Weiterlesen - Udo Rettberg

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Fußball: Gespräch mit BVB-Chef Hans-Joachim Watzke
Das deutsche Modell ist nicht überholt
Hans-Joachim Watzke ist seit dem Jahr 2005 Geschäftsführer der Borussia Dortmund
GmbH & Co. KGaA. Der „BVB“ wiederum ist einer der wichtigen und einflussreichen
Fußballclubs in Europa. In Deutschland ist der Club derzeit der einzige, der dem
übermächtigen FC Bayern München Paroli bieten kann. „Aki“ Watzke - Sohn eines
Politikers - ist kein Freund des Wortschwalls. Er drückt seine Ansichten und
Überzeugungen vielmehr knapp und präzise aus.
Die BVB-Aktie – An der Börse sind Fußballwerte wahrlich keine Renner
Quelle: Deutsche Börse AG
AlphaBulls: „Panem et circensis“ war bereits im
Römischen Reich eine Maxime der Regierenden.
Der römische Satiriker Juvenal hatte keine besonders positive Meinung über seine Mitbürger,
wenn er betonte, dass das Volk allein mit „Brot
und Spielen“ zufrieden zu stellen sei. Der Begriff
„Circensis“ lässt sich heute wohl am ehesten
mit Fußball ersetzen. Fans dieses „Vergnügens“
gibt es nach wie vor in Massen. Bei der immensen Popularität des Spiels kamen in den ver-
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gangenen Dekaden Finanzinvestoren hinzu, die
mit Fußball Geld verdienen wollen. Wie sehen
Sie heute die Rolle des Fußball-Spiels?
Hans-Joachim Watzke: Ich glaube, dass der
Fußball heute eine hohe integrative Kraft in
der Gesellschaft abbildet. In einer Zeit, in der
sich immer mehr Menschen „vereinzeln“,
bietet der Fußball einer ganzen Gesellschaft
Hans-Joachim Watzke in Dubai.
HJW: Natürlich ist Fußball ein hartes
Business, aber es ist hier auch noch Platz für
jede Menge Romantik, für jede Menge
ein dauerhaft positiv besetztes Thema.
AB: Es gibt immer noch sehr viele Betrachter,
die an die „gute Rolle" des Fußballs zum Beispiel
als vermittelndes,
vereinendes und integrierendes Element glauben. Ist es aber nicht
längst an der Zeit, Fußball als das zu sehen, was
es ist – nämlich als ein knallhartes Business?
Foto: Andreas Gulya
Zufälligkeiten und für jede Menge Emotionen. Und das spüren die Menschen auch.
Jeder Profifußballspieler würde - auch wenn
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er weniger Talent hätte - für wenig bis kein
Geld bei den Amateuren spielen. Die
Faszination dieses Spiels ist einfach zu groß.
AB: Bigones und Extriches – also Superreiche
und Mächtige dieser Welt - versuchen, ihre
Eitelkeit auch durch den Kauf von Fußball- clubs
zu befriedigen. Einen Champions-League-Titel
mit dem ganzen Tohuwabohu erreichen indes
nur sehr wenige Clubs und Club-Besitzer. Den
Fans scheint die Motivation der Besitzer nicht
viel auszumachen. Bekannt ist allerdings, dass
die wahren Fans von Manchester United im
Jahr 2005 nach der Übernahme von ManU
durch die US-amerikanische Glazer-Familie
einen eigenen Club – den FC United of Manchester – gründeten. Der als „Red Rebels“ bekannte
Club ist heute in der „Conference North“ der
sechsthöchsten englischen Liga aktiv. In
Deutschland ist ein diesbezügliche Verlangen
der Fans nach mehr Vernunft der Clubs bislang
weitgehend ausgeblieben, sieht man von Protesten der Fans von Hannover 96 ab. Befürchten
Sie, dass Fans der Bundesliga eines Tages auf die
Barrikaden gehen, weil sie bei den Verantwortlichen ihrer Clubs kein Gehör finden?
HJW: Eine solche Befürchtung habe ich für
Deutschland überhaupt nicht. In Deutschland
gibt es keine Auswüchse wie in anderen
Ländern. Deutschland hat das mit Abstand
sozialste Preisgefüge zum Beispiel bei den
Eintrittskarten. Auch darüber hinaus ist das
Zusammenwirken aller am Fußball Beteiligten in den deutschen Vereinen, die nach
wie vor die Kraftfelder der Fußballclubs
bilden, als geradezu beispielhaft zu
bezeichnen.
Wohin geht die Reise für den BVB? Szene vom Flughafen Istanbul.
AB: Investieren so viele amerikanische Unternehmer in der englischen Premier League,
weil dort der beste Fußball gespielt wird oder
weil dort die TV-Gelder sehr üppig fließen? Hat
Foto: Udo Rettberg
Deutschland in dieser Beziehung mit der Aufrechterhaltung der 50+1 Regel etwas falsch gemacht? Werden deutsche Fußballclubs in
absehbarer Zeit voll zu Kapitalgesellschaften?
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HJW: Ich bin ein absoluter Anhänger der
50+1 Regel. Vielleicht nehmen Sie einfach
zur Kenntnis, dass mit Real Madrid, dem FC
Barcelona und auch mit Bayern München
drei Clubs aktuell den europäischen Fußball
dominieren, die im Falle von Real und
Barcelona
als
eingetragene
Vereine
registriert sind und bei Bayern München der
eingetragene
Verein
die
absolut
beherrschende Position innerhalb der FC
Bayern München AG hat. Ich glaube, dass
dieses Modell definitiv nicht überholt ist.
AB: Der BVB ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Können Sie uns eine Übersicht
geben, wer derzeit wie viele Aktien hält?
HJW: Die Großaktionäre sind Evonik, Signal
Iduna, Puma sowie der Privatmann Bernd
Geske sowie der eingetragene Verein. Man
sollte aber vor allen Dingen berücksichtigen,
dass
die
Entscheidungen
in
der
Geschäftsführungs-GmbH getroffen werden,
die wiederum zu 100% dem Verein gehört.
Zur Person Hans-Joachim Watzke
Hans-Joachim „Aki“ Watzke wurde am 21. Juni 1959 in der nordrhein-westfälischen Stadt Marsberg
geboren. Der Diplom-Kaufmann ist seit dem 15. Februar 2005 Geschäftsführer der Borussia
Dortmund GmbH & Co. KGaA sowie der 100%igen Tochter BVB Stadion Holding GmbH. Watzke
hatte gemeinsam mit anderen führenden Köpfen des BVB großen Anteil daran, den Fußballclub
durch die Umstrukturierung von Verbindlichkeiten vor mehr als einem Jahrzehnt vor der Insolvenz
zu bewahren. Der im Ortsteil Erlinghausen seiner Heimat- und Geburtsstadt Marsberg wohnende
Hans-Joachim Watzke ist der Sohn des ehemaligen Politikers Hans Watzke. Als aktiver Fußballer
hat „Aki“ – wie ihn Fußball-Deutschland nennt – rund 30 Jahre für den SV Rot-Weiß Erlinghausen
gespielt, dessen erster Vorsitzender das CDU-Mitglied heute noch ist. —Verschiedene Quellen:
AB: Warum hat Borussia Dortmund in Deutschland bislang keinen Nachahmer mit Blick auf
den Gang an die Wertpapierbörse gefunden?
HJW: Fußball und Börse ist kein ganz
konfliktfreies Thema und von daher kann
ich auch sehr gut verstehen, dass andere
Clubs andere Lösungen gefunden haben.
AB: Gibt es andere innovative Optionen zur
Kapitalbeschaffung? Wer die Champions
League gewinnen will, benötigt nicht nur eine
sehr starke Mannschaft, sondern auch einen
großen Kader – und der kostet Geld?
HJW: Natürlich gibt es andere Optionen und
am Ende des Tages ist mehr Geld auch immer
mit einer
höheren Erfolgswahrscheinlichkeit verbunden. Wenn allerdings die
Formel aufgehen würde, wonach der
finanzstärkste Club automatisch den größten
Erfolg hat, dann hätten zum Beispiel
Manchester City und Paris Saint-Germain
schon das eine oder andere Mal die
Champions League gewinnen müssen.
AB: Stimmen Sie der Aussage zu, dass der
nächste große Schub für den Weltfußball durch
die Kommerzialisierung des Fußballs in den
USA kommen wird. Wann wird die MLS
mächtiger und stärker sein als die Top-Ligen in
Europa?
HJW: Das muss man abwarten. Ich sehe
diese Entwicklung, die schon seit 30 Jahren
angekündigt wird, immer noch nicht
wirklich kommen.
AB: Welche Rolle werden denn die Fußball-verrückten Chinesen und Inder in Zukunft spielen?
HJW: Ich glaube, dass speziell China einer
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der entscheidenden Märkte der nächsten
Jahre sein wird - was den Fußball angeht.
AB: Wird der BVB in absehbarer Zeit Kooperationen, Patenschaften oder Lizenzvereinbarungen mit Clubs in anderen Ländern (so z.B.
in Afrika, Asien und in den USA) aufbauen?
HJW: Das wird so sein.
AB: In diesem Kontext drängt sich die Frage
auf: Ist das, was z.B. rund um Red Bull geschieht, nicht der „Tod des Wettbewerbs", weil
im Prinzip unter Einhaltung der Regeln Spieler
zwischen Salzburg, Leipzig und New York hinund hergeschoben werden könnten?
HJW: Zu dem Konstrukt Red Bull möchte ich
mich grundsätzlich nicht äußern.
AB: Den Politikern in Europa ist es über die
Jahre hinweg nicht gelungen, die europäische
Idee zu verwirklichen. Könnte der Fußball dazu
beitragen, Europa auf dem Weg zu den „Vereinigten Staaten von Europa" voranzubringen,
falls die Länder dieses Ziel überhaupt noch
haben. Effizient wäre z.B. die Schaffung einer
ein- oder zweigleisigen Europa-Liga?
HJW: Diese Frage ist mir zu tendenziös und
zu wertend - von daher möchte ich sie nicht
beantworten.
AB: Erfüllen die Fußballspieler in der heutigen
Zeit noch ihre Vorbildfunktion?
HJW: Spieler versuchen, Vorbildfunktionen
zu erfüllen. Wie bei allen anderen Menschen
auch, ist das allerdings nicht immer von
Erfolg gekrönt. Hier sollte man aber auch an
junge Spieler, die noch mitten in ihrer
menschlichen Entwicklung stecken, keine zu
hohe Erwartungs-Messlatte anlegen.
AB: Sind die meisten Spieler nicht überbezahlt schließlich spielen sie ja „nur" Fußball?
HJW: Auch diese Frage ist wiederum sehr
tendenziös - von daher verbietet sich eine
Antwort darauf.
AB: Wie schätzen Sie die jüngste Initiative des
FC St. Pauli Hamburg mit Blick auf die Verteilung der Fernsehgelder ein?
HJW: Ich glaube, dass die Initiative des FC St.
Pauli nicht sehr sinnvoll ist.
AB: Fußball generiert im Jahr weltweit direkt
und indirekt einen Umsatz von fast 500 Mrd.
Dollar. Die Institutionen dieses „Sports“ tun indes noch immer, als sei Fußball pure Romantik.
Im Fußball wird weiter fast nur auf Schiedsrichter vertraut. Die Torkamera hat man gegen
den Willen mancher Manipulateure endlich zugelassen, aber das „instant replay“ ist weiter
kein Thema. Jeder Pfiff des Schiedsrichters kann
einen Wert von zig Millionen Euro haben. Der
Karlsruher SC und viele andere „betrogene Vereine“ liefern Beispiele. Sollte man sich nicht gegen die, die Fußball manipulieren - wie Wettpaten, bezahlte Betrüger unter den Schiedsrichtern und Spielern - stellen und Zuschauern
saubere Spiele bieten?
HJW: Ich denke, dass man bei allem
Optimierungsbedarf das Spiel weitestgehend
lassen sollte, wie es ist. Wenn es um Dinge
wie den Videobeweis geht, ist für mich eine
grundsätzliche Voraussetzung, dass es zu
keinen häufigen Unterbrechungen des Spiels
kommen darf. Wo ich mit Ihnen völlig einig
bin, ist, dass man speziell die Themen der
Wetten sehr genau im Auge behalten muss.
Die Fragen an Hans-Joachim Watzke stellten Andreas Gulya und Udo Rettberg
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