach vorne und
nach hinten. Stopp. War da nicht eben ein Schatten vorbeigehuscht? War da jemand im Flur?
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. „Hallo?“ Keine Antwort. Sie sah sich ängstlich um. Sie hatte
die Türen verschlossen, die Fenster verriegelt. Beides hatte sie gründlich überprüft. Mia stand
still und lauschte. Von Angst ergriffen drehte sie sich langsam um. Sie sah nur noch die Faust,
die auf sie zugerast kam.
2:07 Uhr
Matt dachte nach. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Er
konnte einfach nicht schlafen, den ganzen Tag schon plagte ihn dieses dumpfe Bachgefühl,
dass etwas nicht in Ordnung ist. Nein das ist nicht gut. Bitte nicht. Streng dich an, Matt! Da
sind Leben auf dem Spiel. Rückblick. Samantha hatte gesagt, sie hätte den Ex-Freund von
Joanna befragt und er wäre ihr nicht verdächtigt vorgekommen. Andrew Crighton, der nun
11
seit Freitag eingestellt war, hatte ihn ebenfalls besucht und seine Schlussfolgerung war
definitiv verdächtigt. David hätte nur ein gutes schauspielerisches Talent, aber er, hätte ihn
locker durchschaut. Er konnte die Aussage von Andrew nicht in Frage stellen, er war
schließlich ausgebildeter Profiler. Dann war da schließlich gestern die Zusammenfassung
über den Täter von ihm. Andrew hatte außerdem behauptet, dass der Mörder die Tat lange
geplant hat und faszinierenderweise keine einzige Spur von sich da ließ. Hühnerkacke. Er ist
dir immer einen Schritt voraus, Matt. Er ist klug. Du musst eben noch klüger sein. Er ging die
Akte von sowohl David Polter als auch Andrew Crighton durch. David hat sein ganzes Leben
hier in Montreal verbracht und hatte keine interessanten Informationen vorzuweisen. Andrew
hingegen wurde in Montreal geboren, war mit 18 nach Australien ausgewandert, mit 25 von
Australien nach Afrika und mit 32 schließlich in die USA. Jetzt war er 33 Jahre alt. Mia war
27 und ihre tote Schwester Joanna 25. Er ist der älteste. illson, Komm schon, überleg doch!
Warum ist er so früh ausgewandert? Warum hat er so oft das Land gewechselt? Er öffnete
eine Suchmaschine im Internet und gab das Stichwort - Mord in Australien- ein. Es kam ein
Haufen Beiträge und Matt fügte die Jahreszahlen, in der Andrew dort gelebt hatte, hinzu. Die
Anzahl der Ergebnisse reduzierte sich und er klickte auf den ersten Link. Mord an einer 25jährigen Frau, erstochen, Täter unbekannt. Ein halbes Jahr später Mord an einer 27- jährigen
Frau, erwürgt, Täter ebenfalls unbekannt. Nillson gab die anderen Länder ein. Afrika: 7
Morde: an drei 25-jährigen und vier 27-jährigen Menschen sind ungeklärt. Alles Frauen. Alle
gehängt und bei allen ist der Täter nicht gefunden worden. Matt war nicht entgangen, dass
jeder der ermordeten Frauen in sowohl Afrika als auch in Australien brünett waren. In den
USA gab es im letzten Jahr bisher eine ermordete Frau. Sie wurde gefoltert, missbraucht und
sie war brünett. Den Mörder hat man nie gefunden. Matt schreckte zusammen als sein Handy
vibrierend auf der Armlehne tanzte. Es war Samantha. Sie erzählte ihm aufgebracht von der
SMS, die mitten in der Nacht von Mia angekommen war. Nillson setzte sich in sein Auto und
raste mit quietschenden Reifen los.
2:10 Uhr
Der Killer liebte dieses Verfahren. Er liebte diese Macht, über das Leben anderer Menschen
zu entscheiden. Und solange hatte er sich nach diesen Momenten gesehnt. Nach den
Augenblicken der Stärke, der Beherrschung und schließlich nach der brutalen und nackten
Gewalt. Jetzt endlich kannst du dein 2. Meisterwerk vollbringen. Er genoss diesen Zeitpunkt
in vollen Zügen. In Gedanken ging er sein nächstes Vorhaben durch. Er würde warten, bis das
Opfer wieder bei Bewusstsein war. Sie war so eine Memme, ist schon bei einem kleinen
Schlag schon in Ohnmacht gefallen. Pff. Er wird sie vergewaltigen, foltern und quälen,
12
während sie von panischem Schrecken gepackt ist. Die Todesursache sollte aber genau wie
beim 1. Mal die Messereinstiche sein. Er hatte schon vieles ausprobiert, aber am besten fand
er diesen Vorgang. Danach würde er die Leiche zum Schrottplatz fahren und um Mitternacht,
wenn ihn niemand sah, in einen Container werfen. Wenn das Luschen-Team namens Polizei
sie dann finden, würde er schon längste über alle Berge sein. Mal sehen, wo er dann endlich
ein unbeschwertes, gerechtes und glückliches Leben führen würde. Zuerst muss er sich jedoch
auf den 2. Teil seines bestialischen Kunststücks konzentrieren.
2:20 Uhr
Samantha zermarterte sich das Hirn. Matt hatte sie eben angerufen und gesagt, dass das Haus
von Mia wie ausgestorben sei. Von Mia selbst natürlich keine Spur. Auch keine Hinweise, wo
sie sich aufhalten könnte. Die Uhr tickte unaufhörlich in ihrem Kopf und sie hatte Matt gesagt,
dass sie versucht herauszufinden, wo sie sich aufhalten könnte. Sie ging die Fakten im Kopf
durch. Der Täter hatte Joanna nicht in ihrer Wohnung getötet. Dazu war zu wenig Blut vor
Ort. Jetzt wird Mia vermisst und auch sie hielt er nicht in ihrem Haus gefangen. Er musste
also einen bestimmten Ort haben, einen Platz, wo ihn niemand sah, wo er seine Taten ohne
Bedenken durchführen konnte. Im Moment gab es zwei Verdächtige: Andrew Crighton,
Bruder des Opfers und der Vermissten, und David Polter, Ex-Freund des Opfers. Matt ging
von Andrew aus, meinte aber, wir sollten David nicht aus den Augen lassen. Überlege gut.
Wieso sollte ein Bruder seine Geschwister umbringen? Aus welchen Gründen? Samantha
wusste es nicht. Es könnte alles sein. Geldgier, Neid, Rache … Rache? Wieso Rache,
Samantha? Keine Ahnung. Vielleicht aus schlechten Kindheitserfahrungen? Kindheit.
Samantha bekam dieses Kribbeln im Bauch, welches sie immer bekam, wenn ihr bewusst
wurde, dass sie auf der richtige Spur war. Andrew, Bruder, Kindheit, geheimer Ort,
Montreal...Die Wörter schwirrten in ihrem Kopf. Sie brauchte mehr Infos über ihn, mehr
Angaben über seine Kindheit. Sie rief Matt an.
2:37 Uhr
Matts Handy gab ein lautes Klingeln von sich. Er nahm ab. „Matt, hier ist Samantha. Was
hast du in Andrews Akte über seine Kindheit gelesen? Wurde irgendetwas Besonderes
erwähnt?“ Ihn überraschte die Frage „Nein, es wurde nichts Außergewöhnliches erwähnt, ich
weiß aber noch, dass er zusammen mit seiner Familie hier in Montreal gelebt hat. Wieso
fragst du?“ „Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass der Mord etwas mit seiner Kindheit zu
tun hat.“ Matt ging mit dem Handy am Ohr durch das Haus von Mia. Vielleicht konnte er ja
irgendetwas finden, was ihnen Antwort auf die Fragen gab. Seine Suche war erfolgreich. Im
Schlafzimmer fand er Bilder, die ein anderes Haus zeigten. Zwei strahlende Mädchen mit
13
braunem Haar neben ihren Eltern und ihrem Bruder Andrew. Er war der einzige auf dem Bild,
der nicht lächelte, er sah traurig aus, fast schon wütend. Matt versuchte die Umgebung zu
erkennen. Das Foto war schon alt, aber da, der See rechts neben dem Grundstück, den kannte
er, er war dort letztes Jahr oft gewesen, um zu entspannen. Er informierte Samantha und gab
ihr Bescheid, dass er sich sofort auf den Weg mache und sie Verstärkung rufen soll. Dort wird
Andrew sein. Dort wird er sie gefangen halten. Matt war sich sicher.
2:40 Uhr
Mia öffnete blinzelnd die Augen. Sie nahm den Geruch von Schweiß und Erbrochenem war.
Sie hatte keine Ahnung, wo sie war und wer sie hier hin gebracht hatte. Sie suchte nach
Fluchtmöglichkeiten. Es war zu dunkel. Sie fühlte sich hilflos mit den Stricken um den
Händen und Füßen. Aber plötzlich dachte sie an das Taschenmesser in ihrer Socke ein. Jetzt
fühlte sie sich nicht mehr schutzlos und schwach. Jetzt hatte sie einen Plan. Oh ja. Sie zog das
Seil um ihre Füße stramm und rieb mit den gefesselten Händen so gut es ging das Messer
dagegen. Es war mühsam, aber langsam gab es nach. Plötzlich hörte sie Schritte über sich. Er
kommt. Er kommt und holt dich. Sie rieb heftiger und schneller. Als den Strick nur noch ein
paar Fäden zusammen hielten, hörte sie auf. Er durfte nicht merken, dass sie sich befreit hatte.
Schnell schob sie das Messer zwischen die Zähne und schnitt an den Handfesseln. Schneller
Mia, schneller. Sie hörte auf, als sie die Geräusche von schweren Schritten auf einer Treppe
hörte. Hastig versteckte sie das Messer wieder in ihrer Socke und legte sich wie bewusstlos
wieder in ihr Erbrochenes. Jetzt kam es darauf an wie glaubwürdig sie spielte. Schritte kamen
auf sie zu. Sie regte sich nicht. Sie lag da wie tot. Mia wartete auf den richtigen Augenblick.
Die Schritte hörten kurz vor ihr auf: „Aufwachen, du Miststück“ Wut brodelte in Mia hoch.
Er kniete sich neben sie und führte die Klinge an ihre Wange. Hab keine Angst. Zuck nicht
zusammen, selbst wenn es weh tut. Sie roch ihr eigenes Blut und Mia wusste, dass er sie
geritzt hatte. „Du bist anscheinend wirklich noch bewusstlos. Aber keine Sorge, deine Zeit
wird früher kommen als du denkst.“ In dem Moment als er sich erhob riss Mia die Fußfesseln
mit einem wütenden Brüllen auseinander und trat ihm heftig in die Magengrube. Auch die
Handfesseln zog sie mit einem Ruck von sich. Sie griff nach dem Taschenmesser nutzte den
Moment des Schocks und stach ihm es heftig in den Oberschenkel. „Kratz ab, du verdammtes
Schwein. Kratz ab! Kratz ab! Kratz ab!“ Die Wut explodierte in ihr als sie das Gesicht
erkannte. Andrew. Der Zorn packte sie und sie holte Schwung und rammte ihm das Messer in
den Bauch. Er schrie und legte seine Hände um ihren Hals. Er drückte fest zu. Du kannst nicht
atmen, kriegst keine Luft. Du erstickst. Gerade als Mia dachte ihr Ende sei gekommen, sah sie,
wie die Tür aufgerissen wurde und die Hände um ihren Hals sich lösten. Sie hörte laute
14
Stimmen und sah das Aufblitzen von Handschellen. Dann hatte sie keine Kraft mehr und
sackte zusammen.
11:45 Uhr
Matt Nillson saß neben Samantha Altman im Versammlungszimmer und brachte seine
Teamkollegen auf den neuesten Stand. „Der Täter, der sowohl Joanna ermordet, als auch Mia
entführt und vergewaltigt hat, heißt Andrew Crighton. Er ist der Bruder der beiden und er hat
gestanden, dass er auch für Morde in Afrika, Australien und in den USA verantwortlich ist. Er
betrachtete die Morde als 'Übung'. Andrew ist bereits schon seit 3 Wochen in Montreal. Er
war eifersüchtig auf seine Schwestern gewesen. Andrew war nicht gut in der Schule, hatte
keine Freunde und wurde von seinen Eltern benachteiligt, während seine Schwestern alles
hatten. Er hat sie verachtet dafür. Der 'Unfall' der Eltern war ebenfalls ein geplanter Mord von
ihm. Er hat den Beruf als Profiler nur wegen dieses Plans erlernt. Er wollte wissen, ob wir die
Leiche schon gefunden haben und er wollte David Polter als verdächtigt erscheinen lassen,
um sich selber zu schützen. Er ist in Mias und Joannas Wohnung mit einem Dietrich
eingebrochen, den er übrigens gestohlen hat. Andrew hat die Tat aus Neid begangen. Neid
wurde zu Frust, Frust zu Verzweiflung und Verzweiflung entwickelte sich zu grausamen
Verbrechen. Er liegt jetzt im Moment auf der Intensiv-Station. Sein Zustand ist stabil und wir
konnten ihn verhören. Mia hat tapfer gekämpft und wird von nun an psychiatrische Betreuung
bekommen, um das Geschehene zu verarbeiten. Andrew wird erst vor Gericht kommen, aber
die Strafe wird sehr wahrscheinlich lebenslänglich sein. Wir haben eine Auszeichnung
bekommen dafür, dass wir 10 Morde aufgeklärt haben und ein Fernsehteam möchte uns gerne
interviewen. Die Presse hat angekündigt, dass wir auf das Titelblatt kommen und der Staat
war so begeistert, dass wir alle von nun an eine Gehaltserhöhung bekommen. Ich danke euch
allen.“ Die Leute jubelten und feierten. Champagner wurde geöffnet und Matt seufzte
zufrieden. Gut gemacht.
15
Für ein paar Dollar mehr
von Susanne Oesinghaus
Das Klingeln an der Tür hatte Elisabeth aufgeschreckt. Für den Postboten war es noch viel zu
früh. Sie stellte die dampfende Kaffeetasse auf den Tisch zurück und öffnete die Tür. Nur
einen Spalt natürlich. Die Kette blieb vorgelegt, man konnte ja nie wissen. Elisabeth war von
Natur aus misstrauisch. Seit dem Tod ihres Mannes war es noch viel schlimmer geworden.
Man las ja allerorts, mit welchen Tricks alleinstehende Witwen um ihr bisschen Hab und Gut
gebracht wurden. Außerdem war Elisabeth auch noch nicht richtig angezogen und geschminkt.
„Vapoor Jet“, war das Erste, was Elisabeth durch den schmalen Spalt der Haustür sehen
konnte. Dann glitt ihr Blick hinauf bis zu dem strahlenden Lächeln, das zu ihr
hinuntergeworfen wurde. Ein sympathisch wirkender junger Mann. Elisabeth zog automatisch
den Morgenmantel ein wenig enger zusammen.
„Ich komme von der Firma Vapoor Jet“, erklärte er und zeigte auf das gelbe Schild seines
Arbeitskombis.
„Ich kaufe nichts“, sagte Elisabeth ein wenig unfreundlich.
„Das ist auch nicht nötig“, fuhr der junge Mann fröhlich fort. „Ich bin hier, um Ihnen unseren
neuesten Staubsauger zu präsentieren. Verkaufen kann ich Ihnen den nicht. Nicht einmal eine
Bestellung aufnehmen. Aber Sie können ihn später im Fachhandel erwerben, wenn sie
wollen.“
„So“, sagte Elisabeth, die eigentlich jeden Schlich kannte. Schließlich war ihr Mann ja selbst
als Vertreter unterwegs gewesen.
„Ich bin hier, um Sie von der guten Ausführung dieses Gerätes zu überzeugen. – Zu diesem
Zwecke“, fuhr er fort, „hat mich die Firma beauftragt, in ausgewählten Haushalten eine
Demonstration unserer Saugkraft zum Besten zu geben. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich
hier und da ein Stück Teppich sauge, sondern ich werde ihre gesamte Wohnung einmal
gründlich reinigen, so dass Sie sich ganz und gar von der ungeheuren Leistungsfähigkeit
unserer Geräte überzeugen können. – Ist das ein Angebot?“
Elisabeth dachte nach. Die ganze Wohnung? „Und sie haben keinen Bestellzettel dabei?“
„Es ist uns sogar verboten, Bestellungen entgegen zu nehmen. Ich kann Ihnen nur eine Liste
der Fachgeschäfte in ihrer Nähe geben.“
„Die ganze Wohnung?“ fragte Elisabeth zur Vorsicht noch mal nach.
„Die ganze Wohnung!“ strahlte der Vertreter zurück.
16
Das waren gute zwei Stunden Arbeit. Die mussten verrückt sein. Aber wahrscheinlich
arbeiteten sie einfach nur schlampig. Egal. Elisabeth schob die Tür zu, legte die Kette zurück
und ließ den Mann herein.
„Da könnten Sie anfangen“, sagte Elisabeth und zeigte auf das Wohnzimmer. „Einen Kaffee
möchten Sie aber doch?“
„Gern“, sagte der Mann und fing sofort mit der Arbeit an. Als Elisabeth mit dem Kaffee
zurück kam und ihm ein wenig bei der Arbeit zusah, musste sie zugeben, dass der Mann
keineswegs schlampig arbeitete. Er war außerordentlich gründlich und seine Maschine leistete
beste Arbeit.
„Und hier! Darauf sind wir besonders stolz“, erklärte er und zeigte ihr ein kleines, seitlich
angebrachtes Bürstensortiment. „Damit kommen wir nicht nur in jeden Winkel und jede Ecke,
damit saugen wir Regale, Tische, also alles, wo Sie sonst so mit dem Staubtuch drüber gehen
müssten. Sie werden sehen, in Kürze ist ihre Wohnung blitzeblank.“
Elisabeth lächelte freundlich und ließ ihn allein, um im Schlafzimmer ihr Bett zu machen und
wenigstens Strümpfe und ein Hauskleid überzuziehen. Wie stand sie denn da, nur im
Morgenmantel und Hausschuhen. Dann entschloss sie sich, noch ein wenig Schminke
aufzulegen. Sie horchte auf das kontinuierliche Hin- und Her und das schlürfende Saugen der
Maschine. Solange der Mann saugte, konnte er wohl kein Unheil anstellen.
Der Tag fing gut an, und sie hatte richtig Lust, sich ein bisschen hübsch zu machen. Aus dem
Schmuckkästchen in der Kommode suchte sie die dreireihige Perlenkette heraus, die passte
genau in den offenen V-Ausschnitt und sah wunderbar aus. Plötzlich hörte sie, dass der
Staubsauger verstummte. Misstrauisch, wie sie nun mal war, wollte sie gerade ins
Wohnzimmer eilen, als der junge Mann schon in der Tür erschien.
„So, das Wohnzimmer wäre dann soweit. Wenn Sie sich von der ordnungsgemäßen
Ausführung überzeugen möchten … Ich könnte dann ja hier weitermachen.“
Der Mann hatte wirklich ein bezauberndes Lächeln. Elisabeth schloss schnell noch den letzten
Kopf an ihrer Bluse und nickte. Dabei spielte sie versonnen an ihrer Perlenkette. Wirklich ein
feiner Tag. Während der Staubsauger seine Arbeit fortsetzte, schaute Elisabeth sich das
Wohnzimmer genauer an. Wirklich tadellos. Das Deckchen auf dem Beistelltisch war ein
wenig verrutscht, aber sonst war alles bestens. Hätte sie nicht besser machen können. Sie sah
dem jungen immer lächelnden Mann noch ein wenig bei der Arbeit zu, wie er lässig den
Sauger hin- und herschwang. Sogar die Kanten der Kommodeneinfassung saugte er mit
seinem Spezialrohr ab. Großartig!
17
Der Vertreter grinste sie fröhlich an. Es war Elisabeth ein wenig peinlich, ihm die ganze Zeit
bei der Arbeit zuzusehen. Außerdem hatte sie das Gefühl leicht zu erröten. Daher ging sie in
die Küche und kümmerte sich um das Geschirr. Sie lauschte aber immer auf die
Sauggeräusche, schließlich lag im Schlafzimmer ihr Schmuck. Aber der Mann setzt mit der
Arbeit auch nicht für eine Sekunde aus.
Als Elisabeth die Zeit zu lang wurde, ging sie wieder ins Schlafzimmer, um dem Mann noch
einen Kaffee anzubieten. Er stand auf dem Stuhl und saugte oben auf dem Kleiderschrank.
Elisabeth wollte nicht schreien, also tippte sie ihm auf die Schulter und fragte, ob er noch
Kaffee wolle. Der arme Mann zuckte heftig zusammen, bejahte die Frage aber dennoch.
Plötzlich fiel ihm das Staubsaugrohr vom laufenden Sauger aus der Hand und saugte ihre
kostbare Perlenkette ein. Sie erschrak, denn er wollte Hals über Kopf davonlaufen. Doch sie
hielt das Saugrohr fest an sich gepresst und dachte, er werde schon wieder zurückkommen.
Doch als sie den Beutel öffnete, sah sie ihren gesamten Schmuck und die restliche Beute
dieses Vormittags darin liegen. Der Bursche hatte den Schmuck einfach aufgesaugt!
Doch als sie Schmuck, Geld und Uhren in Augenschein nahm, war ihr Ärger vergessen. In
diesem Beutel lagen rund 10.000$! Sie wollte den Schmuck unterschlagen, doch drei Tage
später bekam sie einen erschreckenden Anruf.
„Hallo, hier spricht der Staubsaugervertreter. Wenn Sie das Diebesgut behalten wollen, dann
muss ich Sie eben umbringen, um dranzukommen.“
Entsetzt sagte sie: „Aber… ich… ähm… warum sagen Sie mir das jetzt?!“
Sanft sagte er: „Drehen Sie sich um.“
Als sie sich umdrehte, wusste sie, dass sie nur noch wenige Sekunden zu leben hatte. Er kam
aus ihrem Schlafzimmer, und das letzte, as sie sah, war das aufblitzen des Messers, welches er
in der Hand hielt.
Kommissar Finn Weber hatte gerade seinen Kaffee zu Ende getrunken und wollte nach Hause
gehen, um sich endlich einmal zu erholen nach dieser anstrengenden Woche, als es an der Tür
klopfte und sein langjähriger Freund und Assistent Joe Sanders völlig aufgelöst hereinstürmte,
einen leichenblassen Postboten im Schlepptau.
„Es tut mir leid, ich habe ihm gesagt, er solle dich nicht stören, aber der Mann meinte, es sei
wichtig“, sagte Joe.
„Um was geht es denn?“, fragte ich erstaunt.
„Ich habe einen Universalschlüssel zu jeder Wohnung, wo ich die Post austeile. Heute
Morgen bin ich bei Frau Elisabeth Schillings vorbeigekommen und hatte einen großen Brief
18
für sie, wo “WICHTIG“ draufstand. Also habe ich geklingelt. Sie hat nicht geöffnet, was mir
ein wenig komisch vorkam, weil sie normalerweise ihre Termine immer einhält und sie weiß,
dass ich morgens immer so gegen neun Uhr dreißig vorbeikomme. Also habe ich
aufgeschlossen und die Tür geöffnet. Als erstes sah ich ein blutverschmiertes Messer auf dem
Boden liegen, und als ich ins Wohnzimmer ging, um zu sehen, ob Elisabeth da war und ob sie
in Ordnung war, sah ich sie… die Leiche, ich wusste sofort, dass sie tot war.“
„Okay. Ich werde mir den Tatort einmal ansehen.“ In solchen Fällen war Finn froh um seine
Erfahrung, die es ihm ermöglichte, nicht auszuflippen, sondern ruhig zu bleiben.
Als er mittags am Tatort ankam, sah er einen sympathisch wirkenden, jungen Mann, der
gerade die Treppe hinaufging. Zum Glück war Finn in Zivil gekommen, denn so konnte er
unbeachtet zusehen, wie der Mann einen Dietrich nahm und in die Wohnung von Elisabeth
Schillings einbrach. Fünf Minuten später kam er wieder hinaus, in der Hand trug er ein
Messer, welches blutverschmiert war. Offensichtlich hatte er dieses in der Eile am Tatort
vergessen.
Finn, der schnell hinter einen Baum getreten war, rannte ihm hinterher und sagte: „Tut mir
leid, ich muss Sie leider festnehmen wegen dringenden Tatverdachts von Mord und
Aufklärungsbehinderung eines Mordes.“
„Aber… ich…“ stotterte der Mann, „ich wollte doch nur… äh…“
„Das können Sie mir nachher bei der Vernehmung erzählen“, sagte Finn entschlossen.
Zwei Tage später stand fest: Finn hatte dank seines schnellen Handelns tatsächlich den Täter
festnehmen können. Der Mann wurde in dem darauf folgenden Gerichtsverfahren zu einer
Freiheitsstrafe von 4 Jahren und zwei Monaten verurteilt, denn er hatte auch vorher schon
jahrelang mit dieser Art von Mord sein Geld verdient.
Finn bekam eine Beförderung, er war jetzt der Polizeihauptkommissar von Sindringen.
19
In allerletzter Sekunde
von Christine Zeher
Erster Teil:
9:04 Uhr
Als Steward sich auf seinen Sitzplatz im Zug nach Paris setzte, ahnte er nicht, dass dieser Tag
noch schlimmer werden würde. Vor wenigen Stunden hatte er eine niederschmetternde
Diagnose bekommen. Eine Diagnose, die sein Leben vollkommen zerstörte. Er litt unter
Demenz. Der 65-jährige Steward guckte ausdruckslos aus dem Fenster und ließ die schöne
Landschaft an sich vorbeiziehen. In Gedanken ging Steward noch mal sein Gespräch mit Dr.
Steiner durch. Nachdem dieser Steward schonend beigebracht hatte, dass er unter Demenz litt,
erklärte er ihm die verschiedenen Symptome der Krankheit. „Neben Gedächtnisverlust
können auch Halluzinationen auftreten“, sagte Dr. Steiner. Er machte eine Pause und sagte
dann mit tiefem Bedauern in der Stimme: „Es tut mir leid, Mister Winter, ihre Werte sind
zurzeit sehr schlecht. Es gibt allerdings Medikamente, die sie gegen ein paar Symptome ihrer
Krankheit einnehmen können und vielleicht sogar ihr Leben verlängern. Allerdings glaube ich
nicht, dass sie noch sehr lange Leben werden.“
9:25 Uhr
Eine junge hübsche Frau mit einer roten Tasche in der einen Hand und einem Cappuccino in
der anderen ging gerade an Steward vorbei, als der Zug plötzlich stehen blieb. Die Frau
verschüttete den Inhalt ihres Getränks auf Stewards blaues Hemd, woraufhin er erschrocken
aufsprang. „Entschuldigung. Es tut mir schrecklich leid. Ich wollte das wirklich nicht“, sagte
die Frau, „warten Sie, ich mach das sauber!“ Sie holte ein Taschentuch aus ihrer Tasche und
fing an, Stewards Hemd sauber zu machen. „Ist schon in Ordnung“, fing Steward an, „ich
mache das schon“, und nahm ihr das Taschentuch aus der Hand. „Es tut mir wirklich leid“,
fing die Frau wieder an. Steward hob die Hand: „Ach, dass macht doch nichts, Frau ...?“,
„Conradi“, beendete die Frau den Satz. „Cassandra Conradi.“ „Also Cassandra“, sagte
Steward, „Es macht mir wirklich nichts aus. Sie können ruhig weiter gehen.“ Als Cassandra
sich vergewissert hatte, dass es Steward sonst gut ging, ging sie mit schnellen Schritten davon.
Steward drehte sich um und blickte ihr hinterher, dabei fielen ihm die langen gelockten
braunen Haare auf.
20
9:38 Uhr
Steward ging den Gang entlang zur Toilette, um sein Hemd zu säubern. Gegenüber der
Toilette befand sich eine weitere Tür, die in ein anderes Abteil des Zuges führte. Bei der
Toilette angekommen, achtete Steward nicht darauf die Tür zu schließen, sondern fing sofort
an, sein Hemd mit Papiertüchern sauber zu machen. Als er dann in den Spiegel gegenüber der
Tür blickte, sah er etwas Seltsames. Eine junge Frau wurde plötzlich von jemandem hinter die
Tür in ein anderes Abteil gezogen. Sie hatte braunes langes und gelocktes Haar. Als er sich
umdrehte, war die Tür zu. „Steward. Jetzt fängst du schon an zu halluzinieren“, sagte er zu
sich selbst und verließ daraufhin die Toilette.
9:50 Uhr
Er setzte sich wieder auf seinen Platz und versuchte, nicht an die merkwürdige Szene zu
denken, doch dass ungute Gefühl verließ ihn nicht. Er beschloss, um sich zu beruhigen,
einfach hinter der Tür nachzusehen. Als er dort ankam, öffnete er vorsichtig die Tür zum
anderen Abteil und steckte seinen Kopf hinter die Tür. Das Abteil war leer und dunkel, denn
der Zug fuhr gerade in einen Tunnel. „Gruselig!“, flüsterte Steward in die Stille. Der Zug fuhr
aus dem Tunnel und Licht fiel durch die Fenster. Er trat ein und blickte sich um. Gerade, als
er sich sicher war, dass er halluziniert hatte, fiel ihm etwas Rotes hinten in der Ecke auf. Er
ging vorsichtig darauf zu und sah dann die rote Tasche von Cassandra. Stewards Zweifel
waren beseitigt und er war sich sicher: „Cassandra wurde entführt.“
9:58 Uhr
Steward kehrte, nachdem er bestürzt festgestellt hatte, dass es keine Tür gibt, die wo anders
hin führte und dieses Abteil im letzten Wagon des Zuges ist, mit Cassandras roter Tasche
zurück zu seinem Sitzplatz. Doch er machte sich große Sorgen um Cassandra und hoffte, dass
man ihr nichts angetan hatte. Steward beschloss nicht aufzugeben. Er musste Sie einfach
finden. Er durfte nicht schon wieder, wie damals zu spät kommen. Er war Cassandras letzte
Hoffnung. Er würde es sich nie verzeihen, wenn noch ein Mensch wegen ihm stirbt. Steward
war sich sicher, dass, wenn er nur gründlich genug den Zug absuchen würde, sie auch finden
könnte. Zumindest versuchte er sich das einzureden. Doch er wusste, in Wahrheit würde er es
alleine nicht schaffen. Dennoch beschloss er nicht aufzugeben.
21
10:06 Uhr
Auf der Suche nach Cassandra, ging Steward den Gang weiter entlang. Sein Blick schweifte
umher. Er suchte auf jedem Sitzplatz und hinter jeder Ecke nach. Plötzlich blieb sein Blick
auf einem Sitzplatz hängen. Er war sich nicht sicher, doch als der Mann aufblickte, erkannte
er die haselnussbraunen Augen und das blonde kurze Haar von Detektiv Timothy Martini
wieder. Andere Menschen würden Timothy wegen seiner harten Gesichtszüge als gefühllos
bezeichnen, doch Steward wusste, dass hinter seiner harten Maske als Detektiv ein weicher
und freundlicher Kerl steckte. Timothy erblickte Steward und rief: „Steward, bist du das?“ „Ja,
Timothy. Schön dich zu sehen.“, sagte Steward erleichtert. „Was ist passiert?“ Steward sah,
wie Timothy ihn besorgt musterte. Das letzte Mal hatte Timothy ihn so besorgt angesehen, als
Timothy versuchte Steward davon zu überzeugen, dass er nicht schuld am Tod seiner Frau
war. Doch Steward wusste, dass es nicht stimmte. Wäre er ein besserer Ehemann gewesen,
hätte er früher bemerkt, dass seine Frau depressiv geworden war und ihr der Gedanke an
Selbstmord nicht fremd war. Er hätte verhindern können, dass sie sich das Leben nahm.
„Was ist passiert?“, fragte Timothy mit großer Besorgnis in der Stimme. Steward blickte
Timothy an und fing dann an zu erzählen. Er erzählte Timothy, dass er an Demenz leide und
schließlich auch vom Verschwinden von Cassandra.„Und du bist dir wirklich sicher, dass du
dir dass nicht nur eingebildet hast?“, fragte Timothy Steward. Steward hielt zum Beweis die
rote Tasche von Cassandra hoch. Er öffnete die Tasche und dabei sagte er an Timothy
gewandt: „Es müsste ja einen Personalausweis oder ähnliches geben, wo ihr Name drauf
steht.“ Als Steward geendet hatte, hielt er auch schon triumphierend ein Portemonnaie hoch.
Steward öffnete es und fand den Personalausweis von Cassandra Conradi. Er zeigte ihn
Timothy und nun waren auch seine Zweifel beseitigt.
10:30 Uhr
Schließlich holte Steward Cassandras Laptop aus der Tasche und legte ihn auf seinen Schoß.
Er startete ihn und durchstöberte ihre Dateien, dabei fiel ihm auf, dass Cassandra von Beruf
Journalistin ist. Er sah viele Berichte, die er schon mal in der Zeitung gelesen hatte. Der letzte
Bericht handelte von den unaufgeklärten Morden eines Serienkillers. Steward waren diese
Morde nicht unbekannt. Er hatte in den letzten Jahren viel darüber in der Zeitung gelesen. Der
Serienkiller wurde jedoch bis heute nicht gefasst. „Sieh mal, Timothy“, sagte Steward,
„glaubst du, Cassandra hat herausgefunden, wer der Mörder ist und wurde deswegen
entführt?“ „Es wäre ein Motiv!“, antwortete Timothy, „aber sicher ist es nicht.“
22
10:45 Uhr
Die Lautsprecher erklangen und eine hohe weibliche Stimme bat Timothy Martini in das erste
Abteil zu kommen. Steward sah Timothy an, dass er sich nicht entscheiden konnte, ob er dort
hin gehen sollte, da er ihn nicht alleine lassen wollte. Schließlich nahm Steward ihm die
Entscheidung ab und sagte: „Am Besten ist es, wenn ich den Laptop nach Hinweisen
durchstöbere und du ins erste Abteil gehst und herausfindest, was man von dir möchte. Wenn
ich etwas herausfinde, rufe ich dich an.“ „Okay“, sagte Timothy und machte sich neugierig
und mit schnellen Schritten auf ins erste Abteil.
Zweiter Teil:
10:52 Uhr
Als Timothy dort ankam, wurden alle Passagiere aus dem ersten Abteil auf die anderen
Abteile verteilt. Er wandte sich an eine Frau vom Personal und sagte: „Guten Morgen. Mein
Name ist Timothy Martini.“ Die Frau unterbrach ihn und fragte: „Detektiv Timothy
Martini?“ „Ja, der bin ich.“ Er hielt ihr seinen Ausweis vor und die Frau blickte ihn erleichtert
an und sagte: „Gott sei dank. Sie sind endlich da.“ „Der Zugfahrer Ben Hallow, sagte mir dass
Sie in diesen Zug sind, um Ihre Schwester in Paris zu besuchen.“ „ Ach, der gute alte Ben. Ja,
mein Freund hat vollkommen recht. Aber können Sie mir vielleicht sagen, was hier los ist?“,
fragte Timothy die Frau. Die Frau gab keine Antwort, sondern führte Timothy zur Toilette
und der Anblick, der sich ihm bot, verschlug ihm den Atem. Er sah eine tote Frau, die auf
grausame Weise erstochen wurde. Der Täter musste eine große Wut in sich gehabt haben,
denn Timothy sah unzählige Messerstiche in ihrem Körper und überall war Blut. Die tote
Frau hatte kurzes blondes Haar und war nicht älter als 25. Der Anblick machte Timothy
traurig, obwohl er als Detektiv viele Morde gesehen hatte, hatte er noch nie eine so grausame
Tat gesehen.
Nach der Befragung von der Frau hatte Timothy erfahren, dass die tote Frau auf der Toilette
nicht Cassandra ist. Die Tote hieß Lyra Silver und gehörte erst seit kurzem zum Personal des
Zuges. Sie sollte die Tür zum letzten Wagon abschließen, so dass niemand dort hin ging, doch
als sie nach einer Stunde nicht zurückkehrte, machte sich die Frau Sorgen. Schließlich
meldete der Passagier Anthony Toward aufgebracht, dass er eine tote Frau auf der Toilette im
ersten Abteil gefunden hatte. Timothy fragte sich, ob es nicht eine Verbindung zwischen Lyra
und Cassandra gab, denn es konnte kein Zufall sein, dass Steward gesehen hat, wie Cassandra
23
in genau das Abteil gezogen wurde, dass von Lyra verschlossen werden sollte und zu dem nur
Lyra einen Schlüssel hatte.
Als er sich umblickte, sah er einen großen Mann, der verstört in einer Ecke stand. Er blickte
mit erschrockenem Blick auf den toten Körper von Lyra, das musste Anthony Toward sein. Er
ging auf den Mann zu und begann ihn mit ruhiger Stimme zu befragen.
11:30 Uhr
Als Timothy mit der Befragung von Anthony fertig war, hatte er eine Spur zum Mörder. Laut
Anthonys Aussage hatte er gesehen, wie Lyra und ihr Freund sich gestritten haben, kurz
danach war Lyra tot. Anthonys Beschreibung vom Freund fiel zwar sehr knapp aus, doch er
wusste, dass Lyras Freund ungefähr 1,85cm groß war und das er kurze braune Haare hatte.
Außerdem hat Anthony ausgesagt, dass der Freund einen blauen Schalke 04 Pullover an hatte.
Dieser Pullover wird Timothy die Suche ziemlich vereinfachen. Die Frau vom Personal hatte
ihm außerdem Lyras Handy gegeben. Als er die vier zuletzt eingegangen Anrufe von einem
gewissen Brian Connors sah, wusste er, dass Brian Lyras Freund sein musste, denn mit
niemandem sonst hatte sie so viel telefoniert und Sms geschrieben.
11:45 Uhr
Als Timothy sich auf seinem I-Phone in Brians Polizeiakte Einblick verschaffte, sah er, dass
Brian Connors bereits wegen Körperverletzung drei Jahre lang im Gefängnis saß. Timothy las,
dass Brian zwar mit 32 Jahren wegen guter Führung wieder freigelassen worden war, doch in
dem psychologischen Gutachten sah Timothy außerdem stehen, dass er unter stärkeren
Aggressionen litt. Timothy erinnerte sich wieder daran, wie Steward ihm mitgeteilt hatte, dass
Cassandra an den unaufgeklärten Morden des Serienkillers gearbeitet hat und deswegen
wahrscheinlich entführt worden war. Er fand, dass Brian perfekt in die Rolle des Killers
passte.
11:55 Uhr
Als Timothy Brian Connors im Zug gefunden hatte, führte er ihn in den letzten Wagon, um
ihn dort in Ruhe zu befragen. Im Abteil angekommen, führte er ihn zu den Sitzplätzen mit
Tisch und forderte Brian auf, sich dort hin zu setzen. Timothy setzte sich ihm gegenüber und
sagte: „Sie haben da eine lange Strafakte.“ Brian unterbrach ihn und fragte aufgebracht: „Was
wollen Sie von mir? Ich habe nichts verbrochen!“ „Natürlich nicht. Solche Menschen wie Sie
24
verbrechen nie etwas!“, sagte Timothy „Ich habe noch nie jemanden umgebracht!“, schrie
Brian Timothy an. „Nein. Damals haben sie den Mann nur verletzt, doch heute haben Sie ihre
Freundin umgebracht. Nennen Sie das nie jemanden umgebracht? , fragte Timothy. „Lyra ist
tot?“, fragte Brian ungläubig. „Jetzt spielen Sie nicht den Unschuldigen. Man hat Sie und
Lyra, kurz vor ihrem Tod streiten sehen. Also, worum ging es in dem Streit?“, fragte Timothy.
Schließlich gab Brian nach und sagte: „Sie hat sich gestern von mir getrennt. Ich wollte noch
einmal vernünftig mit ihr darüber reden, doch sie schrie mich gleich an und beleidigte mich.
Ich sah ein, dass es keinen Zweck hatte, mit ihr darüber zu reden, also bin ich gegangen.“ „Sie
sind gegangen?“, fragte Timothy. „Ja, ich bin danach zurück zu meinem Sitzplatz
gegangen.“ „Sie lügen. Soll ich Ihnen sagen, was Sie in Wirklichkeit gemacht haben. Sie
waren so sauer auf Lyra, dass Sie Schluss gemacht hat, dass Sie ihr gefolgt sind und Sie dann
einfach umgebracht haben.“ „Nein. Ich habe Sie geliebt. Ich hätte ihr niemals wehtun
können.“
Plötzlich klingelte Timothys Handy. Er ging ran und hörte Stewards aufgeregte Stimme:
„Timothy. Ich habe einen Hinweis auf dem Laptop gefunden. Cassandra hatte dort eine
gesicherte Datei und ich habe es geschafft die Datei zu öffnen. Jetzt halt dich fest. Cassandra
hat wirklich den Serienkiller gefunden. In der Datei befand sich eine Liste, wo man genau
sehen kann, dass der Täter an den Tagen, an dem die Morde passiert sind, immer in der Nähe
vom Wohnort in einem Hotel übernachtet hat. Außerdem hat Cassandra in der Datei ein Bild
vom Serienkiller.“ „Okay. Komm zu mir und zeig mir das Bild. Ich bin im letzten Wagon des
Zuges und verhöre gerade einen Verdächtigen. Wenn wir Glück haben, stimmt mein
Verdächtiger mit dem Bild überein.“
12:27 Uhr
Timothy versuchte aus Brian herauszubekommen, wo er Cassandra versteckt hielt, als
Steward eintrat. Timothy hörte ihn jedoch nicht eintreten und brüllte Brian nun schon zum
dritten Mal mit: „Wo ist Sie?“ an. „Ich weiß es nicht“, antwortete Brian. Als Timothy Brian
erneut anbrüllen will, sagte Steward: „Timothy, das ist nicht der Entführer von Cassandra.
Steward setzte sich neben ihn und klappte den Laptop auf. Als Timothy das Foto sah, rief er:
„Oh nein! Den Mann kenne ich doch. Los wir müssen uns beeilen. Der Zug wird in 10
Minuten am Bahnhof von Paris eintreffen und wir dürfen nicht zulassen, dass er
verschwindet.“
25
12:43 Uhr
Steward und Timothy suchten den ganzen Zug nach dem Täter ab. Plötzlich sagte Steward:
„Timothy. Schau dort hinten.“ „Hinterher“, flüsterte Timothy zu Steward, „ich wette, der geht
zu Cassandra.“ Sie verfolgten den Täter und sahen ihn schließlich in die Küche des Zuges
gehen. Sie zählten bis 30 und öffneten dann vorsichtig die Tür. Timothy trat mit gezogener
Waffe ein und blickte sich um. Die Küche war leer. Steward kam hinter ihm eingetreten und
flüsterte: „Wo ist er hin?“ Plötzlich hörten sie ein leises Wimmern. Timothy ging in die
Richtung, aus der das Wimmern kam und fand eine Tür zur Speisekammer. Er öffnete diese
und sah, wie der Täter der gefesselten Cassandra die Waffe an den Kopf hielt. „Sie haben zu
viel über mich herausgefunden. Ich werde Sie jetzt töten müssen. Es war ein großer Fehler
mich aufzusuchen, um zu erzwingen, dass ich mich stelle.“ sagte der Entführer. Cassandra
wimmerte schrecklich und fragte dann mit leiser Stimme „Warum, warum haben Sie diese
Frau vom Personal umgebracht? Sie hatte noch Ihr ganzes Leben vor sich. Warum haben Sie
auch noch sie umgebracht? Sie wollten doch mich töten?“ schrie Cassandra ihn an „Sie war
mir eben im Weg, genauso wie Sie. Sag auf Wiedersehen.“ Genau in diesen Moment schoss
Timothy auf den Täter, doch leider war es im Raum so dunkel, so dass er ihn nicht traf.
Plötzlich war der Täter verschwunden und Timothy versuchte verzweifelt, ihn zu finden. In
allerletzter Sekunde, sah er, wie der Täter mit seiner Waffe auf ihn schoss und konnte sich
noch rechtzeitig auf den Boden werfen. „Wie haben Sie mich gefunden?“, schrie der Täter
Timothy aus einer Ecke an.“ Timothy stand wankend auf und versuchte den Täter ausfindig
zu machen. „Es war die Tasche“, sagte Timothy. „Sie hätten wirklich besser aufpassen
sollen.“ Timothy nahm eine Bewegung in der rechten Ecke des Zuges wahr. Plötzlich hielt
der Zug an. Sie waren in Paris angekommen. Beim Bremsen des Zuges schwankte der Täter
und versuchte sein Gleichgewicht zu halten. Diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte
Timothy und schoss dem Täter in sein linkes Bein. Der Täter fiel auf den Boden und ließ
seine Waffe fallen. Timothy stand auf und trat die Waffe weit vom Täter weg und sagte:
„Anthony Toward. Sie sind festgenommen wegen Mordverdachts und Entführung. Sie haben
das Recht zu schweigen.“
26
Im Fadenkreuz
von Alexander Kubin
Der Sonnenuntergang tauchte die Welt in ein blutrot. Die Sonne blitzte auf meine Waffe.
Genüsslich strich ich mit meinem Finger über den Abzug. In diesem Moment fühlte ich mich
wie Gott. Eine Person ging aus dem Haus raus. Langsam richtete ich das Fadenkreuz auf mein
Ziel. Genau zwischen die Augen...
Alles begann vor drei Monaten...
An jenem folgenschweren Abend ging ich in meine Lieblingskneipe, nicht weit von meiner
Wohnung entfernt. Ich saß vor meinem Getränk und unterhielt mich mit ein paar Freunden als
ich Schüsse hörte. Drei Männer hatten Pistolen gezogen und lieferten sich einen heftigen
Schusswechsel. Auf einmal zog fast jeder andere Gast etwas hervor, das als Waffe dienen
konnte. Messer, Glasflaschen ganz egal. Mir wurde erst klar, dass ich mitten in diesem
Gefecht stand, als ich einen stechenden Schmerz an meinem Bein verspürte. Wut packte mich.
Eine Kugel hatte meinen Oberschenkel getroffen. Ich stolperte los und erinnerte mich
allmählich an meinen ehemaligen Job. Ich war Scharfschütze der Marines gewesen und hatte
dort etliche Selbstverteidigungskurse ablegen müssen. Ich war erst vor kurzem ausgetreten.
Ich musste die bewaffneten Männer in der Bar ausschalten.
„Wie ist Ihr Name?“ fragte mich ein Polizist auf dem Revier, der sich als Thomas Brown
vorgestellt hatte. Er hatte mich auf das Präsidium gebeten, kurz nachdem ich aus dem
Krankenhaus entlassen wurde. „Mein Name ist David Smith.“ Ich sah, dass der Polizist kurz
in einem Schrank suchte und dann offenbar fündig wurde. „Nun, Herr Smith, wir haben
bereits eine Akte von Ihnen. Sie haben früher wohl mal militärisch gearbeitet?“ „Ich war
Scharfschütze bei den Marines.“ „Warum sind Sie ausgetreten?“ wollte er wissen. „Ich hatte
einige Meinungsverschiedenheiten mit meinem Vorgesetzten.“ antwortete ich. „Okay... Hier
steht, dass Sie in der 5th Avenue wohnen. In Manhattan. Ist das korrekt?“ Ich bejahte es. „In
dieser Akte steht, dass Sie 34 Jahre alt sind. Ist das ebenfalls richtig?“ „Ja, das ist es. Können
wir vielleicht mal zur Sache kommen?“ „Natürlich. Wir haben Sie hierher gebeten, um Ihnen
unseren Dank auszusprechen. Sie haben vielen Leuten das Leben gerettet, indem Sie die drei
bewaffneten Männer ausgeschaltet haben. Es war aber unverantwortlich, dass Sie zwei von
ihnen getötet haben.“ Ich wollte widersprechen, doch Herr Brown unterbrach mich.
„Selbstverständlich ist es nicht Ihre Schuld. Der Richter wird wahrscheinlich einsehen, dass
27
es Notwehr war.“ Innerlich war ich furchtbar wütend. Ich hatte allen Leuten in der Kneipe das
Leben gerettet und doch wurde mir nur gesagt, dass ich unverantwortlich gehandelt hätte.
Wenig später war ich zu Hause. Ich war froh, endlich meine Ruhe zu haben und beschloss
vorerst nicht mehr an die Polizei zu geraten. Ich wusste nicht, dass sich das bald ändern würde.
Denn in dieser Nacht wurde mein Schicksal bestimmt.
„Er ist genau der Richtige.“ meinte er. Er saß vor einem Foto, auf dem ein gut aussehender
Mann abgebildet war. Er hatte kurze braune Haare, grüne Augen, war hoch gewachsen und
war ziemlich muskulös. „Ja? Er sieht relativ jung aus. Vielleicht unerfahren.“ meinte ein
anderer. „ein. Er ist die Person, die wir brauchen. Er war Scharfschütze bei den Marines.
Der beste, den es gab.“ „Sicher? Wie heißt er?“ „Sein ame ist David Smith.“
Am darauf folgenden Tag beschloss ich ein wenig in die Schießhalle zu gehen. Ich hatte zwar
meinen Job aufgegeben, doch das Schießen machte mir immer noch sehr viel Spaß. Dort traf
ich ihn zum ersten Mal. Als erstes bemerkte ich ihn gar nicht.
Er war lässig gekleidet und passte irgendwie nicht an diesen Ort. Doch schließlich wurde mir
klar, dass er mich die ganze Zeit beobachtete, während ich einen Schuss nach dem anderem
ins Schwarze versenkte. Irgendwann beschloss ich ihn anzusprechen. „Guten Tag, kann ich
Ihnen helfen?“ „Nun, ich bin ein großer Bewunderer von Ihnen.“ „Echt?“ „Ja“, erwiderte er,
„Ihre Schießkünste sind legendär. Hätten Sie was dagegen, wenn ich Sie zu einem Drink
einladen würde?“ Ich meinte etwas überrascht, dass ich die Einladung gerne annehmen würde.
An diesem Tag tauschten wir noch einige Belanglosigkeiten aus, aber nichts Ernstes. Mit der
Zeit freundeten wir uns immer mehr an. Wir trafen uns längst nicht nur in der Schießhalle,
sondern auch ansonsten sehr oft. Nach einigen Wochen unserer Freundschaft fragte er dann:
„Wo arbeitest du eigentlich?“ Mir kam es so vor als steckte in dieser Frage noch eine tiefere
Bedeutung, die mir aber unschlüssig blieb. Er wirkte, als ob er die Antwort kennen würde,
doch ich sagte nichts. „Ich war Scharfschütze. Ich bin vor wenigen Monaten
ausgetreten.“ „Was für ein Zufall!“ bemerkte er „Ich hätte einen kleinen, aber hoch bezahlten
Nebenjob, bei dem deine Fähigkeiten gebraucht würden...“ „Ehrlich?“ allmählich wurde ich
neugierig, was nicht zuletzt daran lag, dass ich seit einigen Wochen auf der Suche nach einem
neuen Beruf war. „Worum geht es denn? Und was springt dabei für mich raus?“ „Nun, wir
hatten an 50.000 Dollar gedacht und um was es sich handelt...“ Mir wurde klar, dass es sich
wohl nicht um eine Kleinigkeit handelte, wenn so eine gewaltige Summe geboten wurde. Ich
28
gehörte zwar zu der wohlhabenden Bevölkerung, aber seit meinem Austritt bei den Marines
war mein Einkommen stark gesunken, denn ich lebte nur noch von meiner Abfindung. „Was
soll ich tun?“ wollte ich gespannt wissen. „Bist du bereit einen Mord zu begehen?“ Ich musste
grinsen. Genau auf so eine Gelegenheit hatte ich gewartet. Die Zeit der Rache war gekommen
„Nun, ich denke schon, dass ich dazu in der Lage wäre. “ „Ich sehe, wir verstehen
uns.“ lächelte er. „Nun, dann solltest du mir mal sagen, wer sterben muss.“
Die nächsten Tage versuchte ich möglichst viel über mein Ziel herauszufinden. Mein Freund
hatte mir erzählt, dass ich mich für den Schuss nach Brooklyn begeben musste. Dort sollte ich
aus knapp 1000 Metern den Auftrag ausführen. Über mein Opfer gab es sehr viele
Informationen. Ich fand heraus, dass es zu einem Helikopter mit Panzerglasscheiben ging, der
nur 15 Meter von der Tür entfernt war, also musste ich sehr schnell schießen. Mein Ziel trug
eine kugelsichere Weste, deswegen musste ich es mit einem Kopfschuss töten. Es gab
mehrere Bodyguards, also würde ich sehr schnell fliehen müssen. Viele wichtige Details
mussten verarbeitet werden. Dann war ich so weit und hatte einen perfekten Plan
ausgearbeitet. Schließlich sprachen wir noch über die Bezahlung. Wir machten aus, dass
20.000 Dollar im Voraus auf mein Bankkonto überwiesen werden sollten. Den Rest würde ich
nach Beendigung des Auftrags erhalten. Dann war es soweit. Als ich am morgen aufstand,
wusste ich, dass heute der Tag war, an dem mein Ziel sterben würde. Heute wurde eine große
Konferenz abgehalten, bei der auch die Zielperson teilnehmen würde. Danach würde es um
Punkt 20.30 das Haus verlassen und zu dem Helikopter gehen. Ich war auf alles vorbereitet.
Ich verspürte eine unglaubliche Vorfreude, diesen einen Schuss abfeuern zu dürfen.
Um Punkt 19.00 Uhr verließ ich das Haus. Ich brauchte in dem abendlichen Verkehr fast eine
Dreiviertelstunde um nach Brooklyn zu kommen. Dort stand ein Kirchturm von dem ich den
tödlichen Schuss abfeuern würde. Ich parkte nicht weit von meinem Zielort entfernt, aber
doch nicht direkt in der Nähe. Die letzten paar Meter ging ich zu Fuß. Als ich den Turm
erreicht hatte, schloss ich ihn mit einem Schlüssel auf, den mir mein Freund besorgt hatte. Ich
stieg die Stufen nach oben und blickte aus dem Fenster. Es hatte keine Glasscheibe und war
genau in die Richtung des Konferenzhauses ausgelegt. Es war Punkt 20.00 Uhr. Alles lief
perfekt nach Plan. Ich baute mein Präzisionsgewehr auf und richtete es auf den Eingang des
Hauses. Ab jetzt würde ich warten. Ich blickte auf meine Uhr. Es war 20.25. Ich war seltsam
aufgeregt und ungeduldig. Das erstaunte mich selber. Sonst hatte ich meine Aufträge immer
mit kühlem Kopf ausgeführt und mit keiner Wimper gezuckt. Man merkte, dass ich lange
keinen Menschen mehr getötet hatte.
29
Plötzlich sah ich eine Person aus dem Haus kommen. Ich merkte, dass ich in eine Art Trance
geriet. Ich wurde von einer Freude gepackt, die unbeschreiblich schien. Mein Ziel wusste
nicht, dass ein Fadenkreuz es still und heimlich verfolgte, doch selbst wenn mein Opfer es
gewusste hätte, hätte es keine Chance mir zu entkommen. Ich kannte keine Gnade.
Ich drückte ab. Ich sah, dass in 1000 Metern Distanz mein Ziel zu Boden stürzte, die
Bodyguards erschrocken aufblickten und verzweifelt nach dem Schützen suchten. Ich
verspürte einen Drang auch diese Männer zu erschießen, doch ich besonn mich eines besseren.
Schnell schnappte ich mir mein Gewehr und rannte die Treppe nach unten. Ich knallte die
Türe zu und stopfte die Waffe schnell in meine Sporttasche. Ein Teil des Laufes guckte
heraus, doch ich glaubte kaum, dass einer dieses kleine Stück bemerken würde. Keuchend
kam ich bei meinem Auto an. Ich war überzeugt, dass niemand bemerkt hatte, dass ich eine
Waffe bei mir trug. Mit quietschenden Reifen fuhr ich in Richtung meiner Wohnung los.
Ohne weitere Zwischenfälle kam ich bei mir an. Ich legte mein Gewehr in meinen Safe und
holte tief Luft. So weit, so gut. Bisher war mir nichts geschehen und doch konnte sich das
ganz schnell ändern.
Am nächsten Morgen klingelte es. Angst machte sich in mir breit und als ich die Türe öffnete,
bestätigte es sich. Ein grimmig drein blickender Polizist stand dort. „Ja bitte, was kann ich für
Sie tun?“ fragte ich mit einem falschen Lächeln. „Sind Sie David Smith?“ Ich bejahte es mit
dem unguten Gefühl, mir mein eigenes Grab zu schaufeln. „Mein Name ist Jonathan Ryze.
Ich arbeite bei der Polizei. Ich komme wegen des Mordes, der gestern Abend geschah.“ „Was
für ein Mord?“ fragte ich „Nun, der Abgeordnete aus Äthiopien wurde bei dem Kongress in
Brooklyn erschossen.“ „Und warum kommen Sie ausgerechnet zu mir?“ wollte ich wissen
„Nun, ich denke, das liegt auf der Hand. Soweit ich weiß, waren Sie von Beruf Scharfschütze.
Stimmt das?“ „Ja, das ist richtig.“ bestätigte ich „Haben Sie noch Waffen?“ „Ja, ich habe
noch mein Gewehr von meiner Dienstzeit. Ich habe einen Waffenschein und somit das Recht
dazu.“ „Das habe ich auch nie bestritten. Können Sie mir vielleicht Ihre Waffe
zeigen?“ „Selbstverständlich“ sagte ich und führte Herrn Ryze herein. Auf dem Weg zum
Safe bemerkte er: „ Sie haben sich hier sehr schön eingerichtet.“ „Danke sehr.“ „Wie kommt
es, dass ein Scharfschütze bei den Marines, also ein Beamter des Staates, genug Geld hat, um
sich eine Wohnung in der 5th Avenue zu kaufen und diese so stilvoll einzurichten?“ „Ich hatte
eine Frau. Sie ist vor einem Jahr an Lungenkrebs gestorben und hat mir alles vererbt. Sie hatte
sehr reiche Eltern...“ Schweigend gingen wir weiter. Als wir beim Safe ankamen, überreichte
30
ich im mein Gewehr. „Das ist Ihr Gewehr?“ „Ja“, meinte ich, „das ist aus meiner
Dienstzeit.“ „Nun, ich würde es gerne mit auf das Präsidium nehmen.“ „Natürlich.“ erwiderte
ich. Dann verließ er das Haus. Ich wusste nicht, ob man den Mord beweisen könnte, doch es
wurde Zeit einige Vorkehrungen zu treffen.
Am nächsten Tag klingelte es wieder. Es war der gleiche Beamte wie gestern. „Guten Tag,
Herr Ryze.“ begrüßte ich ihn. „Was gibt es?“ „Nun, Herr Smith, wir haben herausgefunden,
dass die Patrone, mit der der Abgeordnete erschossen wurde exakt die gleiche ist, wie man sie
für Ihr Gewehr benötigt.“ „Na und?“ fuhr ich ihn an „Das beweist gar nichts.“ „Das glaube
ich nicht.“ erwiderte er. „Die Art von Präzisionsgewehr wird nur bei den Marines verwendet.
Es ist nahezu unmöglich, eins zu bekommen, wenn man nie für den Staat gearbeitet hat. Die
meisten dieser Gewehre sind bei den Marines verschlossen und nur sehr wenige sind
außerhalb. Sie gehören somit zu einer Liste von Personen, die wir abarbeiten werden.“ „Freut
mich.“ lachte ich „Ich bin aber unschuldig.“ „Das sagt jeder, doch es ist nur eine Frage der
Zeit, bis wir den Täter gefunden haben.“ „Das glaube ich nicht.“ erwiderte ich. „Wir hören
noch von einander.“ Mit diesen Worten verließ er die Wohnung.
Zwei Tage später läutete es abermals an der Tür. Mir war klar, dass es Herr Ryze war. Doch
ich war vorbereitet, wie immer einen Schritt voraus. Schwungvoll öffnete ich die Türe.
„Guten Tag. Was führt Sie hierher?“ begrüßte ich ihn wie ein perfekter Gastgeber. „Herr
Smith, hiermit verhafte ich Sie wegen Mordes an dem Abgeordneten von Äthiopien.“ „Ach ja?
Warum?“ wollte ich wissen. „Wir haben Ihr Bankkonto überprüft und dabei herausgefunden,
dass in der letzten Woche 50.000 Dollar darauf eingezahlt wurden. Diese beiden Aspekte
dürften dem Richter genügen, um Sie für viele Jahre hinter Schloss und Riegel zu bringen.
Warum haben Sie ihn umgebracht?“ Wut stieg in mir auf als ich an den Grund zurück dachte:
„Ich war bei meinem letzten Auftrag für die Marines 10 Kilometer weit in Kanada. Ich hatte
nie Leute getötet, die Gutes für die Welt taten, doch bei diesem Auftrag wurde uns gesagt,
dass es sich um Terroristen handelte, die bereits viele Menschen auf dem Gewissen hätten.
Wir hatten kein Recht für diese Aktion, aber ausgeführt werden musste sie trotzdem. Ich
wurde mit meinem besten Freund und Beobachter auf diese Mission geschickt. Die Aufgabe
lautete, dass wir einen feindlichen Konvoi ausschalten sollten. Nachdem wir knapp 70
Prozent aller Leute getötet hatten, und sie bereits den Rückzug antraten, hörten wir das
Rattern eines Helikopters. Er schoss auf unsere Position. Als erstes traf der Helikopter nicht.
Wir begannen zu fliehen. Doch dann wurde mein Freund getroffen und getötet. Ich schaffte
31
die Flucht. Später fand ich heraus, dass es sich gar nicht um Terroristen handelte. Das ist der
Grund, weshalb ich dieses Land hier verachte. Es belügt seine eigenen Leute, damit diese ihre
Drecksarbeit machen.“ „Deswegen hat man doch nicht einen solchen Hass.“ „Ich
schon.“ erwiderte ich. „Würden Sie mir jetzt bitte aufs Revier folgen?“ „Nein.“ antwortete ich.
Mit einer geübten Armbewegung zog ich eine Pistole hervor und drückte ab.
Zwei Stunden später hatte sich Herr Ryze immer noch nicht auf dem Präsidium gemeldet. Die
anderen wurden allmählich nervös. Ein junger Polizist meinte: „Wir sollten die Wohnung
stürmen. Vielleicht ist Jonathan etwas passiert.“ Dieser Vorschlag wurde von allen Seiten
begrüßt. So schnell es ging fuhren sie zu der Wohnung auf der 5th Avenue. Als sie die Türe
aufbrachen war nichts von David Smith zu sehen, doch sie fanden auf dem Küchentisch einen
Zettel auf dem Stand:
Euer lieber Kollege ist tot. Wie es scheint, habt ihr mich von Anfang an unterschätzt.
Mittlerweile sitze ich im Flugzeug nach Europa. Ich fürchte, wir werden uns nie wiedersehen.
Die Polizisten durch fuhr es eiskalt. Grauen packte sie. David Smith war nicht zu fassen.
Atemlos
von Sophie Messer
Als ich am Tatort eintraf, war ich erst einmal geschockt. Das Opfer Saskia Lange lag auf dem
Boden, das Gesicht blass, am Hals tiefe Schürfwunden und der Körper komplett verdreht.
Was war der Grund für diese Tat, und warum traf es ausgerechnet sie. Ich ging zu einem
meiner Kollegen. Er hatte die Unterlagen in der Hand und reichte sie mir, damit ich ein klares
Bild über Frau Lange bekam. Es war eine 21 Jahre alte schlanke Frau mit dunkelbraunen,
schulterlangen Haaren. Sie hatte bei einem Gesangswettbewerb den ersten Platz
eingenommen und wollte auch heute wieder viel erreichen. Sie studierte schon längere Zeit
und sie hatte viel Ehrgeiz. Ihr Freund war für 5 Wochen in Mallorca und wurde noch nicht
über diesen Vorfall informiert. Ihre beste Freundin Hannah Mertens stand geschockt an der
Tür. Sie starrte mich an, als wäre ich nicht von dieser Welt. Kurz darauf brach sie in Tränen
aus und Mitleid packte mich. Ich stellte es mir schlimm vor, meinen besten Freund zu
verlieren. Wie sie leiden musste. Nun ja. Ich sah genauer in die Unterlagen über Saskia Lange.
32
Dort stand auch, dass sie viele eifersüchtige Mitstreiterinnen hatte. Außerdem gewann sie den
letzten Wettbewerb mit nur einem Punkt Vorsprung vor Marie Marcour. Hatte sie vielleicht
etwas damit zu tun? Oder täuschte ich mich. Noch gab es keine Laborergebnisse. Aber da traf
auch schon die Spurensicherung ein und alles wurde abgesperrt. Die Leiche wurde
eingewickelt und zu weiteren Untersuchungen in ein Labor gebracht. Jedes Haar, was neben
der Leiche gefunden wurde, kam in ein Plastiktütchen und wurde ins Labor gefahren. Ein
ziemlicher Tumult bildete sich inzwischen in der Umkleide. Jeder wollte wissen, was vor ca.
45 Minuten geschehen war. Da fiel mir ein Schatten auf. Er kam aus der Toilette. Er
verschwand rasch wieder, so als wollte jemand flüchten. Ich hastete ins Bad. Doch was ich
antraf, war nur eine abgeschlossen Kabine hinter der jemand geräuschvoll versuchte durch das
Fenster nach draußen zu gelangen. Ich brach die Tür auf und in dem Moment war die Person
auch schon weg. Ich sah nur flüchtig, dass sie blonde Haare hatte und womöglich eine Frau
war. Ich starrte durch das Fenster. Doch weit und breit war niemand mehr zu sehen. Aber sie
musste ebenfalls von schlanker Statur gewesen sein, sonst hätte sie unmöglich durch das
schmale Fenster flüchten können.
Als ich zurück zum Tatort kam, war die beste Freundin von Saskia Lange verschwunden. Aus
den Laboruntersuchungen ergaben sich drei Verdächtige. Einmal wurde das Haar der
Drittplatzierten Lara Mertens erkannt. War sie vielleicht die eifersüchtige Mitstreiterin, die
den Sieg diesmal nicht verschenken wollte? Ich verhörte sie und fragte: „Haben sie ein Alibi
für die Tatzeit um 15.30 Uhr?“ Sie antwortete: „Ich war bei der Visagistin. Sie kann alles
bezeugen. Ich habe nichts mit dem Mord zu tun, Detektiv Major. Ehrlich. Ich war das
nicht.“ Ich war mir unsicher. Sollte ich ihr glauben? Oder trieb sie die Eifersucht wirklich so
an, dass sie zum Morden fähig war? Ich fragte sie, ob sie denn irgendwas Auffälliges entdeckt
hatte zur Tatzeit. Sie gab mir zwei wichtige Hinweise, die mich nachdenken ließen. Da war
Marie Marcour. Sie war die Zweite des Wettbewerbs. Sie war blond und schlank.
Andererseits gab es aber auch die beste Freundin des Opfers, ebenfalls blond und schlank.
Beide hätten durch das Fenster gepasst. Allerdings ließ mich das Gefühl nicht los, dass mir
falsche Fährten gelegt und ich angelogen wurde. War es vielleicht doch Lara Mertens. Hatte
sie diese Tat womöglich mit Marie oder Hannah geplant, um mir die Suche des Täters zu
erschweren? Ich ging zur Visagistin. Sie erzählte mir genau das Gleiche, was auch Frau
Mertens erzählt hatte. Sie hatte also ein Alibi.
Wer aber war jetzt der Täter? Die beste Freundin? Sie hatte so verstört und traurig gewirkt.
Sie hatte geweint und war am Boden zerstört. War das alles etwa nur vorgespielt? Oder hatte
sie mich extra so angestarrt, dass ich genau dies glauben sollte? Ich wusste es nicht.
33
Am nächsten Tag ging ich noch einmal zu dem Ort, wo alles stattgefunden hatte. Die
Arbeiten verliefen immer noch auf Hochtouren. Immer wieder führte ich mir die gestrige
Situation vor Augen. Die blonde Frau war aus dem Fenster gesprungen und geflüchtet,
plötzlich war Fr. Müller weg gewesen. Immer mehr kam mir der Gedanke, dass sie es
wirklich war. Doch aus welchem Grund? War sie so eifersüchtig auf die Stimme ihrer besten
Freundin gewesen? Oder steckte noch mehr dahinter. Ich beschloss sie zu Hause aufzusuchen.
Je mehr ich glaubte, dass sie vielleicht die Täterin war, desto unsinniger kam mir der Plan vor,
dass die drei Frauen sich zusammengetan hatten, um mich reinzulegen. Konnte ich das nun
ausschließen? Oder war es immer noch genauso wahrscheinlich wie die Vermutung, dass
Hannah die Mörderin ist...
Plötzlich merkte ich, dass jemand rannte, in ein Auto hineinsprang und kurze Zeit danach
spurlos verschwunden war. Ich sah auf. Hatte ich etwa so lange nachgedacht, dass ich nicht
bemerkt hatte, wie ich das Haus erreichte? Es schien so. Bis dahin hatte Hannah mich
wahrscheinlich längst entdeckt und war geflüchtet. So musste es doch gewesen sein, oder?
Mist. Hätte ich doch nur besser aufgepasst. Jetzt war sie mir entwischt und ich konnte sie
nicht mehr so leicht ausfindig machen. Im nächsten Moment kam mir eine Idee. Ich rief an
der Hauptwache an. Zehn Minuten nach meinem Anruf traf ein Kollege ein. Wir brachen die
Tür auf und drangen in das Haus der besten Freundin des Opfers ein. Wir klapperten alle
Räume ab, doch leider fanden wir nichts, was uns hilfreich sein konnte. Doch plötzlich wurde
ich aufmerksam. Aus einem Zimmer drang ein leises Geräusch. Es erinnerte mich an das
Geräusch, wenn Elektrogeräte länger laufen. Ich öffnete die Tür und starrte auf den laufenden
PC von Frau Müller. Es war ein Bild von Hannah und Saskia angezeigt. Ich ging näher heran
und entdeckte kleine Pfeilchen. Daraufhin sah ich mir weitere Bilder an. Wie sie sich stritten,
wie Hannah mit ihrem Freund lachte und...Da kam mein Kollege und ließ mich nicht
weitergehen. Er sah sich das Bild genauer an und da bemerkte ich es auch. Im Hintergrund
war Hannah zu erkennen. Nicht ganz deutlich, weil es zu weit weg war, aber dennoch wusste
ich, dass sie es war. Die beste Freundin von Saskia. Ich holte das Bild näher heran. Ihr Blick
war grimmig und starr auf Frau Lange und ihren Freund gerichtet. Hatte sie etwa was gegen
diese Beziehung? Oder war es Zufall? Ich konnte nur Vermutungen anstellen. Ich konnte aber
auch Frau Langes 25-jährigen Freund fragen, aber ob dieser bereits fähig dazu war, Fragen zu
beantworten? Ich war unsicher. Ich ging die Fotos weiter durch. Plötzlich stieß ich auf einen
Textauszug. Es war ein Foto aus einem Tagebuch – Saskias – wie sich nach kurzem Lesen
herausstellte. Wieso war es hier drin? Ich las mir den Eintrag durch. 'Warum hat Hannah nur
etwas gegen meine Beziehung zu Maik? Ich wäre so gerne wieder mit ihr befreundet, wie
34
früher, wie vor Maik. Aber sie hatte mir immer ausdrücklich gesagt, dass sie nichts dagegen
hat. Jetzt spielt sie die beste Freundin, die mir alles gönnt. Aber ich weiß, dass sie das nicht ist.
Sie ist eifersüchtig und möchte uns auseinanderbringen. Deswegen hat sie ihm auch die Reise
geschenkt. 5 Wochen weg von mir. Das war ihr Plan. Sie will doch noch nachreisen, oder?
Ich werde es sehen. Aber ich hoffe, dass es irgendwann so wird wie früher.' Nun war ich mir
sicher. Frau Müller war es. Es konnte doch nicht anders gewesen sein. Oder vielleicht doch?
War das vielleicht alles nur eine Intrige von Marie? Am nächsten Tag beschloss ich, ihr noch
einmal einen Besuch abzustatten. Als ich bei Frau Marcour klingelte, wurde mir rasch die Tür
geöffnet. Doch eben so schnell, wie sie geöffnet war, war sie auch schon wieder zu. Ich
beschloss keine Zeit zu verlieren und brach die Tür auf. Ich hörte nur rasche Schritte und
einen dumpfen Knall. Ich rannte dem Geräusch nach und sah grade noch, wie zwei Leute in
einem Schrank verschwanden. Zwei Männer kamen auf mich zu und umfassten mich. Ich
konnte mich kaum bewegen. Gerade so erreichte ich den Notrufknopf in meiner Hosentasche.
Nun konnte mich die Polizeistelle ausfindig machen. Hoffentlich beeilten sie sich. Bis dahin
gab ich mich als ein leicht zu erledigendes Opfer, sodass sie schnell das Interesse verloren
und sich immer mehr auf andere Sachen konzentrierten. Kurz darauf hörte ich auch schon
Schritte im Flur. Die Tür wurde eingerammt. Meine Kollegen nahmen zuerst die beiden
Männer, die mich festhielten. Als ich dann auch noch von den Fesseln gelöst war, öffnete ich
den Schrank. Das erste was ich sah, erschreckte mich. Ich war als Ermittler einiges gewohnt,
aber es stank unglaublich aus diesem Schrank. Was mochte wohl darin gelagert sein? Als ich
die Frauen herausholte, bemerkte ich ihre angsterfüllten Blicke hoch zur Decke. Die Crew
hatte sich bereits vermehrt. Man nahm alle vier fest und brachte sie in Verhörräume im
Polizeigebäude.
Ich sah mir den Schrank noch einmal genauer an. Als ich die Decke öffnete, sah ich ein Fach.
Ich griff nach oben und erschrak. Ich hielt einen Arm in der Hand. War dort oben etwa eine
Leiche? Ich rief einen Kollegen. Zusammen holten wir den leblosen Körper herunter. Nun sah
ich erleichtert auf. Es war eine Puppe. Doch wieso hatten sie so ängstlich auf die Decke
gesehen? Wollten sie mir eine Falle stellen, oder war dort etwas, was mir bisher verborgen
blieb? Ich begab mich erstmal in die Verhörräume. Es stellte sich heraus, dass wirklich beide
Frauen daran beteiligt waren. Hannah hatte sie mit einem Seil erwürgt. Sie war aber nicht aus
dem Fenster geflüchtet. Marie spielte diese Rolle und kam danach wieder, um sich ihr Alibi
zu holen. Es wurde lange über die Strafe diskutiert. Denn ihr Tatmotiv war in beiden Fällen
Eifersucht; einmal wegen des ersten Platzes im Wettbewerb und einmal wegen Maik. Die
Männer kamen in Haft auf Bewährung, da sie nur zum Schutz da waren und nichts
35
Gravierendes veranlasst hatten. Sie waren aber dennoch in den Plan eingeweiht gewesen. Der
Richter, dem Frau Marcour und Frau Müller vorgesetzt wurden, entschied sich für 5 Jahre
Haft. Sollte schnelle Einsicht zu sehen sein, würden sie bereits nach drei Jahren
Gefangenschaft freikommen. Frau Mertens hatte ein komplettes, echtes Alibi und kam frei.
Doch der Schrank bereitete mir noch immer Sorgen. Ich fand es nie heraus.
Das Casino
von Fabio Battiato
Es war ein grauer und kalter Morgen, als ich das Casino betrat. Es war wie immer eine
grausame Tat und ein kaltblütiger Mord. Mein Partner Marc war schon bei der Arbeit und
hatte 20 Minuten auf mich gewartet. „Wieso brauchst du immer so lange?“, fragte er mich,
ohne mich zuerst zu begrüßen. „Wie schaffst du es, immer pünktlich da zu sein?“, fragte ich
ihn. „Guten Morgen!“, rief ich ins Team. Nur ein paar Leute grüßten zurück. „Was habt ihr
schon über das Opfer heraus gefunden?“, erkundigte ich mich. „Das Opfer heißt George
Huffington. Er war zusammen mit seiner Frau Lisa hier. Sie meinte, sie wäre nur kurz auf der
Toilette gewesen und danach wurde er tot in der Herrentoilette gefunden.“, antwortete Marc.
Darauf fragte ich: „Was ist die mögliche Todesursache?“ „Die Todesursache ist
höchstwahrscheinlich ein Schuss in Herznähe, sonst ist nichts Besonderes oder Fehlendes
aufgefallen, außer einem fehlenden Ehering, der nach Beschreibung seine Frau angegeben
wurde.“ „Wurde die Tatwaffe gefunden und hatte er noch seine Chips und sein Geld bei
sich?“ „Wir konnten die Tatwaffe in keiner Ecke der Toilette finden. Die anderen suchen
noch den Rest des Casinos ab. Sie haben Glück, dass es nicht so riesig ist. Das Geld war aber
nach Angaben seiner Frau komplett.“ „Wahrscheinliche Todeszeit?“ „Ich würde sagen:
Gestern von 16 bis 18 Uhr „Haben wir schon Informationen von seiner Frau erhalten?“ „ Nein,
sie war noch geschockt von dem Vorfall.“ „Gut, das wären dann fürs erste meine Fragen
gewesen.“ Ich ging zur Rezeption, um nach einer Liste der Kunden und Angestellten zu
fragen, die um diese Zeit im Casino befanden. Nach einigen Minuten gab sie mir ein Blatt mit
ungefähr 50 Personen, die alle der Täter sein konnten.
Nach diesem anstrengenden Arbeitstag kam ich zu Hause an. Meine Frau Berta hatte schon
das Abendessen vorbereitet, aber es war immer noch warm. Sie lag auf der Couch und schlief.
36
Es war ein schönes Gefühl, ihr bei dem Schlafen zu zusehen. Dann ging ich zu meinen beiden
Söhnen Dave und Carl ins Kinderzimmer. Auch sie schliefen schon fest. Ich ging zurück zu
meiner Frau und schaltete den Fernseher aus, aß und ging ins Bett. Am nächsten Morgen
weckte die helle Sonne mich aus einem tiefen Schlaf und ich wusste, dass heute ein besserer
Tag werden würde.
Ich dachte an den toten Mann im Casino und fragte mich, ob meine Kollegen etwas Neues
herausgefunden hatten. Ich stand auf, zog mich an und ging ins Wohnzimmer. Berta bereitete
das Essen vor und meine Kinder spielten noch im Garten im Sandkasten. „Guten Morgen,
Peter!“, begrüßte mich meine Frau. „Guten Morgen, Berta!“, grüßte ich sie zurück. „Marc hat
von der Polizeiwache aus angerufen und gefragt, ob du schon wach wärst. Er meinte, er habe
neue Informationen zum Fall“ „Man, man, man! Der ist aber auch immer schon früh bei der
Arbeit. Dabei hat er doch eigentlich dieselben Schichten wie ich.“ „Er hat auch noch keine
Kinder und hat deswegen mehr Freizeit. Du könntest jetzt auch mal raus gehen und mit den
Kindern spielen.“
Ohne Widerrede ging ich nach draußen, sah erst einmal meinen Kindern zu und nach einiger
Zeit ging ich zu ihnen und spielte ein bisschen Basketball. Wir hatten eine Menge Spaß, aber
schon nach 15 Minuten musste ich aufhören, weil die Arbeit rief. Als ich auf der
Polizeiwache nach neuen Informationen fragte, bekam ich nur wenige. Es wurde lediglich
herausgefunden, dass George im Zeitraum von 16:30 bis 17 Uhr getötet wurde, was die
Anzahl der Verdächtigen auf 35 verkleinerte. Die Fingerabdrücke wurden derzeit noch im
Labor untersucht.
Am nächsten Tag machten Marc und ich uns zum Casino auf, um noch einmal jede einzelne
Ecke zu überprüfen. Als wir eine Weile alle Spielautomaten absuchten, sah ich einen offenen
Spalt an einem der Spielautomaten hängen. Ich rief Marc, zog meine Gummihandschuhe an,
öffnete das Fach und guckte hinein. Ich fand ein Tagebuch, eine Pistole und ein Messer. An
dem Messer war Blut. Ich fragte mich, von wem es war, denn es waren keine Messerstiche
bei George zu finden. Ich nahm diese Gegenstände mit zur Polizeiwache. Das Tagebuch
wurde von einer Frau geschrieben. Ihr Name war Sally und sie war wahrscheinlich
Mitarbeiterin in diesem Casino. Ich hatte die Liste der Anwesenden dabei, doch es gab dort
keine Sally. Wir suchten weiter.
Marc rief: „Hey, Peter! Komm mal, ich hab hier etwas, das dich interessieren könnte.“ Ich
ging zu ihm. „Eine Liste mit allen Funden ist gerade gekommen und auf der steht etwas von
Blut auf einem der Spielautomaten, doch hier war keines mehr.“, informierte er mich. „Wir
haben alle abgesucht, jemand muss es abgewischt haben, aber es kann doch niemand hier
37
hineingekommen sein, oder?“ „Unsere Kollegen haben niemanden gesehen. Es ist die ganze
Zeit
zugeschlossen.“
„Gibt
es
hier
noch
einen
anderen
Eingang
außer
dem
Haupteingang?“ „Weitere Eingänge gibt es keine, aber das Casino verfügt über drei
Notausgänge. Zwei im Erdgeschoss und einer im Keller.“ „Ich guck im Erdgeschoss nach und
du gehst in den Keller“ „Gut!“ Wie ausgemacht suchte ich die beiden Notausgänge im
Erdgeschoss ab doch dort war nichts zu finden. Währenddessen hatte Marc schon etwas im
Keller gefunden. „Peter, komm mal!“, rief er mich. Ich kam zu ihm. „Diese Tür hier lässt sich
nicht mehr richtig schließen! Es scheint, als habe sie jemand aufgebrochen oder
aufgeschweißt.“ „Hier ist eine Schweißstelle zu sehen, aber hier ist kein Schweißgerät, also
müsste der Täter sie mitgenommen haben. Sag den Anderen, dass sie hier alles auf Haare und
Fingerabdrücke absuchen sollen.“ „Okay!“ Marc ging nach oben und berichtete den Anderen
von dem Einbruch. Sofort kamen die Forensiker mit der Ausrüstung und untersuchten den
Notausgang. Wir gingen zurück und überprüften noch einmal alles im Casino, fanden aber
nichts Außergewöhnliches mehr.
Nach drei Tagen hatten die Laboranten die Ergebnisse des Tatortes fertig gestellt. Marc und
ich machten uns auf den Weg und ich nahm zur Sicherheit sowohl die Liste mit den 35 als
auch die Liste mit den 50 Verdächtigen mit. Einer der Laboranten fing an, die Ergebnisse
bekannt zu geben: „Fangen wir mit den Spuren an der Leiche an: Er wurde eindeutig von
einem Schuss in Herznähe getötet. Es wurde keine DNA von anderen Personen, außer ihm
und seiner Frau gefunden. Es wurden auch keine Prellungen am Körper gefunden. Gehen wir
weiter zu dem Blut an dem Schlüssel und an dem Spielautomaten: Es ist nicht dasselbe Blut!
Das Blut an dem Schlüssel ist von dem Opfer, doch das Blut am Spielautomaten ist von Sarah
Valenti, einer Mitarbeiterin des Casinos. Man hat versucht, sie anzurufen, doch man konnte
sie bisher nicht erreichen. Und zum Schluss kommen wir noch zum Notausgang: Er wurde
mit einen Lötgerät aufgeschweißt. Außerdem haben wir mehrere Haare und Fingerabdrücke
von Harris Valenti gefunden. Er war mit Sarah verheiratet. Das ist alles, was wir bisher
herausgefunden haben.“ Alle besagten Personen, bis auf Sarah, standen auf der Liste.
Marc und ich verließen den Raum. „Marc! Ich habe im Casino doch ein Tagebuch von Sally
gefunden. Vielleicht ist das ihr Kosename für Sarah“, fiel es mir ein. „Das könnte möglich
sein, aber es bleibt noch die Frage, wo sie steckt.“ „Wir könnten im Tagebuch lesen, um
Informationen zu finden.“
Sofort gingen wir zur Polizeiwache und schauten im Tagebuch nach.
„Hey, Marc! Hier steht, dass sie ihren Mann betrügt. Wer würde das in ein Tagebuch
schreiben? Es könnte sein, dass ihr Mann sie aus Eifersucht umgebracht hat.“ „Aber Lisa
38
hätte es doch eigentlich auch auffallen müssen“ „Da hast du recht!“ „Wir könnten Lisa, Sarah
und Harris einzeln befragen.“
„Ich frage den Oberkommissar um Erlaubnis für die Zeugenvernehmung.“
Danach gingen wir zuerst zu Lisa. Von ihr erfuhren wir, dass sie einen Mann bemerkt hatte,
der die ganze Zeit an den selben Tischen wie sie saßen, doch sie hatte ihn nie zuvor gesehen.
Er hatte schwarzes und kurzes Haar, einen kräftigen Körper. Mehr konnte sie uns nicht sagen.
Dann gingen wir zu Harris und Sarah, doch er meinte, Sarah sei seit einem Tag in Italien. Er
versicherte uns, er sei im Casino gewesen, als wir ihn nach seinem Aufenthaltsort zum
Tatzeitpunkt fragten. Er habe auch nichts Außergewöhnliches bemerkt. Mich wunderte es,
dass er so offen mit uns redete. Wir verabschiedeten uns und gingen nach draußen.
„Glaubst du ihm wirklich, dass er nichts bemerkt hat?“, fragte Marc mich misstrauisch.
„Natürlich nicht! Ich wollte ich nur nicht für Etwas einsperren, wofür er vielleicht noch nicht
einmal schuldig ist“, antwortete ich ihm, „und es ist auch merkwürdig, dass seine Frau genau
seit gestern in Italien ist. Seine Geschichte hat noch Leerstellen.“
Am nächsten Tag gingen Marc und ich noch einmal zu Harris, um uns die Wohnung
anzusehen. Doch als wir anklopften, war anscheinend niemand zu Hause. Die Fenster waren
bedeckt. Ich versuchte, die Tür einzutreten, doch irgendetwas blockierte sie. Wir suchten nach
einem anderen Eingang, doch wir fanden nur ein offenes Fenster. Wir beeilten uns, da wir
Schreie aus dem Keller gehört hatten. Als wir im Keller vor einer Tür standen, trat ich sie
dieses Mal erfolgreich ein. Wir sahen Harris, der Sarah in einem Stuhl gefesselt hatte. Er hatte
eine Axt in der Hand. Wir zogen unsere Waffen aus der Gürteltasche und Marc rief: „Legen
sie die Waffe auf den Boden und die Hände und hinter den Kopf!“ Er legte die Axt langsam
auf den Boden, doch als sie fast auf dem Boden berührte, warf er sie nach uns, schubste uns
zur Seite und floh durch ein Fenster. Wir wollten ihm hinterherlaufen, doch er war schon weg.
Wir befreiten Sarah von den Fesseln und sie bedankte sich. Wir nahmen sie mit zur
Polizeiwache und befragten sie. Sie meinte, er habe von der Affäre mit George erfahren und
deswegen hätte er ihn umgebracht und als nächstes wollte er sie umbringen. Sie meinte, sie
wäre am Tatzeitpunkt mit einer Freundin Kino gewesen und sie wusste nicht, wo ihr Mann
gewesen ist. Nach dem Gespräch gaben wir eine Suchanzeige heraus.
Nach zwei Tagen, an denen nichts Besonderes passiert war, bekamen wir einen anonymen
Anruf. Es wurde uns der Hinweis gegeben, dass sich Harris in einem Hotel im Stadtzentrum
aufhielt. Wir fuhren sofort dorthin und man sagte uns, er wohne im Zimmer 243. Wir gingen
zum Zimmer und öffneten die Tür. Er stand einfach nur herum, als hätte er uns schon erwartet,
doch er machte nichts. Wir nahmen ihn mit zur Polizeiwache und fragten ihn, ob er wirklich
39
George umgebracht hat, doch er meinte, er wäre nur da gewesen, um sich wegen der Affäre
ein Bild von George zu machen und ging sofort wieder. Doch bevor er draußen war, hörte er
einen leisen Schrei neben der Toilette und sah seine Frau von der Herrentoilette zur
Damentoilette gehen.
Wir fuhren zu Lisa und befragten sie ein zweites Mal: „Lisa, haben sie ihren Mann
umgebracht? Wir haben einen Hinweis von dem Mann, den sie bei allen Tischen gesehen
haben, erhalten. Er meinte, sie hätten ihn umgebracht.“
„Na gut! Ich gebe es zu. Ich habe meinen Mann in der Herrentoilette umgebracht, doch jetzt
bereue ich es. Ich habe ihn geliebt und wollt ihn für mich alleine haben. Ich bin wegen einer
Affäre ausgerastet und habe ihn umgebracht. Das wäre niemals passiert, hätte ich mit ihm
darüber geredet!“, sagte sie uns traurig und brach in Tränen aus. Doch wegen aller Dinge
musste sie ins Gefängnis. Sie wurde mit dem Auto zur Polizeiwache gebracht.
„Ich weiß nicht, was du denkst, aber damit hätte ich niemals gerechnet“, sagte Marc mir
erstaunt. „Ich auch nicht. Zum Glück hat uns Harris davon erzählt, sonst wäre sie die ganze
Zeit noch auf freiem Fuß geblieben.“ Lisa kam wegen Mordes für 10 Jahre und Harris musste
wegen versuchten Mordes für 4 Jahre ins Gefängnis.
Ich ging zu meiner Familie nach Hause und kam gerade rechtzeitig zum Abendessen. Ich
wusste zu dieser Zeit nicht, was für eine entscheidende Rolle dieser Fall für mich hatte, aber
ich habe gelernt, besser auf meine Familie aufzupassen und auf Probleme in meiner
Beziehung zu achten.
Die Wolfsmaske
von Kaja Hecker
Es war wieder ein grauer Morgen in Lieken, die Sonne schien nur schwach und
zwischendurch fiel immer wieder etwas Regen. Alles sah so trostlos aus. Ich zog noch ein
letztes Mal an meiner Zigarette, dann machte ich mich auf den Weg zur Polizei.
Ich hatte zwei Wochen frei gehabt, um mich von dem, was passiert war, zu erholen. Ich
erinnerte mich noch genau wie ich zu einem Tatort gerufen wurde und man dort auf den
40
ersten Blick lediglich Blut und nicht identifizierbare Stücke menschlichen Gewebes liegen
sah. Ich hatte so etwas trotz meiner mittlerweile sieben Dienstjahre bei der Kriminalpolizei
noch nie gesehen. Es war einfach nur grausam, mein Magen drehte sich um. Ich hörte noch
immer die Stimmen in meinem Kopf, die mir bei meinem Eintreffen am Tatort sagten:
„Gucken Sie ihn nicht an, das ist wirklich ein schlimmer Anblick, so etwas möchte niemand
sehen“.
Aber ich musste mich ja darum kümmern, denn es ist mein Job.
Doch was ich dann sah, verschlug mir den Atem. Unter der Decke lag Herbert, mein Nachbar,
der, als wir Kinder waren, mein bester Freund war.
Er war so verstümmelt, dass man kaum noch erkennen konnte, dass er es war, aber er hatte
dieses unverwechselbare Tattoo. Mein Herz blieb für einen Moment stehen und ich rang nach
Atem. Ich hatte ihn seit zehn Monaten nicht mehr gesehen, aber dass er jetzt tot war, konnte
ich einfach nicht glauben.
Ich hatte in den letzten Jahren zahlreiche Tote gesehen, aber es war nie schlimm für mich
gewesen. Diese Mal war es anderes, es ging mir richtig unter die Haut.
Nach getaner Arbeit ging ich sofort nach Hause, um meiner Frau zu erzählen, was passiert
war. Sie reagierte anders als sonst, wenn ich ihr von meinen Fällen erzählte, aber ich war viel
zu fertig, um mir darüber weiter Gedanken zu machen. Ich wollte eigentlich nur noch schlafen,
um dabei für eine Weile meinen quälenden Gedanken zu entfliehen. Mich ließ die Frage nicht
los, wer so etwas machen konnte. Wie konnte man nur so grausam sein?
Am nächsten Morgen weckte mich meine Frau mit einem Frühstück am Bett. Ich sah ihr an,
dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, warum, war mir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht
klar.
Ich dachte, sein Tod hätte etwas mit Drogengeschäften und der Mafia zu tun. Er hatte
schließlich eine Menge Schulden bei unseriösen Leuten, daher war ich mir fast sicher, dass
der Mörder in einer bestimmten Gang zu suchen war, aber damals wusste ich die Wahrheit
auch noch nicht...
Ich hatte mir den folgenden Tag frei genommen. Meine Frau war, da sie arbeitslos war,
ebenfalls zu Hause, so dass wir den ganzen Tag zusammen verbringen konnten. Ich brauchte
ihren Trost und Zuspruch und sie wusste das. Sie sagte zu mir: „Alles wird wieder gut, ich bin
bei dir. Du kommst darüber hinweg“. Wir gingen zur Ablenkung ins Kino und versuchten
41
alles, um zu vergessen, was gestern passiert war. Doch wenn ich auch nur eine freie Minute
hatte, dachte ich sofort an nichts anderes mehr.
Meine früheren Schulfreunde besuchten mich ein paar Tage später und wir redeten über das,
was passiert war. Alle waren da: Jeffry Milldel, Tom Noob, Haggrid Pons, selbst Gerald
Schreinder, der Herbert damals abgrundtief gehasst hatte.
Kein Wunder, Herbert hatte ihm die wunderschöne Hanna ausgespannt, die mittlerweile
meine Frau geworden war. Damals in der Schule war noch alles einfach, das Schlimmste, was
einem passieren konnte, war die Freundin zu verlieren, so wie es bei Gerald war.
Er hatte es nie richtig verkraftet. Seine Eifersucht auf Herbert blieb. Herbert war der
angesagte Technikfreak und er der schlechte Sportler.
Während wir uns unterhielten, fiel mir dieser Blick in Geralds Gesicht auf, der mich sehr
stark beunruhigte, ich konnte mir allerdings keinen Reim darauf machen. Wir tranken so viel,
dass meine Erinnerung sich im Alkoholdunst verlor.
Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem dicken Kopf und nicht, wie ich es erwartet hätte,
in meinem Bett, sondern gefesselt auf einen Stuhl sitzend, ohne Erklärung dafür, wie ich
hierin geraten war.
Vor mir standen zwei Menschen mit Masken, die aussahen wie die Gesichter von Wölfen, der
eine Mensch klein und zierlich, vermutlich eine Frau von der Statur ähnlich meiner Frau und
ein starker, muskulöser Mann um die 1,90m groß.
Als sich der Nebel in meinem Hirn weiter lichtete, sah ich, dass ich in einem dreckigen,
verschmutzen Raum saß. Die Wand, die mir gegenüber lag, war voller Spiegel. Ich konnte
nach hinten sehen und sah mich selber in diesem Spiegel, nur die Entführer sah ich lediglich
ein wenig, genug jedoch, um Angst vor ihnen zu bekommen. Es war gruselig, man sah sich
selber völlig zerstört in diesen Spiegeln.
Ich spürte wie mir Blut den Kopf entlang lief, noch warm, was hieß, dass die Verletzung
frisch sein musste. Ich spürte diesen stechenden Schmerz in meinem Bein und einen
erdrückenden Schmerz in meiner Brust.
Ich konnte nicht reden und mein Mund war trocken, meine Hände hinten am Rücken gefesselt,
meine Beine am Stuhl festgeklebt und meine Augen wurden durch ein seltsames Gerät offen
gehalten.
42
Es war wie in dem Horrorfilm „SAW“... erschreckend, surreal und beängstigend. Ich konnte
und wollte mir nicht vorstellen, was als nächstes passieren würde. Und doch schossen mir
Gedanken durch den Kopf. Würde dieses Gerät an meinen Augen mich töten? Oder die
Wunde an meinem Kopf mit dem Durst?
Ich hatte das sichere Gefühl, dass ich kein Tageslicht mehr sehen würde und ich war auch
noch zu benebelt, um zu bemerken, dass ich diese Masken kannte.
Ich war mir nicht sicher woher, aber ich hatte sie schon mal gesehen. Es war, als hätte ich ein
Déjà-vu Erlebnis. Dann drehte sich auf einmal alles um mich herum und ich verlor erneut das
Bewusstsein. Während ich mich zunehmend im Dunkeln verlor, hörte ich noch diese Stimmen,
die wie ich vermutete, von einem Fernseher stammten. Doch wieso erinnerten sie mich an
meine Arbeitskollegen?
Wieder erwacht, fiel es mir sehr schwer, klar zu denken. Ich wollte schreien. Ich wollte so
laut schreien, dass mich irgendwer hörte, nur wie? Wie, wenn man ein Stofftuch im Mund hat,
das jeden Laut im Keim erstickte? Ich wollte nur noch raus aus dieser Situation, meine Angst
nahm überhand. Alle Verhaltensregeln, die ich in meinem Beruf erlernt hatte, waren mit
einmal im immer größer werdenden Meer meiner Angst untergetaucht und ich wollte nur
noch weg, weg, weg.
Die beiden Personen mit den Masken beachteten mich gar nicht. Es war, als würde ich schon
nicht mehr existieren. So verging Stunde um Stunde, die ich irgendwo zwischen Leben und
Tod verbrachte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erwachte mein Überlebenswille, es reichte! Entweder sollten
sie mich sterben lassen oder mich frei lassen. Ich spürte mein Handy in meiner hinteren
Hosentasche. Wenn ich nur drankommen würde, könnte ich dieser Hölle vielleicht doch noch
entfliehen. Ich strengte mich so gewaltig an, dass ich kleine Geräusche von mir gab, die auf
einmal die Aufmerksamkeit des kleineren Entführers erregten.
Er kam langsam auf mich zu. Meine Angst wurde immer größer. Wie gerne hätte ich die
Augen geschlossen, was aber dank dieses Gerätes ein Ding der Unmöglichkeit war. Auch
wenn sich mir der Sinn dieses Gerätes nach wie vor nicht erschloss, dafür war es jedenfalls
gut.
43
Der kleinere Entführer hatte mich nun fast erreicht, doch statt mich zu schlagen, womit
gerechnet hatte, verstellte er nur etwas an dem Gerät.
Ich merkte fast augenblicklich, wie meine Augen noch mehr schmerzten und schrie auf, doch
mein Schmerzensschrei wurde von meinem Knebel gedämpft. Nach und nach floss eine
cremige Flüssigkeit in meine Augen. Sie brachte mich zum Weinen, aber anschließend wurde
nach und nach mein Blick wieder klarer. Mir dämmerte, dass es für die Entführer wichtig war,
dass ich alles, was noch mit mir passieren sollte, mit ansehen konnte.
Langsam meldete ich mein Magen, ich hatte ein flaues Gefühl. War es Hunger oder doch nur
der Kater vom Alkohol? Das flaue Gefühl steigerte sich zu einer ausgewachsenen Übelkeit.
Mein Magen begann sich umzudrehen, der Inhalt stieg mir die Kehle hoch. Doch wohin damit?
Panik überkam mich, ich hatte Angst, an dem Zeug zu ersticken und versuchte es schnell
wieder hinunterzuschlucken.
Als meine Entführer einige Zeit später den Raum verlassen hatten, versuchte ich wieder, an
mein Handy zu kommen. Ich kippelte mit dem Stuhl hin und her, streckte meine Hände so gut
es ging, aber es gelang mir nicht. Panik machte sich wieder in mir breit. Ich malte mir aus,
was die beiden alles noch mit mir anstellen wollten.
Wieder vergingen Stunden, ich fühlte mich beobachtet, obwohl ich die Entführer nicht
wirklich sehen konnte. Noch später fingen sie an, sich zu streiten und Wortfetzen wie „fester
schnallen“, „in Ruhe lassen“, „Geld“ drangen zu mir rüber. Nach einem zehnminütigem
Gebrüll kam der größer von beiden, nahm mir endlich das Stofftuch aus dem Mund und fragte
mich: „Wo ist deine Frau?“. Woher sollte ich das wissen!? „Du musst es aber wissen“, mit
diesem Satz schnallte er das Gerät enger und ich hatte noch größere Schmerzen. Es fühlte sich
an als würden meine Augen Stück für Stück aus meinem Kopf raus gezogen. „Ahhhhhh. Ich
weiß es nicht! Das müssen Sie mir glauben!“, schrie ich. „Du kleiner verzogener Bastard! Sag
mir jetzt, wo deine Frau ist oder du wirst sie nie wieder sehen können!“ Bei diesem Satz war
ich mir nicht sicher, wie er das meinte. Wollte er mich umbringen oder sollte ich nur meine
Augen verlieren? „Sie ist vermutlich in unserem Haus“, platze es aus mir raus, mittlerweile
waren die Schmerzen unerträglich geworden. „Da ist sie nicht, lüg mich nicht an!“, mit
diesem Satz nahm er die Maske ab. Was ich dann sah, raubte mir den Atmen... Es war Gerald.
Wieso tat er mir das an, nach allem, was ich für ihn getan hatte? „Gerald? A...a...aber was
machst du denn hier und was soll der ganze Mist hier?“ Es sprudelte nur so aus mir raus, ich
wollte ihn beleidigen und ihn niedertreten, aber es ging nicht, ich war ja nach wie vor an
44
diesen Stuhl gefesselt. „Wundert dich das wirklich? Ich konnte deine Frau nie vergessen. Sie
ist mein Lebensinhalt, nur ihretwegen habe ich alles bisher ertragen können. Ich liebe sie und
habe sie immer geliebt. Sie soll endlich zu mir stehen und nicht weiterhin unsere Affäre
verleugnen. Wir haben sogar einen Sohn bekommen als du das Jahr in Amerika warst!“ In
dem Moment nahm der zweite Entführer die Maske ab und ich sah die Ähnlichkeit zwischen
ihm und meiner Frau.
„Wollt ihr mich jetzt töten? Meinst du, dadurch gewinnst du die Liebe meiner Frau zurück?
Das wird nicht funktionieren und das wisst ihr ganz genau.“
'Wir werden dafür sorgen, dass sie hierhin kommt. Dann werden wir ja sehen, für wen sie sich
entscheidet! Entscheidet sie sich für dich, werden wir gehen. Entscheidet sie sich aber für
mich, lasse ich dich ganz langsam mit Hilfe dieses Augenspalters sterben.“ Es lag soviel
Selbstsicherheit in seiner Stimme, dass ich mich schon auf meinen Tod vorbereitete. Aber
wieso sollte sie mit mir verheiratet sein, wenn sie ihn mehr liebt als mich? Das Ganze
verwirrte mich.
Es verging eine halbe Stunde, während der sie versuchten, meine Frau zu erreichen. „Ihr
könnt es auch mit meinem Handy versuchen. Vielleicht geht sie dann eher dran. Rechte
hintere Hosentasche.“ Ich musste das einfach loswerden, ich wollte nicht mehr länger auf
meinen Tod warten.
Beim ersten Versuch ging sie dran. „Wo steckt du Schatz? Ich mache mir Sorgen! Du meldest
dich nicht und auf der Arbeit warst du auch nicht!“
„Hier ist nicht dein Schatz, Liebling. Ich hab ihm alles erzählt, komm in die Lagerhalle, wir
warten dort.“, meldete sich Gerald mit einschmeichelnder Stimme und legte dann auf.
Wieso war er sich so sicher, dass sie hierhin kommen würde und wusste, wo diese Lagerhalle
steht?! Zehn Minuten vergingen, da klopfte es an einem der Spiegel. War hinter dem Spiegel
etwa der Eingang?
„Willkommen Liebling, wir haben dich schon erwartet.“ „Nenn mich nicht Liebling! Ich hab
dir schon damals gesagt, dass ich danach nichts mehr mit dir zu tun haben will. Und dann hast
du Herbert umgebracht und alles hat sich geändert. Wie konntest du das nur tun? Und was zur
Hölle hast du meinem Mann angetan? Liebling?“ Sie kam auf mich zu, löste sanft dieses
komische Gerät von meinen Augen und meine Fesseln.
„Hör auf damit, du Schlampe!“, Gerald kam angestürmt und schlug sie so heftig, dass sie zu
Boden fiel. „Wie gehst du mit meiner Frau um!?“, Endlich befreit, sprang ich auf und schlug
45
ihn so hart, dass er ebenfalls zu Boden ging und sich nicht mehr rührte. Sein Sohn kam
angerannt in der Absicht, mich zu schlagen, aber ich konnte ihn abfangen und wir prügelten
uns, bis ich ihn überwältigen konnte.
„Alles okay bei dir Schatz?“, fragte ich, kam auf meine Frau zu und half ihr hoch. „Es ist alles
okay! Aber lass uns die Polizei rufen und dann schnell hier verschwinden.'
Ich wählte den Notruf und wir gingen vor die Tür, nach einer Viertelstunde kamen die Polizei
und ein Krankenwagen, der mich und meine Frau mitnahm.
Am nächsten Tag rief mich der diensthabende Kollege an und fragte: „Ist wieder alles okay
bei Ihnen? Die beiden Entführer sind uns entwischt. Die bisherige Fahndung ist im Sande
verlaufen. Vermutlich haben sie sich in Ausland abgesetzt.“
„Okay danke. Ich hoffe sie bekommen noch ihre gerechte Strafe.“
„Wenn nicht von uns, dann von irgendwem anders! Nehmen Sie sich jetzt erst mal die
nächsten zwei Wochen frei. Das haben Sie sich verdient.“
Mittlerweile geht es mir wieder gut und ich habe die Ereignisse weitgehend verarbeitet.
Meine Frau und ich sind glücklicher als je zuvor, insbesondere seit wir vor drei Tagen
folgende Schlagzeile in der Zeitung gelesen haben: „Deutscher Vater und sein Sohn bei
Schießerei in der Türkei ums Leben gekommen. Welche Rolle spielten dabei die
Wolfsmasken?“ Tja, manchmal ist das Leben doch einfach schön....
Eine Kriminalgeschichte
von Jonas Zahra
Als George ihm in die Augen sah, wusste er, dass er keine Chance hatte zu überleben. Man
hörte einen lauten Knall. Er spürte nichts mehr.
--'Guten Tag, Herr Kommissar.'
'Guten Tag. Ich möchte bitte alle einzelnen Details und Zeugenaussagen haben.'
Der Kommissar ging zu der Leiche, auf dem Boden war eine rote Blutlache. In dem Kopf des
kürzlich erst verstorbenen Mannes war eine Kugel...sie war golden.
46
'Es ist dieselbe Kugel wie neulich bei der Leiche vor einer Woche. Es war keiner von diesen
Mordfällen, die öfter passieren. Es war ein Serienmörder.'
„Der Panther“ hat wieder zugeschlagen', sagte der eine Spurenermittler und zeigte an die
rechte Wand des etwas zu kleinen Ateliers. Eine Pantherklaue war mit Graffiti an die Seite
gesprüht worden.
'Hier, Herr Kommissar, die Akte. Das Opfer heißt George Ramsfield. Er arbeitete hier im
Atelier als Verkäufer.'
Der Kommissar kannte den Namen flüchtig, aber dachte nicht mehr darüber nach.
'Wurde denn etwas gestohlen?'
'Nein, Herr Kommissar.'
Hmm. Der Kommissar runzelte die Stirn.
'Senden Sie mir bitte alle Infos über den Mord per E-Mail. Heute war ein Scheißtag. Ich muss
mich ausruhen.'
Als Joe sich im Spiegel betrachtete, erinnerte er sich an das, was seine Schulkameraden ihm
immer gesagt haben. 'Guckt euch dieses hässliche Kind an.' Doch seit der Zeit hatte sich Joe
verändert. Er wurde ein hübscher, junger Mann.
>>Heute werde ich ihnen zeigen, wie ich mich verändert habe<<.
Er öffnete die Haustür, ging zu seinem Wagen und gerade als er das Auto öffnen wollte,
merkte er, dass sein Schlüssel verschwunden war. Er fasste sich in die Hosentaschen. Nichts!
In seiner Jackentasche fand er nur sein Portemonnaie. 'Mist!!!' rief er in die leere, dunkle
Gasse. Er hatte ein großes Haus mit einem riesigen Garten, obwohl er alleine wohnte. Er ging
zurück zum Haus, doch dann fiel ihm ein, dass er ja seinen Schlüssel verloren hatte. 'Shit!'
sagte er und ging in den Garten, um seinen Ersatzschlüssel zu holen, den er unter einem im
Garten aufgestellten Gartenzwerg gelegt hatte. Joe nahm den Schlüssel, drehte sich um. Doch
dann...was war das? Die Tür, die von dem Garten ins Haus führte, war offen...
Als der Kommissar zu Hause ankam, erwartete ihn schon seine Frau mit einem leckeren
Essen. Es duftete köstlich. Doch der Kommissar hatte keinen Hunger.
'Hi, ich hab dir dein Lieblingsessen gemacht.'
'Ich habe keinen Hunger.'
'Was ist mit dir los? Seitdem du Kommissar bist, hast du dich verändert. Du bist nicht mehr
der, den ich geheiratet habe', sagte sie enttäuscht.
'Ich habe jetzt mehr Verantwortung als früher.'
47
'Du kümmerst dich gar nicht mehr um mich. Du sagst nicht mal mehr >Hallo<.'
'Ich kann jetzt nicht mit dir streiten, Schatz', sagte er und ging in sein Zimmer.
Albert machte seinen PC an und betrachtete währenddessen das Foto von seiner Hochzeit. Ein
schöner Tag, er versank in Gedanken. Albert bemerkte erst später, dass der PC schon an war.
Er hatte 2 neue Mails in seinem Posteingang. Aber keine von der Polizeiwache...Plötzlich
bekam der Kommissar Hunger. Er ging in die Küche und rief: 'Stacey? Ich hab Hunger
bekommen. Ist noch was von den Pfannekuchen da?'
Es kam keine Antwort. Er guckte sich im Haus um und fand an der Haustür einen Zettel:
'Schatz, ich bin kurz einkaufen gefahren. Du weißt ja, da morgen mein Bruder Geburtstag hat,
musste noch ein Geschenk kaufen. Falls du noch Hunger hast, im Kühlschrank sind fünf
Pfannekuchen. Du musst sie noch aufwärmen. Hab' dich lieb.'
War er wirklich so tief in Gedanken versunken, dass er seine Frau nicht mal mehr rausgehen
hörte? Er steckte die Pfannekuchen in den Ofen und setzte sich vor den PC. Er war müde.
„Merkwürdig“, dachte sich Joe, als er die sperrangelweitoffene Tür sah. Plötzlich gingen
Lichter im Haus an. Joe lief ein kalter Schauer über den Rücken. Was sollte er machen?? Er
ging in den Gartenschuppen, holte eine Schaufel und kroch näher zu der Tür. Er schlich wie
ein Luchs, der leise auf der Suche nach frischem Fleisch ist. Er hatte Angst, aber er wusste
nicht, was er tun sollte. Als er über die Veranda schlich, fing sieh an zu knacken. 'MIST!' .Das
Licht erlosch... Es war dunkel und kalt.
'H-h-a-a-a-l-l-o??? Is-s-t-t d-da j-eman-d-d-d???', er zitterte, sein Herz schlug immer schneller.
Stille... Hastig rannte er zu dem Lichtschalter und legte ihn um. Für einen kurzen Moment
fühlte er sich sicher, aber dann verflog diese Sicherheit und Angst breitete sich in ihm aus.
Man hörte die Uhr ticken und den Wasserhahn tropfen. Plötzlich ging das Licht aus... Joe
begann zu schwitzen und zitterte wie Espenlaub im Wind. 'Fuck!', rief er vor sich hin. In
seinen Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Er drehte sich hastig um. Niemand war zu sehen.
Er wollte raus, er wollte irgendwohin, nur nicht hier sein. Er schloss seine Augen und dachte
an etwas Schönes. Joe dachte an seine Düsseldorfer Footballmannschaft namens Rhine Fire.
Er war ein großer Footballfan. 'Oooho… Oooho. Go Rhine Fire.' Er sang die Hymne, um sich
aufzumuntern, Nur leider hielt die Freude nicht lange an. Plötzlich fiel eine Vase um. Joe
öffnete seine Augen und drehte sich blitzschnell um.
Er sah die Silhouette eines Menschen...Die Person bewegte sich nicht. In Joe tobte ein Sturm
der Angst. Er sprang auf und rannte so schnell er konnte zur Haustür. Er hörte ein
undefinierbares Surren und fiel um.
48
Als Albert aufwachte, lag er mit dem Kopf auf der Tastatur. Seine Frau stand hinter ihm.' Al,
Schatz, wach auf.'
'Was ist los?! Wie viel Uhr haben wir?', sagte er sichtlich müde.
'Exakt 5:43 Uhr. Ein paar deiner Kollegen haben mich geweckt, du sollst sofort kommen.'
'Was ist denn passiert?'
'Ich weiß es nicht, aber anscheinend etwas Ernstes.'
Albert richtete sich träge auf und torkelte zum Badezimmer. Als er fertig war, begrüßte er
seine Kollegen und stieg in das Zivilauto.
Als die drei Polizisten ankamen, betrachtete Al das Haus. Es war sehr groß und es kam ihm
bekannt vor. Irgendwo hatte er es schon mal gesehen. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Er rannte
los, an allen Polizisten und der Spurensicherung vorbei. Als er die Leiche betrachtete, lief ihm
eine Träne durchs Gesicht... Es war sein Bruder. Joe Carlos. Joe hatte seinen Namen geändert,
er wollte sein altes Leben hinter sich lassen...
'Al? Was ist denn los?', fragte einer der Kollegen die unbemerkt eingetroffen waren.
'Das... das ist mein Bruder', sagte er, wischte seine Träne weg und drehte sich um.
'Oh, mein herzlichstes Beileid.'
'Ich.. ich muss jetzt nach Hause.'
Albert ging mit Leere in den Augen vor die Tür des schönen Sommerabends.
Er stieg in ein Auto, was ihm nicht gehörte und fuhr nach Hause.
Als Stacey das Klingeln hörte, ging sie zur Tür, schob den Riegel nach hinten und öffnete die
Tür. Es war Al, er sah völlig niedergeschlagen aus er betrat das Haus und ging, ohne ihre
Begrüßung zu erwidern, in sein Zimmer, legte sich in das Bett und fing an zu schlafen. Er
träumte von einer Gestalt, die ihn jagte und, gerade als sie ihn erreichte, kam sein Bruder. Die
Kreatur ließ von ihm ab und sprang auf Joe Gray, so hieß er vor der Namensänderung. Als er
aufwachte, war ihm übel und er musste sich übergeben. Als er zum zweiten Mal aufwachte,
hatte er jedes Zeitgefühl verloren.
'Na, mein Schatz wie geht es dir? Bist auch mal wieder da.' Stacey stand an der Tür
und guckte ihn liebevoll an.
'Was meinst du damit?' sagte Al verwirrt.
'Ha, du hast den ganzen Tag lang geschlafen. Deine Kollegen haben mir erzählt, was passiert
ist und haben das Auto wieder mitgenommen, was du „gestohlen“ hast.'
'Aber was...ich muss doch noch...'
49
'Tschh… du musst nichts machen. Ich habe dir zu einer freien Woche verholfen', unterbrach
sie ihn und lächelte.
'Ja, der gute alte Herr Carlos soll ihn Frieden ruhen. Komm', lass' uns was im Restaurant essen,
um deine Stimmung zu heben.'
'Nein. Mir äh... geht es nicht so gut, aber du könntest uns doch was einkaufen’, sagte Al
misstrauisch. Irgendetwas war faul an der Sache.
'Ok Al, ich bin in circa 20 Minuten wieder da', sie ging zu ihm und gab Al einen
Abschiedskuss.
Er verabschiedete sich und legte sich ins Bett. Al wartete bis die Tür zuging. Er hörte ein
leises dumpfes Geräusch. Sofort stieg Al aus dem Bett und ging ans Telefon und rief im
Revier an.
'Polizeirevier Brighton, wer spricht da?', sagte die Sekretärin mit einer sanften Stimme.
'Hi, Bettina, hier ist Al. Kann ich kurz Johnson sprechen?'
'Hi, Al, wie geht es Stacey so und...'
'Bettina, bitte, es ist sehr dringend!'
'Hm...Okay warte.'
'Bitte warten Sie eine kurzen Moment...Bitte warten Sie eine kurzen Moment...Bitte warten
Sie eine kurzen Moment...' sagte die elektronische Stimme.
'Al? Ist was?'
'John, jetzt ganz schnell. Sag mir die Namen der Opfer des „Panthers“ und das Modell der
Tatwaffe. Man kann es doch anhand der Patronen identifizieren, oder? Ach ja, und die
Mordzeit bitte auch noch.'
'Ja, das kann man, Al, warte kurz...Chris Jacob, Simon Deck, Joe Carlos und George
Ramsfield und das Modell der Waffe ist...Eine UMP-1123 A5 mit und ohne Schalldämpfer.
Die Mordzeit war 22:30. Wieso willst du das wissen?'
'Danke. Kannst du bitte eine bewaffnete Einheit zu mir nach Hause schicken? Es ist ein
Notfall', sagte er und legte auf ohne sich zu verabschieden.
Die UMP ist die momentane Standardwaffe der Polizei. Ihm wurde alles klar. Er ging zu dem
Schrank nahm seine Dienstwaffe, die, wie er vermutet hatte, nicht exakt an derselben Position
lag, lud nach und stellte sich wartend vor die Tür. Im selben Moment öffnete sich die Tür und
Stacey trat herein. Al richtete die Waffe auf sie und sagte: 'Ich weiß es und du brauchst es
nicht zu leugnen, du Mörderin!'
'Schatz, ich hab es nur für dich getan!', brüllte sie.
50
'Alles, was du sagst, kann gegen dich verwendet werden. Und ich möchte nicht mit dir
darüber reden, leg dich auf den Boden.'
'Aber Al....
'SOFORT!'
Die Wagen der Polizei kamen, und die Beamten stürmten in sein Haus, als sie sahen was
passiert war.
'AL, LEG DIE WAFFE WEG!', schrie einer der Beamten.
'Keine Sorge, wir werden das alles auf dem Revier klären', sagte Albert und legte die Waffe
weg.
10 Tage später.
Albert guckte sich die Polizeiakte an:“Stacey Gray, 32 Jahre alt, angeklagt wegen 5-fachen
Mordes, bekannt als „der Panther“. Motiv: Ausschnitt aus dem Verhör: 'ICH HABE ES NUR
FÜR AL GETAN', schniefte sie. 'Chris Jacob wusste, dass ich schon gemordet hatte. Aber er
behielt es für sich. Ich war mir trotzdem nicht sicher, ob er schweigen würde, also eliminierte
ich ihn. Die anderen habe ich getötet, da mir das Morden Spaß gemacht hat und da der Tod
der Menschen wenigstens Sinn ergeben sollte, habe ich alle meine heimlichen Affären
ermordet.'
Stacey Gray wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
'Hey, Al, pack' die Akte weg. Die Beerdigung deines Bruders geht gleich los.'
Albert packte die Akte weg und guckte sich verstört auf dem Friedhof um. Er hatte alles
verloren.
Rache
von Christopher Michel
Es war ein schöner Samstag im September. Das richtige Wetter, um sich ein spannendes
Lokalderby live anzugucken. Ich freute mich schon die ganze Woche darauf. Meine Freundin
sah das etwas anders. Anstatt mich ins Stadion zu begleiten, zog sie es vor mit ihrer Freundin
shoppen zu gehen. Nach einem ausgedehnten Frühstück machte sie sich auf den Weg. Mir
blieb noch etwas Zeit, da der Weg mit der S-Bahn nicht wirklich lang dauerte. Ich räumte die
51
Wohnung auf und bereitete das Essen für heute Abend vor. Dann machte ich mich auf den
Weg.
Wie zu erwarten, gaben die Kölner eine perfekte Vorstellung und sicherten sich den
Derbysieg. Leider gab es auf dem Rückweg schwere Randale am Kölner Hauptbahnhof.
Dadurch kam ich später als erwartet zu Hause an. Vor der Wohnungstür stellte ich fest, dass
ich meinen Schlüssel nicht dabei hatte. Da aber Licht in der Wohnung brannte, klingelte ich.
Doch niemand machte mir auf. „Komisch“ - dachte ich mir und machte ich mich auf den Weg
zu meiner Nachbarin, um mir den Ersatzschlüssel zu holen.
Als ich die Wohnungstür öffnete, war diese hell erleuchtet, der Garderobenständer lag auf
dem Boden und ein Bild hing schief an der Wand. Ein schlechtes Gefühl stieg in mir auf und
ich rief nach Lisa. Doch sie antwortete nicht. Ich ging ins Wohnzimmer und auch dort waren
einige Sachen umgefallen. Ich bekam ein beklemmendes Gefühl. Auf dem Weg in die Küche
sah ich einen mit großen Buchstaben geschriebenen Zettel.
RACHE stand darauf. „Was konnte das bedeuten? “ - fragte ich mich.
Sollte das ein Scherz sein? Nein, so ein Typ war Lisa nicht. Ihr musste etwas zugestoßen sein.
Ich rief ihre Eltern an und erklärte ihnen alles. Sie rieten mir, mich sofort mit der Polizei in
Verbindung zu setzen. Ich schilderte dem Beamten am Telefon den Vorfall. Sie sagten mir zu,
dass sie umgehend einen Kollegen zu mir schicken würden. Ich rief in der Zwischenzeit bei
Lisas Freundin Mia an.
Sie erklärte mir, Lisa sei gegen 17.00 Uhr mit dem Bus nach Hause gefahren. Da es nur 3
Haltestellen waren, hätte sie gegen 17.15 Uhr zu Hause sein müssen. Danach habe sie nichts
mehr von ihr gehört. Mia machte sich große Sorgen um ihre Freundin. Sie kannten sich schon
aus der Grundschule. Mia bot mir ihre Hilfe an. Aber im Augenblick konnte sie nichts für
mich tun.
Die Zeit des Wartens erschien mir endlos, doch endlich klingelte es an der Tür. Der
Polizeibeamte stellte sich als Kommissar Stracke vor. Er wurde von einer jüngeren Kollegin,
Frau Matuschyk, begleitet. Detailliert schilderte ich ihnen den Vorfall. Sie fragten mich, ob
ich einen Verdacht hätte. Ich war völlig durcheinander und konnte mir die ganze Sache nicht
erklären. Inzwischen waren auch Lisas Eltern gekommen. Während sich die Beamten mit
Lisas Eltern unterhielten, kam ein Kollege von der Spurensicherung. Er suchte nach
verwertbaren Fingerabdrücken. Auf dem Zettel waren einige Spuren zu erkennen. Mit diesen
Spuren machte er sich auf den Weg ins Labor. Unterdessen saßen Lisas verzweifelte Eltern im
Wohnzimmer und konnten sich die Sache nicht erklären. „Wer nur wollte sich an ihrer
Tochter rächen?“ Frau Matuschyk versuchte die Eltern zu beruhigen. Kommissar Stracke
52
erklärte mir, er wolle eine Telefon-Fangschaltung installieren lassen, falls der Täter sich
telefonisch melden würde.
Ich stimmte ihm zu und zermarterte mir den Kopf, wer Lisa so etwas antun konnte. Wer
wollte Rache? Wofür ? Ich konnte es einfach nicht fassen.
Die Beamten versuchten es auch über Lisas Handy-Nr. Das hatte ich vorher natürlich auch
schon probiert. Es ging immer nur die Mail-Box an.
Die Polizei hatte aber die Möglichkeit, das Handy über GPS zu orten.
Mittlerweile waren schon 4 Stunden vergangen. Die Fahndung ging an alle Polizeistreifen
raus. Sämtliche Bus- und Taxifahrer der Stadt hatten eine genaue Beschreibung von Lisa. Es
war weit nach Mitternacht und meine Nerven lagen blank. Da klingelte plötzlich das Telefon.
Aufgeregt nahm ich den Hörer in die Hand. Es war die Polizei. Sie hatten die Auswertung der
Fingerabdrücke. Diese stimmten mit denen eines ehemaligen Inhaftierten überein. Die Polizei
bat mich zur Polizeiwache zu kommen. Aufgeregt stieg ich ins Auto und fuhr los. Ich raste
viel zu schnell durch die Stadt. „Was hatte Lisa mit einem ehemaligen Inhaftierten zu
tun?“ fragte ich mich. Lisas Eltern fuhren mit Ihrem eigenen Wagen zur Wache.
Auf der Wache erwartete man mich bereits. Sie zeigten mir ein Bild eines Verurteilten
Räubers. Bis vor einer Woche saß er in der JVA Jülich und war jetzt wieder auf freiem Fuß.
Inzwischen waren auch Lisas Eltern in der Wache eingetroffen. Als auch sie sich das Bild
ansahen, begriffen sie langsam. Lisa hatte vor 7 Jahren als Zeugin in einem Raubüberfall
ausgesagt. In der Polizeiakte sahen sie ein Bild des Täters und nun war Lisa in seiner Gewalt.
Es ging um einen Überfall auf einen Tankstellenbesitzer. Der Täter hatte ihn überfallen, eine
nicht unbeträchtliche Summe Bargeld erbeutet und ihn dann schwer verletzt zurückgelassen.
Lisa hatte den Vorfall damals unbemerkt aus ihrem Auto beobachtet. Auf der Flucht zog der
Täter seine Maske ab, so dass sie sein Gesicht gut erkennen konnte.
Jetzt wollte er sich für die 7 Jahre Haft an ihr rächen. Nachdem die Beamten nun wussten,
wen sie suchen mussten, hatten Ermittler Lisas Handy per GPS geortet. Der Standort war ein
verlassenes Industriegebäude am Stadtrand. Sofort machten sich die Ermittler mit mehreren
Polizeibeamten auf den Weg. Ich durfte sie begleiten, musste mich aber im Hintergrund
bedeck halten. Ich war aufgeregt und hatte fürchterliche Angst. Was hatte der Verbrecher mit
Lisa vor? Würden sie sie rechtzeitig finden, oder war es schon zu spät? Als wir das
Industriegebäude erreichten, verteilten sich die Beamten überall auf dem Gelände. Ich durfte
das Fahrzeug nicht verlassen, konnte aber über Funk die Ermittlungen verfolgen. Nach einer
halben Stunde hatten sie immer noch keine Spur von Lisa. In der Zwischenzeit war auch eine
Hundestaffel eingetroffen. Äußerste Vorsicht war geboten, da der Täter als sehr gewalttätig
53
eingestuft wurde. Plötzlich hörte ich mehrere Schüsse und es hielt mich nichts mehr im Auto.
Was war geschehen? Ein Beamter hatte den Täter entdeckt und es kam zum Schusswechsel.
Die zur Hilfe eilenden Kollegen überwältigten, den angeschossenen Täter - auch ihr Kollege
hatte einen Streifschuss erlitten.
Von Lisa hatten sie jedoch immer noch keine Spur. Beamte befragten den angeschossenen
Täter, der zwischenzeitlich ärztlich versorgt wurde.
Er verweigerte jedoch jegliche Auskunft über Lisa. Die anderen Beamten suchten fieberhaft
nach der Vermissten. Ein Beamter brachte Lisas Handy, welches es in einer Ecke gefunden
hatte. Sie musste also hier gewesen sein. Kurz darauf meldete sich ein Kollege von der
Hundestaffel. Ein Hund hatte in einem Kellerraum angeschlagen. Dieser war jedoch mit einer
schweren Stahltür verschlossen.
Sofort eilten Kollegen von der Feuerwehr zur Hilfe. Mit Spezialwerkzeug öffneten sie die Tür.
In dem kleinen dunklen Raum stand eine Holzkiste, die einem Sarg glich. Als sie sie öffneten,
sahen sie Lisa. Sie war völlig verstört, aber sie lebte. Ein Notarzt versorgte sie und sie wurde
ins nächste Krankenhaus eingeliefert. Im Krankenhaus wurde sie genau untersucht. Bis auf
ein paar Schürfwunden ging es ihr den Umständen entsprechend gut. Der Arzt teilte uns mit,
dass sie das Krankenhaus schon morgen wieder verlassen könne. Aber der Schock über das
Geschehene saß tief. Aufgrund der Entführung drohen dem Täter nun mindestens 8 Jahre
Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung.
Lisa erholte sich nur langsam von diesem Erlebnis. Ein Psychologe betreute sie die nächsten
Monate, da sie an Angstzuständen und Schlafstörungen litt. Auch dieses Mal musste sie vor
Gericht aussagen. Ihr Anwalt unterstützte sie dabei sehr. Der Richter bestrafte den
Wiederholungstäter mit aller Härte.
Die Gewissheit, dass der Täter nun 10 Jahre im Gefängnis saß, ließ sie langsam in den Alltag
zurückfinden. Sie freute sich auf ihre Arbeit als Kindergärtnerin. Das fröhliche Lachen der
Kinder half ihr das schreckliche Erlebnis zu verarbeiten.
54
KID
von Kim Gadomski
Im August vor vier Jahren an einem schwülen Sonntag geschah etwas sehr Merkwürdiges, ich
erinnere mich genau daran. Plötzlich tauchte ein mysteriöser Detektiv auf, der aus dem Nichts
kam und einen sehr verzwickten Fall ganz neu aufkrempelte.
„Herr Kommissar !“ Es klopfte an der Tür. „Was ist?“ antwortete ich. Ich war etwas genervt,
hatte gerade geschlafen und war noch nicht richtig wach. „Ein neuer Fall, Herr
Kommissar.“ „Schon wieder.“ In letzter Zeit hatten wir sehr viel zu tun, so dass ich noch
nicht zum Schlafen gekommen war. „Dann mal los. Alles Weitere erzählst du mir dann
da.“ sagte ich gähnend und stand auf. „Was ist bloß mit dieser Stadt los?“ murmelte ich vor
mir hin und ging zu meinem Wagen. „Herr Kommissar, wollen sie nicht fahren?“ fragte mich
mein Assistent Stevens, ich hatte nämlich gerade die Beifahrertür geöffnet. „Ich will auf dem
Weg noch ein bisschen schlafen, deshalb fahren sie.“ antwortete ich und warf ihm den
Autoschlüssel zu.
Im Auto schlief ich sofort ein. Als wir am Tatort ankamen, weckte mich Stevens. Wir stiegen
aus dem Wagen und ich zündete mir eine Zigarre an, während Stevens mir den Fall schilderte:
„Der Zeitpunkt des Todes war zwischen 15.25 und 15.40 Uhr, das Opfer war ein Mann
namens Cailou Keiner. Er war 26 Jahre alt, Fitnesstrainer und mit einer Frau namens Lora
Eckes zusammen, die auch am Tatort war. Die Leiche wurde in einem Kinosaal gefunden und
die Todesursache war wahrscheinlich Gift. Mehr wissen wir aber erst, wenn wir die
Ergebnisse der Autopsie haben. Die Verdächtigen sind zunächst die Freundin des Ermordeten
sowie drei weitere Personen, die mit den beiden befreundet waren. Sie sind auch alle
zusammen hierher gekommen. Ihre Namen lauten: Mark Stein, 25 Jahre alt, Handwerker,
Maike Schulz, 26 Jahre alt, Chemielaborantin und Meinhardt Becker, 27 Jahre alt,
Bürokaufmann. Die drei und Lora Eckes, 25 Jahre alt, Friseurin, sind bisher die einzigen
Verdächtigen.“ „Interessant! Haben wir noch irgendwelche Beweisstücke?“
„Ähm ! Im Moment noch nicht , aber ...! Ah, da kommen ja die Ergebnisse der Autopsie !
Okay, hier steht, dass das Gift, mit dem er ermordet wurde, Zyankali war. Es wurden aber
keine Spuren von Gift im Getränk, im Popcorn oder an den Behältern gefunden. Deshalb
könnte es sich auch um Selbstmord handeln. „Ein sehr verzwickter Fall!“ sagte ich, während
ich den Tatort betrachtete. Wie ich es mir gedacht hatte, war am Tatort das reinste Chaos. Ich
wurde sofort in einen Streit der vier Freunde mit hinein gezogen. Eine hübsche junge Frau mit
55
langen blonden Haaren kam direkt auf mich zu gestürmt und sagte mit Tränen in den Augen:
„Herr Kommissar! Sagen sie ihnen, dass ich unschuldig bin“ und zeigte dabei auf drei weitere
Personen. Eine von ihnen war eine Frau mit braunen gelockten Haaren und die andern beiden
waren Männer, der eine mit braunen und der andere mit schwarzen Haaren. „Ich kann im
Moment noch gar nichts sagen, wenn sie sich noch kurz gedulden und in der Zeit im
Nebenraum auf mich warten würden“, sagte ich und ging, um mir die Leiche genauer
anzuschauen. Der Mann war sehr muskulös hatte blonde Haare und war braun gebrannt. Ich
muss herausfinden ob es Selbstmord war und wenn ja, was für Gründe er dafür hatte, oder ob
er vergiftet wurde und wenn ja, wer ihn vergiftet hat. Am besten suche ich erst einmal
Beweisstücke, die uns weiter helfen können. An den Fingern des Ermordeten wurden
Anzeichen von Gift gefunden und deshalb war an allem, was er berührt hatte, auch Spuren
von Gift, aber die Ursache hat man nicht gefunden. Sehr komisch ! „Finden sie es nicht
eigentlich auch merkwürdig, dass bei den fünf Bechern die Zitronen fehlen?“„Nein, eigentlich
nicht. Was soll denn daran ......warte mal! Wer bist du eigentlich und was hast du hier zu
suchen?“ Ein Mann stand vor mir, aber er kam mir irgendwie bekannt vor. Wo hab ich ihn
denn schon mal gesehen? Nein, dachte ich mir, er ist es nicht, er ist viel zu jung. Der Mann
war wahrscheinlich gerade mal 20 Jahre alt, aber er kam mir irgendwie bekannt vor. „Hey du,
beantworte meine Fragen: Wer bist du und was hast du hier zu suchen?“ Doch er ignorierte
mich und begutachtete die Leiche. „Hey Grünschnabel, was glaubst du eigentlich, wo du hier
bist?“ brüllte ich, doch er nahm keine Notiz von mir. Wütend stürzte ich mich auf ihm, um
ihn raus zu werfen, doch als ich ihn gerade packen wollte, wich er geschickt aus. Er lief ganz
lässig durch den Tatort, sah sich alles an und sagte ab und zu ein paar Wörter wie
„Interessant!“ Dann sagte er: „Was für ein lustiger Fall! Man weiß nicht wie er das Gift
verabreicht bekommen hat, oder?“ „Ja, genau!“ antwortete ich ihm „Das geht dich aber nichts
an! Das ist die Aufgabe der Polizei, außerdem wer hat gesagt, dass es Mord gewesen ist. Es
konnte noch nicht festgestellt werden, ob er sich das Gift nicht selbst eingenommen hat.“ Er
lachte und sagte dann: „Das ist doch völlig klar, Herr Kommissar! Warum sollte er sich dann
einen Film mit seinen Freunden gucken. Außerdem hätte er vorgehabt sich umzubringen,
hätte er sich wohl keine Karte für das Basketballspiel gekauft, das nächsten Monat
stattfindet!“ „Woher willst du das wissen?“ fragte ich ihn ungläubig „Ganz einfach: Die Karte
trägt er bei sich in seiner Brieftasche. Anscheinend hat er sie gestern gekauft!“ antwortete er
mir „Hä? Überprüfe das!“ rief ich Stevens zu. Kurz danach erhielt ich schon die Antwort, als
mir Stevens die und die Brieftasche in die Hand drückte. Ich las mir das genau durch,
während er hin und her wippte und dabei pfiff: „Woher wusstest du das?“ „Bevor sie kamen,
56
habe ich mich hier schon ein bisschen umgesehen.“ Was für ein merkwürdiger Bursche taucht
hier plötzlich auf und weiß schon mehr über den Fall als ich? „Was fällt dir eigentlich ein,
hier einfach zu schnüffeln und mich bei der Arbeit zu stören? Außerdem wurden nirgends wo
noch andere Fingerabdrücke gefunden. Kannst du mir erklären wie du dann die Karte sehen
konntest?“ fragte ich ihn. Er hob seine Hände und zeigte mir sie. Er hatte weiße Handschuhe
an. Ich fragte mich, warum mir das nicht aufgefallen war. Komisch! „Ich glaub es wird Zeit ,
die Verdächtigen zu befragen!“ sagte er. „Du hast mir gar nichts zu sagen!“ rief ich ihm
wütend zu, doch er ging einfach voraus zu dem Raum, wo die Verdächtigen waren. Während
der Befragung stand der unbekannte junge Mann an der Wand gelehnt neben der Tür und
lauschte den Aussagen der Verdächtigen. Doch auf einmal verließ er den Raum, was hatte
dieser Milchbube denn nun schon wieder vor. Doch als wir den Raum verließen, sahen wir
ihn nicht mehr. Wahrscheinlich ist er nach Hause gegangen, aber das war jetzt auch egal.
Denn uns stellte sich nur eine Frage: Wer war nun der Mörder und wie hat er ihn das Gift
verabreicht? Es gab nämlich keine Spuren von Gift im Getränk oder bei den Speisen. „Hey,
Herr Kommissar!“ nicht schon wieder, dachte ich mir. „Wissen sie schon, wer der Mörder
ist?“ fragte mich der unbekannte Mann von vorhin. „Nein, noch nicht!“ antwortete ich gereizt.
„Wollen sie es wissen?“ fragte er mich und lachte mich frech an. „Du behauptest also, dass du
weißt, wer der Mörder ist?“ „Nein!“ unterbrach er mich: „Ich weiß es ganz genau!“ „Ha, als
ob!“ widersprach ich ihm.
„Geh zurück nach Hause und spiele mit deinen Freunden Detektiv. Aber das hier ist das
wahre Leben, hier dürfen keine Fehler passieren!“ Doch er murmelte nur vor sich hin. „Auch
wenn der Mond sich um die Welt drehen würde, wird das keinen Einfluss auf meine Arbeit
machen.“ Doch als mich daraufhin zu ihm umdrehte, war er schon wieder verschwunden.
Was für ein komischer Kauz, dachte ich mir. Zitiert Sherlock Holmes und verschwindet
einfach. Doch nach zwei Minuten tauchte er plötzlich wieder neben mir auf und fragte mich:
„Dürfte ich ihnen jetzt meine Aufklärung des Falls präsentieren. Ich hab jetzt auch alle
Beweise zusammen!“
„Du nervst mich, Kleiner! Aber okay, es schadet ja nicht. Also, schieß los!“ sagte ich zu ihm.
„Ich hab schon alles im Nebenraum vorbereitet, da, wo die Verdächtigen sind.“ sagte er,
während er voraus ging. Ich folgte ihm. Im Nebenraum saß jeder Verdächtige auf einem Stuhl
die Stühle waren alle nebeneinander aufgestellt mit dem Rücken zur Tür. Sonst war im dem
Raum nichts. Er ließ mich und Stevens eintreten und als er die Tür schloss, fing er an zu
sprechen: „Wie sie alle mitgekriegt haben, habe ich sie hier versammelt, um ihnen meine
Aufklärung des Falls zu präsentieren. Das Opfer wurde durch Zyankali vergiftet. Man konnte
57
aber nirgendwo die Quelle des Giftes finden. Durch ein paar Hinweise bin ich darauf
gekommen, dass sich das Gift in der Zitrone befand, die vom Mörder mitgebracht wurde.“
„Aber wie hat der Mörder es geschafft, wenn man gar nicht weiß, wer welchen Becher
bekommt. Es hätte auch ihn selbst treffen können?“ unterbrach ich ihn.
„Ganz einfach. Der Mörder nutzte die Vorliebe des Opfers. Das Opfer war nämlich der
einzige von den fünf, der die Zitrone isst und um sicher zu sein, dass er auch den Richtigen
trifft, hatte er alle Zitronen vergiftet. Aber nur einer hat sie auch gegessen“ erklärte er. „Aber
wie kommt es eigentlich, dass wir nirgendwo die anderen vergifteten Zitrone gefunden
haben?“ fragte Stevens ihn. Daraufhin antwortete er ohne mit der Wimper zu zucken „Der
Mörder hat die Zitronen und die Zitronenschale in seiner Socke versteckt. Und so hat er sie
mit heraus geschmuggelt und im Klo runter gespült mitsamt der Socke.“ „Und kannst du das
auch beweisen?“ fragte ich ihn „Na klar! Erstens: Da alle Zitronen an den Trinkhalmen
festgemacht wurden, wird man darauf Anzeichen von Gift feststellen können“, antwortete er.
„Überprüfen sie das, Stevens!“ rief ich ihm zu, während er raus rannte. „Herr
Kommissar !“ Stevens kam herein und sagte: „Mir wurde gerade eben bestätigt, dass an allen
fünf Strohhalmen Gift vorzufinden ist. Es handelt sich um genau das gleiche Gift, mit dem
der Mann vergiftet wurde.“ Vor lauter Verblüffung fiel mir nichts ein. Der Knabe hat
anscheinend den Fall durchschaut.
„Ich würde jetzt auch gern den Täter benennen oder besser gesagt die Täterin, denn allein
eine Person hatte die Chance dazu und das ist die, die die Getränke gekauft hat. Und das war
die Freundin vom Opfer: „Lora Eckes.“ Mir klappte der Mund auf , doch er redete weiter
„Und der Grund dafür war, dass Cailou, also das Opfer, sie mit Maike betrogen hat und als sie
das mitbekommen hat, plante sie ihn umzubringen!“ „Wie hast du das alles
herausgefunden?“ fragte ich ihn verblüfft. „Wenn man alles Unwahrscheinliche ausschließt,
dann muss das, was übrig bleibt und sei es auch so unwahrscheinlich, die Wahrheit
sein!“ antwortete er lächelnd. Doch plötzlich hörten wir Glas zersplittern. Lora Eckes war
durch das Fenster entkommen. Ich kletterte aus dem Fenster und rannte hinterher. Sie war
schon an der Kreuzung angekommen als plötzlich jemand vom nahe gelegenen Haus hinunter
sprang, es war der unbekannte junge Mann. Er stand jetzt zwei Meter vor ihr. Doch sie zog
ohne zu zögern eine Knarre aus ihrer Handtasche und schoss auf den jungen Mann. Ich dachte
schon, das es aus wäre für ihn, doch er wich der Kugel blitzschnell aus genauso wie er mir
vorher ausgewichen war. Er nahm der Frau so flink die Pistole ab, dass man meinen könnte,
er würde zaubern. Als ich an der Stelle angekommen war, war der Typ verschwunden. Das
einzige, was ich vorfand, die Frau, die auf dem Boden lag und mit Handschellen gefesselt war.
58
Irgendwie kommen mir die Handschellen bekannt vor, dachte ich mir. Ich suchte zuerst die
Pistole und fand sie auch ein paar Meter von der Frau entfernt. Erstaunt fand ich einen Zettel
neben der Pistole auf dem stand:
Lieber Herr Heinrich Mai ,
ich hab mir mal eben ihre Handschellen ausgeliehen. Ich hoffe wir werden uns bald wieder
sehen.
Mit freundlichen Grüßen
KID
„Und dann verschwand er genauso wie er aufgetaucht ist blitzschnell und ohne Spur.
Was für ein Teufelskerl!!!“ erzählte ich Stevens vor lauter Bewunderung. „Na ja, Hauptsache,
sie haben den Täter geschnappt!“ sagte Stevens.
Hey, Herr Kommissar, haben sie denn den Artikel schon gelesen? Unfassbar, oder ? Dass das
der Kerl von vor vier Jahren ist!“ „Haha! Mir ist auch endlich eingefallen, wo ich ihn schon
mal gesehen habe. Oder besser gesagt, wo ich das Gesicht schon einmal gesehen habe. Dieser
John D. Hawkins ! Unfassbar, er hat seinem Sohn sein Geheimnis vererbt. Ich wünsche dir
viel Glück, KID!“ sagte ich lachend. Stevens schaute mich völlig verwirrt an. Endlich ein
Foto vom Meisterdieb
Beim letzten Juwelenraub des Meisterdiebes KID hatte man es zum ersten Mal geschafft, ein
Foto von ihm zu schießen. Der geheimnisvolle Dieb, der vor vier Jahren zum ersten Mal das
aufsehen der Medien erweckte, hat schon wieder zugeschlagen und wie immer keinen
Menschen getötet oder schwer verletzt. Der weiße Meisterdieb KID oder auch der Magier im
Mondschein, wie er auch genannt wird, ist wie immer blitzartig aufgetaucht und ohne jede
Spur verschwunden...
59
Alte Freundschaften
von Ann-Kathrin Matz
Für die 37-jährige Lisa Noose war es ein Mittwochmorgen wie jeder andere. Sie hatte
Frühstück für sich und ihren 4 Jahre älteren Ehemann John gemacht, und dieser hatte wie
immer etwas zu bemängeln. „Lisa, dein Kaffee ist viel zu schwach, wann lernst du es denn?
Ich brauche Energie für meinen Beruf, und von diesem Kaffee kriege ich sie ganz sicher
nicht.“ „Wenn es dem sehr geehrten Mr. Noose nicht schmeckt, dann kann er ja selbst eine
Stunde früher aufstehen und Frühstück für uns machen. Mal sehen ob, es dir dann besser
schmeckt.“ Von Tag für Tag wurde Lisa wütender. Immer gab es was zu meckern. „Lisa,
Schatz. Du weißt genau, dass ich dafür überhaupt keine Zeit habe. Und wenn wir schon dabei
sind, ich muss jetzt wirklich los. Bis heute Abend.“ Mit diesen Worten wandte John sich ab.
Er arbeitete an der Londoner Börse und musste bereits um 8.00Uhr das Haus verlassen, da er
mit seiner Frau in einem kleinen Haus in Kingston Upon Thames, einem Vorort Londons,
wohnte. John ging in die Garage. Neben dem moosgrünen Mini Cooper S von Lisa stand sein
Firmenwagen, ein schwarzer BMW. Er schaltete das Radio ein und fuhr los. Sein
Lieblingssong wurde im Radio gespielt und sofort fühlte er sich wohler, er dachte zurück an
seine Internatszeit. Sein Zimmergenosse Robert Gohoni war damals sein bester Freund. Er
beschloss heute Abend noch zu versuchen ihn zu erreichen. Nach 45 Minuten kam John in der
Tiefgarage des London Stock Exchange an. Gedankenverloren stieg er aus und schloss die
Tür ab. Er hörte ein weiteres Auto, das hinter ihm einparkte. Er hörte das Quietschen der
Reifen durch die riesige Garage hallen. Er konzentrierte sich weiter darauf, sein Auto
abzuschließen. Schritte näherten sich, sie kamen näher. Es war eine Frau, die da lief. Er hörte
es an dem Klacken ihrer Schuhe. John wollte sich gerade umdrehen, um zu sehen, wer da ist,
da traf ihn ein fester Schlag auf den Kopf. Und noch einer, und noch einer. Sein Kopf
hämmerte und seine Haut brannte. Noch einmal wurde zugeschlagen. Dann sank er leblos zu
Boden.
Der 39-jährige Hauptkommissar Robert Gohoni erinnerte sich gerne an seine Zeit als
Jugendlicher. Damals waren er und sein Freund John unzertrennlich. Er ärgerte sich, dass er
sich nicht mehr erinnern konnte wie sein Nachname war. Etwas mit 'N' das wusste er. Robert
beschloss in der Mittagspause darüber zu informieren und wieder Kontakt aufzunehmen. Der
schrille Klingelton seines Handys brachte ihn wieder zurück zu seinem Arbeitsplatz. Eine
hysterische Frauenstimme meldete sich. „Hallo? Ist da die Polizei? Hier spricht Evelyn Regert.
Ich habe in der Tiefgarage der Londoner Börse jemanden auf dem Boden gefunden. Er atmet
60
nicht und hier ist überall Blut. Ich glaube er ist tot! Bitte kommen Sie schnell zum 10
Paternoster Square.“ „Mrs. Regert, bitte beruhigen Sie sich. Wir werden sofort kommen. In
ungefähr fünf Minuten werden wir da sein.“ Sofort nahm er seine Jacke und alarmierte die
Kollegen. Um 10.38Uhr kamen sie in der Tiefgarage an. Dort wartete Evelyn schon aufgeregt.
„Hier, folgen Sie mir. Da liegt er.“ Robert und seine Gruppe folgten ihr wortlos. Eine Gruppe
der Spurensicherung fing sofort an Fotos zu machen. „Mrs. Regert, bitte kommen Sie mit mir.
Sie stehen unter Schock. Haben Sie irgendetwas hier angefasst?“ Evelyn schniefte. „Nein. Ich
glaube nicht. Kann ich noch helfen?“ „Nein, am besten gehen Sie jetzt nach Hause. Ich werde
mich bei Ihnen melden, falls wir Ihre Hilfe doch benötigen.“ Robert ging noch mal zum Toten.
Diese Person kam ihm erschreckend bekannt vor. „Haben wir schon irgendwelche
Informationen über den Toten?“ Tom Flutherer von der Spurensicherung meldete sich. „Sein
Name war John Noose. Er ist seit ca. zwei Stunden tot. Etwas muss ihn oft und sehr hart am
Kopf getroffen haben. Genaueres kann ich Ihnen aber erst nach der Untersuchung sagen.
Außerdem haben wir am Parkplatz neben seinem Auto Reifenspuren gefunden, die ziemlich
frisch aussehen. Wahrscheinlich hat der Täter zu stark gebremst. Wir haben eine Bodenprobe
genommen. Aber wie gesagt, morgen wissen wir genaueres. Wollen Sie selbst zu seinen
Angehörigen fahren? Er hat in Kingston Upon Thames gelebt, ungefähr zehn Meilen von
hier.“ Jetzt wusste Robert wieder, woher er die Leiche kannte, und er erinnerte sich an seinen
ehemals besten Freund. Er hieß John Noose und liegt gerade zu seinen Füßen auf dem Boden.
Er schluckte schwer. „Ja, das werde ich auf jeden fall tun. Wie lautete gleich die
Adresse?“ „50 Barge Walk. Wir melden uns dann morgen.“ Robert stieg in seine silberne
Mercedes Benz S-Klasse. Nach einer Stunde bremste er vor einem relativ kleinen Haus. Er
parkte sein Auto neben einem moosgrünen Mini Cooper S. Er klingelte an der Tür. Sofort
wurde sie geöffnet. „Hallo?“, fragte eine leise Stimme. „Mrs. Noose? Hier ist
Hauptkommissar Robert Gohoni von der Londoner Polizei. Es tut mir leid, es Ihnen sagen zu
müssen, aber wir haben Ihren Mann heute Tot in der Tiefgarage der Börse gefunden. Ich habe
ihn selbst gekannt, wir waren zusammen im Internat. Dürfte ich bitte reinkommen? Ich habe
da ein paar Fragen an Sie.“ Robert sprach langsam und deutlich. „Ähm, Robert Gohoni? Ich
erinnere mich. John hat oft von einem Robert erzählt. Er sagte mir wie gerne er Sie noch
einmal wiedersehen würde. Eh... Natürlich können Sie eintreten. Möchten Sie etwas trinken?
Tee, Kaffee? Ein Wasser?“ Robert war verwirrt. Sie war so gefasst, hatte sie überhaupt
mitbekommen, dass John tot war? „Nein danke, ich möchte nichts.“ „Okay, dann folgen Sie
mir bitte ins Wohnzimmer. Da können wir in Ruhe reden.“ Robert gehorchte ihr. Als er durch
den Flur ging blickte er sich ein paar Mal um. Alles war aufgeräumt und sehr modern
61
eingerichtet. Es sieht aus, als hätte es dem Ehepaar nie an Geld gemangelt. „Also, Ihr Name
ist Lisa Noose und Sie sind die Ehefrau von John gewesen? Stimmt das?“ Robert versuchte
sich weiterhin nicht anmerken zu lassen wie sehr die Frau ihn verwirrte. „Ja, das ist richtig. Er
ist also tot? Wissen Sie schon wie es passiert ist?“ Sie war so direkt. Robert merkte wie er
anfing zu schwitzen. „Ja, heute morgen wurden wir angerufen. Jemand muss ihm sehr oft und
fest auf den Hinterkopf geschlagen haben, was für ein Gegenstand es war kann ich Ihnen
leider noch nicht sagen.“ „Warum nicht? Ich habe doch ein Recht darauf zu wissen wie mein
Ehemann ermordet wurde, finden Sie nicht?“ „Doch, klar. Aber, ähm, wir müssen erst noch
die ausführliche Untersuchung der Forensik abwarten. Dann können wir Genaueres über den
Vorfall sagen.“ „Okay, und wann ist diese Untersuchung abgeschlossen?“ „Morgen werden
mir die Ergebnisse gegeben. Aber ich werde so oder so noch auf Sie zurückkommen. Sagen
Sie, Mrs. Noose, hatte Ihr Mann irgendwelche Feinde? Das ist wichtig für die weiteren
Ermittlungen.“ „Nun ja, er hatte sicherlich viele Feinde. Sie müssen wissen, John hatte immer
was zu bemängeln. Für ihn musste alles perfekt sein. Aber er hatte eine Affäre mit einer
anderen Frau! Sie können sich ja schon denken wie sauer ich war, als ich das vor zwei Tagen
herausgefunden habe. Aber er war nicht unbedingt beliebt bei seinen Kollegen. Es gibt viele,
die ein Motiv hätten.“ Lisa sprach schnell und Robert musste genau zuhören um alles zu
verstehen. „Vielen Dank, Mrs. Noose. Ich denke, dass uns diese Information noch
weiterhelfen kann. Eine Frage hätte ich aber noch. Nämlich wusste Ihr Mann, dass sie
wussten, dass er eine Affäre hatte?“ „Ja, aber natürlich. Als ich das erfahren habe, habe ich
ihn sofort zur Rede gestellt. Ich wollte die Scheidung, aber ihm schien alles egal zu sein. Ich
bin immer noch wütend deswegen. Er hat es echt verdient. Endlich musste er auch mal
einstecken. Ein bisschen zu hart, das sehe ich ein, aber theoretisch hat er es verdient.“ „Das
sind harte Worte, aber okay, es ist Ihre Meinung. Ich werde mich dann morgen bei Ihnen
melden. Auf Wiedersehen, Mrs. Noose.“ „Tschüss.“ Auf der Rückfahrt und auch den
restlichen Tag musste Robert über das Verhalten Lisas nachdenken. Sie war so direkt, so
gefasst und wieso trauerte sie nicht. Ihr Mann war gestorben, aber es wirkte als freute sie sich
daran. Kann das überhaupt sein? Er wurde aus dieser Frau echt nicht schlau. Deshalb
beschloss Robert am nächsten Tag mal zu recherchieren. Und es kam einiges an Ergebnissen.
Anscheinend trug Lisa doch keine so weiße Weste wie vermutet. Er fand Anzeigen wegen
mehrfachen Ladendiebstahls, schwerer Körperverletzung und besonders wegen Vandalismus.
Sie hatte auch ein Jahr in der Psychiatrie verbracht. Je mehr Robert las, desto erstaunter
wurde er. John hat unmöglich davon wissen können. Er fand heraus, dass sie erst seit 10
Jahren verheiratet waren, die Vorfälle aber alle mindestens 12 Jahre zurücklagen. Lisa hatte
62
für 2 Jahre im Gefängnis gesessen, wurde aber bereits nach einem Jahr wieder freigelassen.
Sein Handy klingelte. Es war Carl von der Forensik. „Hallo, Professor Fulham. Haben Sie
nun die Ergebnisse?“ „Hallo Kommissar Gohoni. Aber klar doch. Also, John Noose war zum
Zeitpunkt des Todes 41 Jahre alt. Er war verheiratet mit Lisa Noose, hat aber keine Kinder.
Das wussten Sie ja schon. Zu seinem Tod: Der Mord muss gegen neun Uhr morgens
stattgefunden haben. Die Reifenspuren, die wir gefunden haben, gehörten zu einem Mini.
Dieser muss irgendwo in einer Waldgegend gefahren sein. Und es ist sehr wahrscheinlich das
Auto des Täters, was wir durch die Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras
herausfinden konnten. Leider konnte man weder ein Gesicht noch das Kennzeichen des Autos
erkennen. Wir schätzen aber, dass das Auto eine dunkle Farbe hatte. Halten Sie also bitte die
Augen offen. Auf den besagten Videoaufzeichnungen konnten wir aber sehen, um welche
Tatwaffe es sich handelte. Es wurde eine einfache Gartenschaufel verwendet. Das erklärt auch
die Erde, die wir in seinem Haar und an seiner Kopfhaut gefunden haben. Der Täter muss also
mit der Schaufel oft und sehr hart auf seinen Hinterkopf eingeschlagen haben. Ich hoffe damit
können Sie etwas anfangen. Auf Wiederhören.“ „Danke, das ist wirklich eine große Hilfe. Bis
dann.“ Sofort stieg er in seine silberne S-Klasse und fuhr zur Börse. Er wollte sich das alles
noch einmal genau angucken. Auf dem Weg dorthin machte er kurz Halt bei Starbucks und
holte sich einen Kaffee. An der Börse war alles zugeparkt, also stellte Robert sein Auto in
einer Nebenstraße ab und lief zu Fuß zur Tiefgarage. Als er seinen Kaffee ausgetrunken hatte,
wollte er ihn in den nächsten Mülleimer schmeißen, doch da fand er eine Schaufel. Er blieb
stehen. Eine Schaufel mit Blutspuren im Mülleimer nahe dem Tatort? Sofort nahm er sie mit
einem Taschentuch aus dem Müll und steckte sie ein. Er machte kehrt und ging zurück zum
Auto. Er hatte gefunden, was er gesucht hatte. Er fuhr zurück zur Wache und gab die Schaufel
der Spurensicherung, in der Hoffnung, dass möglicherweise Fingerabdrücke gesichert werden
konnten. Robert selbst fuhr weiter nach Kingston Upon Thames. Er parkte wieder neben dem
moosgrünen Mini. Er hielt kurz inne, war das Tatauto nicht auch ein dunkler Mini?
Wahrscheinlich bloß ein Zufall. Er klingelte an der Tür. „Ja, wer ist da?“ Wieder war es diese
zarte Frauenstimme von Lisa. Sie war auch vom Aussehen sehr zierlich. Ungefähr 1,65m groß,
blonde kurze Haare und sehr dünn. Man konnte sich gar nicht vorstellen, dass sie schon so oft
straffällig geworden war. „Robert Gohoni hier. Die Ergebnisse der Obduktion sind
da.“ Wieder versuchte er stark zu klingen. „Sagen Sie das doch. Kommen sie bitte herein,
Herr Kommissar.“ Er folgte ihr wortlos ins Wohnzimmer. „Mrs. Noose, ich habe da eine
Frage. Wusste Ihr Mann, dass Sie ein Jahr in der Psychiatrie waren? Oder dass Sie ein Jahr im
Gefängnis saßen, oder von Ihren ganzen anderen Straftaten?“ Robert hätte nie gedacht, dass
63
Lisa jemals sprachlos sein könnte. „Woher wissen Sie das?“ „Ich bin Polizist und wollte mich
ein wenig über Sie informieren. Und da bin ich auf Ihre Vergehen gestoßen.“ „Das darf
niemand erfahren.“ Lisa wurde wütend, sehr wütend. Sie schrie Robert an. „NIEMAND,
wirklich niemand wird das jemals erfahren! Gehen Sie aber sofort!“ Das Handy von Robert
klingelte. „Moment bitte“, murmelte er. „Robert? Hier ist Catherine. Ich habe die Schaufel
untersucht und mit Fingerabdrücken aus dem Computer verglichen, du wirst es nicht glauben,
aber die Abdrücke gehören alle Lisa Noose!“ „Danke, vielen Dank. Jetzt wird mir einiges klar.
Tschüss.“ Das Auto, das komische Verhalten. Er hätte es wissen müssen. Er sah Lisa an.
„Haben Sie mir vielleicht etwas zu sagen?“ „Ich verstehe nicht, Kommissar Gohoni. Was
meinen Sie?“ „Ich habe Sie gefragt, ob Sie mir etwas zu sagen haben. Zum Beispiel zum
Mord Ihres Mannes.“ Robert merkte wie Lisa nervös wurde. „Also bitte. Ich war einfach nur
sauer, verstehen Sie das nicht? Mein Mann hat mich betrogen und ich wollte Rache.“ Tränen
stiegen ihr in die Augen, langsam bekam Robert wirklich Mitleid. „Aber verstehen Sie, ich
wollte ihn nicht umbringen! Auf keinen Fall. Ich wollte ihm eine Lektion erteilen.“ Sie setzte
sich weinend auf das Sofa. „Das ist wohl offensichtlich schief gegangen. Es tut mir leid Lisa,
aber ich werde Sie nun festnehmen müssen.“ „Tun Sie, was Sie nicht lassen können“,
antwortete Lisa müde.
Drei Wochen später wurde das Urteil gesprochen. Lisa bekam 15 Jahre Gefängnis auf
Bewährung. Robert hatte nach dem Vorfall alle seine alten Freunde angerufen und darauf traf
er sich mit jedem einzelnem. Ihm wurde durch den Tod Johns klar, dass er seine
Freundschaften aufrecht erhalten muss, da sie sonst in Vergessenheit geraten.
64
Der Regentag
von Celina Kutzner
Es war ein goldener Herbstmorgen, erstaunlich kalt für Mitte Oktober. Ich stieg aus meinem
cremefarbenen VW Beatle und ging die gepflasterte Passage bis zum Hauptgebäude. Ich hätte
nie gedacht, dass ich es bis hierher schaffe. Ich träumte schon immer davon hier zu studieren,
dachte aber nicht, dass es wahr werden würde. Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper.
Es war eines der schönsten Gefühle überhaupt. Mich empfing eine kleine Blondine mit
Rehaugen. „Hey, du musst Sarah Norton sein. Schön, dich kennen zu lernen. Ich bin dein
Coach und dein Ansprechpartner, Elizabeth Clark. Falls Du Probleme hast oder Fragen,
kannst du zu mir kommen.“ begrüßte sie mich herzlich und zwinkerte mir mit ihren langen
geschwungenen Wimpern zu. Sie sah so unschuldig aus. „Deine Zimmergenossin ist Elaine
Walder,
sie
beginnt
momentan
mit
ihrem
zweiten
Semester.
Hier
ist
dein
Zimmerschlüssel.“ Sie übergab mir einen silbernen Schlüssel mit der Nummer 52. Ich ging
den Gang hinunter. Ich war, wie sonst auch, unsicher und hatte panische Angst, was passieren
würde. Ich öffnete die Tür, sie war einen Spalt weit offen. Ich steckte meinen Kopf hindurch
und betrat letztendlich das Zimmer. Es war hell und es standen sich zwei Betten gegenüber.
Auf dem einen saß sie, meine Zimmergenossin. Elaine streckte mir direkt ihre Hand entgegen.
„Schön dich zu kennenzulernen. Ich hab mich riesig gefreut als ich erfuhr, dass nun endlich
jemand mit mir dieses Zimmer bewohnt. Es war so langweilig! Ich bin Elaine, und du bist...“,
sie stutzte, „ Ah, ja, genau, Sarah! Wir werden bestimmt die besten Freunde.“
Wir unterhielten uns den ganzen Abend und verstanden uns echt gut. Ich lag früh im Bett, ich
hatte schließlich eine lange Reise hinter mir und musste am nächsten morgen pünktlich zu
meiner Einführungsveranstaltung. Als ich aufwachte, war Elaine schon wach. Sie schien
Frühaufsteherin zu sein. Sie war lieb und fürsorglich. Sie brachte mir sogar einen Kakao ans
Bett. Dafür, dass wir uns noch nicht einmal 24 Stunden kannten, fand ich das erstaunlich nett.
Als sich endlich meine Augen vor lauter Müdigkeit öffnen ließen, schielte ich auf meinen
digitalen Wecker. Es war erst 6.42Uhr. Die Veranstaltung würde um 10.15Uhr beginnen.
Wieso war ich schon wach? Ich hatte die halbe Nacht nicht schlafen können. Ich war einfach
so aufgeregt, denn ich wusste nicht, was mich als nächstes erwartete. Ich trank meinen Kakao
und wir beide setzten unser Gespräch von gestern Abend fort. So langsam begann ich Elaine
richtig kennenzulernen. Sie verließ um 7.56Uhr unser Zimmer, ich schlummerte wieder ein.
Ich schlief nicht fest und leider auch nicht mehr lange, um circa 8.30Uhr setzte ich mich
endlich in Bewegung und machte mich fertig. Mir war mein Aussehen immer wichtig, es war
65
also nicht schlimm, dass ich dieses Mal mehr Zeit für mich selber hatte und alles in Ruhe
angehen ließ. Ich packte mir einen Block und ein paar Stifte in meine schwarze Tasche. Mein
weißes Handy und mein Kalender befanden sich auch darin. Ich ging die roten Pflastersteine
zu Saal 12. Ich wusste, dass ich früh war, aber es konnte nicht schaden einen guten Platz zu
erwischen. Dieser Hörsaal war riesig. Größer als in meinen Träumen, um sehr viel größer. Ich
saß ziemlich weit vorne. Ein junger Mann sprach mich an. Er war in meinem Alter, hatte
einen sehr sympathischen Gesichtsausdruck. Er hieß Jake und war ebenfalls Student. Ich fand
es ziemlich cool, dass wir beide Architektur studierten und sich herausstellte, dass wir fast
jeden Kurs gemeinsam hatten. Die Vorlesung begann. Viele Professoren stellten sich uns vor
und hätte es nicht so lange gedauert, wäre es bestimmt interessanter gewesen. Ich traf mich
am Nachmittag mit Jake und drei anderen Studentinnen, die wir ebenfalls am Vormittag
kennengelernt hatten, in einem kleinen gemütlichen Café auf dem Universitätsgelände. Es
machte Spaß, ich vergaß alles um mich herum. Nach diesem langen Abend kam ich endlich
auf mein Zimmer, es war schon dunkel. Elaine war nicht da. An meinem ersten Tag war
schon viel passiert. Ich zog meine Klamotten aus, schlüpfte in meinen Pyjama und kuschelte
mich in meine Decke. Ich schlief ein.
Wochen vergingen.
Mittlerweile war Elaine für mich wie eine Schwester, wir hatten keine Geheimnisse
voreinander und es fühlte sich so an, als ob wir uns schon ewig kannten. Jake war mein bester
Freund und ich hatte viele neue Freunde gefunden. Doch Anfang Dezember geschah etwas
Komisches. Es regnete. Ich war mit Jake in dem Café, in dem wir uns immer trafen,
verabredet. Dort wartete ich. Es wurde 15Uhr, 16Uhr, 18.30Uhr. Er erschien nicht. Hatte ich
etwas falsch gemacht? Bestimmt, er wäre doch erschienen. In der Vorlesung heute morgen
sprach er mit Zoey, danach verhielt er sich anders als sonst. Zoey war eine gute Freundin von
ihm, doch sie war lang nicht so gut mit Jake befreundet wie ich. Er war abweisend und sprach
kaum noch ein Wort mit mir. Ich konnte Zoey noch nie leiden, sie hatte ihm bestimmt etwas
erzählt. Nur was? Ich hab nie etwas getan, von dem er abgeschreckt sein könnte. Ich ging auf
mein Zimmer, Elaine war da. Sie war genau wie ich nass vom Regen. „Du bist wohl auch so
nass geworden wie ich. Hast du Jake gesehen? Wir waren verabredet, doch er erschien nicht.
Heute Morgen war er auch ganz anders als sonst.“ „Das hat der Regen so an sich, ich meine,
dass wir nass werden.“, sie zwinkerte mir zu, „Ich hab Jake die letzten Tage nicht gesehen,
genau wie Dich. Ich sehe dich seit letzter Woche nur noch abends. Es ist Freitagabend, wir
66
können ja in eine Bar im Zentrum der Stadt gehen, ja?“, schlug sie mir vor. Lust hatte ich
nicht, müde war ich auch. Also ließen wir es bleiben. Wir hatten mittlerweile einen Fernseher
auf dem Zimmer und beschlossen unseren Abend mit einem Horrorfilm ausklingen zulassen.
Ich hasste Horrorfilme, doch Elaine liebte sie. Ich wollte einfach mal etwas machen, was sie
mochte. Jetzt wusste ich wieder, warum ich diese Art von Filmen nicht ausstehen konnte. Die
Nacht darauf konnte ich nie schlafen. Ich schaute noch einmal auf die Uhr. Elaine schlief
schon längst. Es war 4.58 Uhr, das ist das Letzte, was ich noch weiß. Dann bin ich
eingeschlafen.
Durch laute Geräusche und Stimmen wurde ich wach. Elaine ebenfalls. Wir gingen auf den
Flur. Aus irgendeinem Gespräch konnte ich entnehmen, dass Jake tot hinter einem der vielen
Hörsäle gefunden wurde. Man ging davon aus, dass er ermordet wurde. Ich unterbrach dieses
Gespräch. Es waren meine Zimmernachbarn, darunter auch Zoey. Sie wussten auch nicht
mehr. Mir wurde schlecht und schwindelig, es war so wie es in Filmen und Büchern immer
beschrieben wurde. Ich dachte nicht, dass es so ein Gefühl gab. Was danach geschah, weiß ich
nicht mehr...
Ich riss die Augen auf. Ich lag in meinem Bett. Es war ein böser Traum. Elizabeth, meine
Ansprechpartnerin, saß auf meinem Schreibtischstuhl. „Gut, dass Du wieder wach bist. Du
bist vor etwa einer Stunde auf dem Flur zusammengebrochen, als du erfuhrst, was mit Jake
passiert ist.“, erläuterte sie mir und hatte einen schrecklichen Gesichtsausdruck. „Die
Kriminalpolizei ist vor Ort. Sie möchten dir ein paar Fragen stellen, du kanntest Jake sehr
gut“ Sie stand auf und öffnete die Tür. Ein junger Mann stand vor meiner Tür. Er hatte
mittelbraune Haare und blaue Augen. Das fiel mir sofort auf. „Guten Tag, Frau Norton. Mein
Name ist Mike Kerr, ich ermittle im Mordfall Jake Sumner. Ich hoffe ihnen geht es wieder
besser.“ er setzte sich auf den Stuhl, auf dem eben noch Elizabeth saß. Ich richtete mich in
meinem Bett auf. Ich war mit Herrn Kerr allein auf dem Zimmer. „Ja, es geht.“ ich hatte
Tränen in den Augen, „Wie konnte das denn passieren, ich meine, was hat ihn denn getötet?
Wie ist er gestorben?“ Ich wurde schon fast aggressiv, so etwas konnte doch niemand machen.
Doch ich fühlte mich von dem jungen Mann verstanden und ich bemerkte etwas wie
Mitgefühl. „Es ist ziemlich sicher, dass er erschlagen wurde, denn er hat einen Abdruck am
Hinterkopf und es wurde ein Holzsplitter gefunden, wahrscheinlich von einem
Baseballschläger, teilte die Spurensicherung mir mit. Er wird jetzt zur Obduktion freigegeben.
Dann können wir genauer sagen, woran er gestorben ist und wie lange er schon tot war. Mir
wurde gesagt, Sie waren seine beste Freundin. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir einige
Fragen beantworten. Hatte er Feinde, oder hat sich in letzter Zeit komisch benommen? Hatte
67
er Probleme?“ „Nein, er war ein guter Mensch. Ich kenne keine Person, die er nicht mochte
oder ihn nicht leiden konnte. Jake war immer höflich und hat immer versucht neue Freunde zu
finden. Er war in letzter Zeit wirklich anders, aber ich denke, dass lag an den vielen Klausuren.
Das war echt ziemlich viel Stress für uns alle. Aber einmal ist mir aufgefallen, dass er erst so
anders, ziemlich abweisend und zurückhaltend wurde, nachdem Zoey mit ihm geredet hat.
Das war, ich denke, gestern. Außerdem waren wir verabredet. Um 15.30Uhr in dem CampusCafé, er erschien nicht.“ Mike Kerr machte eine Bemerkung, welche ich nicht verstand. Aber
es klang so, als ob ihm der Name Zoey schon negativ aufgefallen sei. Wahrscheinlich hatte er
Zoey schon gefragt oder er hielt mich wirklich für die Mörderin meines besten Freundes. Mir
wurde schon wieder schwindelig. „Sind Sie gut mit Zoey Hollster befreundet?“ Wie konnte er
mich so etwas fragen. Kam meine Abneigung nicht gut genug zur Geltung, als ich ihren
Namen erwähnte? „Nein, ich mag sie nicht. Sie benimmt sich mir gegenüber
gefühlskalt.“ „Okay, gut. Dann bedanke ich mich bei Ihnen für das Gespräch.“ Kerr verließ
unser Zimmer. Ich fühlte mich immer noch nicht fit, um wieder aufzustehen, also blieb ich
noch etwas liegen. Wie es für mich so üblich war, schlief ich sofort wieder ein. Geweckt
wurde ich am Abend von einer hysterischen Stimme. „Ich war das nicht! Warum glaubt mir
denn keiner? Ich habe Jake nicht ermordet! Ich könnte so etwas nie tun!“ Ich stieg aus dem
Bett und steckte den Kopf durch die Tür. Zoey stand in ihrer Tür und vor ihr der Ermittler.
Die Spurensicherung oder die Pathologen mussten wohl etwas gefunden haben, dass dafür
sprach, dass Zoey die Täterin war. Zoey hatte geweint. Ihr ganzes Gesicht war rot und ihr
Make-up war verwischt. Ihre braunen Haare klebten ihr im Gesicht. Ich schlich aus meinem
Zimmer, um nicht zu stören. Ich klopfte bei Elizabeth an und sie empfing mich sofort und bat
mich herein. Ihr Zimmer sah aus wie das von mir und Elaine, und wie das von allen anderen
auch. Sie setzte sich auf ihr Bett und klopfte auf den Stuhl neben ihr. Ich sollte mich setzen.
Sie sagte mir, dass Zoey sehr verdächtig erscheinen würde und die Spurensicherung alles
dafür tat, dass es aufgeklärt wird. Ohne ein Wort zu sagen, verließ ich das Zimmer und ging
im Pyjama in Richtung Hörsäle. Es war alles abgesperrt und kein Mensch war da. Ich sah Blut
auf den roten Pflastersteinen. Mich überfuhr ein Schauer. Das war also der Ort, an dem mein
bester Freund seinen Tod fand. Ich schlenderte zu dem Café in dem ich mich befand, als er
getötet wurde. Mir standen Tränen in den Augen. Ich verbrachte Stunden dort. Ich sammelte
mich und fasste den Entschluss, dass mein Leben weiter gehen sollte und ich ging weiterhin
zu meinen Klausuren und Vorlesungen. Ich lernte wie immer. Zoey musste ein- oder zweimal
in den letzten Tagen zur Polizei und einige andere wurden verhört, die mit ihm etwas zu tun
hatten und Personen, die verdächtig erschienen. Doch bei keinem war die Wahrscheinlichkeit
68
so hoch wie bei ihr, aber Beweise gab es nicht. Oder gab es noch andere Möglichkeiten? Es
wurden keine Fingerabdrücke gefunden, und noch nicht mal die Tatwaffe. Vielleicht war das
der Grund, warum Jake so abweisend war, hatte sie ihm gedroht? Hatte sie irgendetwas gegen
ihn in der Hand? Die letzten Tage machte ich wieder mehr mit Elaine. Sie half mir, meine
Trauer zu überwinden und lenkte mich ein wenig ab. Ich konnte mit ihr über alles reden.
Doch an einem Tag kamen wir vom Kino in unser Zimmer. Personen von der
Spurensicherung befanden sich in unserem Raum. „Guten Tag, wir müssen sie bitten dieses
Zimmer zu verlassen, Herr Kerr wartet bereits in Zimmer 67 auf sie. Er wird ihnen alles
weitere erklären.“, teilte uns ein Mann mit grauen Haaren mit. In dem Zimmer angelangt, fing
Herr Kerr an zu erklären: „In ihrem Zimmer wurde die Tatwaffe gewunden, nachdem Frau
Zoey Hollster ihre Schränke durchwühlte. Ein Baseballschläger. Frau Elaine Walder, mit
ihren Fingerabdrücken und Blut des Opfers.“ Elaine bekam rote Augen. Zitterte am ganzen
Körper und fing an zu schreien. Sie lief weg. „Keine Angst. Mittlerweile hat die
Kriminalpolizei das Gebäude bereits umstellt, sie hat keine Möglichkeit zu entkommen.
Entschuldigung, dass ich sie frage, aber ist Ihnen nie aufgefallen, das Elaine Medikamente in
ihrem Nachttisch hatte?“, fragte er mich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Nein, was für
Medikamente?“ „Sie musste starke Psychopharmaka nehmen. Das sind Beruhigungsmittel,
welche verschreibungspflichtig sind und bei unkontrollierten Gefühlsausbrüchen anzuwenden
sind. Die Packung war ungeöffnet, dass heißt, Elaine hat in der letzten Zeit keine wichtigen
Medikamente eingenommen. Wir sprachen mit ihrer Mutter, und diese meldete und, dass
Elaine von Natur aus immer eifersüchtig auf die Freunde ihrer Freunde war. Da sie keine
Medikamente gegen ihre psychischen Störungen einnahm, ergriff sie die Eifersucht und
erschlug Jake Sumner mit einem Baseballschläger hinter den Hörsälen. Wahrscheinlich
konnte sie es nicht ertragen, dass Sie zwei beste Freunde hatte.“
Dieser Schock musste sich setzen.
Nun weiß ich, dass Elaine Walder in eine Anstalt gebracht wurde, und ich sie nie wieder
sehen muss. Ich suchte mir eine neue Universität in einem anderen Staat. Sie wird nie
rausbekommen, wo ich lebe.
69
Tödliche Blicke
von Chris Verfuß
Freitag, 14. &ovember 2010
Annie Tibbers verließ den Supermarkt und machte sich auf den Weg nach Hause. Es
dämmerte bereits und Annie beschleunigte ihren Gang.
Seit sie bei ihrem neuen Freund Ted Hunter lebte ging es ihr in vielen Hinsichten besser.
Doch sie hatte Angst. Das ganze war schon einen Monat her und trotzdem konnte sie nicht
verstehen warum Harry so hatte reagieren müssen. Nachdem Annie sich von ihm getrennt
hatte, war er plötzlich so anders gewesen. Er hatte hysterisch reagiert und diesen Glanz in
seinen Augen hatte Annie nie zuvor gesehen. Das war nicht der Harry gewesen, den sie
geliebt hatte. Sie bekam eine Gänsehaut. Sie wollte nicht mehr daran denken und ging eilig
weiter. Annie war kurz vor ihrem Auto, doch noch lange nicht aus der Gefahr. Sie kreischte,
als sie plötzlich in eine dunkle Gasse gezogen wurde. Ein gellender Schrei. Dann Stille.
Tödliche Stille.
Freitag, 18. &ovember 2011
Es regnete. Ted Hunter hasste Regen. Es war ein kalter Novembertag und draußen auf den
Straßen vermischte sich der meterhohe Schnee zu einer matschigen, braunen Pampe. Hunter
schaute aus dem Fenster und beobachtete den regen Londoner Berufsverkehr. Er hatte kurzes
blondes Haar und braune Augen. Trotz seiner 1,80 und seiner alten Gesichtszüge hatte dieser
Mann mit Mitte 40 noch etwas Attraktives an sich. Seine Wohnung, ein kleines Apartments in
der Innenstadt, war sehr bescheiden. Ted lebte allein und hatte im Laufe seines Lebens eine
eigene Privatdetektei gegründet, mit der er hin und wieder Geld verdiente. Außer diesem
Nebenjob war er in einer kleinen Firma namens „Andrew“ tätig. Eigentlich gab es jeden
Grund, stolz auf seinen Beruf zu sein. Immerhin war Detektiv zu sein, schon sein
Kindheitstraum. Aber Ted Hunter war das nicht. Generell zeigte er eher selten Gefühle. Das
war nicht immer so. Früher war er ein ganz anderer Mensch. Das alles war schon ein Jahr her
und trotzdem dachte Ted fast jede Sekunde an diesen verfluchten Tag. Tagsüber, wenn er zu
Hause saß und nachts, wenn die Träume ihn in die Vergangenheit holten. Dieser verfluchte
Tag.
Seufzend stand er auf und ging in die Küche. Ihm war immer noch kalt. Er verfluchte diesen
Morgen wie jeden anderen mit schlechtem Wetter. Nachdem er den heißen Tee in der Hand
hielt, ging es ihm schon besser. Hunter setzte sich an seinen Schreibtisch im Wohnzimmer
und ging seine Akten durch. Sein letzter Fall war jetzt eine Woche her. Ted sehnte sich
70
wieder nach etwas, was seine schlechte Laune aufbessern könnte. Als er gerade den ganzen
Tag aufgeben wollte, klingelte das Telefon. Verwundert und mit einem Fünkchen Hoffnung
nahm er ab. „Ted Hunter, Privatdetektei London?“ „12 Uhr Parkroad 45“ hörte er eine dunkle
Stimme durch das Telefon rauschen. Dann Leere. Zitternd und verschreckt ließ Hunter den
Telefonhörer sinken. Parkroad 45 war exakt die Straße, wo damals der „Unfall“ passierte.
Konnte das Zufall sein? Ted bekam eine Gänsehaut und versuchte gegen den Schock
anzukämpfen. Nach langem Überlegen hielt er es für das Beste, schon gegen halb 12 Uhr am
Ort aufzutauchen, um die Lage zu sichern. Er wollte auf keinen Fall ein Risiko eingehen und
traf eine Sicherheitsmaßnahme: Er steckte sich das kleine technische Gerät genau an sein TShirt und stellte den Kassettenrekorder ein.
Als er aus der U-Bahn stieg, hatte der Regen bereits aufgehört. Die Straße war eine breite
Hauptstraße welche an einer Stelle der Parkroad kreuzte. Ted Hunter war seit einem Jahr nicht
mehr an diesem Ort gewesen. Er stapfte durch den Schnee bis zum vereinten Treffpunkt. Die
Nummer 45 lag in einer schmalen dunklen Gasse. Ted Hunter hasste diesen Ort aus gutem
Grund. Der Privatdetektiv sah sich um und wartete schließlich zur verabredeten Zeit am
verabredeten Ort. Er war nur für einen kurzen Moment abgelenkt, welcher schon reichte um
die Gefahr zu spät zu bemerken. Während er die Namen auf den Briefkästen studierte, hörte
er hinter sich plötzlich Schritte. Ted wirbelte herum und sah nur noch eine Faust auf sich zu
rasen. Dann wurde es um ihn herum dunkel.
Kälte. Dunkelheit. Schmerz. Stille. Mehr konnte Ted Hunter zu der Zeit noch nicht feststellen.
Langsam öffnete er eines seiner geschwollenen Augen. Ted war auf einem Stuhl im Keller
gefesselt. Doch das schwache Licht an der Decke war zu schummrig, um zu erkennen, von
wem die dunkle seltsame Silhouette vor ihm war. Eine böse kalte Stimme ließ Hunter
zusammen zucken. Jedoch nicht wegen des Bösen, welches deutlich in der Stimme zu hören
war. Nein, der Grund, warum Ted zusammen zuckte, war ein anderer. Hunter kannte die
Stimme seines ehemaligen besten Freundes. Er hatte sie lange nicht mehr gehört. Der Grund
dafür war Annie gewesen. Ted Hunter wollte etwas sagen, doch die festen Klebestreifen
hinderten ihn daran. Der Andere lachte und im nächsten Moment schlug er Hunter ins Gesicht.
Er stöhnte und ein kalter Schmerz durchzog Teds Gesicht. Seine Wange brannte und Schweiß
lief ihm über die Stirn. Der nächste Schlag traf seine Nase, und Blut schoss auf sein weißes TShirt. Er wollte sich befreien. Aber keine Chance. Ted legte seinen Kopf in den Nacken,
schaute angstvoll nach oben und versuchte sich mit ganzer Kraft zu befreien. Er bewegte sich
71
mit voller Wucht gegen die Fesseln, welche ihm in die Haut schnitten. Bei seinen
hysterischen hilflosen Versuchen sich zu befreien kippte der Stuhl zur Seite und der
Privatdetektiv fiel mit seinem ganzen Gewicht auf den harten kalten Boden. Seine Nase
brannte höllisch. Er musste hier raus. Dann hatte er plötzlich eine Idee. Der Gedanke kam wie
ein Blitz. Er versuchte mit aller Kraft mit der linken Hand in die hintere Jeanstasche zu
greifen. Er hatte es sich zu Angewohnheit gemacht, stets ein Messer dabei zu haben. Ted
spannte alle seine Sehnen an, doch der Abstand war einfach zu groß. Sein ehemaliger Freund
war in der Zwischenzeit zu ihm gekommen. Diese rammte ihm eine Faust in den Magen und
zog im dann den Klebestreifen vom Mund. Röchelnd fiel Ted auf die Knie und spuckte Blut.
Gerade als der Fremde anfangen wollte zu lachen, durchbrachen nur zwei Wörter die Stille
„Elender Bastard“. Wieder Stille. „Wie war das?“ brüllte der Mann. Ted Hunter bereute die
Beleidigung, denn im nächsten Moment bekam er einen harten Tritt in den Solarplexus ab.
„Du Schwein, du hast sie getötet“ röchelte der sich am Boden krümmende Privatdetektiv.
Jetzt trat der Unbekannte ins Licht. Sein halblanges blondes Haar hing in Strähnen von
seinem schmalen Gesicht herunter. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt. Sein
Name war Harry Bend. „Hatte sie es etwas Anderes verdient?! Wohl kaum.
Außerdem…“ „Halt dein dreckiges Mundwerk“ unterbrach Ted Bend. Harry wollte zum
nächsten Schlag ausholen. Doch mit dem festen Tritt, den Ted ihm aus seiner liegenden
Stellung verpasste, hatte Harry nicht gerechnet. Er krachte gegen die Wand und blieb für
einen Moment stöhnend am Boden. Ted nutzte diese Sekunde und erreichte endlich mit der
linken Hand seine hintere Jeanstasche und konnte das Messer herausziehen. Im nächsten
Moment schob er sich langsam mit dem Rücken an der kalten Wand hoch. Er rieb seine
schmerzenden Handgelenke. Ted hatte Glück. Er sah die Bewegung im richtigen Moment und
konnte ausweichen. Harry Bends Hand schlug mit totaler Wucht gegen die Wand. Das
Knacken zeigte deutlich, das sein Handgelenk gebrochen war. Er schrie mit schmerzerfüllten
Gesicht auf und wurde nur noch wütender. „Ich habe sie geliebt!“ schrie Ted mit Tränen in
den Augen. Die Erinnerung brachte ihm eine weitere Gänsehaut. Er fröstelte. Den nächsten
Tritt verfehlte Harry nicht. Krümmend ging Ted zu Boden „Ich habe sie gehasst.“ „Nein“, der
40-Jährige stand zitternd wieder auf. „Du hast sie nicht gehasst Harry. Ich kenne dich doch.
Du warst mein bester Freund. Das was du getan hast war Rache. Einfach nur Rache!“ „Halt
den Mund, Hunter“, zischte Harry, „Du hast ja keine Ahnung!“ „Doch ich habe -“ Ted
verstummte. Er blickte genau in den Lauf einer Pistole. „Was hast du? Du bist ein
Schwächling! Schade eigentlich, dass ausgerechnet du mein bester Freund warst. Ted, Ted,
Ted, du musst noch viel lernen. Aber ich denke, du hast keine Zeit mehr dazu. Schade
72
eigentlich, du warst so ein 'guter' Freund. Erst Annie und jetzt du. Bin ich jetzt ein
Serienkiller?“ Bend kicherte hysterisch. „Du bist nicht mehr der Harry, den ich kannte“,
murmelte Ted leise. „Ach, so ist das und was hältst du davon, dass...“ Ted Hunter hörte schon
nicht mehr zu. Er packte seine Klinge und schoss auf den überraschten Harry zu „Was soll
das, Ted?! Hörst du mir überhaupt zu? Lass das Messer fallen oder deine letzte Minute ist
um.“ Jetzt erst sah Harry, dass Ted das Messer in der Hand hielt um es zu werfen. Kichernd
fragte Harry Bend: „Soll das etwa eine Drohung sein?“ Ted grinste böse. „Nein ! Nein Harry,
keine Drohung. Einfach nur Rache.“ In Hunters Augen blitzte es. Ein Schuss peitschte durch
die Luft. Doch Hunters Reaktion war zu schnell. Er rollte sich zur Seite und erkannte noch
Harrys kalten Blick. Das war nicht der Harry, den er kannte. Das Messer flog zischend durch
die Luft und blieb in Harrys Schulter stecken. Er schrie auf und die Waffe fiel zu Boden.
Doch für Harry Bend war es an diesem Tag zu spät. Diesmal kam er nicht davon. Nicht so
wie vor einem Jahr. Ted Hunter hob seine Fesseln auf und schnürte den zuckenden Körper an
den Stuhl. Ted ließ sich erschöpft sinken und fragte dann:„Harry, wie konntest du nur so
etwas tun? Wie konntest du Annie töten?“ „Das weißt du ganz genau Ted, sie hat mich
hintergangen.“
„Wie kannst du so etwas denken? Das ist doch Quatsch. Sie hat mich erst später geliebt“ „Sie
war eine Zicke. Wie konnte sie nur zu dir gehen. Zum meinem besten Freund. Seit dem Tag
habe ich euch beide gehasst.“ „Nein, du warst einfach nur -“ „Halts Maul! Du hast keine
Ahnung, Ted!“ brüllte Harry.
„Du hast doch keinen Schimmer wie ich mich fühle!“ Ted überlegte. Harry hatte Recht. Ted
hatte keine Ahnung. „Wie hast du es damals geschafft deinen Nachbar Jimmy Redt als
Mörder von Annie der Polizei zu überliefern. Wie konntest du von dir ablenken?“ Harry
lachte. „Das Alibi war einfach perfekt. Jimmy war etwa fünf Minuten vorher am Tatort. Und
das Motiv von Jimmy war auch erstklassig für meinen Plan. Immerhin ist Jimmy geisteskrank
und muss regelmäßig in die Anstalt. Meine Idee war einfach. Als ich Annie überwältigte,
nutzte ich ein Messer aus Jimmys Wohnung. Ich war am Tag vorher bei ihm eingestiegen.
Natürlich waren noch Jimmys Fingerabdrücke an der Tatwaffe und für die Polizei ein
handfester Beweis.“ „Du hast dem hilflosen Jimmy Redt die Schuld in die Schuhe geschoben
und nur wegen dir musste er ins Gefängnis? Ich fasse es nicht. Du Mistkerl. Aber nun ja, jetzt
hast du ja viel Zeit, um deine Schlüsse aus deinen Taten zu ziehen. Ich hatte dich schon vor
einem Jahr als Täter verdächtigt. Ich hatte dich 7 Jahre gekannt. Und beim Gespräch mit der
Polizei hast du sehr seltsam reagiert. Nicht so wie ich dich gekannt habe, nein, da lag etwas in
deinem Blick...“ Er schaute Harry an. Wie er da blutend und gefesselt saß. „Ich ahnte, dass du
73
es warst! Doch mir fehlten die Beweise.“ Teds Stimme wurde leiser. Harry sagte nichts mehr.
Er blickte mit leeren Augen auf die Wand. Als würde sein Geist schon woanders sein. Es
hatte den Anschein, als befände sich nur Harrys Körper im Raum „Die Beweise...“ Hunter sah
auf und schaute Harry Bend ein letztes Mal an. Dieser Blick. Der Blick war es, der Hunter so
störte. Purer Hass lag darin, gemischt mit Eifersucht. Ganz anders als früher. Irgendwie so
leer. Als Ted den Raum verließ, lag in dessen Zügen kein Hass. Sondern einfach nur Trauer.
Sehr viel Trauer.
Gierig sog er die kalte Winterluft ein. Dann kramte er sein Handy hervor und rief die Polizei.
Es war schon spät am Nachmittag, als er das Scottland Yard verließ. Seufzend sah der 35Jährige in den Himmel. Ted zupfte sich die Wanze vom T-Shirt, nachdem er den Polizisten
das aufgezeichnete Gespräch zwischen Harry und ihm im Keller, gezeigt hatte. Er hatte
bestätigt, seine Ex-Frau Annie Tibbers getötet zu haben, nachdem diese ihn verlassen und mit
Harrys bestem Freund Ted Hunter zusammen gekommen war. Jedoch hatte er diesen Mord so
geschickt verschleiert, dass Jimmy Redt dafür in das Gefängnis gekommen war. Die Folgen
standen fest. Harry Bend würde wegen eines Mordes und einem weiteren Mordversuch
lebenslang sitzen müssen. Jimmy Redt wurde nach einer weiteren Verhandlung in eine
psychologische Anstalt gebracht. Nur bei Ted Hunter blieb fast alles wie immer. Irgendwie
war ihm ein großer Stein vom Herz gefallen, nun herrschte Klarheit. Doch einen Schmerz
konnte er dennoch fühlen. Er sehnte sich nach Annie. Langsam, in Gedanken versunken
stapfte er zur U-Bahn. Es regnete immer noch, als er am Abend mit einer Tasse Tee am
Fenster saß.
74
Eine Kriminalgeschichte
von Oliver Mathiak
Der Regen trommelte laut gegen die Scheiben des Zuges. Es war ein gleichmäßiges,
beruhigendes Geräusch, das nur vom Rattern der Motoren und dem Kreischen der Räder
unterbrochen wurde. Das Abteil war nur schwach beleuchtet. In den Ecken lauerten Schatten,
die nur darauf warteten hervorzukommen. Im Dämmerlicht war es schier unmöglich, einen
der Passagiere zu erkennen. Abgesehen vom Regen und den Fahrgeräuschen war es absolut
still. Niemand redete, niemand gab einen Laut von sich, niemand regte sich. Bis die Stille von
einem lauten Klirren unterbrochen wurde. Eine der alten Fensterscheiben war zerbrochen,
Glassplitter flogen durchs Abteil und bohrten sich in alles was ihnen in den Weg kam. Einige
der Lampen wurden getroffen, erloschen und brachten Dunkelheit übers Abteil. Das
Kreischen der Räder, das plötzlich lauter wurde, vermischte sich mit Schreien der Passagiere
und dem Zersplittern von herum fliegenden Gegenständen und bildete eine fast unerträgliche
Kakophonie.
Jemand hatte die Notbremse gezogen und der Zug wurde immer langsamer. Im allgemeinen
Chaos erhob sich ein Schemen, der seine Gelegenheit erkannt hatte...
Jonathan Richards starrte gelangweilt auf seine Kaffeetasse, während er lustlos in ihr herum
rührte. „Warum bin ich überhaupt Kommissar geworden?“, fragte er sich nicht zum ersten
Mal in den vergangenen 3 Stunden. Seit Wochen schon hatte er nichts zu tun. Kein Fall, der
es lohnte, sich um ihn zu kümmern. Sein Handy klingelte. Gelangweilt nahm er den Anruf an:
„Ja?“ Eine ihm unbekannte Stimme sagte: „Wir haben gerade einen Anruf bekommen. Fünf
Kilometer weiter südlich der Eisenbahnschienen entlang wurde in einem Zug die Notbremse
gezogen. Als der Zug anhielt entdeckte man einen Toten in Abteil 6.“
„Ich kümmere mich sofort darum“, sagte Jonathan mit neuem Elan. Endlich hatte er etwas zu
tun. „Die Leute von der Spurensicherung sind bereits unterwegs.“ „In Ordnung, sollten Sie
noch neue Informationen kriegen, rufen Sie mich an“, damit legte er auf, nahm seine Jacke
vom Stuhl und rannte zu seinem Auto.
Eine Viertelstunde später sah er bereits den Zug. Er war alt, sehr alt. Eigentlich hätte er gar
nicht mehr fahren dürfen, denn so wie er aussah, konnte er jeden Moment auseinander fallen.
Ein Abteil im hinteren Bereich des Zuges war total zerstört. Er stieg aus seinem Auto und
nährte sich den Leuten von der Spurensicherung. „Ich werde mir den Tatort einmal ansehen“,
sagte er und ging ohne auf eine Antwort zu warten auf das demolierte Abteil zu. Die Scheiben
waren zerborsten, überall lagen Glassplitter und zerdellte und zerbrochene Gegenstände
75
herum. Und dann war da noch die Leiche. Man hätte meinen können, der Mann würde
schlafen, wäre da nicht die sichelförmige rote Linie an seinem Hals, die Jonathan freundlich
anzugrinsen schien und an der dem Mann die Kehle aufgeschnitten worden war. Obwohl
Jonathan schon einige Leichen gesehen hatte, schauderte er doch immer wieder. Er
untersuchte die Umgebung doch fand nichts, was auf den Mörder hinwies. „Das wäre auch zu
einfach gewesen“, dachte er bei sich und freute sich über die neue Herausforderung.
Als er zu seinen Kollegen zurückging, hörte er wie sie die Passagiere über das Geschehene
ausfragten und alles elektronisch aufnahmen. Er würde diese Aufnahmen und die Ergebnisse
der Untersuchung der Leiche zugeschickt gekommen, wo er sie sich dann in Ruhe angucken
konnte. Alle Verdächtigen würden für einige Tage in Untersuchungshaft kommen, was
großen Unmut unter ihnen wecken würde. Fast zufrieden ging er zu seinem Auto, dabei
dachte er über den Fall nach. Um alles weitere vor Ort würden sich seine Kollegen kümmern.
Sein Job bestand darin die Daten auszuwerten und den Täter zu fassen. „Solange ich keine
weiteren Informationen bekomme, kann ich auch nichts tun“
Als er am nächsten Tag auf die Wache kam, lagen auf seinem Schreibtisch bereits die
Unterlagen. Es war ein dicker Ordner mit Bildern, Daten und CDs mit Soundaufnahmen.
Während er seinen Computer hoch fuhr, holte er sich eine Tasse Kaffee. Er warf einen Blick
in den Ordner. Obenauf lagen Bilder der Leiche, wie sie sich im Zug befunden hatte. Darunter
einige Bilder seiner Kleidung und seines Gepäcks.
„Wie ich sehe, hast du endlich eine Aufgabe bekommen“, erklang die Stimme von Jack
Clarks, eines Kollegen und guten Freundes Jonathans.
Jonathan drehte sich um und grinste schief „Ich bin ja wirklich kein Freund von Morden, aber
einen Mord aufzuklären ist immer noch besser als diese Langeweile“
„Da hast du wohl recht. Trotzdem bin ich froh, dass du diesen Job bekommen hast und nicht
ich. Wie es scheint, war hier kein Amateur am Werk “, er deutete auf die Bilder „oder siehst
du auch nur etwas, dass dir weiterhelfen könnte. Der Mann scheint auch nicht sehr
wohlhabend zu sein, so wie seine Kleider aussehen“
„Du weist doch, dass ich schwere Fälle mag.“
„Na ja, ich muss jetzt meine eigenen, weniger bedeutende Fälle lösen“, meinte Jack, grinste
noch einmal zu Jonathan und ging dann zu seinem Schreibtisch auf der anderen Seite des
Raumes. Seufzend richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Fall. Er studierte die
Unterlagen, doch es schien zum Verzweifeln. Er fand nicht den geringsten Hinweis auf das
76
Motiv des Mordes, geschweige denn auf den Mörder selber. Da waren keine Streitigkeiten
oder Konflikte aus seiner Vergangenheit, kein Vermögen, dass jemand hätte stehlen können.
Da fiel ihm etwas ins Auge. Etwas verschwindend Geringes. Es war ein kleiner ausgefranster
Stofffetzen, der aus der Innentasche seines Mantels lugte. Jonathan runzelte verwirrt die Stirn.
Was könnte das sein? Er stand auf und ging auf die Tür des Raumes zu, den er sich als
Arbeitszimmer mit Jack teilte.
„Schon einen Hinweis?“, rief Jack erstaunt herüber.
„Das weiß ich noch nicht. Es könnte einer sein“, damit verließ er den Raum und machte sich
zum Leichensezierzimmer auf.
Eine ältere Frau stand neben einer Bahre, auf der Konrad, der Tote aus dem Zug, lag und
nahm augenscheinlich eine DNA Probe.
Er trat neben sie: „Darf ich?“
„Nur zu, aber ziehen Sie sich vorher diese Handschuhe, an um keine Fingerabdrücke zu
hinterlassen“ Sie überreichte ihm ein paar Latexhandschuhe. Er zog sie sich über und beugte
sich vor um sich den Mantel Konrads anzuschauen, der neben ihm lag. Vorsichtig öffnete er
sie und griff in die Innentasche.
„Kann ich seine Tasche aufschneiden?“
„In Ordnung, aber seien Sie vorsichtig und zerschneiden Sie nur das Nötigste.“
Sie beobachtete ihn misstrauisch, während der die Innentasche aufschnitt. Dort kamen eine
Vertiefung und ein nur ganz leicht ausgefranster Stoffrand zum Vorschein.
„Keine Frage. Das ist ein Geheimfach, doch was macht ein Makler aus Manchester mit einem
Geheimfach in seiner Jacke“, fragte er sich.
Plötzlich klingelte sein Telefon. Er machte noch schnell ein Bild vom Geheimfach und nahm
den Anruf dann entgegen.
„Ja?“
„Wir haben hier etwas, dass Sie interessieren würde, also wenn Sie bitte in ihr Büro kommen
würden.“
„Ich komme sofort.“
Er legte auf und drehte sich um. „Ich muss zurück in mein Büro, vielen Dank“
Im Büro angekommen sah er einen jungen Polizisten an seinem Tisch stehen.
„Was haben Sie denn so Dringendes?“, fragte Jonathan etwas unterkühlt.
77
„Wir haben Konrads Wohnung einen Besuch abgestattet. Alles war ganz unauffällig, bis auf
eine Sammlung Briefe“ Er übergab Jonathan einen Brief. „Lesen Sie!“
„Wieder brauche ich ihre Hilfe. Ich habe hier einen Edelstein, den sie einem Käufer in
Kingston überbringen sollen. Auch hierfür werden sie gut entlohnt.
R.S“
Es war mehr eine Botschaft den ein Brief.
„Na, wenn das nicht mal interessant ist“, murmelte Jonathan, „Jemand, der Edelsteine
unbemerkt transportiert. Das erklärt einiges.“
„Was hast du herausgefunden?“ Er erschrak etwas, als Jack plötzlich neben ihm stand.
„Unser guter Konrad hat Edelsteine durch eine Geheimtasche in seinem Mantel geschmuggelt.
Doch irgendjemand scheint dies gewusst zu haben und hat sich etwas bereichert“
„Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“ Er pfiff anerkennend durch die Zähne. Jonathan ging
in Gedanken noch einmal die Verhöre durch. Hatte nicht jemand behauptet, er habe Konrad
mit jemandem streiten sehen? „Ich muss einmal mit unseren Zeugen reden.“
Jonathan nahm sein Handy, durchsuchte seine Unterlagen und wählte eine Nummer.
„Ja?“, meldete sich eine Frauenstimme.
„Guten Tag“, begrüßte er sie freundlich. „Sie sagten, Konrad habe mit nur einer Person im
Zug geredet. Können sie mir sagen, wer die Person ist? “
„Es war ein beleibter Mann mit Glatze. Er trug einen teuren schwarzen Anzug“
„Wissen sie, worüber sie geredet haben?“
„Nein, tut mir Leid.“
„Vielen Dank“, damit legte er auf und drehte sich zu Jack um.
„Das dürfte dann wohl Mr. Morestes sein.“. Nach einem Blick auf seine Unterlagenergänzte
er: „Interessant, er ist ebenfalls Juwelier. Na wenn das mal kein Zufall ist.“
Jonathan ging seine Notitzen weiter durch und wählte eine andere Nummer. Diesmal meldete
sich eine männliche Stimme: „Morestes hier. Was gibt’s?“
„Es geht um den Mord in dem Zug, in dem Sie sich befunden haben. Wir haben eine
Zeugenaussage, dass sie mit Konrad gestritten haben. Worüber?“
„Wir haben uns nicht direkt gestritten. Wir waren uns eher uneinig. Er hatte einen sehr
seltenen und bekannten Diamanten bei sich und ich wollte ihm ihn abkaufen, da dies eine
78
einmalige Gelegenheit war ihn zu bekommen“, seine Stimme klang ehrlich, doch Jonathan
war noch immer misstrauisch.
„Woher wussten sie, dass er den Edelstein hatte?“
„Ich habe beobachtet wie er ihn eingesteckt hat, bevor er in den Zug eingestiegen ist. Wir
waren die letzten und zu spät, nur deshalb konnte ich das sehen.“
„Sonst konnte niemand den Diamanten gesehen haben?“
„Nein, unmöglich.“
Das bedeutete, dass der Mord geplant war und jemand von dem Transport gewusst hatte. Aber
wer könnte das gewesen sein? Jonathan wusste, dass er nichts mehr am Tatort oder der Leiche
herausfinden würde. Er musste den Hintergrundmann finden, denjenigen, der Konrad seine
Aufträge gegeben hatte.
R.S. stand für Ronald Silvermain, einen der bekanntesten Juweliere Manchesters, wie er von
Mr. Morestes erfuhr. Offiziell war der Juwelier unbedeutend, doch in seinem Berufsstand war
er allgemein bekannt.
Wenig später stand Jonathan vor einem imposanten Gebäude mitten in der Innenstadt von
Manchester. Er betrat das Gebäude. An den Längswänden standen Vitrinen, gefüllt mit
Edelsteinen aller Art, auf der gegenüberliegenden Seite stand eine Theke, auf die Jonathan
zuging.
„Ich bin Kommissar Jonathan Richards. Ich würde gerne Mr. Silvermain sprechen“, sprach er
einen Verkäufer an und zeigte ihm den Ausweis.
Der Verkäufer studierte ihn kurz und führte ihn in ein Büro hinter der Theke. Hinter einem
massiven Eichentisch saß ein Mann mittleren Alters.
„Sie sind wegen des Mordes an Konrad gekommen, nicht wahr?“, seine Stimme klang ein
wenig rau. „Er war lange mein Freund. Es ist eine Schande, was mit ihm passiert ist.“
Jonathan ließ seinen Blick über seinen Schreibtisch wandern und sah die neueste Ausgebe der
lokalen Zeitung. Auf dem Titelblatt stand:
Raubmord im Zug
Einem Mann wurde auf dem Weg von Manchester nach Kingston in einem Zug die Kehle
aufgeschlitzt und dann ein sehr seltener Diamant aus einem Geheimfach gerissen. Die
Ermittler sind dem Täter auf der Spur.
79
Jonathan seufzte. Wäre es doch so einfach wie in dem Artikel.
„Ja, das ist es wohl, aber ich bin hier, weil ich einige Informationen brauche, über ihn und
seinen letzten Auftrag.“
„Fragen Sie, was Sie wollen.“
„Wer wusste von diesem Auftrag?“
„Nur ich, mein Assistent“, er deutete auf den Mann der Jonathan hereingeführt hatte, „und
mein Kunde.“
„Kann es sein, dass beim Kunden etwas durchgesickert ist?“
„Ich denke nicht. Unser Kunde ist schlau genug einen Transport von solch einem seltenen
Stück nicht auszuplaudern.“
Jonathan nickte und wandte sich dem Assistenten zu: „Es tut mir Leid aber ich habe die
Aufgabe, jeden Verdächtigen zu verhören.“
Der Assistent nickte nur und deutete auf einen weiteren Raum. Jonathan folgte ihm in den
karg möblierten Raum und setzte sich auf einen der freien Stühle. Der Mann setzte sich ihm
gegenüber.
„Wie heißen Sie und wo wohnen Sie?“
„Ich heiße Karl Pethrone und wohne in der Portlandstreet 34.“
„Wo waren Sie am Samstag um 9.23 Uhr?“
„Ich war zu Hause, so wie jeden Samstag.“
„Haben Sie einen Zeugen dafür?“
„Nein, ich lebe allein“
„Was genau wissen Sie über den Mord?“
„Kaum etwas, ich habe nur in der Zeitung gelesen, dass ihm die Kehle aufgeschnitten wurde
und der Edelstein aus dem Geheimfach geschnitten wurde.“
Jonathan schüttelte enttäuscht den Kopf. Es war zum Verzweifeln. Er wusste nicht mehr, wo
er suchen sollte.
„Es tut mir Leid Sie belästigt zu haben“. Dann ging er.
Zurück in seinem Büro ließ er sich enttäuscht in seinen Stuhl fallen.
„Was ist?“, fragte Jack
„Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll.“
„Hast du wirklich alles überprüft. Alle Gespräche auf Ungereimtheiten überprüft, alle
mögliche Personen befragt?“
„Ja, ja, hab ich“ Jonathan war genervt, doch plötzlich erkannte er das fehlende Puzzleteil.
80
„Ich habe es. In der Zeitung stand, der Diamant wäre herausgerissen worden, aber Mr.
Pethrone sagte, er wäre herausgeschnitten worden. Diese Information besaßt nur ich und der
Täter, also muss Pethrone der Täter“
Am nächsten Tag fuhren 2 Streifenwagen zur Portlandstreet 34 und fanden dort den Täter.
Mord im Nebel
von Patrick Griesbach
Es war ein trüber Herbstabend. Die Sonne war kaum zu erkennen und doch tauchte sie den
Himmel in ein hässliches Rot. Mister Heffersham ging schnellen Schrittes die Southweststreet
hinab. Es war beängstigend ruhig. Er sah immer wieder auf seine Uhr. 22.48 Uhr, dachte er.
Er musste sich beeilen, wenn er nicht zu spät kommen wollte. Er legte noch einen Schritt zu.
Mittlerweile war es stockdunkel geworden und der feuchte Nebel durchnässte Mister
Heffershams Kleidung. Er bog in eine kleine Seitengasse. In seiner Eile hatte er die Person
hinter sich noch nicht bemerkt. Etwas klickte. Erschrocken drehte er sich um. Ein Schuss fiel.
Noch bevor er auf dem Boden aufschlug war er tot.
Jemand lachte. Kommissar James Clivton und seine Kollegen Elizabeth Walters und Harold
Thomas waren in einer Bar und spielten Billard. Es war schon weit nach Dienstschluss. „Ich
habe Sie schon wieder besiegt, Harold.“, lachte der Kommissar: „Schon zum dritten Mal
hintereinander. Was ist bloß los mit Ihnen?“, grinste er und nippte an seiner Bierflasche. „Ich
weiß es auch nicht.“, erwiderte der Inspektor, ebenfalls mit einem Grinsen auf den Lippen:
„Warum spielt Elizabeth eigentlich nicht mit?“, versuchte er schnell das Thema zu wechseln
und sah dabei die Inspektorin an. „Ich schaue euch lieber zu.“, erwiderte sie: „Ich bin doch eh
viel besser als ihr.“, fügte sie hinzu. „Das hätten sie wohl gerne.“, konterte der Kommissar:
„Aber bitte, zeigen Sie es uns.“, forderte er sie heraus. „Na schön.“, erwiderte Elizabeth mit
selbstgefälligem Ton: „Sehet und staunet.“ Sie nahm sich einen Queue und legte ihn zwischen
Zeigefinger und Daumen an. Sie zielte. Die weiße Kugel traf perfekt und das bunte Dreieck
löste sich in alle Richtungen auf. Sie versenkte zwei volle Kugeln. „Bitte sehr, ihr seid dran.“,
grinste sie die Polizisten an. Dem Kommissar stand immer noch der Mund offen, als Harold
für ihn einsprang: „Also gut.“, sagte er. Er legte an. Gerade als er anstoßen wollte klingelte
81
sein Telefon. „Einen Moment.“, sagte er und nahm ab. „Ja, hallo, Inspektor Harold Thomas
am Apparat!? Guten Abend, Herr Oberkommissar, was kann ich für Sie tun?“ Der Kommissar
und Elizabeth horchten auf, „Wie bitte?“, hörten sie Thomas entgeistert fragen, „Wo? Hier in
der Nähe? Southweststreet? Alles klar, wir werden uns mal umsehen. Wie hieß die Frau doch
gleich? Ah ja, vielen Dank. Gute Nacht, Chef.“
„Was ist los?“, fragte Elizabeth aufgeregt. „Ein Toter, wahrscheinlich Mord, hier in der Nähe,
in der Southweststreet. Wir sollen uns mal dort umsehen.“ „Jetzt?“, wunderte sich Elizabeth:
„Aber es ist nach Dienstschluss und wir haben getrunken.“ „Dann laufen wir eben. Es ist ja
nicht weit.“, sagte Clivton.
Er zog sich seine Jacke an, bezahlte die Getränke und verließ die Bar. Thomas und Elizabeth
folgten ihm. Draußen auf der Straße hing immer noch der nasse Nebel über der Stadt. Er kam
ihnen wie eine geisterhafte Erscheinung vor, die versuchte, ihnen um jeden Preis die Sicht zu
versperren. Der Kommissar zog seine Jacke noch fester zu. So gefroren hatte er schon lange
nicht mehr.
Er stapfte los, hinter ihm seine beiden Kollegen. „Wissen sie denn wo die Southweststreet
sich befindet, Herr Kommissar?“, fragte Harold. „Ja“, antwortete dieser: „wir müssen dort
vorne rechts abbiegen und dann die vierte links. Oder war es doch die dritte? Wir werden
sehen.“ War ja klar!, dachte Elizabeth, und warf Harold einen viel sagenden Blick zu. Er
grinste als er es sah. Sie erreichten die Ecke Hilton Drive/Clock Street und bogen rechts ab.
„Ich wollte Sie noch fragen Herr Kommissar“, fing Harold an: „warum sie niemanden von der
Rechtsmedizin angerufen haben, um den Toten zu untersuchen.“ „Ich hielt es für besser, wenn
wir den Toten erst einmal genauer unter die Lupe nehmen, anstatt direkt die Gerichtsmedizin
anzurufen. Ich werde dies aber sofort nachholen, sobald wir die Leiche begutachtet haben und
mit dieser Mrs. Hazelwood gesprochen haben.“, antwortete der Kommissar.
Er ging schnellen Schrittes voran. Sie erreichten die Ecke Clock Street/Post Road. Doch die
vierte., ging es Clivton durch den Kopf. „Wir müssen noch eine weiter.“, rief er zu seinen
Kollegen hinter sich.
Sie bogen links in die Southweststreet ein. Sie unterschied sich nicht von den anderen Straßen
und doch spürten sie das Unheil, tief im kalten Nebel.
Der Mann steckte seine gezogene Pistole wieder ein und besah sich zufrieden den aus dem
Kopf blutenden Mann auf dem Boden. Eine Blutlache breitete sich langsam auf dem Gehweg
aus. Er beugte sich vor und sprach mit tiefer Stimme: „Endlich. Ich habe es endlich geschafft.
Du, der mich von Stund meiner Kindheit an hintergangen hat. So lange habe ich nach dir
82
gesucht, jetzt habe ich dich endlich gefunden. Nun ist es vollbracht. Es hat mir viel Spaß
bereitet, Jonathan.“
Er lachte gehässig und seine Stimme schallte von den Wänden wider. Plötzlich hielt er inne.
War das ein Geräusch oder bildete er es sich nur ein? Da, wieder dieses Geräusch, wie das
klacken von Absätzen auf den Pflastersteinen. Er wurde nervös. Sein Herz begann zu rasen.
Er musste schnell handeln. Kurzerhand nahm er den leblosen Körper und stopfte ihn so
schnell es ging in einen nahe liegenden Container. Das Blut tropfte ihm auf die Hände und
seine Klamotten. Er rannte los. Hoffentlich hat mich niemand gesehen., dachte er sich. Hinter
ihm erschien eine Frau in der Gasse. Er hörte nur noch einen gellenden Schrei.
Mrs. Hazelwood blickte ihnen schon aufgeregt entgegen. „Da sind Sie ja endlich. Gott,
warum brauchen Sie so lange?“, regte sie sich auf. „Wir sind zu Fuß gekommen.“ „Und wo
sind die anderen, die Marine, das Militär, der Katastrophenschutz? Hier läuft ein Mörder frei
herum.“, fuhr sie sie ängstlich an.
„Bitte beruhigen Sie sich, Mrs...“ „Hazelwood, Samantha Hazelwood.“ „Danke. Ich denke
nicht, dass es eine große Einheit braucht. Wenn es Sie beruhigt, werde ich umgehend die
Gerichtsmedizin anrufen, um das Opfer untersuchen zu lassen. Allerdings können wir
vorläufig noch keine Ermittlungen führen. Wir brauchen eine Spur.“, sagte der Kommissar.
„Dann schnell, rufen Sie an.“, sagte Mrs. Hazelwood. „Wir würden gerne vorher die Leiche
begutachten. Wo haben Sie sie denn gefunden?“, wollte der Kommissar wissen. „Warten Sie,
ich führe Sie hin. Es ist gleich hier, in der Gasse.“ Mrs. Hazelwood ging einige Schritte und
bog dann in eine schmale Seitengasse ein. Der Kommissar und seine Kollegen folgten ihr. In
der Gasse sprang allen sofort die rote Blutlache auf dem Boden ins Auge. Daneben stand ein
Müllcontainer. Elizabeth erstarrte. Aus dem Container hing ein Arm.
Der Mann rannte durch die Straßen. Mal bog er links ab, ein anderes Mal rechts. Er lief bis er
nicht mehr konnte und nicht mehr wusste, wo er war. Jetzt müsste ich eigentlich weit genug
entfernt sein, dachte er sich. Er ging weiter. An einer Straßenecke blieb er stehen. „Wissen
Sie denn, wo die Southweststreet sich befindet, Herr Kommissar?“, hörte er einen Mann
sagen. Sein Herz stockte. Auch das noch. Bullen, schoss es ihm durch den Kopf. Diese Frau
muss sie gerufen haben. Was mach ich denn jetzt? Intensiv sah er sich nach einem Versteck
um. Nur noch wenige Sekunden und die Polizisten würden um die Ecke kommen. Er sprang
unter eine hervorstehende Terrasse und hielt den Atem an. Sein Herz raste.
83
„Hier ist sie. Es ist ein Mann, soweit ich das beurteilen kann.“, sagte Mrs. Hazelwood. Der
Kommissar sah ihn sich an. Er war mittelgroß, Mitte 40 und hatte schwarze Haare. „Wie und
wann haben Sie ihn entdeckt?“, fragte Inspektor Thomas. „Ich bin vor etwa 30 Minuten von
der Nachtschicht nach Hause gegangen und nehme wie jeden Tag diese Abkürzung durch die
Gasse. Als ich also heute Abend nach Hause ging, sah ich eine Person davonrennen. Sie war
ungefähr so groß wie der Mann hier, hatte braune Haare und eine dunkle Lederjacke an.
Direkt danach fiel mir diese Blutlache ins Auge und ich schrie auf. Dann sah ich diesen Arm.
Ich rief sofort die Polizei. Und jetzt sind Sie da.“ „Vielen Dank, ich werde jetzt die
Gerichtsmedizin anrufen“, sagte Clivton. In diesem Moment hörten sie ein leises Klingeln.
„Was ist das?“, wunderte sich Elizabeth. „Das ist ein Handy. Wahrscheinlich von unserem
Toten.“, antwortete der Kommissar. Tatsächlich. Aus der Jackentasche der Leiche drang ein
uralter Handyklingelton hervor. Der Kommissar zog das Handy aus der Tasche. Er nahm ab.
„Kommissar Clivton hier. Wer ist da?“, fragte er. „Jonathan? Jonathan bist du es? Wo bleibst
du denn? Ich warte schon seit 20 Minuten auf dich.“, hörte er eine weibliche Stimme aus dem
Hörer. „Hier ist Kommissar James Clivton. Mit wem spreche ich?“, fragte er noch einmal.
„Hier ist Claudia Heffersham. Wer sind Sie? Wo ist Jonathan?“, fragte die Frau jetzt
ängstlicher. „Hier ist Kommissar James Clivton, Piltover Police Department. Sind Sie die
Frau von Mister Jonathan?“ „Ja, die bin ich. Wo ist Jonathan? Er wollte schon vor 20 Minuten
zu Hause sein. Ist ihm etwas passiert?“, fragte die Frau. „Nun, es gibt da ein paar Probleme
mit ihrem Mann. Könnten Sie uns verraten, wo Sie wohnen, damit wir mit Ihnen reden
können?“, fragte Clivton. „Ich wohne in der Clock Street 12. Bitte beeilen Sie sich.“ „Danke,
wir werden gleich da sein.“ Der Kommissar legte auf. „Das war die Frau von unserem Toten.
Sie wartet angeblich schon seit 20 Minuten auf ihn. Wir sollen sofort zu ihr kommen, um mit
ihr zu reden. Sie wohnt in der Clock Street.“, fasste der Kommissar kurz zusammen, was er
soeben erfahren hatte. „Los geht’s.“, sagte er.
Der Mann harrte immer noch unter der Terrasse. Er blickte auf seine Armbanduhr.
23.31 Uhr. Jetzt müsste ich lange genug gewartet haben. Langsam und vorsichtig kroch er
unter der Veranda hervor, um sich gleich darauf wieder darunter zu werfen. Das darf doch
nicht wahr sein. Die kommen genau auf mich zu. Tatsächlich. Die Polizisten und eine weitere
Frau kamen auf die Veranda zu. Er hielt den Atem an. Die vier Personen gingen die
Treppenstufen hinauf. Dann war alles still. Wahrscheinlich haben sie grade geklingelt, dachte
er sich. Einen Moment später öffnete sich die Tür und er hörte ein Frau sagen: „Guten Abend,
Kommissar. Schnell, kommen Sie rein.“ Wieder hörte er Schritte und ein „Danke“ einer tiefen
84
Stimme. Die Tür wurde geschlossen. Jetzt oder nie., dachte der Mann sich. Er hechtete unter
der Veranda hervor und rannte so schnell es ging davon.
„Mrs. Heffersham“, fing der Kommissar an: „wir haben eine traurige Nachricht zu
überbringen.“ „Wieso? Was gibt es denn?“, fragte Mrs. Heffersham vorsichtig.
„Nun“, sagte der Kommissar: „Ihr Mann...er ist tot. Es tut uns sehr leid. Er wurde vor etwa
einer halben Stunde in der Southweststreet entdeckt.“ Alle erkannten sofort den tiefen Schock,
den Mrs. Heffersham erlitt. „Das, das glaube ich Ihnen nicht“, rief sie und brach langsam in
Tränen aus: „Das kann nicht sein. Ich habe vor einer Stunde noch mit ihm telefoniert.“ „Es ist
leider wahr“, sagte Elizabeth.
„Wir haben auf dem Weg hierhin die Gerichtsmedizin angerufen. Sie wird ihn untersuchen. In
etwa einer Stunde werden erste Ergebnisse über die Todesursache vorliegen“, sagte Inspektor
Thomas. Mrs. Heffersham war völlig am Boden zerstört. „Wer war es? Fassen Sie ihn“, rief
sie. „Wir wissen es noch nicht. Wir haben gehofft, dass Sie uns etwas über Mister
Heffershams Leben sagen können.“
„Was wollen Sie denn wissen?“ fragte Mrs. Heffersham schniefend. „Hatte ihr Mann im
Umkreis irgendwelche Feinde?“ „Nicht, dass ich wüsste, das heißt...doch einen gab es. Mr.
Rooster hieß er, glaub ich. Aber von dem habe ich schon lange nichts mehr gehört.“ „Wer ist
Mr. Rooster?“, fragte der Inspektor. „Mr. Rosster war glaube ich einer von Jonathans
Klassenkameraden in der Grundschule und auf dem Gymnasium. Früher waren sie eng
miteinander befreundet, aber es ist wie gesagt schon lange her, dass ich von ihm gehört habe.“,
antwortete Mrs. Hazelwood. „Aber Sie sagten eben, dass Mr. Rooster einer der Feinde von
Mr. Heffersham sei.“, hakte der Kommissar nach. „Ja, das stimmt. Rooster hat mit einem Mal
angefangen, Jonathan zu hassen. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, aber auf einmal
brach er den Kontakt ab.
„Hm. Trotzdem vielen Dank. Sollen wir Sie nun alleine lassen oder möchten Sie uns noch
etwas fragen?!“, fragte Elizabeth. „Nein, nein, gehen Sie ruhig. Sagen Sie mir aber bitte
Bescheid, wenn Sie etwas über den Täter in Erfahrung gebracht haben“, bat Mrs. Heffersham.
„Natürlich. Auf Wiedersehen und eine gute Nacht.“ „Vielen Dank.“
Die Polizisten verließen das Haus. „Gleich morgen früh werden wir uns intensiv um den Fall
kümmern. Jetzt gehen wir am besten erst mal alle nach Hause. Mein Auto steht noch vor der
Bar. Mrs. Hazelwood, es wäre besser, wenn Sie nun auch gehen würden. Vielen Dank für Ihre
Hilfe.“ „Kein Problem, Herr Kommissar. Gute Nacht.“ sagte sie und ging davon. Ich werde
85
das Gefühl nicht los, dass der Täter nicht weit ist. a ja, wir warten erst einmal die
Ergebnisse der Untersuchung ab, dachte der Kommissar.
Am nächsten Tag präsentierte der Kommissar die Ergebnisse der Obduktion: „Unser Toter ist
tatsächlich Jonathan Heffersham. Er wurde mit diesem 9mm-Projektil erschossen und starb
sofort. Die Waffe, die dieses Projektil abfeuert, ist leider weltweit im Umlauf, allerdings gibt
es auch zwei Halter hier in Piltover. Das ist einmal Frank Johnson und der zweite ist - jetzt
haltet euch fest - Tom Rooster. Was für ein erfreulicher Zufall, finden Sie nicht?“ „Ja“, stellte
Inspektor Thomas ebenfalls fest: „Wann knöpfen wir ihn uns vor?“ „So schnell wie möglich.
Also am besten jetzt. Sind Sie bereit?“, fragte Clivton. „Natürlich“, kam es gleichzeitig von
seinen beiden Kollegen. „Dann los. Er wohnt in der McClancy's Road 36 im Süde Piltovers.
Etwa 15 Minuten von hier.“ Sie verließen das Department und stiegen ins Auto.
Eine Viertelstunde später standen Sie vor dem Haus in der McClancy's Road mit der Nummer
36. Sie atmeten tief durch. Keiner wusste was sie erwartete. Der Kommissar klingelte. Kurze
Zeit später öffnete ihnen ein mittelgroßer Mann mit braunen Haaren und Stoppelbart die Tür.
„Ja?“, fragte er mit einer sehr tiefen Stimme. „Mister Rooster?“, fragte der Kommissar. „Ja,
der bin ich.“, antwortete dieser. „Dürften wir bitte reinkommen?! Wir haben Ihnen einige
Fragen zu stellen.“ „Wer sind Sie überhaupt?“, wunderte sich Tom Rooster. „Ach so,
Verzeihung. Ich bin Kommissar James Clivton, Piltover Police Department. Und das sind
meine beiden Kollegen, Inspektorin Elizabeth Walters und Inspektor Harold Thomas.“ Der
Mann zuckte zusammen, verhielt sich aber gleich darauf wieder ruhig. „Welche Fragen kann
ich Ihnen denn beantworten?“ Der Kommissar ließ sich nicht anmerken, dass seine Bitte
überhört blieb. „Es geht um einen Mord.“ „Und da kommen Sie ausgerechnet zu mir?“,
wunderte sich Rooster und lachte ein wenig künstlich. „Ja, tun wir. Wir gehen nämlich davon
aus, dass Sie etwas mit dem Fall zu tun haben. Der Mann wurde mit einem Projektil
abgeschossen, das aus einer Waffe stammt, die Ihnen gehört.“, sagte Clivton „Das stimmt, ich
besitze eine Waffe. Eine Pistole, um genau zu sein. Ich habe aber einen Waffenschein“, sagte
Tom Rooster. „Das hat auch niemand bestritten, Mister Rooster. Tatsache ist aber, dass nur
zwei Männer diese Waffe in Piltover besitzen. Und das sind Sie und ein gewisser Frank
Johnson. Sagt Ihnen der Name Jonathan Heffersham etwas? Er war das Mordopfer.“ „Nein.
Der Name ist mir unbekannt.“, sagte Rooster. „Das ist komisch. Mrs. Heffersham erwähnte,
dass Sie einer seiner Feinde wären“, sagte der Kommissar. Tom Rooster zuckte zusammen.
„Ach, diesen Jonathan Heffersham meinen Sie. Aber von dem habe ich schon lange nichts
mehr gehört. Ich wusste gar nicht, dass er in der Nähe wohnt. Und ich war auch in letzter Zeit
86
nicht in der Southweststreet. Ich kann es also gar nicht gewesen sein.“, entfuhr es ihm. „Na
schön.“, erwiderte Kommissar Clivton: „Wir dürfen uns dann verabschieden?!“ „Aber
natürlich.“, sagte Rooster: „Wiedersehen und viel Erfolg bei der Suche.“ Die Polizisten
verließen das Haus. „Er war es. Ich weiß es.“, entfuhr es Clivton. „Woher denn?“, wunderte
sich der Inspektor. „Haben Sie es nicht mitbekommen? Er sagte, er sei in letzter Zeit nicht in
der Southweststreet gewesen.“ „Und?“ „Verstehen Sie denn nicht? Keiner von uns hat in
diesem Gespräch die Southweststreet erwähnt. Woher wusste er also, dass Mr. Heffersham
dort getötet wurde!? Weil er es war.“ „Das leuchtet ein.“, bemerkte der Inspektor. „Dann
gehen wir jetzt noch einmal da rein und nehmen ihn fest. Er hat gar keine andere Wahl als zu
gestehen“, sagte der Kommissar und ging zurück zur Haustür. Als Mr. Rooster die Tür wieder
öffnete, war er sichtlich verwirrt. „Was gibt es denn noch, Herr Kommissar?“, fragte er. „Ich
beschuldige Sie hiermit des Mordes an Mister Jonathan Heffersham. Leugnen Sie erst gar
nicht, wir wissen es. Sie haben uns soeben den entscheidenden Hinweis geliefert“, sprach der
Kommissar. Mr. Rooster war geschockt. „Wie kommen Sie darauf?“, fragte er sichtlich
nervös. „Sie haben uns soeben den Beweis geliefert, indem Sie sagten, dass Jonathan
Heffersham in der Southwesststreet getötet wurde. Niemand hatte die Strasse vorher erwähnt.
Woher konnten Sie es also wissen?!“, Mr. Rooster stand der Schweiß auf der Stirn: „Folglich
müssen Sie es gewesen sein, der Jonathan Heffersham um 22:50 in der Southweststreet
erschoss“, erklärte der Kommissar. Ohne zu leugnen gestand er seine Tat: „Ja, ich war es. Ich
habe Jonathan umgebracht. Ich habe ihn gehasst. Seit meiner Kindheit hasste ich ihn. Er hat
mich ständig hintergangen. Nie hat er mich ernst genommen. Er hatte es verdient.“ „Das
können Sie alles dem Richter vortragen. Sie sind hiermit festgenommen.“ Ohne sich zu
wehren ließ sich Rooster Handschellen anlegen. Die Polizisten nahmen ihn mit ins
Department. Zwei Tage später wurde Tom Rooster dem Haftrichter vorgeführt und zu 5
Jahren Haft verurteilt.
Die Polizisten saßen bei Mrs. Heffersham in der Küche und tranken Kaffee. „Vielen Dank,
dass Sie den Fall aufgeklärt haben. Jetzt, wo der Täter hinter Gittern sitzt, kann ich vielleicht
endlich wieder ruhig schlafen.“, sagte sie. „Das hoffen wir“, sagte Elizabeth.
Der Kommissar blickte hinaus auf die Straße. Der Nebel war verschwunden, als ob er nur
dazu gedient hätte die Tat zu verdecken. Doch mit der Aufklärung des Mordes verschwand
auch der Nebel. Der Kommissar beobachtete den Sonnenuntergang, der den Himmel in ein
hässliches Rot tauchte.
87
Verzweiflung
von Yannick Pestka
Es war so still, dass man selbst das Klopfen der Regentropfen auf dem verrosteten Metall des
alten Fabrikdaches hörte. Draußen peitschte der Wind und Chris Francer, ein junger Mann,
Mitte 20, stämmig gebaut, rannte durch die Gegend auf der Suche nach einem Unterschlupf.
Endlich hatte er etwas gefunden, vollkommen nass und ausgelaugt setzte er sich auf den
Boden der alten Fabrik. Das Unwetter dauerte schon lange an und er beschloss so lange zu
warten, bis es aufhörte. Schon nach kurzer Zeit wurde ihm langweilig und er fing an mit
seinem Schlüsselbund zu spielen. Er warf ihn immer und immer wieder hoch, da schleuderte
er ihn zu hoch Dass musste ja passieren, dachte er verärgert über sich selbst. Langsam
rappelte er sich auf, seine Gliedmaßen waren eingeschlafen. Chris streckte seine Hand nach
dem Schlüssel. Er packte zu, doch das, was er hervorzog, ließ ihn augenblicklich erstarren.
Ein Arm einer Leiche; er war kurz davor zusammen zu brechen. Sein Herz schlug ihm bis
zum Hals. Die Zeit verging wie im Flug, dann überlegte er - immer noch ängstlich - was er
machen konnte. Sollte er die Polizei rufen? Nein, er möchte nichts mit der Polizei zu tun
haben, dachte er. Oder lieber schnell den Schlüssel holen und gehen, war sein nächster
Gedanke. Einen Moment passierte nichts, dann fasste er einen Entschluss. Er zog ein
Taschentuch hervor und hoffte damit alle Fingerabdrücke abwischen zu können. Mit einer
hastigen Bewegung tat er den Arm wieder dahin, wo er ihn gefunden hatte und zog den
Schlüssel hervor Tue ich das Richtige?, plagte ihn sein Gewissen immer und immer wieder.
Schnell entfernte er sich von der alten Fabrik. Jetzt bin ich über das gröbste hinweg, dachte er.
Es war schon spät, als sich Chris dazu entschied in eine Kneipe nebenan zu gehen. Spiegelei
mit Spinat bestellte er und ein großen Krug gefüllt mit Bier. Irgendwie wollte ihm das heutige
Ereignis nicht aus dem Kopf gehen. Viele Fragen drehten sich in seinem Kopf: Wer war der
Tote? Wie lange lag er dort? Hatte das Opfer eine Familie? Eine Kellnerin räumte den Teller
ab und fragte: „Alles klar mit Ihnen?“ „Ja“, antwortete Chris nach einer kurzen Pause des
Schweigens. Im Laufe des Abends bestellte sich Chris einige Gläser Bier, um seinen Frust
über den Verlauf des Tages hinunterzuspülen. Gegen Mitternacht verließ er die Kneipe und
taumelte nach Hause. Am nächsten Morgen wachte er schweißgebadet auf, er hatte geträumt,
dass ihn die Polizei als Täter überführt. Er setzte sich an den Tisch und las wie jeden Morgen
die Zeitung. Da blieb ihm auf einmal die Luft weg. Es schien so, als würde sich seine heile
Welt gerade in Luft auflösen, denn in der Zeitung stand ein Artikel mit der Überschrift: Arm
in alter Fabrikhalle gefunden. Kurze Zeit verlor er die Fassung, dann aber fiel ihm ein, dass er
88
seine Spuren mit Hilfe des Taschentuches verwischt hatte. Hatte das Verwischen der Spuren
gereicht?
Es klopfte an der Tür und eine tiefe Männerstimme wiederholte ständig: „Hier ist die Polizei,
öffnen sie die Tür!“ Chris wusste nicht, was er tun sollte, aber er dachte, wenn ich nicht
aufmachte, machte ich mich sehr verdächtig. Mit zittrigen Händen schob er den
Sicherheitsriegel beiseite und öffnete die Tür. Die Polizisten traten hinein und schauten sich
eine Sekunde um. Einer der Beamten ergriff das Wort: „Sind Sie Chris Francer?“ „Ja, der bin
ich, um was geht es“, erwiderte er. „Es geht um einen Mordfall, an den Überresten der Leiche
wurden ihre Fingerabdrücke festgestellt“, sagte der Polizist vorwurfsvoll. Chris schluckte und
sagte sich innerlich, er habe doch alle Spuren verwischt. Über sich selbst verärgert, dass er als
Jugendlicher eine Straftat begangen hat und daher seine Fingerabdrücke in einer Datenbank
erfasst waren, dachte er, jetzt haben sie mich, dann redete er weiter, als wäre nichts gewesen:
„Ich war da und habe Unterschlupf vor dem Sturm gesucht, da ist mir mein Schlüssel beim
Hochwerfen in eine dunkle Ecke gefallen, wo der Arm lag. Ich habe es Ihnen nicht gemeldet,
weil ich Angst hatte, dass die Polizei mich mit dem Vorfall verbindet“. „Und das sollen wir
Ihnen glauben“, fragte der Polizist. „So war es, glauben sie, was sie wollen“, entgegnete Chris
etwas provozierend.
„OK, dass war es erst einmal“, antwortete der Beamte mit verschränkter Miene. Als die
Schnüffler verschwanden - so nannte Chris die beiden - lauschte er noch eine Weile an der
Tür, ob sie wirklich weg waren. Er wusste, dass Sie schon bald wiederkommen würden, also
fasste er einen Entschluss. Seine Tasche packte er nur mit den wichtigsten Sachen, darunter
einen alten Revolver von meinem Opa und Kleidung. Bevor er die Wohnung verließ, blickte
er sich noch einmal um. Noch vor ein paar Wochen war er ein normaler Bürger, der noch nie
negativ in Erscheinung getreten war, nun muss er vor der Polizei fliehen und alles stehen und
liegen lassen. Sein Leben war ein einziger Trümmerhaufen, eine Träne lief ihm über das
Gesicht. Er knallte die Tür hinter sich zu und lief das Treppenhaus eilig hinunter. Unten
angekommen ging er zu seinem Auto, er nahm seine Tasche und verstaute sie hinten im
Kofferraum. Lediglich seinen alten Revolver legte er neben sich auf den Beifahrersitz, auch
wenn er hoffte diesen nicht benutzen zu müssen.
Langsam näherte er sich der Landesgrenze von Wales, es war so alles so einfach, dass konnte
nicht sein, dachte Chris. So war es auch nicht...
In seiner alten Wohnung in Liverpool stürmten Polizisten die Wohnung, sie stellten alles auf
den Kopf und fanden schließlich eine Adresse in Wales. Dort muss er sein, dachte einer der
Ermittler und reagierte am schnellsten. Er alarmierte die Grenzpolizisten. Angekommen an
89
der Grenze wusste Chris von all dem noch nichts. „Ihren Fahrzeugschein und ihre Papiere
bitte“, sagte ein etwas in die Jahre gekommener Mann. Chris übergab sie ihm wortlos. Der
Beamte verschwand kurzzeitig mit den Papieren, dann kam er wieder mit seiner Dienstwaffe
in der Hand und sagte drohend: „Kommen sie mit erhobenen Händen aus dem Wagen
raus!“ Chris rutschte das Herz in die Hose, doch er wusste was, zu tun war. Ihm war klar, dass
ihm die Polizisten bei der Befragung in seiner Heimatstadt nicht geglaubt hatten, da ergriff
ihn Hass und er packte nach seiner Waffe. Gedankenschnell drückte er ab und der alte Mann
sackte leblos zu Boden. Chris starrte auf den Körper und wurde sich seiner Tat bewusst. Was
habe ich getan, fragte er sich, er hatte ihn eiskalt ermordet. Erstaunt über das, was er
angerichtet hatte, wusste er, dass es noch weitere Polizisten gab. Einen nach dem anderen
brachte er um, dann ließ er Öl auslaufen und zündete alles an, um mögliche Beweise zu
vernichten.
Mit seinem Auto floh er weiter in Richtung Innenland, dort hoffte er auf einen Neuanfang als
unauffälliger Bauer. Inzwischen lief eine Großfahndung nach Chris. Auch wenn es Chris
nicht wusste, sie waren näher an ihm dran, als ihm lieb war. Während der Fahrt wurden jede
Menge Bilder von Kameras von ihm gemacht. Alle Einheiten in der Nähe von der letzten
Aufnahme wurden nun beauftragt ihn festzunehmen. Chris war nun kurz vor seinem Ziel,
einer alten Farm im Landesinneren von Wales. Dort lebte sein Bruder David, die beiden
hatten sich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen, weil David sehr früh nach Wales zog.
Es klopfte an der Tür und David öffnete sie. Einen Moment lang war es ganz still, dann
ergriff David das Wort: „Was machst du denn hier?“ „Ich bin es, dein Bruder und ich stecke
in sehr großen Schwierigkeiten“ , erwiderte Chris. David ließ ihn rein und die beiden führten
ein sehr langes Gespräch. „Was hast du getan“, sagte David mit lauter Stimme. „Niemand hat
mir geglaubt, ich war verzweifelt, was hättest du denn getan?“, entgegnete Chris leise.
„Jedenfalls nicht das“, mahnte sein Bruder. „Es ist so wie es ist, ich kann es nicht rückgängig
machen“, stotterte Chris vor Angst. Nach bangen Minuten verschwand David in der Küche, er
rief die Polizei an, denn er wollte seinen verhassten Bruder loswerden: „Der gesuchte Mörder
mehrerer Polizisten ist bei mir, meine Adresse lautet: Hangroad 12, ich wiederhole Hangroad
12, kommen sie schnell!“ Dann legte er auf und kehrte er mit etwas Tee zurück, um keinen
Verdacht zu erregen. „Nun trink erst einmal etwas“ sagte Paul schadenfroh.
Dann ging alles ganz schnell, die Polizei umstellte das Haus und stürmte hinein, Chris hatte
keine Chance zu fliehen. Ein Polizist wollte ihm gerade die Handschellen umlegen, da gelang
es ihm sich kurzzeitig, zu lösen, ohne zu zögern zog er eine Pistole aus der Schnalle des
Polizisten entsicherte diese und drückte ab. Mit einem Streifschuss traf er seinen Bruder,
90
dieser schrie kurzzeitig auf. Ein Beamter stürzte sich auf Chris und riss ihn zu Boden. Die
Polizei führte Chris ab und sie verschwanden in der immer dunkler werdenden Nacht.
Mord an Bord
von Yannik Raddatz
Kapitän Roland stand auf der Brücke des Kreuzfahrtschiffes "Star 1" und war sehr nervös, da
er wie schon in den letzten Tagen dieses seltsame Gefühl hatte verfolgt zu werden. Er blickte
sich um, doch er konnte niemanden in den dunklen Schatten der Abenddämmerung erkennen.
Er hatte Schweißperlen auf der Stirn vor Angst, doch er musste sich konzentrieren. Er
versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren, doch der Gedanke, dass ihn jemand
verfolgte, ließ ihn nicht los. Schon wieder drehte er sich um, um ein weiteres Mal in den
unwirklichen Schatten nach einer Gestalt zu suchen. Es muss irgendjemand dort sein. Kann
mein Gefühl mich so täuschen?, dachte der Kapitän, aber wie sehr er sich auch anstrengte, er
sah nur die immer schwärzer werdende Dunkelheit. Verdammt! Und heute habe ich auch
noch die achtschicht am Hals. Ich hoffe ich werde auf diesem Schiff nicht noch verrückt,
schoss es Roland durch den Kopf. Er ging zum Lichtschalter neben der Tür und drückte
immer wieder auf den Schalter, aber das Licht blieb aus. Mit jeder Sekunde wurde er noch
nervöser. Zittrig nahm er die Taschenlampe von der Wand, ging schnellen Schrittes zum
Sicherungsraum und sah, dass die Sicherung brutal rausgerissen wurde. So viel Angst wie
jetzt hatte er noch nie, nur noch eine Kleinigkeit und Roland würde durchdrehen. Auf dem
Weg zur Brücke sah er aus den Augenwinkeln eine Bewegung.
Wie jeden Abend saß Security-Chef Tom Kaiser auch heute an seinem Computer und schrieb
den täglichen Bericht. Kurz bevor er seinen Text vollenden konnte, stürmte ein junger Mann
in sein Büro." Was ist denn nun schon wieder los, Karl? Hat Frau Reibis etwa wieder ihre
Glasperlenkette verloren?", frage Tom genervt. "Das wäre schließlich schon das 3. Mal in
dieser Woche." "Das wäre schön Chef, aber dies hier ist viel wichtiger", Karls Stimme
überschlug sich fast, so schnell wollte er die Situation erklären." Haben Sie eine Ahnung, wo
der Kapitän ist? Ich wollte eben zu ihm, um ihn zu fragen, was wir tun sollen, denn der
91
Whirlpool ist kaputt und als ich dann an der Brücke war, konnte ich ihn nicht finden, also
habe ich in seiner Kabine und in allen anderen Räumen geguckt, dort war er auch nicht." Hm,
was kann da nur los sein? Der Kapitän ist doch immer in seiner Kabine oder auf der Brücke,
Tom dachte angestrengt nach. "Stell mal eine Gruppe zusammen, die nach dem Kapitän
sucht."
Eine Stunde später flog die Tür auf und ein Passagier stand in der Tür. „Ist es wahr, dass der
Kapitän verschwunden ist?", platze es aus ihm heraus. Oh verdammt. Karl muss es jemandem
gesagt haben. Ich hoffe es wissen noch nicht zu viele davon. "Ja, es ist wahr. Wie viele wissen
inzwischen schon von dem Vorfall?" „Jetzt bestimmt das halbe Schiff, da sich so eine
Neuigkeit natürlich schnell ausbreitet." Tom rief seinen Assistenten und beauftragte ihn, eine
weitere Gruppe zusammen zu stellen. Diese sollte verhindern, dass Panik auf dem Schiff
ausbrach.
Als Roland wieder aufwachte, schaute er sich überrascht um. Wo war er? Was war passiert?
Er wusste nur noch, dass eine Gestalt aus den Schatten hinter ihn sprang und ihm einen in
Äther getauchten Wattebausch auf den Mund und die Nase gepresst hatte. Er wollte aufstehen,
doch er war an einen Stuhl gefesselt. Er guckte sich um und entdeckte ein kleines Bullauge an
der Wand gegenüber der Tür. Draußen sah man schon die rötlichen Wolken, die den
Sonnenaufgang ankündigten. Wie lange war ich bloß betäubt? In der Holztür klickte das
Schloss und ein großer, schlanker Mann trat in den Raum. „Was wollen Sie von mir?" Seine
Stimme war ungewohnt schrill vor Angst. Roland zerrte an den Seilen, doch der Knoten hielt.
"Ich habe hier eine kleine, aber wirkungsvolle Bombe, die ich gleich aktivieren werde",
erklang eine tiefe Stimme." Dann wirst du und dein schönes Schiff untergehen, während ich
mit dem Rettungsboot abhauen werde." „Aber was habe ich ihnen denn getan?" Der Mann
kam näher, bis er nur noch wenige Schritte entfernt stand. „Weißt du nicht mehr? Wir waren
auf derselben Grundschule und ein paar Jahre auf demselben Gymnasium. Ich werde erst
zusehen wie du leidest und dich dann in die Luft sprengen. Vielleicht erinnerst du dich dann,
wer ich bin. Und es wird mir ein Vergnügen sein auch die anderen sterben zu sehen, da einige
deiner früheren Clique auch heute an Bord sind." Seine Stimme triefte vor Hass. Irgendwoher
nahm er einen Schlagring und schlug Roland ins Gesicht. Der Schmerz explodierte als seine
Nase brach und Blut in Strömen an ihm herunterlief. Der Unbekannte lachte und schlug ihm
in den Magen. Die Luft entwich aus seinen Lungen und das einzige, woran er dachte bevor er
ohnmächtig wurde, war, dass er hoffte, dass der Schmerz aufhören würde.
92
Nach ein paar Minuten kam der nächste Passagier in die Kabine des Security-Chefs und auch
dieser fragte ihn, ob der Kapitän weg sei. Von dem Moment kamen immer öfter Passagiere,
bis es Tom zu nervig wurde und dachte: Mist! Ich werde wohl raus und allen die Wahrheit
sagen müssen. Wahrscheinlich weiß es nun sowieso jeder. Das wird mit Sicherheit ein langer
Tag werden. Er griff zu seinem Mikrofon und sagte: „Alle mal herhören. Wir werden uns alle
in der Kantine treffen. Ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen." Kurze Zeit später stand
Tom vor der versammelten Menge und überlegte fieberhaft, wie er es ihnen am besten
erklären sollte. "Also schön, da wir nun alle hier sind, kann ich ja anfangen." Er machte eine
Pause. „Unser Kapitän ist verschwunden und keiner weiß, wo er ist", begann er. Sofort
tuschelte die Menge und Panik machte sich breit." Ich weiß, es hört sich schlimm an, aber ich
habe schon ein Team ausgeschickt, welches das ganze Schiff untersuchen wird. Ich bitte Sie
eindringlich nicht in Panik auszubrechen und meinen Männern so gut es geht zu helfen.
Roland wachte auf und wurde sich zuerst seiner Schmerzen bewusst. Ihm fiel auf, dass er
nicht mehr gefesselt war und auf der Seite neben einer Wand lag. „Du Weichei! Nach zwei
Schlägen wirst du ohnmächtig und ohne deine Schmerzensschreie ist es langweilig dich zu
schlagen". Roland versuchte die Stimme zu orten, aber er konnte sich kaum bewegen ohne
dass ihm gleich wieder der ganze Körper wehtat. Langsam wurde seine Sicht besser und er
sah im Licht der Sonne eine verschwommene Gestalt auf der anderen Seite. "Das, was ich dir
angetan habe, kann doch nicht so schlimm gewesen sein, dass ich das hier verdiene." „Was
weißt du schon davon? Ich habe gelitten und sogar schlechte Noten wegen dir gekriegt". Nun
schrie er. „Egal, was ich getan habe. Es tut mir leid und ich werde es wieder gutmachen. Wir
waren damals doch noch Kinder", antwortete Roland ängstlich. „Ich kann dir eine Arbeit
besorgen und dir vielleicht noch einen Psychiater bezahlen." „Nein, damit kannst du mich
nicht locken. Ich will nur, dass du stirbst." Er ging langsam auf Roland zu. Roland wollte
ausweichen, doch der Unbekannte verfolgte ihn und stand kurze Zeit später vor ihm. Er griff
in seine Tasche und zog einen blitzenden Gegenstand raus. „Was hast du damit vor?" Roland
keuchte, als er erkannte, was sein gegenüber in der Hand hielt. „Nur das, was man mit einem
Messer macht. Etwas aufschneiden. So, und jetzt wirst du sterben. Weißt du eigentlich wie
demütigend es war, wenn man selbst kaum etwas hatte und man in der Zeitung lesen musste,
wie du Karriere gemacht hast, nachdem du deine Akademie als bester im Jahrgang
abgeschlossen hast? Du willst bestimmt wissen, warum du stirbst, aber ich will, dass du dich
in deinen letzten Sekunden mit der Frage quälst, was du getan haben könntest, um das hier zu
verdienen." Der Mann kam immer näher. Roland wollte zur Seite wegrutschen, aus der
93
Reichweite des Messers, wusste aber zugleich auch, dass es sinnlos war. Sein Gegenüber
knurrte vor Ungeduld, packte ihn am Kragen seiner Uniform und riss ihn zurück. „Du bleibst
schön hier", zischte er Roland ins Ohr. Roland wurde herumgerissen und kurz danach spürte
er einen brennenden Schmerz in der Magengegend. Er guckte an sich herab und sah einen
schmalen Riss in der Haut, durch den das Blut herausschoss. Ihm wurde schwindelig von dem
Blutverlust und er sank zusammen. Er wollte schreien, doch es kam nur ein Stöhnen heraus.
Jemand lachte, doch das Lachen wechselte plötzlich in einen erschrockenen Laut, als jemand
die Tür eintrat. Er schloss die Augen und er erschrak kurz, als er auf einmal sein bisheriges
Leben vor seinem inneren Auge vorbeiziehen sah. Da waren seine Erinnerungen wie die, als
er eingeschult wurde oder Weihnachten, als er sein erstes Fahrrad bekam. Und da waren auch
Bilder, wo er sah, was er einem Kind in seiner Klasse angetan hatte und wusste, dass ist der
Mann, der mich getötet hat. Was habe ich nur getan? Warum war ich früher so ein Monster?
Ich wünschte ich wäre früher nicht so gemein gewesen, dann wären wir heute nicht in dieser
Situation, dachte Roland kurz bevor er starb.
Tom wollte ihnen gerade noch einmal sagen, dass sie sich ruhig verhalten sollen, als Karl
angelaufen kam und rief: „Chef, ich glaube wir haben eine Spur, wo der Kapitän sein könnte.
Kommen Sie schnell. Ich erkläre es ihnen auf dem Weg." Die beiden liefen los." Ein
Passagier kam gerade zu uns gelaufen und sagte, er habe einen Kampf hinter einer
verschlossenen Tür gehört und als er von dem verschwundenem Kapitän hörte, dachte er, der
Kapitän und ein möglicher Entführer könnten dort sein", erklärte Karl. Nach ein paar
Minuten fragte Tom, wo die Kabine denn sei und Karl antwortete:" Sie liegt am anderen Ende
des Schiffes, aber wir sind gleich da." Tatsächlich kamen die beiden kurz darauf zu einer
offenen Tür." Hier ist es. Ich habe den restlichen Männern gesagt, sie sollten schon mal
nachsehen, ob der Kapitän wirklich da drin ist", sagte Karl und trat ein. Aber statt einem
Fremden, der vielleicht eine Waffe hat, war niemand dort. „Wo ist derjenige, der euch den
Tipp gegeben hat? Holt ihn auf der Stelle hierher", befahl Tom. Er sah sich währenddessen im
Rest der Kabine um, es war eine der teuren, als ein Mann, Mitte 60, schätze Tom, eintrat.
„Warum ist denn jetzt niemand mehr hier in diesem Zimmer? Sie geben uns doch etwa keine
falschen Informationen, oder?", fragte Tom. "Nein, ich weiß auch nicht, was passiert ist. Ich
bin mir ziemlich sicher, dass es dieses Zimmer war. Oder war es doch das nebenan?",
überlegte der Fremde. " Ok, dann wollen wir mal nebenan nachsehen", rief Tom seinem Team
zu. Aber auch nebenan war keine Spur von einem Kampf, einer Leiche oder einem weiteren
Fremden." Also schön. Einer von euch wird diesen Mann hier bewachen". Er zeigte auf den
94
älteren Mann, „während ich mit dem anderen Teil des Teams das restliche Schiff durchsuche.
Ich muss annehmen, dass er uns auf eine falsche Fährte locken will, wenn in beiden Zimmern
niemand ist." Es wurde schnell einer ausgewählt, der bleiben sollte und die anderen zogen los,
mit Tom an der Spitze. Anscheinend hatten die Passagiere seinen Rat befolgt und ihre Türen
offen gelassen. Schnell waren fast alle Kabinen und Räume durchsucht und die Gruppe gab
schon fast auf, als sie jemanden leise herumbrüllen hörten. Sie folgten dem Geräusch und
blieben vor einer Tür stehen." Geht kurz zur Seite", sagte Tom noch kurz bevor er die Tür
eintrat. Er sah sich kurz um und erfasste die Situation sofort. Ein großer, schlanker Mann und
daneben, aus einer großen Wunde blutend, der Kapitän. Der Rest seines Teams stürmte herein
und warf sich auf den Mann. „Schnell, holen Sie den Notarzt, Karl!", schrie Tom, während er
sich neben den Kapitän setzte und seine Wunden überprüfte." Okay, wir haben ihn, Chef.",
drang eine Stimme an sein Ohr und er erinnerte sich wieder an den Mörder. Als er sich
umdrehte, sah er, dass der Mann in Handschellen und von einer Gruppe junger Männer
umringt, stand. Wo bleibt denn nur der Notarzt? Unser Kapitän stirbt, wenn er nicht bald
kommt. Nach ein paar Minuten, die ihm wie viel länger vorkamen, trat der Arzt ein und sah
sich Roland an. “Es tut mir leid! Ich kann nichts mehr für ihn tun." Er sprach ganz leise, aber
jeder im Raum konnte ihn ohne Probleme verstehen." Du wirst ein ziemlich großes Problem
haben, weißt du das? Du hast jemanden ermordet. Dafür wirst du für einige Zeit hinter Gitter
kommen. Wie heißt du eigentlich?". Seinem Tonfall konnte man entnehmen, dass er sich am
liebsten auf den Mörder stürzen würde und sich nur mit großer Mühe zurückhielt." Ich heiße
Sebastian Schröder und der da", er guckte voller Abscheu auf den Toten Roland „hatte es
verdient“. Er durchsuchte Sebastians Kleider und entdeckte die Bombe. „Und anscheinend
wolltest du nicht nur Roland umbringen, sondern das ganze Schiff in die Luft sprengen. Ich
glaube dafür wirst du noch ein paar Jahre extra bekommen", sagte er. Tom führte Sebastian ab
und dachte: Was soll ich jetzt den anderen sagen? Die Passagiere werden noch panischer
werden, wenn sie hören, dass unser Kapitän ermordet wurde und wir einen Mörder an Bord
haben. Und dann ist da noch die Bombe. Auf dem Rückweg kamen sie noch an der Kabine
vorbei, wo der zurückgelassene Mann mit dem Fremden saß, und nahmen sie mit. Nach ein
paar Stunden kam das Rettungsboot und holte alle ab. Sebastian und der Fremde wurden in
verschiedene Räume mit Aufsicht gesteckt und sie erreichten das Festland.
Es war schon recht spät, als jemand an der Tür des Polizeireviers klingelte. Hm, wer kann das
sein? Mir hat niemand gesagt, dass er kommen würde, dachte der Kommissar Frank
Westermann. Er machte sich auf und sah eine Gruppe von Menschen die zwei in
95
Handschellen gelegten Personen in ihrer Mitte führten. "Was kann ich für sie tun?", fragte der
Kommissar. „Wir haben hier einen Mörder und wahrscheinlich seinen Komplizen. Wir
würden sie gerne bei ihnen abgeben und sie so schnell es geht verhören", antwortete Tom.
Am nächsten Tag verhörten Westermann und seine Kollegen die beiden Gefangenen und
beide standen. Als man Sebastian nach seinem Motiv fragte antwortete er:" Wir waren auf
derselben Grundschule und auch in derselben Klasse auf dem Gymnasium. Er schaffte es
mich immer zu mobben. Ich kann ihnen ein paar Beispiele nennen. Er klaute mir meine
Hausaufgaben und ich bekam schlechte Noten von den Lehrern. Er scharte eine Gruppe um
sich und sie taten mir weh. Das konnte ich ja noch aushalten, aber dann war ich in der 9.
Klasse mit einem Mädchen zusammen, in das ich über beide Ohren verliebt war, ich dachte
auch, dass sie etwas von mir will, aber dann kommt dieser Roland und sie verlässt mich für
ihn. Das hat mir den Rest gegeben. Er war so beliebt und ich wurde von allen verachtet, weil
ich ein Waise bin. Ich wechselte die Schule, aber das was er mir angetan hat habe ich nie
vergessen. Vor ein paar Jahren hielt ich es dann nicht mehr aus, jede Nacht, immer wieder,
von diesen Zeiten zu träumen. Ich ging zu einem Psychiater, und ging so oft dahin, wie ich es
mir leisten konnte, aber es hat nichts gebracht. Dann dachte ich mir, wenn ich es schon nicht
schaffe, mit mir selbst ins Reine zu kommen, dann soll er wenigstens genauso leiden, wie ich
früher. Nun habe ich mein Ziel erreicht, also macht mit mir, was ihr wollt."
Epilog:
Sebastian Schröder wurde zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt und sein Komplize Ralf Kuhn zu
3 Jahren, weil er eine frühere Festnahme von Sebastian verhindert und so geholfen hat Roland
zu töten. Eigentlich wollte Rolands Familie nur im Familienkreis zur Beerdigung kommen,
aber die Besatzung wurde informiert und es kamen ohne Ausnahme alle. Tom Kaiser bekam
vom Schiffsverband einen Orden, weil er ruhig geblieben und gut mit der Situation
umgegangen ist.
96
Eine Kriminalgeschichte
von Rabia Gür
Das Telefon der Mordkommission klingelte.
„Oberkommissar Peter Müller von der Mordkommission Bergheim, was ist passiert?“
„Ich habe eine Kinderleiche am Rosenweg 12 gefunden, bitte beeilen Sie sich!“ Die Frau am
Telefon klang ängstlich.
Oberkommissar Müller und seine Mannschaft machten sich auf den Weg. Es war schon 22:00
Uhr und ziemlich dunkel. Als Sie ankamen sahen Sie die Leiche und die verzweifelte Frau.
„Herr Schmidt, beruhigen Sie bitte die Frau! Herr Bauer, rufen Sie bitte die Forensiker an, ich
gucke mir inzwischen die Leiche an“, rief Oberkommissar Müller seiner Truppe zu.
Müller betrachtete die Leiche. Sieben Messerstiche, bei der Leiche davor waren es genauso
viele gewesen.
Kommissar Bauer war wütend: ,,Es ist wieder derselbe, oder? Das ist jetzt schon die zehnte
Leiche! Wir dürfen ihn diesmal nicht entwischen lassen. Wir können nicht einfach so warten,
bis er wieder ein Kind tötet!“
„Jetzt beruhigen Sie sich mal. Reißen Sie sich zusammen, wir tun schon alles dafür, aber
bisher konnten wir ihn nicht fassen. Ich weiß, dass ihre Tochter Marie dieses Jahr eingeschult
worden ist und dass Sie sich Sorgen um Marie machen, aber wir kümmern uns noch darum,
okay?“, entgegnete Müller.
Die Forensiker kamen und die Kommissare gingen zurück zum Hauptquartier, um dort das
Wichtigste zu besprechen und herauszufinden, welche Beweisstücke zusammen passen. Bis
jetzt wurden schon zehn Kinder umgebracht, und jedes Mal war anhand der Messerstiche
schon klar, wer der Mörder sein könnte. Laut Autopsie-Bericht wurden die Kinder nicht
vergewaltigt und ihnen wurden auch keine Organe entnommen. Der Mörder hatte also nichts
mit einer Organmafia zu tun. Der Forensiker Hans Schwarz telefonierte mit dem
Oberkommissar Peter Müller und berichtete ihm von den Neuigkeiten.
„Das ist aber eine erfreuliche Nachricht, Herr Schwarz, ich werde diese wunderbare Nachricht
meinen Kollegen mitteilen. Nochmals Danke, dass Sie angerufen haben.“
Peter Müller und die anderen Kommissare versammelten sich in dem Versammlungsraum.
„Der Forensiker hat angerufen. Diesmal hat der Serienmörder die Mordwaffe liegen lassen,
anscheinend hatte er es eilig. Schließlich wissen wir ja, dass er in den anderen Fällen ziemlich
professionell gehandelt hat. Es ist ein Messer, aber das wussten wir ja schon. Auf dem Messer
97
wurden Fingerspuren gefunden und...“, Oberkommissar Müllers Telefon klingelte. Es war
Bauer, ein Kommissar aus seinem Team.
„Ich habe mir zwei Aufnahmen von den Überwachungskameras der gegenüberliegenden
Fabrik angeguckt. Der Mörder ist drauf zu erkennen, aber leider nur von hinten.“
Müller wandte sich wieder an seine Mannschaft und fuhr fort: „Wo war ich stehen geblieben?
Ach ja, bei den Fingerabdrücken. Wir haben sogar noch etwas besseres als Fingerabdrücke,
zwei Aufnahmen von Überwachungskameras einer Fabrik gegenüber, auf denen der Mörder
zu erkennen ist. Kommissar Bauer ist auf dem Weg hierhin mit den Aufzeichnungen.“
Als Kommissar Bauer ankam, guckten sich alle die Aufnahmen an und stellten fest, dass der
Mörder schwarze Haare hatte und ungefähr 1,70 groß ist. Aufgrund der Dunkelheit konnte
man nicht so gut erkennen, welche Kleidung er trug. „Für heute reicht es, wir machen morgen
weiter. Wenn ihr wollt, können wir uns etwas zu essen gönnen, wir haben sehr fleißig
gearbeitet.“
Die Kommissare gingen gemeinsam in ein Café nahe dem Geschehen. Zwar hatten sie genug
von der Arbeit aber es könnte ja sein, dass sich irgendetwas bzw. irgendwer Auffälliges sehen
lässt. Bauer erkannte einen Mann, der dem Mörder ähnlich sah. Der Verdächtige guckte die
Polizisten sehr auffällig an. Bauer machte den Oberkommissar auf den Blick des Mannes
aufmerksam. Als die Polizisten sich dem Mann näherten, stand er plötzlich auf und rannte
weg.
„Schnell, schnappt ihn!“ rief Müller den anderen zu.
Die Polizisten rannten dem Mann hinterher, doch er stieg in ein Auto ein. Die Kommissare
hatten keine Chance, ihn einzuholen.
„Nein, das darf doch nicht wahr sein, wir waren diesmal so nah dran und er entwischt uns in
letzter Sekunde!“, schrie Bauer. Er bekam einen Wutanfall.
,,Beruhigen Sie sich. Sie müssen einen klaren Kopf bewahren, wenn Sie sich weiterhin um
den Fall kümmern wollen! Wir haben ja das Kennzeichen des Autos gesehen: BM-VK-1975.“
Mit dem Kennzeichen konnten die Kommissare ihn ausfindig machen. Sie riefen die Zentrale
an und teilten allen Verkehrspolizisten das Kennzeichen mit. Nach sehr kurzer Zeit wurde
dem Oberkommissar etwas gemeldet: Das Auto wurde zwei Kreuzungen weiter südlich
gesehen. Gemeinsam fuhren die Kommissare zur Kölnerstraße und sahen sogar das Auto. Der
Verdächtige wurde auf die Kommissare aufmerksam. Die Polizisten verfolgten ihn.
Während der Verfolgung stieg der Mann aus seinem Auto aus und rannte Weg. Müller stieg
ebenfalls aus, aber er konnte ihn nicht fassen. Der Verdächtige verschwand im Dunkel der
Nacht. Er rannte zu seinem Haus. Dort lebte er gemeinsam mit seiner Schwester.
98
Müller ging zurück zum Streifenwagen. Er gab bekannt , dass der Verdächtige entkommen
war. Am nächsten Tag arbeiteten die Kommissare weiter an dem Fall. Sie gingen zu dem
ihnen schon bekannten Café.
Plötzlich kam ein Mädchen angerannt.
,,Hilfe! Bitte Helfen Sie mir, ein Mann ist hinter mir her. Er hat ein Messer in der Hand und er
hat schon eben meinen...meinen Bruder ge...getötet. Er will auch mich töten.“ Das Mädchen
stotterte vor Angst. Kommissarin Maria Krause versuchte das Mädchen zu beruhigen. Sie gab
ihr ein Glas Wasser, doch nichts half. Wie sollte man aber auch eine Achtjährige beruhigen,
die vor 5 Minuten ihren Bruder sterben sah?
„Kleines, wo genau hat der Mann dich verfolgt?“, fragte Müller.
„Helfen sie meinem Bruder...helfen sie ihm.“ Die Stimme des Mädchens wurde immer leiser,
sie wurde ohnmächtig.
„Das Mädchen blutet an der Seite! Ruft einen Krankenwagen!“, alarmierte Kommissarin
Krause die anderen.
Das Mädchen wurde ins Krankenhaus gefahren. Alles hing von ihr ab. Die Ärzte taten alles,
um Sie am Leben zu halten, doch Sie hatte viel zu viel Blut verloren. Sie hatte es wohl am
Anfang nicht bemerkt, aufgrund ihrer Angst bei der Flucht vor dem Mörder. Ihr
Adrenalinpegel war in die Höhe geschossen jetzt schwebte die Achtjährige in Lebensgefahr.
Im Krankenhaus kam es plötzlich zu panischen Momenten.
„Schnell, bringt den Defibrillator. Das Mädchen hat einen kardiogenen Schock
bekommen!“ Bauer konnte sich wieder nicht kontrollieren. Er schlug gegen die Wände.
Krause fing an zu weinen. Sie war eine sehr empfindliche Person. Als Der Arzt wiederkam,
wurden alle leise. Jeder guckte dem Arzt tief in die Augen. Gespannt warteten sie auf seine
Antwort.
Der Arzt teilte ihnen mit, dass die Achtjährige die Verletzungen überstanden hatte. Sie musste
aber nun zwei Stunden schlafen, danach hatten die Kommissare das Recht sie zu befragen.
Nach genau zwei Stunden kam die Mannschaft wieder. Sie wollten keine Zeit verlieren.
Das Mädchen sagte heulend: „Er kam aus einem Haus heraus. Es war das Haus in der
Ellerstaße, gegenüber von der Telefonzelle. Ich konnte drinnen auch eine Frau sehen, sie hat
gewissenlos angeguckt, wie er meinem Bruder wehgetan hat!“
Die Polizisten gingen zu der Ellerstraße 6. Sie sahen das Haus direkt. Sie klingelten und
tatsächlich öffnete die von dem Mädchen beschriebene Frau die Tür.
„Was wollen Sie hier? Lassen sie mich los, auf der Stelle!“
99
„Sie kommen erst mal mit zum Hauptquartier, wir müssen mit ihnen üben den Mann reden,
der heute aus dem Haus rausgegangen ist und vor ihren Augen ein Kind getötet hat!“
Die Frau wurde sprachlos. Im Hauptquartier angekommen, verhörten Müller und Bauer die
Frau.
„Sie heißen also Marie Lunze. Was haben sie mit dem Serienmörder zu tun?“
„Er ist mein Bruder!!! Nennen Sie ihn nicht so. Kein Mensch auf diesem Planeten ist so lieb
wie er.“
„Wenn er doch so nett ist, warum tötet er unschuldige Kinder. Grundschulkinder!
Er hat schon 10 Kinder umgebracht! Sind Sie krank? Wie können Sie nur behaupten, dass er
ein netter Mensch ist? Er ist geistesgestört - genauso wie Sie!“
„Mein Bruder ist nicht geisteskrank und ich ebenfalls nicht .Wir sind beide nett. Aber mein
Bruder ist viel netter als ich, denn er befreit kleine Kinder von der Qual des Lebens!“
„Was meinen sie mit Qual des Lebens, sagen Sie es, sofort!“
„Ach, Sie wollen die Antwort wissen? Finden sie meinen Bruder, er wird es ihnen schon
sagen. Aber sie werden ihn niemals finden können!“
Es war 9:00 Uhr morgens. Müller versammelte sich mit seinem Team: „Diesmal müssen wir
ihn ausfindig machen!“
Die Kommissare gingen wieder zum Haus von Marie Lunze und seinem Bruder Peter Lunze.
Was sie diesmal dort sahen, überraschte sie sehr. Sie hätten nie mit so etwas gerechnet. Das,
was sie dort sahen, erleichterte ihnen die ganze Arbeit. Es war Peter Lunze. Die Schwester
hatte den Polizisten schon im Verhör gesagt, dass er kommen werde, aber keiner wollte ihr
glauben.
„Peter Lunze! Stehen geblieben, Sie sind verhaftet.“ rief Kommissarin Krause. Der Mörder
rannte weg, doch diesmal...
„Na, wo wollen Sie denn hin?“ fragte Peter Müller.
„Das ganze Gebäude wurde von uns umzingelt. Sie können nicht mehr weggelaufen. Das
Spiel ist aus .Sie kommen mit uns!“
Peter Lunze stand unter Schock er hätte nie gedacht, dass Sie ihn kriegen. Er dachte immer,
dass er den Kommissaren ein Schritt voraus sei, weil er das alles schon öfters durchgezogen
hatte. Er hielt sich für überlegen. Bauer guckte ihn voller Antipathie an. Sie brachten ihn ins
Revier und verhörten ihn. Bauer blieb draußen und hörte zu. Er wusste nicht mehr wie er
reagieren sollte. Seine Emotionen schwankten zwischen Hass und Mitleid. Er hörte weiter zu:
„Wissen sie, warum ich das als eine Befreiung für die Kinder betrachte?“ fragte Peter Lunze.
100
„Nein, warum eigentlich? Warum sehen sie den Tod als eine Befreiung für die
Kinder?“ Müller wollte gerne eine Antwort auf diese Frage haben, denn es könnte keine
Entschuldigung dafür geben, Kinder zu töten.
„Ich war acht Jahre alt. Meine Schwester 6. Unsere Eltern starben bei einem Autounfall und
wir wurden in einem Kinderheim unter gebracht. Dort hat man uns jeden Tag brutal
geschlagen. Man mochte uns nicht. Ich war acht...acht Jahre alt. Ich brauchte die Liebe
meiner Eltern. Aufgrund des schlechten Umgangs mit uns sind wir abgehauen und...“ Krause
konnte sich dass alles nicht mehr anhören und verließ den Raum.
„Wenn sie erlauben, würde ich gerne fortfahren.“ sagte der Mörder.
Müller erlaubte es ihm auf der Stelle.
„Wir waren alleine in dieser schlechten Welt. Wir waren auf uns selbst gestellt. An einem
Dezembermorgen kamen zwei Männer. Sie hatten gesagt, dass sie sich um uns kümmern
wollten und wir waren so doof und haben ihnen geglaubt.
Das Schlimme passierte dann später. Wir ...Wir wurden“, der Mörder fing an zu weinen,
erzählte aber trotzdem weiter:
Wir wurden vergewaltigt! Meine Schwester hatte sich später mehrfach versucht umzubringen,
doch ich konnte es verhindern. Ich selbst wollte mich auch umbringen, doch ich konnte Marie
nicht in Stich lassen. Verstehen Sie jetzt, warum ich es als eine Befreiung sehe? Die Kinder
müssen dann nicht dasselbe wie ich erleben, wenn die Eltern sterben oder auch so nicht um
ihre Kinder sorgen können! Dies können auch viele Eltern nicht ...Warum denken Sie war es
so leicht so viele Kinder umzubringen? Ich hab nichts Schlimmes gemacht! Lassen Sie mich
gehen. Ich muss noch ganz viele andere Kinder retten! LASSEN SIE MICH!“, Peter Lunze
fing an zu schreien.
Müller und seine Truppe hatten eine Besprechung im Versammlungsraum.
„Er kann auf keinen Fall ins Gefängnis. Er ist wahnsinnig. Er ist…“, Müller musste
unterbrechen, weil der Psychologe kam.
„Sie haben ja so Recht, Oberkommissar Müller. Aufgrund seiner Vergangenheit und all dem,
was er als Kind erlebt hat, muss er psychologisch behandelt werden; genauso seine Schwester.
Nach der Behandlung wird er mit einem Chip überwacht. Ich hoffe nur, dass die Behandlung
erfolgreich abgeschlossen werden kann.“
Peter Müller und all die anderen Kommissare waren mit dieser Lösung zufrieden. Sie konnten
nicht wissen, dass der Mann so etwas durchgemacht hatte. Er war ein Mörder! Aber er litt
unter einer starken Krankheit. Man konnte ihn nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilen,
obwohl er doch so viele Morde begannen hatte.
101
Cold Blood
von Torben Bagusat
Es war einer jener Septembertage, an denen sich die Hamburger Innenstadt anfühlt wie die
Antarktis selbst und Gregor Walonski nichts anderes wollte als der Kälte ins gemütliche zu
Hause entfliehen. Das Opfer des Mordes, Bettina Gader, eine 75-jährige Frau, hing halb aus
dem Fenster, so als hätte der Mörder sie dort hinauswerfen wollen, sich es aber auf halbem
Wege anders überlegt. Eine breite Blutspur, die zu einem Sessel führte, verriet den
eigentlichen Tatort. Man konnte davon ausgehen, dass der Mörder sie im Schlaf überrascht
hatte, da keine Kampfspuren zu erkennen waren. Der Mörder hatte die Tat mit einem Messer
oder einer ähnlichen Waffe begangen, da die Wunden tief und sogar durch die Kleidung der
Leiche deutlich zu erkennen waren. Der Mörder hatte einmal oberhalb der vierten Rippe in
die Lunge und ein zweites Mal in der Magengegend zugestochen. Beim zweiten Mal hatte er
das Messer nicht sofort herausgezogen, sondern einmal quer über den Bauch gezogen. Trotz
der
geöffneten
Bauchdecke
waren
alle
Organe
im
Körper
geblieben
wie
die
Gerichtsmediziner bereits ausgesagt hatten. Gregor drehte sich um, als ihm jemand auf die
Schulter tippte, einer der Gerichtsmediziner stand vor ihm: „Ok, Gregor, das war es fürs Erste,
wir brauchen hier noch eine Weile. Wir melden uns nachher bei dir.“ Gregor nickte dem
Mediziner zu und verließ das Haus.
Er ging zu seinem Bentley, den er neben dem Haus geparkt hatte und stutzte einen Moment,
als er sich im Seitenfenster spiegelte: Seine Wangen waren eingefallen und bleich vom kalten
Wetter, seine Augen trüb und traurig. Seine Haare waren genauso dunkel wie früher, doch
schon lange nicht mehr so voll. Der Alkoholismus und der Tod seiner Frau hatten ihn wirklich
viel seines früheren Aussehens gekostet. Seine Frau hatte aus einem 1,80 großen Alkoholiker
einen stolzen Gatten gemacht, doch dann passierte der Autounfall der sie das Leben kosten
sollte und er war zurück gefallen in eine Welt aus Depression und Trunkenheit. Eine Träne
löste sich aus seinem Augenwinkel und er erwachte aus diesem Moment der
Selbstbetrachtung. Schnell wischte er die Träne weg und stieg in den Bentley. Er schaltete die
Autoheizung an und schloss kurz die Augen während ihm die warme Luft übers Gesicht
strömte und seine Finger zu prickeln begannen. Während er dort saß musste er unwillkürlich
wieder an die Schreckensbilder des Unfalls denken, die sich für immer in sein Hirn
eingebrannt hatten: Ein vollkommen zerstörtes Autowrack eines Minis, direkt daneben ein
Truck, der nur eine leichte Wölbung im Kühler aufwies und eine verbrannte Frauenleiche.
102
Das war alles, was von seiner Frau übrig geblieben war, als man sie schließlich bergen konnte.
Der Unfall lag jetzt über ein halbes Jahr zurück und der Sachverhalt war nie genau aufgeklärt
worden. Seine Hand wanderte zum Handschuhfach mit dem Gedanken an die Wodkaflasche
im Inneren, mit der er seinen Schmerz betäuben konnte. Als seine Hand schon den Griff
berührte, musste er daran denken dass die Straßen voller Schnee und vereist waren und nahm
die Hand wieder zurück.
Zur selben Zeit in einem Lagerhaus am Hafen:
Der Mann beugte sich näher zu der Frau herunter, das Messer blitzte in seinen Händen auf.
Ihr Name war Hanna Gader und sie wusste weder, wo sie war, noch wie sie hier
hergekommen war. Das letzte, was sie noch in Erinnerung hatte, war ein Lappen mit einem
intensiven üblen Geruch, der sich aus dem Dunkel des Treppenhauses über ihr Gesicht stülpte,
daraufhin wurde ihr schwarz vor den Augen. Sie zitterte vor Angst und Ihre Augen waren
weit aufgerissen. Er fuhr mit dem Messer leicht über ihren Bauch und sie erstarrte vor
Schreck und ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mörders aus. Während er mit
seiner freien Hand nach der Maske, die er aufgesetzt hatte, griff, hob er das Messer leicht an.
Er zog sich die Maske vom Gesicht und Hannas angsterfülltes Gesicht verzog sich erst zu
einer verblüfften Ausdruck, als sie ihren Mörder erkannte und dann zu einer
schmerzverzerrten Grimasse, als das Messer in ihren Brustkorb gerammt wurde.
Dasselbe Lagerhaus einige Stunden später: Der Fischhändler, dem das Lagerhaus gehörte,
hatte die Leiche erst gegen Abend entdeckt, da er den ganzen Tag unterwegs gewesen war.
Sie lag auf einem Stapel Kisten im hinteren teil des Lagerhauses. Der Mörder hatte ihren
Oberkörper in eine beinahe unkenntliche Fleischmasse verwandelt. Der Gerichtsmediziner
nahm sein Handy aus der Tasche und wählte Georgs Nummer: „Ja, Georg? Kannst du
kommen, wir haben eine weitere Leiche.“
Georg kam eine Viertelstunde später am Hafen an und parkte seinen Wagen nahe der
Absperrung um das Lagerhaus. Er stieg aus und bückte sich unter dem Absperrband durch
und betrat das Lagerhaus. Den Gerichtsmediziner namens Frank Nadel, der ihn angerufen
hatte, traf er im hinteren Teil des Lagerhauses, nahe eines Stapels Kisten, auf denen die
Leiche aufgebahrt war. Er stellte sich neben Frank und sprach ihn an: „Gibt es einen
Zusammenhang zwischen diesem Fall und dem Mord an Bettina Gader?“ „Das hier ist ihre
Enkelin Hanna. Sie hat bis letzte Woche bei Bettina gewohnt“ „Also hat der Mörder
103
unmittelbar mit ihnen Kontakt gehabt! Kannst du rausfinden, wer einen Schlüssel für dieses
Lagerhaus und das Apartment haben könnte?“ „Ok, wir werden mal sehen, wen wir auftreiben
können, kannst du dich in der Zwischenzeit mal im Apartment umhören, wer einen Grund
gehabt haben könnte, die beiden zu töten?“ „Ja, na klar, mach ich das, ich melde mich dann in
ein paar Stunden wieder bei dir“ verabschiedete sich Gregor und wollte sich schon abwenden
als Frank ihn noch etwas zurief: „Übrigens haben wir an den Rippenbögen von Bettina eine
schwarze Ablagerung gefunden, das Labor sagt es sei eine Art Lack. Der Mörder hat also eine
Waffe mit eine schwarzen Lackierung benutzt, so etwas sollte nicht leicht zu finden sein, ich
hoffe, das kann helfen „ Gregor nickte Frank dankend zu und verließ das Lagerhaus. Er stieg
in seinen Bentley und fragte sich, wer wohl einen Grund haben sollte, eine Rentnerin und
deren Enkelin zu töten.
Als er im Apartment angekommen war, beschloss er, zuerst die direkten Nachbarn von
Bettina Gader zu befragen, da diese etwas Ungewöhnliches wohl am ehesten mitbekommen
hätten. Er klopfte an die Tür und las auf dem Namensschild „Dietrich“. Die Tür wurde von
einer ca 1,75 großen grauhaarigen Frau Ende 60 geöffnet: „Frau Dietrich, nehme ich an?“ „Ja,
das ist richtig und wer sind sie?“ antwortete sie mit einer Stimme, die gebrechlich und
schwach vom Alter klang. „Ich bin Gregor Walonski von der Mordkommission Hamburg, ich
ermittle im Fall von Bettina Gader. Frau Gader wurde gestern ermordet in ihrer Wohnung
aufgefunden wie sie zweifellos schon gehört haben?“ „Ja, das habe ich wirklich. Eine
Tragödie, zumal Frau Gader unsere älteste Mitbewohnerin war.“ „Nun, dann wird es sie
wahrscheinlich überraschen zu hören, dass ihre Enkeltochter Hanna gestern Abend ebenfalls
ermordet in einem Lagerhaus am Hafen aufgefunden wurde.“ „Was? Hanna auch? Das ist ja
schrecklich!“ „Da kann ich ihnen nur zustimmen, aber haben sie vielleicht eine Idee wer ein
Motiv gehabt haben könnte, die beiden innerhalb so kurzer Zeit umzubringen?“ „Nun, ich bin
mir nicht sicher, lassen sie mich kurz überlegen, aber kommen sie doch in der Zwischenzeit
herein.“ Gregor nahm dankend mit einem Kopfnicken an und betrat die kleine Wohnung: Sie
ähnelte sehr stark der Wohnung Bettina Gaders. Sie hatte dieselben tristen Wände und die
Räume waren auf dieselbe Weise aufgeteilt. Frau Dietrich bot ihm einen Stuhl an und er
setzte sich. Während sie ihm eine Tasse Tee einschenkte, erklärte sie ihm: „Nun, vor in etwa
einer Woche gab es Stress mit dem Hausmeister, er sollte Hanna sexuell belästigt haben. Aber
ich bin mir nicht sicher, ob jemand soweit gehen würde, um ein Gerichtsverfahren
auszuschließen“ endete sie mit einem ratlosen Gesichtsausdruck. Gregor dachte einen
Moment über ihre Worte nach, bevor er antwortete: „Können sie mir den Namen des
104
Hausmeisters nennen und wo er sich wahrscheinlich gerade aufhält?“ „Ja, natürlich. Er wohnt
in einer kleinen Wohnung ganz in der Nähe. Sie zückte einen Stift und kritzelte eine Adresse
auf eine kleines Stück Papier, welches sie ihm reichte: „ Er sollte noch für ca. 1 Stunde dort
sein, bis er sich mit einem Geschäftspartner trifft?“ Gregor runzelte die Stirn und fragte sie
überrascht:
„Ein
Geschäftspartner?
Ist
das
nicht
eher
ungewöhnlich
für
einen
Hausmeister?“ „Ich weiß nicht, er erzählte mir einmal, es sei ein alter Freund mit einer
Geschäftsidee, an der er sich beteiligen wolle.“ „Tatsächlich? Haben sie diesen Freund einmal
persönlich gesehen?“ „Ja, er war ca. 1,85 groß und trug regenfeste Kleidung. Außerdem roch
er stark nach Fisch.“ „Was? Nach Fisch? Sind sie sicher?“ „Ja, ich denke schon?“ antwortete
Frau Dietrich etwas verunsichert. Gregor erhob sich und wandte sich zum gehen: „Vielen
Dank, Frau Dietrich, sie waren mir eine große Hilfe.“ Mit diesen Worten verließ er die
Wohnung und ließ eine halb geleerte Teetasse und eine verdutzt blickende Frau Dietrich
zurück.
Zwei Blocks weiter blickte er auf den kleinen Zettel, den sie ihm gegeben hatte und verglich
ihm mit dem Straßenschild: Copernikus-Straße - hier war es. Die Nummer 18 befand sich in
einer kleinen Einbuchtung: Ein kleines heruntergekommenes Häuschen. Er trat an die Tür und
klingelte. Einen kleinen Moment herrschte Stille, dann wurde die Tür aufgerissen. Ein großer
Mann mit braunen, verfilzten, fettigen Haaren hatte ihm geöffnet und stierte ihn nun aus
kleinen Schweinsäuglein grimmig an. Unfreundlich raunzte er Gregor an: „Was wollen sie
von mir? Wenn sie was verkaufen wollen, dann verschwinden sie besser sofort! „Ich verkaufe
nichts, mein Name ist Gregor Walonski und ich ermittle im Auftrag der Mordkommission
Hamburg im Fall von Bettina Gader. Darf ich hereinkommen?“ „Verdächtigen sie mich
etwa?“ fragte der Mann nun schon eine Spur freundlicher, doch noch immer misstrauisch.
Gregor konnte in seinen Augen erkennen, dass es nicht nur Misstrauen war, das ihn so
vorsichtig machte. Nun schon eine Spur offenherziger, um sich das Vertrauen des Mannes
nicht zu verscherzen, lächelte er und antwortete: „Im Moment ist jeder verdächtig, da wir
noch keinen konkreten Tatverdacht haben. Ich habe sie lediglich aus dem Grund aufgesucht,
weil sie Bettina Gaders Hausmeister waren und sie daher gut gekannt haben sollten.“ „Oh
natürlich, welch eine Tragödie. Ihr Tod doch für uns alle war; kommen sie herein und stellen
sie ihre Fragen.“ Mit diesen Worten ließ der Mann die Tür weiter aufschwingen und bat
Gregor mit einer einladenden Geste herein. Im Inneren der Hütte war es stickig und dunkel.
Die genauen Ausmaße konnte Gregor nicht erkennen, er erkannte im hinteren Teil einen voll
gestellten Tisch, auf den sie zugingen. „Übrigens, ich heiße Ted Jenkins“ teilte er ihm mit,
105
während er einige Kisten vom Tisch räumte und ein Fenster öffnete, um mehr Licht
hereinzulassen. Gregor setzte sich auf eine Kiste und fragte Ted: „Nun, ich habe von einer
Nachbarin von Frau Gader gehört, dass sie angeblich Hanna sexuell belästigt hätten?“ „Nein,
das war alles ein Missverständnis, ich habe nur ein paar schwere Geräte durchs Haus getragen,
als sie plötzlich um eine Ecke gelaufen kam. Ich habe versucht ihr auszuweichen und bin
dabei gestolpert und auf sie gefallen. Bettina musste das ganze natürlich sofort als
hochgradigen sexuellen Übergriff einstufen und damit zur Polizei laufen. Sie wollte damit
sogar erreichen, dass ich das ich meinen Job verliere, nach 30 Jahren harter Arbeit! Ist das zu
fassen? Dieses Haus bedeutet mir mein Leben!“ „Nun, die Nachbarin berichtete mir auch
etwas von einem Freund von ihnen, dem ein starker Fischgeruch anhaftet. Was können sie mir
dazu sagen?“ „Oh, sie muss Jimi gemeint haben, er und ich hatten vor einiger Zeit eine
Geschäftsidee, die uns einen Haufen Geld einbringt: Wir entsorgen die Abfälle sämtlicher
Restaurants der Stadt für einen super Preis. Sie muss ihn wohl an einem Mittwoch getroffen
haben, da sind die Fischrestaurants dran.“ „Eine Frage hätte ich noch: Wo waren sie zur
Tatzeit der Morde? Diese sind gestern ca. zwischen 11- und 18 Uhr geschehen.“ „Nun, ich
war größtenteils hier und im Apartment, habe meinen Arbeit gemacht.“ Gregor erhob sich
und strich sich über die Jacke: „Also, vielen Dank für ihre Auskunft Herr Jenkins, ich werde
mich jetzt auf den Weg machen.“ Gregor wandte sich zur Tür und wollte schon herausgehen
als ihm neben der Tür ein Gegenstand und ein Stapel Kleidung auffielen. Er bückte sich und
zog eine Jacke, die den Rest des Stapels verdeckte zur Seite. Unter der Jacke befand sich eine
Skimaske aus dunklem Stoff und ein Messer mit schwarzer Klinge, an dem sich einige
Schrammen und eine dunkle Substanz erkennen ließ. Gregor starrte einige Sekunden
sprachlos auf diese eindeutigen Beweismittel, bevor er sich aufrichtete. Gerade als er Ted
fragen wollte, ob er eine Erklärung für diese Dinge hätte, wurde ihm von hinten ein mit
Chloroform getränkter Lappen auf Gesicht und Mund gepresst und er wurde bewusstlos.
Als er aufwachte, war es dunkel um ihn herum. Er stützte sich mit den Händen ab und erhob
sich langsam und vorsichtig, als ihn urplötzlich eine Faust in die Magengegend traf. Er
keuchte und schnappte nach Luft, während er wieder zu Boden sank. Ted beugte sich über ihn
und flüstere leise und bedrohlich in sein Ohr: „Wieso mussten sie nur die Jacke aufheben? Sie
hätten einfach zur Tür hinaus spazieren können und hätten friedlich weitergelebt. Aber
jetzt...Jetzt muss ich sie auch
noch töten!“ Den letzten Teil spie er in einem schrillen
Singsang heraus, während er mit dem Fuß ausholte und ihm mit aller Kraft in die Rippen trat.
Gregor krümmte sich vor Schmerz. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Ted sich einige
106
Meter entfernte - seine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt. Er tat
weiterhin so, als ob er starke Schmerzen hätte und wartete darauf, dass Ted sich ihm wieder
näherte. „Nun, bevor ich dich töte, werde ich mich noch etwas mit dir vergnügen, so wie mit
Hanna.“ Er grinste ihn mit einem irren Funkeln in den Augen an und holte erneut mit dem
Fuß aus. Grade als er ihm erneut in die Rippen treten wollte, sprang er auf und rammte ihm
die Faust ins Gesicht. Ted taumelte mit einem Jaulen zurück und schlug die Hände vors
Gesicht. Gregor ging ihm entgegen und trat ihm die Beine unterm Körper weg, sodass er der
Länge nach auf den Boden Schlug und sich dort vor Schmerzen wimmernd wand. Er suchte in
seiner Jackentasche nach seinen Handschellen, fand sie und legte sie ihm an. Dann rollte er
ihn auf den Rücken und sagte ihm ins Gesicht: „ Ted Jenkins, ich verhafte sie hiermit für die
Morde an Hanna und Bettina Gader, außerdem wegen versuchten Mordes an mir.“ Nachdem
er dies gesagt hatte beugte er sich zu Ted herunter und schlug ihm mit der Handkante auf die
Schläfe, sodass er sich krümmte und dann bewusstlos zusammensackte. Er trat nach draußen
und zog sein Handy aus der Tasche. Er wählte Franks Nummer und presste sich den Hörer an
die Ohrmuschel: „Frank? Kannst du bitte sofort zwei Streifenwagen hierhin schicken, ich
habe den Mörder gefasst.“
Zwei Tage später war alles geklärt und Ted Jenkins war zu einer lebenslänglichem Haftstrafe
verurteilt worden. Gregor setzte sich mit einer Flasche Wodka in der einen und in der anderen
einem Glas in seinen Lieblingssessel in seinem Wohnzimmer. Er hatte beschlossen, das
Trinken nicht aufzugeben, es aber ab sofort maß- und genussvoller zu tun. Er hoffte, dass er
auf diese Weise endlich über den Tod seiner Frau hinwegkommen wurde. Der Freund von
Ted Jenkinsens wurde eine Woche später mit durchgeschnittener Kehle aus der Elbe gezogen
und von jeglicher Mitschuld freigesprochen. Der Gerichtmediziner Frank Nadel wurde für
den erfolgreichen Abschluss diese Falls zum Abteilungsleiter befördert und arbeitete auch in
Zukunft immer wieder mit Georg zusammen.
107
Rache
von Björn Beuke
„Gerade ist ein Anruf reingekommen! Der Reinhardt hat Anzeige wegen Freiheitsberaubung
gestellt. Er wird gefangen gehalten, aber er hat zum Glück ein Handy“ „DER Reinhardt? Der
Millionär hier aus Meerbusch?“ „Genau der. Komm, los jetzt.“ Braun griff sich seine
Dienstwaffe und rannte seiner Kollegin hinterher. Völlig außer Atem kam er am Dienstwagen
an und setzte sich schnaufend auf den Beifahrersitz. „Du warst aber auch schon mal besser in
Form“, neckte ihn Claudia, während sie lachend das Auto startete. „Du bist auch noch keine
43 wie ich!“ versuchte er sich zu verteidigen. „Okay, ich bin erst 27. Aber trotzdem, in deiner
Form zieht dich jeder Achtjährige ab.“ Sie bog von der Holbeinstraße ab und fuhr am
Golfplatz vorbei. 10 Minuten später fuhren sie auf den Vorhof einer riesigen Villa. „Wow“,
entfuhr es Heinz Braun, während er seinen kleinen, pummeligen Körper aus dem Auto zerrte.
Ihre Körper wirkten vor der riesigen zweigeschossigen Villa geradezu winzig. Die hellrot
gestrichene Fassade glänzte im Sonnenlicht. Eine riesige Schicht aus Sonnenkollektoren
strahlte auf dem Dach. Braun streifte die Dienstmütze über seine noch spärlich vorhandenen
Haare und richtete sich zu voller Größe auf. „Jetzt blas dich mal nicht so auf. Das macht auch
nichts aus, ob du jetzt 1,68 oder 1,70 m groß bist.“ „Ich fühle mich aber besser dabei“,
entgegnete er seiner mehr als einen Kopf größeren Kollegin. Elegant schritt sie mit ihren
1,85m voraus. Der Kies knirschte unter ihren Füßen. An der Tür angelangt, klingelten sie.
Nichts rührte sich. Sie guckten durchs Fenster. Auch nichts zu sehen. „Ist dir auch schon
aufgefallen, wie viele Sicherheitsvorkehrungen es hier gibt? Überall Kameras, und das
Schloss erst. Beste Markenware mit Dreifachzylinder“, sagte Claudia. „Stimmt, jetzt wo du es
sagst, fällt mir es auch auf. Na gut, was erwartest du denn. Dass jeder bei dem Chef und
Besitzer einer der größten Chemiekonzerne der Welt hereinspazieren kann? Würde mich nicht
wundern, wenn es drinnen auch noch Augenerkennung und Codekarten geben würde.“ „Aber
dann hätte doch auch uns zumindest jemand nach unseren Ausweisen fragen müssen. Wir
sind doch auch einfach so hier reingekommen.“ Plötzlich knallte ein Schuss im Haus. Sofort
zogen beide Beamten ihre Waffen und entsicherten sie. Polizeioberkommissar Braun raunte
seiner ranggleichen Kollegin zu: “Geh du zum Auto und ruf Verstärkung! Ich guck mal nach,
was da los ist.“ Ohne Widerworte rannte Claudia zum Wagen und riss das Funkgerät aus der
Halterung. „Hier Wagen 93-7. Brauchen dringend Verstärkung in die Broicherseite 47.
Schüsse im Haus von Dieter Reinhardt.“ „Gut, zwei Wagen
sind unterwegs.
Ende.“ Währenddessen schlich sich Braun zur rechten Seite der Villa. Ein Fenster stand offen.
108
Vorsichtig schielte er hinein. „Keiner drin, also rein, “ dachte er sich. Er kletterte hinein und
kroch sofort hinter einen Sessel, der unangenehm nach Katze roch. „Mist, ausgerechnet Katze.
Wie ich diese Viecher hasse.“ Langsam machte sich auch seine Katzenhaarallergie bemerkbar.
Seine Nase fing an zu kribbeln und seine Augen juckten schon wie verrückt. Er lugte um die
Ecke. Niemand zu sehen. Also weiter. Mit schussbereiter Waffe schlich er sich geduckt durch
einen großen Raum, der wie ein gemütliches Büro ausgestattet war. Vor einem großen
hölzernen Schreibtisch - so einer, der nur in den Büros von Mächtigen steht - stand eine
Sitzgruppe aus Ledersesseln. An der Wand standen nur Regale voller Akten, Ordnern und
Büchern. Braun schlich zur Tür und lauschte. Plötzlich tippte ihm von hinten jemand auf die
Schulter. Er fuhr herum und starrte in das grinsende Gesicht seiner Kollegin. „Mach das nie
wieder! Ich hätte fast geschossen.“ Sie zuckte nur mit den Schultern und raunte: „Verstärkung
ist unterwegs.“ „Gut gemacht. Wollen wir denen doch mal ein bisschen auf die Finger
klopfen.“ „Erwartest du denn was anderes von mir?“ „Natürlich nicht.“ Braun öffnete
vorsichtig die Tür und starrte geradewegs in das überraschte Gesicht eines großen Mannes,
der in der rechten Hand eine Waffe hielt. Über seine linke Gesichtshälfte zog sich eine lange
schlecht verheilte Narbe, die aber zu großen Teilen unter einem dichten Vollbart verbarg.
Claudia schaltete zuerst und griff den Fremden an. Mit einem gelungenen Tritt in die
Magengegend schaltete sie ihn aus. Stöhnend ging er zu Boden. Die Waffe flog ihm aus der
Hand und schlitterte die Treppe hinunter, die rechts hinunter in den Keller führte. Von
draußen dröhnten die Sirenen der ankommenden Kollegen ins Haus. Während drinnen Braun
dem Vollbärtigen die Handschellen anlegte, ging Claudia die Treppe hinunter, um die Waffe
zu holen. Sie erschrak, als sich eine Hand von hinten auf ihren Mund legte und ihr eine
gezahnte Klinge an den Hals gehalten wurde. Eine dritte Hand schlug ihr in den Magen. Sie
fiel auf den Boden und wollte schreien, doch da fiel ihr ein, dass die Männer bewaffnet waren.
Eine Hand drückte auf ihre Pulsschlagader. Während sie der Dunkelheit entgegen fiel, dachte
sie noch: „Diese Schweine entführen mich.“ Die Männer packten sie, hoben die Waffe des
Festgenommenen auf und rannten so leise wie möglich zum weit offen stehenden
Hintereingang. Sie würden jetzt zu ihrem Auftraggeber gehen und ihm sagen, dass leider alles
schief gelaufen war. Aber sie hatten ja ein Faustpfand...
Es dauerte doch lange, ehe Braun begriff, was geschehen war. Mittlerweile war die
Spurensuche gekommen. Sie hatten auch die Leiche im Schlafzimmer Reinhardts gefunden.
Reinhardt selber hatte man aus seinem Badezimmer im Obergeschoss befreit. Zurzeit wurde
er befragt. Dass Claudia fehlte, fiel Braun erst auf, als er wieder zum Revier fahren wollte. Er
rief mehrfach auf ihrem Handy an, aber es war ausgeschaltet. So langsam fing er an, sich
109
Sorgen zu machen. Nachdem sie nach über einer Stunde immer noch nicht aufgetaucht war,
sich nicht gemeldet hatte und niemand sie gesehen hatte, fuhr Braun auf dem Weg zum
Revier bei Claudias Haus vorbei. „Am Eisenbrand“ hieß die Straße, in der sie wohnte. „Wenn
da keiner ist, muss ich eine Vermisstenanzeige machen.“ Er ging zur Tür und drückte auf das
Klingelschild mit dem Namen C. Jäger. Wiederholt drückte er auf den Knopf. Als sich immer
noch nichts tat, sprang er über das Tor und rannte zur Rückseite des Hauses. Ein Fenster war
eingeschlagen. Mit gezückter Waffe schaute er hinein. Als er sah, dass niemand da war,
sprang er hinein, wobei er sich an einer der hervorstehenden Scherben schnitt. Er fluchte und
drückte auf den etwa 5cm langen Schnitt. Kleine Blutstropfen quollen hervor und tropften auf
den Boden. Er beschloss, nicht mehr darauf zu achten. Vorsichtig blickte er sich um und ihm
bot sich ein schrecklicher Anblick. Alles war kaputt. Überall lagen Scherben und Papierfetzen.
Er zückte sein Handy und rief auf dem Revier an, um den Vorfall zu melden. Während er
telefonierte, ging er durch die Zimmer. Plötzlich stockte ihm der Atem. Da hing ein
blutverschmierter Zettel an die Korkpinnwand gepinnt. Wenn ihr eure Kollegin lebend
wiedersehen wollt, lasst unseren Komplizen frei. Setzt ihn in einen Wagen und schickt ihn
über die abgesperrte Flughafenbrücke. Morgen Mittag um 14.30. Danach wird eure Kollegin
auch über die Brücke kommen. Solltet ihr irgendwelche Tricks versuchen... Paff! Braun zog
sich seine Handschuhe an und nahm den Zettel und steckte ihn in eine Plastiktüte. Die würde
er ins Labor schicken. Sie sollen herausfinden, von wem das Blut ist. Mit viel Druck wüsste
er das wahrscheinlich schon heute Abend. Er beschloss, heute Überstunden zu machen.
Schließlich ging es hier um seine Kollegin. Nun durchsuchte er alle anderen Räume, fand aber
nichts. Enttäuscht wartete er noch auf das Eintreffen der Spurensuche und fuhr wieder auf das
Revier. „Habt ihr Claudias Handy orten können?“, fragte er seine Assistentin Frau Degerloch.
„Nein, nichts. Alles abgeschaltet. Wir scheinen es hier mit Profis zu tun zu haben.“ „Haben
sich die Entführer noch einmal gemeldet?“ „Nein, leider nicht. Aber gerade ist das hier
eingetroffen.“ Sie schob ihm eine Akte über den Tisch zu. „Ah vom Labor. Was? Das Blut ist
von Claudia. Sie wussten also, dass wir den Zettel untersuchen würden. Dass soll als Beweis
dienen, das sie Claudia wirklich haben. Und wir haben keinerlei Spuren oder Hinweise.
Oder?“ Frau Degerloch telefonierte gerade. Nachdem sie aufgelegt hatte, wandte sie sich
Braun zu. Das war die Spurensicherung. Sie haben im Garten von Reinhardt Fußspuren von
zwei Personen gefunden.“ „Gut, ich fahr sofort in die KTU.“ Dort angekommen, wurde Braun
bereits von einem großen, schlaksigen Mann erwartet. „Guten Morgen, Braun. Lange nicht
mehr gesehen. Also zu den Fußspuren. Es sind Abdrücke von zwei Personen. Die
Schuhsohlen gehören zu schweren Militärstiefeln der Marke Diam. Diam rüstet unsere
110
Bundeswehr mit Ausrüstung aus. Sie liefern neben Uniformen, Stiefeln und Mützen auch
Waffen. Allerdings nicht nur an die Bundeswehr. Es gibt Gerüchte, dass Diam auch die
Söldner im ehemaligen Jugoslawien mit schweren Waffen ausgerüstet hat. Also nicht nur
Handfeuerwaffen,
sondern
auch
mit
Flugzeugabwehrraketen
und
schweren
Maschinenpistolen. Es gab auch schon Versuche von Interpol und vom BKA dort Agenten
einzuschleusen. Diese wurden später aber immer als tot gemeldet. Offiziell rüstet Diam nur
die Bundeswehr aus. Doch wie es scheint, sind sie auch noch in andere Geschäfte
involviert.“ „Na, das klingt ja sehr vertrauenerweckend“, murmelte Braun vor sich hin. „Ach
so, bevor ich es vergesse. Unser Tote hat für Diam gearbeitet. Er hieß Boran Bokcic und war
früher als Offizier in der jugoslawischen Armee tätig. Er hatte einen Plan bei sich. Dieser Plan
gehört zu einer Lagerhalle. Und diese Lagerhalle ist ein Stellplatz von Diam.“ „Gut, dann
werde ich bei dieser Lagerhalle mal vorbeischauen.“ Er grüßte, ging hinaus und fuhr davon.
An der Lagerhalle angekommen, hielt er am Pförtnerhaus. Ein Wachmann fragte ihn
unfreundlich: „Was wollen Sie hier?“ „Mein Name ist Braun. Ich bin von der KriPo
Meerbusch-Büderich. Ich ermittle in einem Mordfall. Kennen Sie diesen Mann?“ Mit diesen
Worten zeigte er dem Wachmann ein Foto des Toten. „Ob ich den kenne? Na klar. Das ist
mein Schichtpartner, Boran Bokcic. Er ist nur heute nicht da, weil er krank ist. Was ist mit
Boran?“ „Das würde ich gerne mit ihrem Chef besprechen. Ist der da?“ „Nein, tut mir leid. Er
hat angeordnet, dass niemand heute das Gelände betreten darf.“ Wortlos drehte sich Braun um
und ging. Er hatte erreicht, was er wollte. Während der Wachmann sich das Foto angeguckt
hatte, hatte er eine winzige Wanze in die Ritze des Häuschens geschoben. In Gedanken
versunken fuhr er zurück zum Revier. „Was hat eigentlich die Befragung unseres Gefangenen
ergeben?“, fragte Braun Frau Degerloch. „Nichts. Der Typ spricht kein Deutsch. Klingt
irgendwie Kroatisch oder so. Und auf die Schnelle kriege ich keinen Übersetzer
her“ „Ehemaliges Jugoslawien, schätze ich.“ „Richtig. Sein Name ist laut seinem Ausweis
Zlatko Bokcic. Er ist der Bruder von unserem Toten. Er war damals im Krieg unter seinem
Bruder tätig.“ „Na, das ist mal interessant. Was ist mit Reinhardt? Was hat der mit der ganzen
Sache zu tun?“ „Reinhardt schweigt bisher. Wir haben aber rausgefunden, dass er bei seiner
Chemiefirma als Vorstandsvorsitzender entlassen wurde. Nur ist das bislang der
Öffentlichkeit noch nicht mitgeteilt worden. Er will jetzt bei Diam als Großaktionär
einsteigen. Das zumindest geht aus seinen Unterlagen hervor. “ „Sehr gute Arbeit.“ Braun
ging zu seinem Schreibtisch und startete den Computer. Er öffnete das Empfängerprogramm
der Wanze. Er beobachtete den Geräuschverlauf. Nur ein auffälliger Hügel direkt am Anfang.
Er klickte die entsprechende Sequenz an, setzte seine Kopfhörer auf und erstarrte. Nach nur
111
einer Minute griff er ganz aufgeregt zum Telefonhörer. Er stürzte mit der Jacke in der Hand
nach draußen und traf sich zehn Minuten später mit einem Mann. Dieser Mann war der Leiter
einer SEK-Einheit. Zwei Stunden später fuhren vier schwarze Mercedes E-Klassen an die
Lagerhalle heran. Mittlerweile war es später Abend. Sie würden in etwa 30 Minuten die Halle
stürmen und Reinhardt sowie einige Vertreter von Diam festnehmen. Bei ihnen würden sie
einige
Kisten
mit
Waffen
finden.
Aus
den
Wagen
stiegen
jetzt
etwa
zehn
Sondereinsatzkommandomitglieder. Sie bezogen Stellung um und auf der Halle. Jetzt gab
Braun per Funk das Zeichen. In der Halle zeigte sich ihnen die erwartete Lage. Reinhardt mit
einem Koffer voll Geld. Er wollte Rache an seiner Firma nehmen. Doch Diam interessierte
sich nur für das Geld. Sie waren nicht daran interessiert, ihre neu entwickelten
Sprengkapseln aus der Hand zu geben. Selbst nicht für die gebotenen 20 Millionen Euro. Mit
diesen Sprengkapseln wollte Reinhardt das wichtigste Labor seiner Firma in die Luft
sprengen. Überdies stellt sich bei einer Routineuntersuchung heraus, dass er an akuter
Schizophrenie leidet. Aus diesem Grund schickte Diam ein Team von vier Männern in
Reinhardts Haus Diese sollten das Geld holen. Reinhardt erwischte sie aber, und schoss auf
sie. Dabei wurde einer von ihnen getötet. Während Reinhardt überwältigt wurde und in der
Toilette eingeschlossen wurde, suchten die anderen beiden das Geld. Dabei wurden sie aber
von der Polizei überrascht und flohen. Claudia Jäger fand man in einem Raum bei Diam.
Außer einigen Prellungen ging es ihr gut.
Über den Wolken
von Florencia Egger
Endlich Ferien! Jakob Adamson hievte seine schwarze Tasche ins Gepäckfach und ließ sich
in seinen Sitz fallen. Die Stewardess fragte ihn nach seinen Wünschen, und das, bevor sie
überhaupt abgehoben hatten! Manchmal ist es eben doch von Vorteil, wenn der reiche Bruder
Schauspieler ist und einem ein Erste-Klasse-Flugzeugticket schenkt.
Adamson, der Kommissar, bestellte sich einen Kaffee, der Flug würde lang werden.
Frankfurt-Los Angeles sind eben 12 Stunden. Daran änderten auch der hoch komfortable Sitz
und die hübsche Stewardess nichts. Aber was tut man nicht alles für einen Traumurlaub in
Hollywood.
112
Er trank seinen Kaffee und einen zweiten, als sie schon hoch über den Wolken waren.
Adamson stand auf, er hätte am Flughafen noch einmal auf Toilette gehen sollen, die zwei
Kaffee waren jetzt doch zu viel!
Die Bordtoiletten befanden sich im Flur, zwischen der First- und der Economy Class. Alle
drei Kabinen waren besetzt. Ärgerlich starrte Adamson auf die hässlich graue Kabinentür.
Eine Fliege krabbelte einsam über die immer gleiche Fläche. Sie wanderte immer weiter nach
unten. Plötzlich bückte sich der Kommissar. Unter der Türritze floss eine Flüssigkeit hervor.
Eine rote Flüssigkeit. Blutrot.
Adamson rüttelte an der Tür. „Hallo!“, rief er erschrocken, „ist alles in Ordnung bei
Ihnen?“ Ein paar Passagiere drehten sich erstaunt nach ihm um, aber das kümmerte ihn nicht.
Eine blonde Stewardess, auf deren Namensschild „Michele“ stand, kam dazu. „Stimmt etwas
nicht?“ fragte sie unnötigerweise. „Da ist jemand verletzt! Sehen sie das Blut?“ Der
Kommissar zeigte auf die kleine Lache, die sich inzwischen gebildet hatte. Jetzt war auch sie
erschrocken. „Wer ist da drin? Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“ Als sie keine Antwort bekam,
holte sie den Universalschlüssel und schloss zögernd auf.
Der ganze Boden der Kabine war mit Blut beschmiert, an den Wänden befanden sich auch
einige Spritzer. Halb über das Waschbecken gebeugt lag ein Mann, seine Gelenke waren
seltsam verdreht und aus seinem Rücken ragte ein Messer. Die Wunde blutete noch.
Der war tot, das wusste Adamson sofort. Entweder war es Selbstmord oder jemand wollte ihn
loswerden, schlussfolgerte er. Ein Kommissar arbeitet eben auch im Urlaub. „Nicht
anfassen!“ wies er die Stewardess zurecht. „Die Leute von der Spurensuche müssen sich
darum kümmern, sobald wir gelandet sind! Ich bin Kommissar. Ich werde mich drum
kümmern. Lassen Sie den Tatort unverändert! Ich möchte zunächst mit ein paar Passagieren
reden und bitte benachrichtigen sie den Kapitän.“ Er ging zu einem Pärchen, das in der Nähe
der Toiletten saß: „Ist Ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“. Ihm blieb nicht viel Zeit.
Adamson fuhr sich durch die Haare. Wer hatte nur diesen Mann umgebracht? Er wusste
inzwischen, dass der Mann ein Politiker war und Siegener hieß, das hatte ihm ein alter Herr
erzählt. Vielleicht war das auch der Grund für den Mord: Jemand von der gegnerischen Partei
konnte in der Maschine sein. Aber wer? Er konnte doch nicht jeden nach seiner politischen
Meinung fragen!? Vielleicht war es ja der Mann, mit dem er eben geredet hatte?
Der Mann war ziemlich grobschlächtig und hatte eine Glatze. An seinem rechten Ohrläppchen
hing ein silberner Ohrring. Er stellte sich als Michael Kaffer vor.
113
„Also, Herr Kaffer-“, fing Adamson an. „Nennen sie mich ruhig Mike“, warf Kaffer
dazwischen. „Also gut, Mike“, machte er weiter, „Sie haben schon von der Leiche gehört?“
„Ja, wirklich schrecklich!“, die Ironie war nicht zu überhören. „Ha, ha, aber dieser Typ hat's
echt nicht besser verdient.“
„Wie meinen Sie das?“, hakte der Kommissar nach. „Du kannst mich ruhig duzen“, grinste
Kaffer.
Der war ja echt komisch drauf, dachte Adamson.
„Also, dieser Siegener, ne? Der Politiktyp, der hatte einen ziemlich schlechten Ruf. Die
meinten, der nimmt auch Drogen und so. Sie wissen schon, ne?“
„Wieso auch?“ fragte Adamson interessiert. „Na ja, es nehmen ja ziemlich viele Leute Drogen,
ne?“, druckste Kaffer, „Also, der hat wohl seine letzte Rechnung nicht bezahlt und so“.
„Nehmen Sie auch Drogen, Herr Kaffer?“, inzwischen war der Kommissar schon mehr als
alarmiert.
Dieser Mann musste etwas mit dem Mord zu tun haben, das war Adamson inzwischen klar.
Kaffer möchte den Toten nicht und hatte viel in der Drogen-Szene zu tun. Adamson konnte
sich leicht vorstellen, dass Kaffer Drogen verkaufte, auch an reiche Politiker, wie an den toten
Herrn Siegener. Vielleicht konnte Siegener nicht bezahlen und Kaffer hat ihn daraufhin
umgebracht?! Aber da blieb dieses „vielleicht“, er konnte einfach nichts nachweisen. Er
brauchte Beweise!
„Sagen sie aber nichts ihren Kollegen, ja? Ich wollte ja damit aufhören, aber das ist nicht so
einfach, ne?“ Kaffer durfte sich nichts anmerken lassen, er versuchte cool zu bleiben. Doch
der Kommissar hatte ihn längst durchschaut. Doch deshalb war er nicht hier. Er war nicht für
Drogen zuständig, er musste einen Mord aufklären. Er seufzte, nein er würde nichts sagen
über die Drogen, solange er bei den Ermittlungen kooperierte. Doch dessen war er sich nicht
so sicher. Er warf einen Blick auf seine neue Armbanduhr. Ihm blieben nur noch zehn
Stunden. Verdammt! Aber nein, er hatte ja unbedingt Kommissar sein wollen.
Ärgerlich wandte er sich wieder an Kaffer, der ihn mit Hundeblick anglotzte.
„Nein, ich werde nichts sagen, solange Sie aufhören, mich so anzusehen!“ „Natürlich...ähh,
vielen Dank!“
Adamson hatte sich in den Bereich, der eigentlich den Stewardessen gehörte, zurückgezogen.
Hier war es ruhig und er konnte ungestört nachdenken: Wer hatte den Politiker umgebracht?
Denn dass es nicht Selbstmord war, dessen war er sich sicher. Es hatte ein Messer aus
Siegeners Rücken geragt, und das hatte er sich auf keinen Fall selbst reingerammt.
114
Und Adamson hatte noch etwas bemerkt: Das Messer war aus der Maschine, wie hätte man es
sonst auch rein schmuggeln können? Doch wie konnte Kaffer an das Messer gelangen können?
Und sonst gab es ja keine Verdächtigen.
In dem Moment ging die Tür zum Cockpit auf und ein Mann um die dreißig kam heraus. Er
hatte gegelte Haare und einen Pulli mit V-Ausschnitt. Adamson fand ihn vom ersten Moment
an unsympathisch. Er warf dem Kommissar einen seltsamen Blick zu, wandte sich dann aber
an die Stewardess, die gerade an der Küchenzeile stand. Er konnte nicht verstehen, worüber
sie redeten, doch er hörte leises Gekicher. Nach einer Weile wandte sich die junge Frau
wieder ihrer Arbeit zu. Adamson ging auf den Mann zu. „Hallo“, begrüßte er ihn, „sind Sie
der Kapitän?“
„Nein, erst nächstes Jahr! Noch bin ich Co-Pilot“. Er grinste, „ich heiße Kurt Hanne, und wer
sind Sie?“
„Jakob Adamson. Ich bin Kommissar. Ich ermittle hier wegen der Leiche, die man in Ihrer
Maschine gefunden hat“. Ihm kam es vor, als wenn der Co-Pilot zusammenzuckte. Er
beobachtete ihn genauer: Seine Hände schwitzten und sein linkes Augenlid zuckte nervös.
Irgendwas an diesem Mann war seltsam.
„Na ja, ich muss wieder an die Arbeit“, Hanne verschwand in der Tür zum Cockpit, ehe der
Kommissar noch etwas erwidern konnte.
Adamson saß wieder auf seinem Sitz. In einer Stunde würden sie landen und er hatte den
Täter nicht fassen können. Wie peinlich! Er beobachtete die Passagiere um ihn herum. Einige
musterten ihn verstohlen.
Welcher Passagier konnte das Messer aus der Küche genommen haben? Und wer konnte sich
den Universalschlüssel besorgen? Da kam ihn ein Geistesblitz. Kaffer war unschuldig!
Jemand von der Crew musste Siegener umgebracht haben!
Er hatte vor einer Stunde mit einer Stewardess über Hanne geredet. Sie hatte erzählt, dass er
in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Hier schienen sich die Kollegen ziemlich nah und
vertraut zu sein.
Na, wenn das mal nicht ein gutes Motiv für ein Mord an einem berühmten Politiker war!
Schnell sprang er auf und lief zu den Piloten. „Herr Hanne“, rief er, „Wer hat Sie beauftragt,
Herrn Siegener zu töten?“ Hannes Hände rutschten vom Steuerrad und die Maschine sackte
nach unten. Im letzten Moment riss er das Steuer nach oben. Hinter sich hörte der Kommissar
einige Passagiere aufkeuchen. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden...“, weiter kam Kurt Hanne
nicht: „Lügen Sie mich nicht an!“, wütete der Kommissar, „Sie sind der einzige, der sich ein
115
Messer aus der Bordküche beschaffen konnte und der einzige, der mit einem
Universalschlüssel die Toiletten abschließen konnte. Theoretisch wäre der Tote bis zur
Landung nicht gefunden worden! Habe ich recht? Jetzt würde ich nur noch gerne erfahren,
wer Sie beauftragt hat!“ Kurt Hanne war erstarrt. Nicht einen Ton brachte er heraus.
„Stimmt das alles?“ Auch der Kapitän war wütend. „Habe ich die ganze Zeit mit einem
Mörder zusammengearbeitet?“ Jeder konnte sehen, dass sein Kollege rot wurde. „Na ja,
also...ich...“, stotterte er, „Ich...wollte doch...ich war das nicht...ich...ich kann alles erklären!“
Na also, es ging doch. Jetzt kamen wir zum entscheidenden Teil.
„Ja, ich habe den Politiker umgebracht. Aber ich hab das wegen des Geldes gemacht. Die
Opposition, die wollten ihn tot sehen. Es tut mir leid!“, Hanne klang verlegen. Adamson aber
war stolz. Mal wieder hatte er einen Fall erfolgreich gelöst. „Sie haben also dem Siegener das
Messer in den Rücken gerammt, in die Toilette geschubst und abgeschlossen! Zu blöd, dass
die Tür nicht bis zum Boden reicht und das Siegener so unglücklich gelandet ist, dass das Blut
unter der Türritze hervor laufen konnte!“ Adamson grinste.
Allerdings würden sie jetzt frühzeitig landen müssen, denn niemand wollte einen Mörder
länger als nötig an Bord haben.
Von seinem Chef erfuhr Adamson später per Telefon, das Hanne wohl lebenslänglich
bekommen würde.
Und er konnte endlich nach Los Angeles.
Endlich Ferien!
Zugeschneit
von Gözde Akman
Josis Augen waren voller Angst, als sie die Leiche ihres guten Freundes Ben sah. Man hatte
ihm seine Kehle aufgeschnitten und neben ihm lagen blutverschmierte Skier. Ihre beste
Freundin Nina hockte an der Leiche und schluchzte laut. Die beiden waren schon seit einem
Jahr zusammen. Aber jetzt war Ben tot. Matthias saß auf dem Boden und betrachte alles
fassungslos. Er konnte es einfach nicht glauben, dass sein langjähriger Freund tot war. Josi
guckte Nils und Meike an, die beide ausdruckslos nach draußen starrten. Rührte es sie denn
gar nicht, dass Ben tot war? Oder waren sie momentan zu verstört?
Es war Josis erster Urlaub, den sie ohne Eltern antreten durfte. Sie entschieden sich für einen
Ski-Urlaub in Österreich und hatten sich schon das ganze Jahr über darauf gefreut. Josi hatte
116
sehr lange gebraucht, um ihre strenge Mutter zu überreden, um mit 17 endlich ohne sie
wegfahren zu dürfen. Nach langen Auseinandersetzungen hatte ihre Mutter letztendlich
zugesagt. Doch jetzt wünschte sie sich, dass ihre Mutter stur geblieben und sie nicht hätte
fahren lassen.
„Hat irgendjemand schon die Polizei benachrichtigt?“, unterbrach Matthias, Josis Freund, ihre
Gedanken.
„Ich hab's versucht, aber die Leitungen sind tot. Nachts hat es einen heftigen Schneesturm
gegeben und jetzt können wir nicht einmal vor die Tür treten“, antwortete Nils. Komisch, dass
er dabei keine Miene verzog.
„Und was machen wir jetzt?“, schrie Nina hysterisch.
„Dann müssen wir wohl warten, bis sich das alles ein bisschen gelegt hat, oder zumindest die
Leitungen wieder funktionieren, sodass wir die Polizei erreichen können“. Matthias legte
tröstend einen Arm um Nina.
„Warte. Wenn es also einen schlimmen Schneesturm gegeben hat, dann kann niemand
reingekommen sein. Das heißt also...“, Josi traute sich nicht den Satz zu beenden.
„...dass der Mörder einer von uns ist“, vollendete Meike den Satz.
Josi war erschrocken, Meikes Stimme zu hören, weil sie die ganze Zeit über nichts gesagt
hatte und ihre Stimme sich so trocken und monoton anhörte.
„Was ?! Wieso sollte das einer von uns tun? Wir sind schon seit Jahren alle total gut
befreundet“. Nina weinte immer noch, klang aber dabei auch total wütend.
Josi ging zu ihr rüber und nahm sie tröstend in den Arm: „Ich kann es auch kaum fassen, aber
eine andere Erklärung gibt es leider nicht.“
„Könnt' ihr vielleicht die Leiche in einen anderen Raum tragen?“, Josi hatte sich an Matthias
und Nils gewendet.
„Nein, nicht wegtragen! Er soll hier, bei mir bleiben!“, schrie Nina.
Josi hielt sie fest, so dass Matthias und Nils die Leiche von Ben wegtragen konnten.
Sie setzte sich mit Nina auf die Couch. „Ich geh' hoch“, teilte Meike mit und ging auf die
Treppe, die zu den Schlafzimmern der kleinen Hütte führte, zu.
„NEIN!“, schrie Josi, „Niemand verlässt diesen Raum, bevor der Mord aufgeklärt wurde.“
„Spinnst du jetzt total?! Du denkst doch wohl nicht wirklich, dass ich Ben umgebracht habe.
Du hast doch nen' Knall!“
Josi sprang auf: „Ich will niemanden beschuldigen, aber Fakt ist, dass es jemand von uns war.
Und bis das wir nicht herausgefunden haben, oder der Täter die Tat zugegeben hat, geht
niemand irgendwo hin.“
117
„Ach, und von dir lass' ich mir was sagen?“
Auf einmal kamen Matthias und Nils rein.
„Was ist hier los?“, rief Nils in die Runde.
„Josi hat Spaß dran', Detektiv zu spielen und lässt mich nicht hoch!“, antwortete Meike
wütend.
„Tut mir leid Meike, aber da hat sie Recht.“
„Willst du mich verarschen? Bist du jetzt auch durchgeknallt, oder was?!“
„Irgendeiner war es von uns. Und wir sollten wirklich alle unten bleiben, bis wir wissen, wer
es war.“
Meike gab nach und setzte sich wieder auf die Couch. Doch ganz plötzlich stand sie wieder
auf und fing an zu schreien: „Man, wozu das Ganze? Es ist doch klar, wer Ben umgebracht
hat. Ich hab Nina und Ben nämlich gestern ganz heftig streiten hören.“
Ninas Augen leuchteten auf einmal auf und ihre Mimik änderte sich in einem Bruchteil von
Sekunden von Trauer zu Wut: „Was redest du da?! Ich würde Ben nie im Leben so etwas
antun. Ich habe ihn nämlich geliebt, und tue es auch immer noch!“
Josi stand auf und stellte sich zwischen die beiden: „Jetzt setzt euch erst mal hin und beruhigt
euch bitte, okay? Und Nina, erzähl du mal von diesem Streit, den Meike angesprochen hat.“
Meike und Nina gehorchten und setzten sich wieder. Nina fing leise an zu weinen: „Es stimmt,
wir haben uns gestritten. Er war eifersüchtig, weil er gesehen hat, dass ich Nils und ich kurz
weg waren. Dabei mussten wir nur was mit dem Vermieter der Hütte reden. Aber er ist total
ausgerastet und dachte, da wär' was zwischen uns. Obwohl er genau wusste, das Meike und
Nils zusammen sind. Wir haben uns dann gestritten und ich bin total ausgerastet, weil er mir
nicht vertraut hat. Ich habe ihm gesagt, dass er auf der Couch schlafen soll, und darauf ist er
wütend runtergegangen. Das wäre alles ganz bestimmt nicht passiert, hätte ich ihn nicht runter
geschickt.“
Nina weinte immer mehr, und konnte kaum noch atmen. Josi nahm sich den Notizblock, der
neben dem Telefon lag und machte sich ein paar Notizen:
„Verdächtige:
ina, Motiv: Streit mit Ben.“
Ihr fiel es schwer, ihre beste Freundin zu verdächtigen, aber ihr blieb nichts anderes übrig.
„Ihr dürft mich aber nicht verdächtigen. Er wurde nämlich unten umgebracht, im
Wohnzimmer.
Aber nachdem er gegangen ist, habe ich eine Schlaftablette genommen und bin sofort
eingeschlafen“, versuchte Nina verzweifelt zu erklären.
118
„Was, du nimmst Schlaftabletten?“, fragte Josi verwundert.
„Ja. Also, nein. Nicht oft. Ich hab sie immer nur genommen, wenn ich mich mit Ben gestritten
habe. Außerdem habe ich noch kurz vorm' Einschlafen gehört wie eine Tür aufgegangen ist.
Ich glaube, das war die Zimmertür von Meike und Nils.“
Meike sprang erneut auf und fing an zu schreien: „Ach was, jetzt beschuldigst du also einen
von uns? Du versuchst doch nur die Schuld auf uns zu schieben, damit du aus der Sache raus
bist!“
„Das war nicht meine Absicht, aber entweder du oder Nils ist runtergegangen“, schrie Nina
zurück.
Nils sprang auf die Aussage hin auch auf: „Sei doch leise, man. Du hast kein Recht uns zu
beschuldigen. Du bist außerdem nicht die Einzige, die unter Bens Tod leidet. Ich war auch mit
ihm befreundet.“
Matthias stellte sich zwischen die drei: „Jetzt kommt mal alle runter. Es bringt uns gar nichts,
uns gegenseitig zu beschuldigen.“
Sie setzten sich genervt hin, während Josi überlegte, wie sie herausfinden könnte, wer Ben
umgebracht hatte. Sie war sich sicher, dass Matthias ihr dabei helfen würde.
Sie holte ihren Notizblock raus und ergänzte die Verdächtigenliste:
„Verdächtige:
ina, Motiv: Streit mit Ben
ils, Motiv: unbekannt“
Und dann war da noch Meike, die es genauso gut hätte sein können.
Josi kam es eher unwahrscheinlich vor, dass ihre beste Freundin Nina Ben getötet hatte. Sie
kannte Nils noch nicht so lange, und entschloss erst sein Zimmer zu untersuchen. Wenn Nils
den Mord begangen hatte, musste er ja wohl so schlau gewesen sein und keine
Fingerabdrücke auf der Mordwaffe hinterlassen haben. Das hieß also, dass er einen
Handschuh, ein Tuch oder irgendwas desgleichen verwendet haben musste. Josi musste nur
den richtigen Zeitpunkt finden, um sich auf sein Zimmer zu schleichen und danach zu suchen.
Aber wie sollte sie das bloß anstellen, wo sie doch diejenige war, die gesagt hatte, dass
niemand rauf' darf, bevor der Mord geklärt wurde.
„Ich bin jetzt dafür, dass wir alle gemeinsam hoch gehen und gucken, ob Nina wirklich
Schlaftabletten verwendet hat“, unterbrach Meike Josis Gedanken.
„Ich glaub' es einfach nicht, dass du immer noch glaubst, dass ich meinen eigenen Freund
getötet habe“, schrie Nina.
„Irgendjemand muss es ja gewesen sein“, gab Meike zurück.
119
„Nina, es tut mir leid. Aber Meike hat Recht. Ich glaube dir, dass du es nicht gewesen bist,
aber um es den anderen zu beweisen, müssen wir jetzt wirklich rauf' gehen“, sagte Josi. Nina
nickte stumm und sie gingen alle gemeinsam in Ninas und Bens Zimmer.
Josi ging vor und öffnete die Schublade der kleinen Kommode. Sie wurde schnell fündig,
denn die Schlaftabletten lagen in der obersten Schublade. Genau wie Nina es gesagt hatte,
fehlte nur einen Tablette des 10er Streifens. Sie war erleichtert, auch wenn sie ihrer besten
Freundin die ganze Zeit über geglaubt hatte.
„Dann lasst' uns jetzt in das Zimmer von euch beiden“, sagte Nina zu Meike und Nils.
„Was, wieso?! Wir waren es nicht, ihr könnt' jetzt nicht einfach unser Zimmer durchsuchen“,
schrie Meike außer sich vor Wut.
Wieso rastete Meike bloß so aus? Wenn sie sich doch so sicher war, dass keiner von den
beiden den Mord begangen hatte, wieso hatte sie dann etwas dagegen, dass man ihr Zimmer
durchsuchte. Josi nahm erneut ihren Notizblock heraus und wollte gerade Meike drauf
schreiben, als sie gestört wurde.
„Was ist das?!“, fragte Nils.
„Gar nichts. Ich-ich-ich hab' mir nur was angeguckt“, stotterte Josi. Nils zuckte bloß die
Schultern und ging, was Josi sehr erleichterte.
Trotz Meikes Widersprüchen gingen sie in das gemeinsame Zimmer der beiden. Wieder sollte
Josi alles durchsuchen, was sie auch tat. Aber sie konnte einfach nicht fündig werden.
„Wenn du willst, kannst du noch eine weitere halbe Stunde suchen, aber ich sag dir, du wirst
nichts finden“, sagte Nils gelassen.
Josi ignorierte ihn und suchte noch 15 Minuten weiter. Aber sie fand nichts und konnte es
einfach nicht verstehen. Wenn es die beiden nicht waren, wer dann?! Nina war es auch nicht.
Jetzt würde man sie selbst oder Matthias verdächtigen. Dennoch gab sie ihre Suche auf. Wie
sauber gearbeitet wurde. „Oh, ich hab ganz vergessen in Meikes Kommode zu gucken“,
dachte Josi laut. Auf einmal sprang Meike sie von hinten an und zerrte sie von der Kommode
weg. Matthias und Nils versuchten Meike von Josi weg zu kriegen. Als die beiden das
geschafft hatten, drückte Nils Meike gegen die Wand, damit sie nichts mehr machen konnte
und Matthias versuchte die verschreckte Josi zu beruhigen. „Finger weg von der Kommode!“,
schrie Meike noch immer. „Was soll das, Meike?! Was ist in der Kommode, dass du so sehr
ausrastest?“, fragte Nils sie beunruhigt. Langsam fing er auch an zu glauben, dass seine
Freundin Ben getötet hatte und das Beweismaterial in der Kommode aufbewahrte.
„Dir ist schon klar, dass wir nach dieser Aktion da rein gucken MÜSSEN?!“, Josi weinte
immer noch. „NEIN! Nicht rein gucken“, Meike weinte. Man merkte, dass sie verzweifelt war.
120
Josi ignorierte Meikes Schreie und Wimmern einfach und ging auf die Kommode zu. Sie
öffnete sie und traute ihren Augen einfach nicht. Es war ein positiver Schwangerschaftstest.
Sie holte ihn raus und hielt ihn hoch, sodass ihn alle sehen konnten. Meike weinte noch mehr
und sank auf den Boden. Nils war sprachlos und nahm Meike in den Arm. In Ninas Augen
erkannte man Enttäuschung, weil sie dachte, den Mörder ihres Freundes endlich gefunden zu
haben. Aber das war leider nur eine falsche Fährte, auf die Josi sich selbst geführt hatte.
„Lasst uns bitte runter und ein wenig ausruhen. Ich kann nicht mehr“, sagte Josi erschöpft und
enttäuscht.
„Und danach wird auch euer Zimmer durchsucht“, rief Nils ihr hinterher, als sie schon die
Treppe runter' ging. Josi bekam einen Schreck. Jetzt wurden sie und Matthias auch
verdächtigt, was ja eigentlich berechtigt war. Aber bei dem Gedanken, dass ihre Freunde
dachten, dass sie Ben umgebracht haben könnte, lief es ihr eiskalt den Rücken runter. Sie
setzte sich auf die Couch und war total beunruhigt. Sie konnte den Gedanken einfach nicht
ertragen, dass unter ihnen ein Mörder war, und sich vielleicht sogar sein nächstes Opfer
suchte.
„Jetzt hast du dich aber genug ausgeruht. Wir sollten jetzt in euer Zimmer“, unterbrach Meike
Josis Gedanken. Sie war so tief in ihre Gedanken versunken gewesen, dass sie einen Schreck
bekam, als sie auf die Uhr guckte. Es war schon halb zwei in der Nacht.
„Okay, wir können von mir aus hoch“, sagte Josi ermüdet.
„Ich werde dann euer Zimmer durchsuchen“, sagte Meike. Sie hatte schnell wieder die
Fassung gefunden. Sie gingen erneut alle gemeinsam hoch. Meike bat Nina um Hilfe beim
Durchsuchen. Die beiden versuchten so gut wie möglich nichts durcheinander zu bringen.
„Oh mein Gott!“, schrie Nina. Josi bekam einen Schreck:
„Was ist los?!“
Nina holte langsam einen blutverschmierten Handschuh unter dem Bett von Matthias hervor.
Josi konnte es einfach nicht glauben. War sie wirklich so lange mit so einem kaltblütigen
Menschen zusammen gewesen, der es übers Herz brachte, seinen besten Freund zu töten?
Matthias' Augen leuchteten auf. Er drängelte sich durch die Menge und lief nach unten. Alle
liefen ihm hinterher. Außer Josi. Sie war wie versteinert und blieb stehen.
„Ich werde euch alle töten!“ Das war die Stimme von Matthias. Sie war verzerrt und klang
wütend und psychopathisch. Josi versuchte die Fassung nicht erneut zu verlieren und ging
langsam runter. Sie konnte es einfach nicht fassen:
Matthias hatte den Skier, mit dem er Ben umgebracht hatte, genommen, und drohte nun allen
anderen damit. Nina und Meike weinten, währen Nils versuchte ihn zu beruhigen. Doch
121
Matthias war wie ausgewechselt. In dem Moment konnte man ihm alles zutrauen. Josi rannte
mit leisen Schritten wieder hoch. Sie ging auf die Abstellkammertür zu, in der Brennholz
aufbewahrt wurde. Sie nahm sich ein großes und breites Stück Holz und ging damit erneut
runter. Als sie direkt hinter Matthias stand, fing sie an zu schwitzen. Nina, Meike und Nils
waren erleichtert als sie Josi sahen, versuchten aber, es Matthias nicht anmerken zu lassen.
Josi holte langsam aus und schlug mit der ganzen Kraft, die sie hatte, auf den Hinterkopf von
Matthias. Man hörte nur ein dumpfes Geräusch und er sackte zu Boden. Nils lief zu ihm und
zerrte ihn auf einen Stuhl: „Schnell, ich brauche einen Strick oder so was in der Art. So lange
er nicht bei Bewusstsein ist. Beeilt euch!“
Meike rannte hoch und holte ein Strick aus der Abstellkammer. Nils band ihn so fest wie er
konnte an den Stuhl, um mögliches Risiko zu vermeiden.
Nach zwei Stunden kam Matthias zu sich. Es war 6 Uhr früh.
„Ihr habt mich also bekommen.“
„Wieso hast du das getan?“, schrie Josi ihn an.
„Er wusste zu viel“, Matthias sprach monoton und ruhig.
„W-w-was wusste er denn?“, Josi stotterte vor Angst vor der Antwort.
„Ihr kennt doch noch das Mädchen, das in diesem Sommer vergewaltigt und umgebracht
wurde?“
„Ja?“, Josi stiegen schon die Tränen in die Augen, weil sie die Antwort hervorsehen konnte.
„Ben war der Einzige, der wusste, dass ich kurz etwas mit ihr hatte. Genau zu der Zeit als sie
umgebracht worden war. Ich weiß auch nicht wie er es geschafft hat, aber er hat
herausgefunden, dass ich sie vergewaltigt und getötet habe. Und dann hat er mir damit
gedroht
zur
Polizei
zu
gehen
und
auch
dir
alles
zu
erzählen.“
Josis Gesicht brannte vor Wut: „Du hast WAS getan?! Abgesehen davon, dass du etwas mit
einem anderen Mädchen hattest, als du mit mir zusammen warst, hast du sie auch noch
vergewaltigt und getötet. Und als wäre das nicht genug, hast du deinen besten Freund auch
noch umgebracht. Du bist so... Ach ich will dich nie wieder sehen. Ich hoffe du wirst für
immer eingesperrt.“
Josi setzte sich hin und fing laut an zu weinen. Meike versuchte Josi und Nina zu trösten,
denn auch sie war geschockt, dass jemand in der Lage sein kann, seinen besten Freund zu
töten. Nils stand nur an der Wand und guckte angewidert an Matthias runter.
Josi war sich sicher, dass sie Matthias nie wieder sehen wollte und war mehr als erleichtert,
als sie das laute Martinshorn der Polizei hörte.
122
Zwei Freundes Tod für Zwei Freundes Glück
von Markus Brenken
Ich schwitzte, es war ungemütlich warm in dem schwarzen Lieferwagen, in dem ich jetzt
schon seit fünf Minuten mit meinen Freunden Alex und Peter saß. „Ich geh jetzt Geld
holen“ verkündete Emily und trat mit tief in die Stirn gezogener Kapuze hinaus auf die Straße.
Ich guckte ihr lange hinterher, bis sie in der Bank gegenüber verschwand. Ich liebte sie über
alles und daher war mir unwohl, sie bei unserem Vorhaben mitmachen zu lassen, auch wenn
wir einen guten Hintergedanken hatten. Ihr Cousin war herzkrank und brauchte dringend ein
neues Herz. Doch das kostete – sehr viel. Wenn er es nicht bekäme, würde er sterben. Es war
krank, an das Geld zu denken, fanden wir. Deshalb hatte ich kein besonders schlechtes
Gewissen. Emily hatte ihrem 20-jährigen Cousin versprochen, das Geld zu besorgen und mein
langjähriger Freund Peter, Peters Freund Alex und ich wollten ihr helfen. Wenn noch Geld
übrig bleibt, wollten wir alle raus aus Amerika, nach Deutschland oder Australien vielleicht.
Es würde sich schon was finden.
Durch meinen Laptopbildschirm wurde ich abgelenkt. Durch die Mini-Kamera, die sie in
ihrer Brille trug, konnte ich alles genau über meinen Laptop erkennen, was in der Bank
vorging. Sie trat zum ersten Geldautomaten und schob eine Plastikkarte in den Schlitz. Wie
geplant ging sie zum ersten Schalter, wo hinter einer Panzerglasscheibe um diese Zeit der
einzige Angestellte saß und genüsslich sein Frühstück verspeiste. Ich hörte, wie sie mit ihrer
lieblichen Stimme den Sachverhalt schilderte: „Meine Kreditkarte funktioniert nicht. Könnten
Sie mir vielleicht kurz helfen?“ und auf den ersten Geldautomaten wies. „Ach gerne“,
erwiderte der Mann mit einer, wie ich fand, typisch schleimig-amerikanischen Art. Mühsam
hievte er sich aus seinem Stuhl hoch und schloss die Tür auf, um seinen sicheren Glaskasten
zu verlassen. In der Zwischenzeit waren zwei weitere Kunden hereingekommen, denen Emily
den Rücken zudrehte. Jetzt war der perfekte Zeitpunkt gekommen, da der Angestellte seinen
Panzerglaskasten verlassen hatte. „Jetzt geht es los!“, sagte ich mit einem vielsagenden
Grinsen. Ich schnappte mir mein Maschinengewehr und überprüfte noch einmal, ob ich meine
Pistole auch dabei hatte und ob beides auch geladen war. Peter, Alex und ich stülpten uns
einen Strumpf über den Kopf. Ich guckte noch einmal, ob kein Mensch auf der Straße war.
Dann riss ich die Autotür auf und wir rannten über die Straße zur Bank. In der Drehtür kam
uns ein kleiner Mann aus der Bank entgegen. Er schrie auf, doch da hatte Peter ihn mit seinem
Gewehrgriff schon niedergestreckt. Ich lief weiter in die Bank, während Peter und Alex den
Mann in die Bank schleiften. Drohend hob ich mein Gewehr und zielte abwechselnd auf den
123
Angestellten und auf die beiden Kunden. Keiner bewegte sich oder schrie; alle waren wie
versteinert, bis die Frau anfing zu schluchzen. Emily zog sich jetzt auch einen Strumpf über,
damit die hinzugekommenden Kunden sie nicht auch noch sehen konnten. „Bitte lassen Sie
uns doch...“ weiter kam die Frau nicht. „Schnauze!“ schrie Alex, der schnell die Nerven
verlor und drohend seine Pistole auf sie richtete. „Alex, alles ist o.k.!“, versuchte ich ihn zu
beruhigen. Nun, an den Angestellten gewandt, erwiderte ich sachlich, wenn auch gelogen:
„Geben Sie uns nur das Geld aus Ihrem Tresor und Ihnen allen wird nichts weiter
passieren.“ Es passte wenig zu meiner Aussage, dass in diesem Moment stöhnend und
jammernd der kleine Mann aufwachte. An seiner Stirn war eine große Platzwunde. „Aber…,
aber ich kann den Tresor erst um 20.00 Uhr öffnen. Falls ich ihn früher öffne, wird dies
automatisch als Alarm an die Polizei weitergeleitet.“ Er schluckte. „Wir machen es trotzdem“,
raunzte Emily den eigentlich zu bemitleidenden Bankier an. Zur Bekräftigung ihrer Ansage
hob sie ihre Pistole und hielt sie ihm an dem Kopf.
„Ja, ja, ist schon Ok.“ sagte der Bankier, der nun völlig in Schweiß gebadet war. „Alex, du
bleibst hier bei den Zweien. Der Rest kommt mit!“, befahl ich. Es führte eine Treppe nach
unten in den Tresorkeller. „Ab wann wird der Alarm ausgelöst?“ fragte Emily. „Sobald man
den ersten und den zweiten Schlüssel gemeinsam im Schloss umgedreht hat. Also dann, wenn
der Tresor offen ist.“ Er lachte gezwungen und schrill.
„Ah, Ok. Dann gib uns die Schlüssel!“ Zitternd händigte er mir die Schlüssel aus.
„Er hat das Gesicht von Emily gesehen. Knall ihn ab, Peter!“ sagte ich eiskalt und sah, wie
die Angst in dem Bankier hochstieg. „Aber, aber…“, stammelte er „Sie wollten mir doch
nichts tun?“ Ich drehte mich weg, um es nicht sehen zu müssen. Der Schuss knallte extrem
laut und ich zuckte zusammen. Der Schuss hallte noch lange in den Kellergängen nach. Mir
lief ein Schauer über den Rücken; ich schüttelte mich. „Der Plan ist eindeutig ausgeartet, aber
jetzt müssen wir ihn auch zu Ende bringen. Ja?“ Einstimmiges Brummen war die Antwort.
„So, wenn wir den Tresorraum aufschließen, muss alles schnell gehen. Jeder nimmt, was er
kriegen kann und dann raus auf die Straße zu unserem Auto. Ich fahre und ihr passt auf, dass
uns niemand folgt. Falls doch, sorgt dafür, dass er es nicht mehr tut. Ich steckte beide
Schlüssel ins Schloss. „Wir drehen gleichzeitig um. Ok? Los!“ Emily drehte den oberen und
ich den unteren Schlüssel um und… er ließ sich nicht umdrehen. Dann - mit lautem Getöse ging die Alarmanlage an. Jetzt wusste die Polizei Bescheid. Ich spürte, wie ich ins Schwitzen
kam. Hatte uns der Bankier ausgetrickst? Angewidert warf ich einen Blick zu seiner Leiche.
Dann endlich schaffte Peter es, sie mit Gewalt umzudrehen. Schnell öffneten wir unsere
Rucksäcke und liefen hinein. Doch in dem Tresorraum stand nur ein Tisch. Doch dann
124
entdeckte ich, dass die Wand nur aus Schubladen bestand. „Wir müssen uns beeilen!“ rief ich.
Wir öffneten Schublade um Schublade, doch wir fanden nichts. Erst ab Nummer 100 wurden
wir reihenweise fündig. Ich öffnete eine Schublade mit gebündelten 100-Dollarscheinen, ich
konnte mich fast nicht vom Anblick losreißen. Doch dann schmiss ich sie in meinen
Rucksack und öffnete das nächste Fach: Irgendwelcher Schmuck. Rein in den Rucksack und
immer weiter so. Plötzlich hörten wir Alex: „Die Bullen kommen. Weg hier!“ Geschockt griff
ich zu meinem Gewehr, schulterte meinen Rucksack und rannte in den ersten Stock. Wir
sahen zehn Polizisten ahnungslos, was sie erwartet, auf die Bank zu rennen. „Hinter den
Tresen!“ befahl ich und wir stürmten los. Wir legten unsere Gewehre an. Wir eröffneten das
Feuer. Zwei Polizisten stürzten ohne einen Laut zu Boden. Geschockt liefen die übrigen
Polizisten zurück, um hinter ihren Wagen in Deckung zu gehen. Alle außer einem; er blieb
kurzzeitig stehen, bis eine Kugel ihn in die Schulter traf. Schreiend sackte er zusammen.
Dann, in sicherer Position angelangt, eröffneten die Polizisten ebenfalls das Feuer und wir
mussten uns hinter den Tresen ducken. Peter deutete auf ein von den Polizisten nicht
einzusehendes Fenster an der Seite des Gebäudes: „Los, raus da!“ Wir rannten los, Emily als
Erste und Peter als Letzter. Eine Pistolensalve setzte ein. Wir schlüpften nacheinander durch
das Fenster, zuletzt noch Peter. Ich reichte meinem Freund die Hand, um ihm zu helfen, da
erschlaffte sein Griff. Ein Blutfleck breitete sich auf seiner Brust aus und sein Blick wurde
glasig. Dann kippte er nach hinten und schlug hart auf den Boden auf. Sein Rucksack öffnete
sich und Geld und Schmuck breitete sich auf dem Boden aus. Ich musste mich übergeben.
Dann wurde ich von Alex grob zurückgerissen: „Schnell! Die Polizei stürmt ins
Gebäude!“ Ich blieb allerdings stehen. „Rennt zum Auto.“ Blind vor Wut nahm ich mein
Gewehr und schoss ziellos auf die heraneilenden Polizisten. Einen traf ich ins Bein und einen
in den Arm. Dann rannte ich weg. Zum Auto. Mit gestartetem Motor wartete Emily am Steuer
auf mich. Ich stieg ein und sie beschleunigte mit quietschenden Reifen. Erschöpft ließ ich
mich auf einem Sitz nieder und schloss für kurze Zeit die Augen. Wir hatten riesige Beute
gemacht, doch der Verlust von Peter schmerzte sehr und ließ Wut in mir aufkommen. Ich
schreckte aus meinen Gedanken hoch, als Emily mich anstieß. „Hey, schnell, nimm deine
Pistole, die Bullen sind hinter uns her.“ Ich schaute aus dem Rückfenster des Transporters und
sah, dass zwei Polizeiwagen die Verfolgung auf der Autobahn aufgenommen hatten. Schnell
schnappte ich mir eine Pistole und stellte mich neben Alex; doch da schoss schon der erste
Polizist. Eine Kugel durchschlug das Rückfenster. Ich schmiss mich auf den Boden in die
Deckung der Flügeltüren. Ein weiterer Schuss krachte und traf das Scharnier. Die Tür sprang
einen Spalt auf. Ich fasste mir ein Herz schnellte aus meiner gehockten Position auf, verließ
125
damit die Deckung und feuerte zurück. Die erste Kugel zerschlug die Frontscheibe des ersten
Wagens. Schnell ging ich wieder in Deckung. Nun schnellte Alex hoch und feuerte einen
gezielten Schuss auf den Reifen des ersten Wagens. Der Reifen zischte, dann zerplatze er mit
einem lauten Knall. Der Wagen schleuderte, drehte sich riss den zweiten Polizeiwagen fast
mit, überschlug sich einmal und landete zischend und rauchend im Graben. Alex jubelte.
Doch schon bald schossen die Polizisten des zweiten Wagens. Direkt der erste Schuss traf,
sprengte das zweite Scharnier weg und die Flügeltür fiel krachend auf die Autobahn. Jetzt
hatten wir keine Deckung mehr und der nächste Schuss traf mich am linken Arm. Ein heißer
Schmerz durchzuckte mich, ich fiel auf die Knie. Alex schoss zurück und die Frontscheibe
zersplitterte. Ich raffte mich auf und ignorierte den Schmerz. Meine Fingerknöchel waren
weiß, so fest hielt ich die Pistole vor Anspannung. Ich zielte einmal auf den Beifahrer und
drückte ab. Nichts geschah, mein Magazin war leer. Innerhalb von Sekunden lud ich nach. Ich
hob die Waffe und ein Schuss knallte. Alex schleuderte herum, torkelte und fiel…. Ich sprang
zu ihm und versuchte, ihn festzuhalten. Ich erwischte nur noch seinen Schal. Den Schal hatte
ich fest in der Hand, doch er hatte sich von seinem Hals gelöst. Alex fiel auf die Straße,
überschlug sich und landete neben der Leitplanke, wo er regungslos liegen blieb. Der Beamte
hob seine Pistole und zielte durch die zersplitterte Windschutzscheibe auf mich, sein Finger
krümmte sich und Emily trat stark auf die Bremse um einem Auto auszuweichen. Ich wurde
nach vorne geschleudert und der Schuss krachte in die Decke des Lieferwagens. Der
Lieferwagen wurde erschüttert als der Polizeiwagen uns ins Heck fuhr. Ich rappelte mich auf.
Da hörte ich einen Schuss. Emily hatte den Beifahrer der Polizei erschossen. Sein Kopf
knickte zur Seite weg und er saß da neben seinem Kollegen, als wäre nichts passiert. Ich hörte
einen weiteren Schuss, doch Emily traf nicht noch einmal. Jetzt bremste der Polizist – er
wollte nicht auch noch sterben -, doch ich hatte schon zur Waffe gegriffen zielte, zögerte aber.
Warum sollte ich ihn umbringen, wenn er uns nicht verfolgte. Ich steckte die Waffe wieder
ein und ließ mich auf den Beifahrersitz neben Emily fallen. Ein beißender Schmerz durchfuhr
meinen Arm. Ich küsste Emily auf die Stirn und hauchte: „Ich kann nicht mehr. Fahr die
nächste Ausfahrt raus, bevor noch andere Polizisten hier ankommen. Sie fuhr ab und hielt
kurz nach der Ausfahrt. „Schnapp dir deinen Rucksack und dann ab, weg hier. Wir müssen
uns irgendwo verstecken. Das Geld für meinen Cousin schicke ich ihm per Post zu. Doch ich
muss mich beeilen, da die Ärzte ihm nur noch drei Tage geben. Dann wäre es zu spät.“ „Wir
schaffen das.“ erwiderte ich aufmunternd. „Halt! Stehen bleiben! Polizei.“ Mich durchfuhr
der Schreck. Wir rannten los, um unser Leben und das des Cousins.
126
Rot-Kariert
von Laura Müller
„Schatz, kommst du?“ Ich wartete schon ungeduldig an meinem roten Chevy, den ich mir erst
vor ein paar Wochen gekauft hatte. Dieses Wochenende wollten mein Freund Ethan und ich
ein Campingwochenende am White River in Arizona verbringen. „Claire, einen Moment, ich
suche immer noch das Zelt. Hattest du nicht gesagt, es wäre im Schlafzimmer auf dem
Kleiderschrank?“ „Eigentlich schon, soll ich mal gucken?“ Ich überlegte gerade, ob ich es
nicht doch schon in den Flur gelegt hatte, damit wir es direkt ins Auto räumen konnten, als er
plötzlich auf die Sonnenterasse trat. Er hatte braune Haare und trug ein rot-kariertes
Holzfällerhemd, eine blaue Jeanshose und ein paar alte braune Wanderschuhe. Er lächelte
mich schief an, hielt das Zelt, das er in seiner rechten Hand hatte, hoch und sagte: „Ich hab´s
gefunden, es lag im Flur.“ Ich musste grinsen, er suchte schon eine geschlagene Stunde nach
dem Ding und dann lag es doch wirklich im Flur. „Entschuldige, ich war mir nicht mehr
sicher.“ Er ging an mir vorbei und lud das Zelt auf die schon überfüllte Ladefläche. Danach
sagte er zu mir gewandt: „Kein Problem. So, dann haben wir alles, es kann los gehen.“ Ich
zögerte und ging im Kopf noch einmal durch, ob wir auch wirklich alles hatten. Ethan stieg
schon ins Auto ein und machte das Radio an: „An diesem Wochenende wird es bis zu 25°C
warm. Sie sollten sich beeilen, falls sie vorhaben, an dem wunderschönen White River ein
Campingwochenende zu verbringen, denn Sie werden nicht die einzigen sein, die diese Idee
haben…. Eine kurze Unterbrechung für eine wichtige Durchsage: der mehrfache
Frauenmörder Marc Johnson wurde vor zwei Tagen in einem Wald nahe des White Ri …
Mehr bekam ich nicht mit, denn mein Freund Ethan, den ich vor einer Woche kennengelernt
hatte, drehte das Radio leiser und ich vernahm nur noch ein Rauschen. Ich stieg auch in das
Auto, die Tür schlug zu und Ethan lenkte das Auto die Auffahrt herunter in Richtung White
River.
Durch das Funkgerät vernahm Detektiv Brown die Stimme seines Kollegen: „Hier Coleman,
können Sie mich hören, Detektiv Brown?“ „Ja Coleman, ich verstehe Sie, haben Sie etwas
gefunden?“ „Ja, das haben wir, aber das müssen Sie sich selber anschauen.“ „Ja, Ok, ich
mache mich auf den Weg. Bis gleich.“ „Bis gleich. Und beeilen Sie sich bitte.“
Steve Brown arbeitete schon seit 25 Jahren als einer der besten Detektive des Bundesstaats
Arizona. Mit seiner Frau Elli hatte er zwei Kinder. Jane, die 20 Jahre alt war, und vor einem
Monat nach Los Angeles umgezogen war und Anthony, mit dem sie vor zwei Wochen seinen
127
11. Geburtstag gefeiert hatten. Die drei lebten in einem kleinen Haus am Rande von Phoenix,
nicht weit entfernt vom White River. Detektiv Brown stieg in seinen Polizeiwagen und fuhr
los in Richtung des Waldes vom White River.
Als er ankam, sah er sofort Detektiv Coleman, der auf ihn wartete. Er stieg aus und ging auf
ihn zu. Coleman war sein Partner und das nun schon seit 15 Jahren. „Da bist du ja
endlich!“ begrüßte ihn Michael Coleman. „Ich hab mich beeilt, Michael. Also. Was ist hier
los?“ „Wir wurden von einem Camper gerufen, der unten am See Wasser holen wollte und
dabei auf ein blutverschmiertes Auto gestoßen ist. Er hat uns direkt informiert. Er sei hier
alleine unterwegs gewesen.“ „Wo ist er?“ „Er ist dort vorne an meinem Auto und wartet
darauf vernommen zu werden.“ „Ok, das werde ich übernehmen, aber könntest du mir vorher
noch den Tatort zeigen?“ „Ja klar, komm mit.“ Detektiv Coleman führte ihn ein Stückchen
weiter in den Wald. Als sie unten am See angekommen waren, sah Brown schon das Auto. Es
war ein Chevy. Ein roter Chevy. Noch relativ neu – soweit er das beurteilen konnte. Als sie
näher herangingen, fielen ihm direkt die vielen Blutflecken auf dem Waldboden auf. „Da hat
sich aber jemand ausgetobt“, witzelte Brown. „Habt ihr schon nachgeguckt, wem das Auto
gehört.“ „Ja, haben wir, es gehört einer gewissen Claire Johnson.“ Detektiv Brown dachte er
hätte sich verhört, deswegen fragte er: „WEM?! Claire Johnson??“ „Ja, warum regst du dich
denn so auf, Steve? “ „Weil sie….“ Weiter kam er nicht, denn eine andere Kollegin
unterbrach ihn: „Entschuldigen Sie, Mr. Coleman, aber der Zeuge, der in Ihrem Auto sitzt, hat
eine Frage an Sie. Könnten Sie vielleicht mitkommen?“ „Ja, ich komme sofort. Steve,
entschuldige mich, ich komme wieder. Erzähl mir gleich, was mit Claire Johnson ist,
Ok?“ Ohne eine Antwort abzuwarten ging er in Richtung Auto und ließ Detektiv Brown
alleine. Es wurde bis jetzt noch keine Leiche gefunden. Das war merkwürdig, denn eigentlich
sollte sie laut den Blutflecken vor dem Auto liegen. Er ging näher an das Fahrzeug ran und
lehnte sich dabei an den nahe stehenden Baum. Doch plötzlich merkte er wie etwas an seinem
linken Arm herunter lief. Er schaute auf seinen Arm und sah eine rote Flüssigkeit. Blut. Da
sah er, dass sich der Baum, an den er sich gelehnt hatte, mit einem blutroten Smiley
„geschmückt“ war. Er erschrak, denn das hatte er in seinen ganzen 25 Jahren als Detektiv
noch nie gesehen. Da erinnerte er sich wieder, was er vorhin Detektiv Coleman sagen wollte
´Claire Johnson war die Ex-Frau von Marc Johnson, dem Frauenmörder, der vor 2 Wochen
gefasst worden ist. Bestimmt hat er etwas mit ihrem Verschwinden zu tun. ´
Am nächsten Tag fuhren Coleman und Brown zu dem Haus der Verschwundenen Claire
Johnson. Als sie klingelten, machte ihnen ein Mann mit braunen zerzausten Haaren auf.
„Guten Tag, ich bin Detektiv Brown und dies ist mein Partner Detektiv Coleman. Können wir
128
reinkommen?“ Ohne auf die Antwort zu warten, betraten die beiden Polizisten das Haus.
„Wer sind Sie?“ fragte Detektiv Coleman. „Ich bin Ethan Ferman, der Freund von Claire,
aber was machen Sie hier, ist ihr was passiert?“ „Ja, wir würden gerne mal mit Ihnen
reden.“ Die drei gingen in das Wohnzimmer. „Also, wir ermitteln sei zwei Tage gegen den
Ex-Mann Ihrer Freundin. Wissen Sie, wer er ist?“ „Ja, ähh, nein, weiß ich nicht, was ist denn
mit ihm?“ Ethan Ferman wirkte nervös und wurde rot, dies fiel auch Detektiv Brown auf. „Er
ist ein mehrfacher Frauenmörder. Wir haben die Vermutung, dass er etwas mit dem
Verschwinden von Claire Johnson zu tun haben könnte.“ „Aber Claire hat erst gestern Abend
das Haus verlassen.“ „Das kann nicht…“ Brown unterbrach Coleman schnell und fragte
stattdessen: „Warum hat sie gestern Abend das Haus verlassen? Wissen Sie, wo sie hin
wollte?“ „Ähm nein, also ich weiß nicht, wo sie hin wollten.“ „Ist Ihnen denn nicht
aufgefallen, dass sie nicht wiedergekommen ist?“ „Doch, natürlich ist mir das aufgefallen,
aber ich dachte, sie wäre bei ihrer Freundin. Sie wohnt nur vier Häuser weiter und sie war in
der Vergangenheit schon häufiger über Nacht da.“ Brown hatte eine Vermutung, doch er
wollte erst recherchieren. „Ok, ich denke, das reicht erst einmal. Vielen Dank für Ihre
Auskunft.“
Die beiden Detektivs verließen das Haus und fuhren auf das Revier.“ Ich werde mal
nachschauen, ob mit diesem Ferman alles in Ordnung ist.“ „Ok, mach das, ich fahre schon
mal nach Hause. Bis Morgen.“ „Bis Morgen und grüß deine Frau von mir.“ Detektiv Brown
setzte sich an seinen Computer und suchte nach der Akte von Ethan Ferman. Tatsächlich
wurde er fündig, denn so sauber wie er sagte war dieser Ethan nicht: Versuchter Totschlag
wegen Eifersucht. Da hatte Brown wieder einmal ins Schwarze getroffen.
Am nächsten Tag fuhren Brown und Coleman wieder zu dem Haus in dem Ethan Ferman
wohnte. Sie klingelten und kurz darauf öffnete Herr Ferman die Tür. „Was wollen Sie
eigentlich von mir? Ich habe Ihnen schon alles erzählt was ich weiß, finden Sie lieber mal
meine Freundin!“ „Würden Sie uns bitte etwas über den Ehemann ihrer Freundin
erzählen?“ „Da gibt es nichts zu erzählen!! Außerdem ist er nicht mehr ihr Mann, sondern ihr
Ex-Mann!“ „Kann es sein, dass sie eifersüchtig auf den Ex-Mann ihrer Freundin
sind?“ „WAS?! Warum bitte, sollte ich denn eifersüchtig auf diesen Spinner sein?? Sie hatte
nichts mehr mit ihm zu tun und fertig“ „Ich denke, wir nehmen Sie jetzt mit auf die
Wache.“ „WAS?! Warum denn, ich habe doch nicht getan!“ „Ich denke schon. Sie sollten
sich das nächste Mal überlegen, was Sie sagen, denn wir haben gestern Mittag das Auto,
nebenbei ein roter Chevy, von ihrer Freundin gefunden. Das heißt Sie kann gestern nicht hier
gewesen sein, außerdem sollten Sie eigentlich wissen, dass wir eine Akte über Sie führen und
129
von dem versuchten Totschlag erfahren haben!“ Colemans Funkgerät machte sich bemerkbar:
´Coleman, hier Savor, wir haben die Leiche gefunden, sie lag in einem Graben 500 Meter
vom Tatort entfernt. Sie weist Spuren von Gewalt auf, wahrscheinlich ein Streit zwischen
ihrem Freund und ihr. Außerdem konnte man rot-karierte Stofffetzen an ihrem Oberkörper
finden. Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen.´ „Ja, danke, Sie konnten mir helfen“ „Bringst du
ihn bitte schon mal auf die Wache?“ „Ja klar, mache ich, Brown, beeil dich bitte“ „Ja, ich
gucke mich nur noch ein bisschen hier um.“ Detektiv Coleman führte Ethan Ferman in
Handschellen ab.
Detektiv Brown sah sich um. Er ging ins Schlafzimmer und fand dort einen geöffneten Brief
vor dem Bett liegen. Dort stand:
Lieber Ethan,
es tut mir leid, aber ich werde mich von dir trennen müssen. Ich habe mich für Marc
entschieden, auch wenn er schreckliche Dinge getan hat. Es tut mir leid.
In Liebe
Claire
Das war also sein Motiv für den Mord gewesen. Eifersucht und Hass. Er hatte es geahnt, ein
Streit zwischen ihm und Claire, weil sie zurück zu ihrem Mann wollte, den sie mehr liebte als
Ethan. Er ging noch durch die restlichen Räume des Hauses. Als er an der Küche vorbeiging,
sah er aus dem Augenwinkel etwas Rotes aus dem Mülleimer hängen. Er machte ihn auf und
zusammen geknüllt lag dort ein blutbeflecktes rot-kariertes Hemd.
130
Spiel des Todes
von Ezgi Yilmaz
Es war ein Samstagnachmittag. Wie an jedem anderen Tag schien die Sonne hoch am
Himmel, als sich Matthew schon auf die heutige Nacht vorbereitete. Die Menschen genossen
die letzten Sommertage und der Central Park war überfüllt. Matthew war bereit. Er war bereit,
sich ein zweites Mal zu rächen.
Fest entschlossen packte er seine Sachen für seine Tat. Er schaute sich ein letztes Mal die
Notizen über den sechsjährigen Ben an und brach auf. So leise wie möglich verließ er sein
Auto und näherte sich auf Zehenspitzen dem Haus. Mit einem leichten Schub öffnete
Matthew das Fenster und stieg herein. Wie vorhergesehen schlief Ben tief und fest in seinem
Hochbett. Matthew zog sich die Handschuhe an, nahm das Kissen aus seinem Rucksack und
drückte es fest auf Bens Gesicht. Als der Junge aufwachte, versuchte er sich vergeblich zu
wehren. Es dauerte nur wenige Minuten bis sein Herz aufhörte zu schlagen. Eine Schachfigur
samt einem Zettel wurde Ben zwischen die Zähne geklemmt und so verschwand der Täter in
die finstere Nacht.
Schon immer war Matthew ein Einzelgänger. Er übersprang zwei Klassen und machte sein
Abitur schon mit sechzehn Jahren. Durch seine Intelligenz fiel es ihm schwer Kontakte zu
knüpfen und diese zu halten. Schon in der Grundschule wurde er gemobbt und von allen
anderen ausgeschlossen. Matthews Mutter Hannah, seine einzige Bezugsperson, stand trotz
allem hinter ihrem Sohn und unterstützte ihn, wo sie nur konnte. Vor allem auf
Schachturnieren gab sie ihm seelischen Beistand und somit gelang es ihm mit dreizehn Jahren
Schachweltmeister zu werden. Zu seinem Vater stand er seit dem zehnten Lebensjahr nicht
mehr in Kontakt, da er die Familie verlassen hat. Doch nicht nur das hatte Matthew zu
verarbeiten: Sein Vater war alkoholabhängig und schlug die beiden regelmäßig. In dieser Zeit
zog sich der verängstigte Junge mehr und mehr zurück. Er baute eine Mauer um sich auf, um
nicht weiter verletzt zu werden. Hannah vereinbarte eine regelmäßige Therapiestunde bei
einer erfolgreichen Psychologin, was am Anfang auch Wirkung zeigte. Doch vor einem Jahr
verlor er das letzte, was er noch hatte. Seine Mutter verunglückte tödlich bei einem
Autounfall, als sie ihn von der Therapie abholen wollte. Von dem Tag an isolierte sich
Matthew komplett von der Außenwelt. Die Therapiesitzungen besuchte er kein einziges Mal
mehr.
Sein dritter Mord erfolgte genau eine Woche später.
131
Wo bleibst du nur? Du wirst noch bereuen, mein Leben zerstört zu haben! Ich kann es nicht
mehr erwarten dich qualvoll sterben zu sehen.
Nach kurzem Warten sah er die Lichter ihres roten Golfs in der Dunkelheit erscheinen.
Matthew stieg aus seinem Auto und lief ihr um Hilfe schreiend mitten auf der Straße entgegen.
Wie erwartet hielt sie an und ließ ihn einsteigen. Direkt zog er seine Waffe aus der Tasche,
richtete sie auf ihre Stirn und schrie „Du fährst jetzt genau dort hin, wo ich es dir sage.
Ansonsten ist dein Leben schneller vorbei als du dir denken kannst!“. Sie folgte seinen
Anweisungen und fuhr in ein abgelegenes Waldstück. Beide stiegen aus dem Wagen und
Matthew ließ den Blick nicht von ihr. Mehrmals versuchte sie um Hilfe zu schreien, doch
ohne Erfolg. Er kettete sie mit einem Seil an einem Baum fest und legte die Pistole vorerst
weg. „Wären Sie nicht gewesen, würde meine Mutter heute noch leben. Anstatt mir zu helfen,
haben Sie mein Leben ruiniert. Und genau das werde ich jetzt mit Ihnen machen! Es muss
Gerechtigkeit herrschen auf dieser Welt. Sie hatten die Chance mir zu helfen, doch haben sie
nicht genutzt. Und genau das wird Sie jetzt Ihr Leben kosten.“ schrie Matthew hasserfüllt in
die Weite des Waldes. Noch bevor die Psychologin ihm antworten konnte, drückte er ab und
traf sie mitten im Herz. Doch das reichte ihm nicht. Er schoss gnadenlos auf sie ein, steckte
ihr die Schachfigur in den Rachen und verließ das Waldstück.
Der dritte Mord innerhalb eines Monats. Es muss einen Zusammenhang geben, dachte sich
Andrew Thomsen, Leiter des größten Detektivteams New Yorks. Mr. Thomsen war sehr
interessiert an den mysteriösen Morden und schaffte es, den Fall an sich zu ziehen. Er
sammelte jegliche Informationen über die Opfer und versuchte somit den Täter etwas genauer
beschreiben zu können. Ein Motiv der Morde war die Schachfigur, die in jedem Opfer
gefunden wurde. Weiterhin stellte sich heraus, dass sich in den Figuren jeweils ein Zettel mit
einem Wort befand. Bisher ergab sich daraus „Rache ist der.“. Doch darauf konnten sich die
Ermittler keinen Reim machen. Wonach sucht der Täter seine Opfer aus? Stehen sie in einem
Zusammenhang oder ist es nur Zufall? Was haben die Schachfiguren zu bedeuten? Es muss
doch Spuren geben!
An dem nächsten Samstag warteten sie gespannt darauf, ob der Täter wieder zuschlagen wird.
Das vierte Opfer war die dreijährige Anne-Sophie. Seit Monaten hatte Matthew sie und ihre
Eltern beobachtet. Er hat einen präzisen Plan aufgestellt, wie er diesmal vorgehen würde. Die
Eltern des kleinen Mädchens gingen fast jedes Wochenende aus, was Matthew zu seinem
Vorteil nutzte. In dieser Zeit kam eine sechzehnjährige Babysitterin, die gegen Mitternacht
von den Eltern wieder nach Hause gefahren wurde.
132
Dieses Mal ist besondere Vorsicht geboten. Mary darf mich nicht hören und misstrauisch
werden. Die Ermittler werden bei diesem Mord genauer suchen müssen, um die Schachfigur
zu finden.
Erneut kroch er durchs Fenster, stellte das Babyfon ab und näherte sich behutsam dem Kind.
Er zog das Messer aus deinem Mantel, wodurch Anne-Sophie aufwachte. Mit ihren riesigen,
tiefblauen Augen sah sie dem unbekannten Mann verängstigt ins Gesicht. Dies war die letzte
Sekunde ihres Lebens. Matthew schnitt ihr mit einem Zug die Pulsadern auf. un kann ich
mein Werk ungestört vollbringen. Anne-Sophies Bauch wurde mit mehreren Stichen
aufgerissen. Vorsichtig legte er die Schachfigur mit dem Wort „Strohhalm“ in ihren Magen
und nähte die riesige Wunde grob zu. Gerade als er sein Werkzeug wieder einstecken wollte,
hörte er Schritte von unten. Mary schien über die Treppe hochzukommen. Scheiße, Mary
muss mich gehört haben. Ich muss hier weg. Sofort.
Mr. Thomson war erschrockener als jemals zuvor.
Stundenlang war die Rechtsmedizin damit beschäftigt, bis sie die Schachfigur in dem Bauch
der kleinen Anne-Sophie zu finden. Der Täter scheint von Mord zu Mord brutaler vorzugehen.
Er scheint uns provozieren zu wollen. Er spielt mit uns. Wieso gerade dieses so hübsche,
junge Mädchen? An wen richtet sich der Mörder? An die Welt? An die Eltern? Es ergibt alles
keinen Sinn. Die Suche geht weiter...
Tagelang fuhr Matthew erfolglos durch ganz New York. Auf der Suche nach seinem letzten
Opfer. Er hatte keine Anhaltspunkte, wo sein nächstes Opfer sein könnte. Nur noch die Wut
und der Wille ihn zu töten brachte ihn weiter. Ich muss ihn finden, ich muss ihn dafür
bestrafen, was er uns angetan hat. ie werde ich ihm das verzeihen. Wo steckst du nur, du
Arschloch?
Als er ihn endlich gefunden hatte, beobachtete er ihn drei Tage lang, bis er sich ein genaues
Bild von ihm machen konnte. Samstagnacht, um 23.36 Uhr, war es Zeit für ihn zu sterben.
Matthew entführte seinen Vater unter eine Brücke, an dem abgelegenen Harlem River. Dort
fesselte er ihn an eine Laterne und schlug auf ihn gnadenlos mit einem Schlagstock ein, bis
Blut aus seinem Körper spritzte. Mehrere Stunden verbrachte er damit. „Nun hast du endlich
das bekommen, was du verdient hast. Jetzt weißt du, wie es sich anfühlt, von der Familie
misshandelt zu werden, du elendes Miststück!“ schrie er den Toten an und vergoss dabei eine
Träne, die er sich sofort wegwischte. In einen Schuh ritzte er ein Loch und versteckte dort die
vorletzte Schachfigur mit dem Wort „des“. Er schleppte seinen Vater die Treppen herauf auf
die Brücke und hing ihn am Geländer auf. Schnell floh Matthew zurück in sein Versteck.
133
Der Täter scheint uns eine Botschaft übermitteln zu wollen. Was versucht er uns zu sagen?
Bisher haben wir die Worte „Rache ist der Strohalm des...“. Wie lang wird der Satz sein? Wie
viele Morde wird er noch begehen? Es scheint kein festes Motiv für die Auswahl seiner Opfer
zu geben. un ist es erneut eine erwachsene Person, die unter Höllenqualen sterben musste.
Es sind nur noch zwei Tage bis zum nächsten Samstag. Unser ganzes Team hat sich in ew
York, verteilt um jederzeit bereit zu sein. Diesmal müssen wir ihn fassen! In den achrichten
wird schon von dem skrupellosen Serienmörder berichtet. Doch leider können wir ihnen
bisher nur wenige Informationen liefern.
Samstagnacht, das Telefon klingelte ungeduldig. Mr. Thomsen rannte voller Aufregung hin
und nahm den Hörer ab. „In einer Stunde im Central Park am The Pond“, sagte eine
unbekannte Stimme und legte auf. Mr. Thomsen war außer sich. Endlich konnten sie eine
Spur verfolgen. Mit dem kompletten Team machten sie sich auf den Weg und verteilten sich
im gesamten südlichen Teil des Central Parks, der evakuiert wurde, um alle Menschen zu
schützen. Als die Stunde um war, passierte vorerst nichts. Es herrschte eine spürbare
Anspannung im südlichen Teil des Parks. Plötzlich gab es einen lauten Knall. Von einem
Baum fiel ein toter Mann. Alle Einsatzleute stürzten sich auf ihn, der sich Sekunden zuvor in
den Kopf geschossen hatte. Vergeblich suchten sie nach einer Schachfigur. Als der leblose
Körper abgeführt wurde, suchte das Team im Central Park nach weiteren Spuren. Nach
mehreren Stunden fanden sie insgesamt zehn Figuren mit jeweils nur einem Buchstaben
enthalten. Diese Buchstaben ergaben das Wort „Verletzten“. Nun konnte Mr. Thomsen
endlich den Satz bilden: „Rache ist der Strohalm des Verletzten.“. Nach der Obduktion stellte
sich heraus, dass das letzte Opfer der Vater des Mörders war. Weiterhin wurde
herausgefunden, dass die im Wald ermordete Frau die ehemalige Psychologin Matthews war.
Die Eltern der ermordeten Kinder gingen damals mit ihm zur Schule und hänselten ihn, was
die Eltern freiwillig in Gesprächen mit Mr. Thomsen zugegeben haben. Er spielte also das
Spiel des Todes.
134
Mord mit Ansage
von Niklas Kastner
„Darf ich mich kurz vorstellen?! Mein Name ist Paul Morrison. Mein Beruf: Privatdetektiv.
Seit meiner ehrenhaften Entlassung aus dem Marincorps vor 10 Jahren verdiene ich meine
Brötchen damit, in anderer Leute Privatleben herum zu schnüffeln. Bei den Marines habe ich
das Rüstzeug für manchmal recht schwierige Situationen gelernt, angefangen von einer
Nahkampfausbildung über die Ausbildung zum Scharfschützen, bis hin zu Spionageaufgaben.
Irgendwann wird dieser Beruf aber einfach zu anstrengend, man wird ja schließlich nicht
jünger! Heute bin ich ende Vierzig und über das vergleichbar ruhige Leben als Privatdetektiv
mehr als glücklich. So, nun wisst ihr eigentlich alles Wichtige über mich. Mehr wird auch
nicht verraten – alte, antrainierte Vorsicht aus meinen aktiven Zeiten. Es ist immer besser,
wenn du mehr über dein Gegenüber weißt als dein Gegenüber über dich. So, jetzt kommen
wir aber mal zum Wesentlichen! Ich erzähle heute von einem wirklich kuriosen Fall, der so
nicht oft vorkommt. Und das war so…“
Ich saß an einem kalten Wintertag friedlich in einer kleinen Kneipe, die nur einen Block von
meiner kleinen Stadtwohnung entfernt war. Als ich an meinem heißen Kaffee nippte, kamen
zwei hübsche Mädchen zu mir an den Tisch und begannen ein Gespräch mit mir. Wir redeten
über dies und das, als plötzlich eines der Mädchen einen sehr ernsten Gesichtsausdruck
bekam und mich ganz direkt fragte, ob ich der Privatdetektiv Morrison sei. Ich war etwas
verdutzt, da ich ehrlich gesagt gehofft hatte, dass die Mädchen meinetwegen ein Gespräch
begonnen hatten, antwortete dann aber mit:“ Ja, das bin ich“. Das Mädchen zog schweigend
einen Briefumschlag aus der Manteltasche und übergab ihn mir. Ihr Blick forderte mich
geradezu auf, den Umschlag zu öffnen, was ich dann auch tat. In dem Umschlag befand sich
ein Foto einer Familie und über das Foto war mit schwarzem Edding geschrieben:
Mittwochnacht wird einer dieser Menschen sterben!!! Bei genauerer Betrachtung konnte ich
auch das Mädchen, das mir den Umschlag übergeben hatte, auf dem Foto erkennen. Ich sah
sie fragend an und sie begann zu erzählen. Alle Personen auf diesem Foto seien Mitglieder
ihrer Familie und dieses Foto sei vor ca. einem Monat bei dem 80-zigsten Geburtstag der
Oma entstanden. Alle auf dem Bild befindlichen Personen hatten dieses Foto mit dieser
Aufschrift bekommen und alle bestritten hartnäckig, etwas damit zu tun zu haben. Das
Mädchen, sie hieß Sarah, bat mich, mich dieser Sache anzunehmen, da sie und ihre Familie
große Angst hatten. Da wir bereits Montagnachmittag hatten, war ich eigentlich eher
135
abgeneigt, diesen Fall zu übernehmen. Immerhin blieben mir nur ein paar Stunden, um
eventuell einen Mord zu verhindern. Das drohte in Anstrengung auszuarten! Aber Sarah und
ihre Freundin Marie baten mich so innständig, dass ich einfach nicht ablehnen konnte. Ich
hatte also meinen nächsten Fall.
Zuerst bestellten wir drei uns noch eine Runde Kaffee und dann begann ich herauszufinden
wer, auf diesem Foto zu sehen war. Sarah erklärte mir geduldig die Familienverhältnisse bis
ins letzte Detail. Insgesamt waren 15 Personen auf dem Bild zu sehen. Die Personen waren in
drei Reihen aufgestellt. In der Mitte war die Oma zu sehen. Rechts und links davon befanden
sich die Kinder der Oma, genauer gesagt: Zwei Söhne und zwei Töchter, jeweils mit
Ehepartnern. Hinter der Oma standen eine alte Dame und ein alter Herr. Sarah erklärte mir,
dass es sich hierbei um die jüngere Schwester der Oma mit ihrem Ehemann handelte. In der
Reihe vor der Oma saßen vier junge Menschen beiderlei Geschlechts, darunter auch Sarah.
Sie sagte mir, dass dies alles Enkelkinder seien, sowohl von jedem Sohn und von jeder
Tochter ein Kind. Dann zeigte sie mir noch ihre Eltern.
Nachdem ich mir alle Namen notiert und eine Zeichnung angefertigt hatte - dafür hatte ich
mir auch noch alle Adressen und Telefonnummern von Sarah geben lassen - verabschiedeten
wir uns und ich ging nach Hause, um mit meinen Ermittlungen zu beginnen. Ich hatte Sarah
versprochen, sie sofort anzurufen, wenn ich auch nur den leisesten Verdacht hatte.
Zu Hause angekommen schmiss ich meinen PC an und überprüfte alle Daten und Adressen,
die ich von Sarah bekommen hatte. Nicht, dass ich ihr nicht traute, aber eine gründliche
Recherche musste einfach sein. Ich begann mit den Cousinen und Cousins von Sarah und
arbeitete mich anhand des Fotos von unten links nach rechts oben voran. Zu guter Letzt
guckte ich noch in Google Earth jede einzelne Adresse von „oben“ an und stellte fest, dass
die Oma und ihre Schwester offensichtlich ein ziemlich dickes Bankkonto haben mussten,
denn abgesehen davon, dass sie in ein und demselben Haus wohnten, schien dieses Haus eher
ein Landsitz - oder sagen wir - ein kleines Schloss zu sein. Ich intensivierte meine Suche nach
dieser Adresse und fand heraus, dass dieses Schloss einer alten englischen Adelsfamilie
gehörte und in einer eher einsamen Gegend, weit ab von Gut und Böse, lag. Irgendwie sagte
mir mein Bauchgefühl, dass ich mir diese Gegend persönlich angucken sollte. Ich setzte mich
also in mein Auto und fuhr gut eine Stunde aus der Stadt heraus, bis ich langsam das Gefühl
bekam, dass jegliche Zivilisation aufhörte zu existieren. Hätte ich kein Navi gehabt, hätte ich
mich sicher verfahren. Kurz vor Erreichen meines Ziels kam ich in ein winziges Dorf, das aus
5 Häusern, einem kleinen Lebensmittelgeschäft und einem Briefkasten bestand. Ich hielt an,
um mir ein belegtes Brötchen zu kaufen. In dem Geschäft war ein alter Herr, der
136
offensichtlich der Inhaber des Ladens war, was ich daraus schloss, dass er eine Schürze trug
und eine Frau mittleren Alters, die gerade mit ihrem Einkaufskorb Richtung Kasse ging,
bediente. In der Hand hielt sie einen Brief. Als sie an der Kasse angekommen war und ihre
Waren aufs Band gelegt hatte, bat sie den Geschäftsinhaber, ihr den Brief abzunehmen.
Dieser sagte ihr freundlich, jedoch sehr bestimmt, dass sie den Brief bitte draußen in den
Briefkasten zu werfen habe. Sie erwiderte, dass er ihn doch sowieso entleeren würde und sie
sich das deshalb doch sparen könnte. Der alte Herr blieb jedoch eisern und entgegnete, dass er
den Briefkasten wie jede Woche am Donnerstagmorgen um 8.30 Uhr entleeren würde und wir
heute ja erst Montag hätten. Der Dame blieb also nichts anderes über als den Brief
einzuwerfen. Sie tat etwas beleidigt, bezahlte ihre Ware und zog ab. Ich ging zur Kasse und
bezahlte mein Brötchen. Bei dieser Gelegenheit fragte ich den netten Herrn, ob es noch weit
bis zu meinem Ziel wäre. Er schaute mich etwas verdutzt an und fragte: „Was um Himmels
Willen wollen Sie denn da?“. Da ich ihm natürlich nicht erzählen konnte, was mich in diese
gottverlassene Gegend getrieben hatte, antwortete ich: „Ich arbeite als Fotograf für ein
Livestylemagazin und suche immer neue Motive!“. Diese Antwort schien ihm zu genügen
und er verriet mir, dass ich noch circa 10 Minuten Autofahrt vor mir hatte. Ich bedankte mich
für die Auskunft, wünschte noch einen schönen Tag und ging zu meinem Auto. Im Auto
angekommen zückte ich erst einmal mein Handy und rief Sarah an. Ich fragte sie nochmals
eindringlich nach dem Verhältnis jedes einzelnen Familienmitgliedes zur Oma, denn ich hatte
irgendwie das Gefühl, dass die Oma hier die zentrale Person war. Jahrelanges Training hatte
mich gelehrt, mein Bauchgefühl sehr ernst zu nehmen und so entschloss ich mich erst einmal
meiner bisherigen Spur zu folgen und fuhr weiter Richtung Schloss. Sarah hatte mir versichert,
dass die Oma ein tadelloses Verhältnis zu ihren Kindern und Enkelkindern hatte und dass
umgekehrt alle die Oma sehr liebten. Lediglich zwischen der Oma und ihrer Schwester gab es
gelegentlich Spannungen. Die Gründe hierfür wurden aber von der Oma und ihrer Schwester
nie verraten und deswegen nahm der Rest der Familie an, dass es sich einfach um zänkische
Schwestern handelte und maß der Sache keine Bedeutung bei. Schon vorher war mir
aufgefallen, dass die Schwester 15 Jahre jünger war als die Oma und der Ehemann der
Schwester eher noch jünger aussah als sie selbst. Irgendwie fand ich diese Geschichte
langsam wirklich spannend und war richtig heiß darauf herauszufinden, was nun tatsächlich
hinter dieser Morddrohung steckte. Nach wie vor blieb ich bei meiner Theorie, dass die Oma
etwas damit zu tun haben musste. Ob sie jedoch Mörder oder Opfer war, oder ob sie etwa
einen Killer beauftragt hatte eines ihrer Familienmitglieder zu ermorden - denn was will eine
80-zigjährige wohl selber ausrichten – wusste ich noch nicht. Geld genug war ja
137
offensichtlich vorhanden. Meine Gedanken rasten in alle Richtungen als ich die Dame
mittleren Alters aus dem Geschäft mit fragendem Blick vor meinem Auto stehen sah. Ich
stieg aus und sagte höflich: „Guten Tag, die Dame.“ Sie holte kurz Luft. Offensichtlich war
sie immer noch schlecht gelaunt, weil sie den Brief selber zum Briefkasten auf der anderen
Straßenseite bringen musste. „Wer sind sie? sie sind nicht von hier“, zeterte sie. „Ich habe sie
hier noch nie gesehen!“. Ich erzählte ihr das Gleiche wie dem netten Herrn aus dem
Lebensmittelgeschäft. Ich sei auf der Suche nach ausgefallenen Motiven für ein
Lifestylemagazin und wollte zum Schloss der Familie Hornsby. Als ich sie fragte, ob sie die
Familie kenne, schien sie sofort bessere Laune zu bekommen und erzählte mir, dass ihre
Mutter früher als Haushälterin bei den Hornsbys gearbeitet hätte und dass sie als Kind oft dort
war. Als dann aber die Kinder der Miss Hornsby nacheinander auszogen und eigene Familien
gründeten und stattdessen die deutlich jüngere Schwester einzog und den kleinen Rest des
übergebliebenen Haushaltes übernahm, wurde ihre Mutter mit erst 60 Jahren in Pension
geschickt. Die Familie zahle ihr heute noch - zehn Jahre nach ihrer Pensionierung - eine gute
Rente und die alte Miss Hornsby sei eine tolle Frau. Ich war beeindruckt wie schnell aus einer
schlecht gelaunten Frau eine vor Redefreude kaum zu bremsende Frau werden konnte. Das
wollte ich ausnutzen und fragte nach der jüngeren Schwester. Sofort verschlechterte sich die
Laune meines Gegenübers wieder. Man konnte ihr förmlich ansehen wie sie überlegte, ob und
was sie mir sagen konnte. Dann flüsterte sie plötzlich: „Wissen Sie, von dieser Sache wissen
nur meine Mutter und ich! Die Schwester ist eigentlich nur die Halbschwester! Damals war
die Ehe der Eltern von Miss Hornsby ziemlich am Ende, als ihre Mutter eine Affäre mit dem
Stallburschen anfing. Miss Hornsby war da schon 14 Jahre alt. Und ja, sie wurde noch einmal
schwanger! Der alte Earl wollte das aber überhaupt nicht wahr haben und tat so, als sei dieses
Kind auch sein eigenes. Miss Hornsby hat auch erst am Sterbebett ihres Vaters erfahren, dass
er nicht der leibliche Vater ihrer Schwester ist! Sie hat es meiner Mutter damals erzählt, als
sie Weihnachten vor 25 Jahren ganz allein zu Hause war und meine Mutter nach unserer
Bescherung noch mal zum Schloss ging um nach ihr zu sehen. Aber sagen Sie das bloß nicht
weiter, das weiß hier wirklich niemand außer meiner Mutter und mir!“ Ich versprach ihr, mit
niemandem darüber zu reden, war mir aber sofort sicher, dass das irgendwie ein Stück der
Lösung zu meinem Rätsel sein würde. Ich wünschte noch einen schönen Tag, stieg in mein
Auto und fuhr in Richtung Schloss.
Ehrfürchtig stand ich vor dem Eingangstor dieses wunderschönen alten Schlosses. Ich suchte
nach einer Klingel konnte aber keine finden. Dann fiel mir dieser Löwenkopf ins Auge der in
seinem offenen Maul einen Ring trug. Ich griff nach dem Ring und klopfte damit gegen die
138
Tür. Es dauerte eine Weile, ehe ich Schritte hörte. Bis dahin hatte ich Zeit mir zu überlegen
was ich der alten Dame erzählen wollte über den Grund meines Besuches. Ich entschloss
mich, bei der Wahrheit zu bleiben, zumindest teilweise. Als die Tür geöffnet wurde, war ich
mir, auch auf Grund des Fotos, sofort sicher, dass vor mir Sarahs Oma stand. Sie hatte ein
freundliches Gesicht mit sehr blauen Augen, die man auf dem Foto so gar nicht erkennen
konnte. Sie schaute mich fragend an und sagte: „Guten Tag, wer sind Sie und wie kann ich
Ihnen helfen?“. Ich antwortete: „Ihre Enkelin Sarah schickt mich. Ich bin Privatdetektiv“.
Dabei hielt ich ihr das Foto unter die Nase. Sie sah mich ernst an und bat mich sofort herein.
Dieses wunderschöne alte Gemäuer lenkte mich beinahe von meiner Aufgabe ab. Ich musste
mich schon sehr zusammenreißen, um nicht dauernd in alle Richtungen zu schauen und zu
staunen. Miss Hornsby ging mit mir in ein Wohnzimmer und bat mich Platz zu nehmen. Sie
bot mir Tee und Kuchen an und wollte dann genau wissen, was ihre Enkeltochter mir gesagt
hatte. Sie war wirklich eine sehr nette und liebenswerte Person und ich glaubte Sarahs Worten
umso mehr, dass es wohl eigentlich niemanden geben konnte, der mit dieser Frau Streit haben
konnte. Lag ich also doch falsch und verlor hier wertvolle Zeit? Wieder sah ich mich im
Zimmer um, das einen fantastischen Kamin und einen riesigen, alten Schreibtisch hatte. Mein
Blick blieb eine Weile an den Verzierungen des Schreibtisches hängen, als mir auffiel, dass
auf dem Schreibtisch ein großer weißer Umschlag lag. Sonst war der Schreibtisch fast völlig
leer. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf unser Gespräch gelenkt hatte, hatte sich in
meinem Kopf ein Plan entwickelt. Konnte des Rätsels Lösung so einfach sein?
Wir unterhielten uns eine Weile über das Foto und die Familie und ich war mir sicher, dass
Miss Hornsby nicht der Täter war. Um meinen Plan abzusichern, fragte ich nach ihrem
Verhältnis zu ihrer Schwester. Sie schilderte es als etwas schwierig und schob das auf den
großen Altersunterschied. Dann erwähnte sie noch, dass der Ehemann ihrer Schwester noch
10 Jahre jünger sei als ihre Schwester und dass das manchmal auch zu Reibereien führte.
Mehr sagte sie jedoch nicht.
Langsam musste ich mich ein bisschen weiter vor wagen und fragte, ob ihre Schwester denn
auch im Haus sei und ob ich auch mit ihr reden könnte. Sie holte ihre Schwester umgehend
hinzu, und auch der Ehemann kam mit. Auch mit diesen beiden sprach ich darüber, ob sie
eine Vermutung hätten, wer dieses Foto an die Familienmitglieder geschickt haben könnte.
Beide waren jedoch, wie Miss Hornsby auch, ahnungslos. Die Stimmung zwischen den
Schwestern war jedoch merklich gereizt, und als ich vom Thema abschweifte und den
wunderschönen Schreibtisch lobte, schien sich die Lage erst etwas zu entspannen. Doch dann
holte ich zu meinem finalen Angriff aus! Ich fragte, ob ich den Brief auf meinem Rückweg
139
mit in die nächst größere Stadt nehmen sollte, denn da würde der Briefkasten doch sicherlich
öfter ausgeleert als der Briefkasten im Dorf. Während ich das fragte, beobachtete ich meine
drei Gesprächspartner sehr genau. Miss Hornsby´s Gesicht erhellte sich sofort und sie
bedankte sich für dieses Angebot, da sie sonst immer Donnerstagmorgens in aller Frühe ins
Dorf lief, um ihre Post dem für die Entleerung zuständigen Mann persönlich um 8:30 Uhr am
Briefkasten zu übergeben. Der Briefkasten selber sei ihr zu „öffentlich“ und das Dorf zu klein,
so habe sie sich angewöhnt, ihre Post persönlich in den Postsack zu werfen, der für die
Entleerung des Briefkastens genutzt wurde. In der Vergangenheit soll es öfter vorgekommen
sein, dass Post aus dem Briefkasten gestohlen wurde. Bei der persönlichen Übergabe sei sie
sich einfach sicher, dass ihre Post auch ankomme, sagte sie. Während Miss Hornsby sich so
über mein Angebot freute den Brief in einen vermeintlich „sicheren“ Briefkasten in einer
großen Stadt zu werfen, wich der Schwester förmlich jede Farbe aus dem Gesicht und der
Ehemann begann nervös mit dem Augenlid zu zucken. Während ich die Situation beobachtete,
versuchte ich weiter wichtige Informationen aus meinen Gesprächspartnern herauszukitzeln.
Ich erfuhr, dass der Ehemann der Schwester Kriminalromane schrieb, dabei aber
offensichtlich nicht besonders erfolgreich war. Sogar seine Ehefrau selber ließ den leisen
Vorwurf hören, dass er bei der Gestaltung seiner Geschichten viel zu ausschweifend und
selbstverliebt detailliert schreiben würde. Niemand wollte solche, an den Haaren
herbeigezogene Krimis lesen!
Jetzt schloss sich für mich der Kreis und ich beschloss die Geschichte auf die Spitze zu
treiben. Ich stand auf, ging zum Schreibtisch, nahm den Brief in die Hand und las laut vor:
„Notariat Dr. Smith, persönlich, Hampshire Road 22, New Hampshire“. Das Wort
„persönlich“ betonte ich dabei besonders. Der Ehemann der Schwester sprang auf, stürzte auf
mich zu und riss mir den Umschlag aus der Hand. Er wirkte sehr gehetzt und zerfetzte den
Brief in der Mitte. Miss Hornsby´s Gesicht war wie ein einziges Fragezeichen, bevor sie mich
ansah und ich sehen konnte, dass sie von mir eine Erklärung erwartete, obwohl sie sie
vermutlich schon selber wusste.
Ich stellte mich zu Miss Hornsby, um zu verhindern, dass man ihr in einer
Kurzschlussreaktion etwas antun würde und begann zu reden: “Miss Hornsby, ihre Schwester,
oder soll ich besser Halbschwester sagen und ihr erfolgloser Ehemann wollten Sie umbringen.
Der Grund war dieser Brief, dessen Inhalt ich zwar nicht kenne, den Sie aber, wie Sie es
immer mit Ihrer Post tun, am Morgen des kommenden Donnerstages zum Briefkasten bringen
wollten. Der angekündigte Mord sollte genau in der Nacht davor stattfinden, so dass dieser
Brief nie dieses Haus verlassen hätte. Ihr selbstverliebter, krimischreibender Schwager konnte
140
sich auf Grund seines Berufes nicht zurückhalten, und nahm den Mordplan zum Anlass,
daraus eine reale Kriminalgeschichte zu machen. Was für ein Idiot! Entschuldigen Sie meine
Wortwahl, aber das musste gesagt werden. Jetzt müssten Sie mir bitte nur noch erklären,
wofür es sich der Meinung ihrer Schwestern nach gelohnt hätte zu morden“. Bei meiner
Ansprache hatte ich nach guter alter Marinesmarnier mein Gegenüber nicht aus den Augen
gelassen und war jederzeit auf einen Angriff gefasst. Bisher passierte aber nichts. Alle drei
wirkten wie versteinert, bis Miss Hornsby sich in den Sessel fallen ließ, tief Luft holte und
mir erzählte, dass ihre Halbschwester und sie sich noch nie hätten leiden können und dass sie
ihrer Mutter aber versprochen hatte, sich um die jüngere Schwester zu kümmern. Der Vater
jedoch hatte sich nach dem Tode damit für die Untreue seiner Frau rächen wollen, dass er
seiner leiblichen Tochter das gesamte Vermögen überlassen hatte und ihr freistellte, ihrer
Halbschwester etwas von diesem Vermögen abzugeben oder eben nicht. Viele Jahre hatte sie
ihre Schwester und den Ehemann unterstützt und sie im Schloss wohnen lassen. Sie hatte sie
sogar in ihrem Testament bedacht, bis sie ihre Schwester und deren Ehemann dabei ertappte,
wie sie Familienschmuck und Wertgegenstände aus dem Schloss entwendeten und diese zu
Geld machen wollten. Dabei war auch eine besonders wertvolle Uhr des Vaters, die Miss
Hornsby niemals verkauft hätte. Darüber gerieten die beiden Parteien in furchtbaren Streit
und Miss Hornsby erklärte ihrer Schwester, dass sie sofort eine Änderung des Testamentes an
ihren Notar schicken werde, in der festgehalten werden sollte, dass die Schwester und ihr
Mann gar nichts erben sollten, da sie auch nicht das leibliche Kind des Vaters sei und dass ihr
gesamtes Vermögen an ihre Kinder und Enkelkinder übergehen sollte.
Der Kreis hatte sich geschlossen, der Fall war gelöst. Allerdings war die Situation noch nicht
wirklich entschärft. Da ich mir keinen anderen Rat wusste, zückte ich meinen Revolver, den
ich immer bei mir trug, richtete ihn auf die Schwester und deren Ehemann und bat Miss
Hornsby die Polizei zu rufen.
Eine Stunde später waren die beiden verhaftet. Ich hatte Sarah angerufen, die bereits auf dem
Weg zu ihrer Oma war und ich hatte bei Miss Hornsby meine Kontonummer hinterlassen. Sie
wollte mich angemessen bezahlen, hatte sie mir bei unserer Verabschiedung gesagt. Ich war
wirklich gespannt…!!
141

Documents pareils