ASCAT-Bodenfeuchtedaten in der numerischen Wettervorhersage

Transcription

ASCAT-Bodenfeuchtedaten in der numerischen Wettervorhersage
401
ASCAT-Bodenfeuchtedaten
in der numerischen Wettervorhersage
Stefan SCHNEIDER, Alexander JANN, Yong WANG,
Vera MEYER und Barbara ZEINER
1
Motivation
Um den Wunsch nach immer genaueren Wetterprognosen zu befriedigen, braucht es neben
einer hohen Rechnerleistung auch möglichst genaue Eingangsdaten, um den aktuellen Zustand der Atmosphäre bestmöglich zu erfassen. Neben Messstationen am Boden und Radiosondenaufstiegen spielen dabei Satellitenmessungen eine wichtige Rolle. Diese Daten werden mit sogenannten Assimilationsverfahren in Wettervorhersagemodellen berücksichtigt.
Im folgenden Beitrag wird exemplarisch gezeigt, wie sich die Assimilation von ASCATBodenfeuchtedaten in einem Vorhersagemodell auswirkt.
2
Das Vorhersagemodell ALADIN
Das operationelle Wettervorhersagemodell der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und
Geodynamik) ist ALADIN-Austria (Aire Limitée Adaption dynamique Développement
InterNational; WANG et al. 2006). Es handelt sich dabei um ein hydrostatisches, spektrales
Lokalmodell mit hybrider Vertikalkoordinate. Für die nötigen Randbedingungen sorgt das
französische Globalmodell ARPEGE. Die Modelldomäne (siehe Abb. 1) für die Versuche
umfasst 300x270 Gitterpunkte mit einem Gitterpunktsabstand von 9,6 km und 60 vertikalen
Schichten. Die Vorhersagen aus dem operationellen Betrieb (im Folgenden als OPER bezeichnet) dienen als Referenzwerte für die Verifikation.
Für die Datenassimilation der Bodenfeuchte wird ein sogenannter simplified Extended
Kalman Filter (sEKF, MAHFOUF 2010) verwendet, der im Bodenmodell SURFEX (Surface
Externalisée; LEMOIGNE 2009) inkludiert ist. Die prognostischen Variablen für die Bodenfeuchte in diesem 2Schicht-Modell werden durch die ASCAT-Werte korrigiert, wobei
die Analyseinkremente am Beginn des Assimilationsfensters durch die Anpassung der
Beobachtungswerte am Ende des 6stündigen Fensters gewonnen werden (MAHFOUF 2010).
3
ASCAT Bodenfeuchtedaten
Das Advanced Scatterometer (ASCAT) ist ein C-Band (f = 5,255 GHz) Radar, das auf den
METOP (Meteorological Operational) Satelliten von EUMETSAT (European Organisation
for the Exploitation of Meteorological Satellites) im Einsatz ist. Über Land können die
rückgestreuten Signale des Gerätes für Bodenfeuchtemessungen herangezogen werden
(WAGNER ET AL. 2007), welche seit Dezember 2008 von EUMETSAT operationell auf
Strobl, J., Blaschke, T. & Griesebner, G. (Hrsg.) (2012): Angewandte Geoinformatik 2012.
© Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-520-1.
402
S. Schneider, A. Jann, Y. Wang, V. Meyer und B. Zeiner
einem 25km- und 50km-Gitter bereitgestellt werden (WAGNER et al. 2010). Die zeitliche
Auflösung der Daten liegt in Mitteleuropa bei etwa 1.5 Tagen (MAHFOUF 2010).
4
Ergebnisse
Im Rahmen des Projektes GMSM ist getestet worden, inwieweit die Assimilation von
ASCAT-Bodenfeuchtedaten die Vorhersagequalität des Lokalmodells ALADIN verbessern
kann. Besonderes Augenmerk ist dabei auf bodennahe Parameter wie Niederschlag und
Temperatur gelegt worden. Die verschiedenen Experimente, die durchgeführt worden sind,
dienen dazu, den Einfluss der Datenqualitätskontrolle und der Biaskorrektur auf die Vorhersagen zu quantifizieren.
4.1
Biaskorrektur
Die aus den Rückstreusignalen berechneten Bodenfeuchtewerte weisen einerseits Messunsicherheiten auf, andererseits stimmt die gemessene Häufigkeitsverteilung der Bodenfeuchtewerte nicht mit jener des meteorologischen Modells überein. Deswegen gibt es zu jedem
Messwert mehrere Kennzahlen für die Datengüte (SCIPAL 2005). Als kritisch werden die
Werte speziell über Feucht- und Frostgebieten sowie in gebirgigem Gelände eingestuft. Je
nach Versuch sind diese Kennzahlen dafür verwendet worden, um Messwerte von der Assimilation auszuschließen.
Um die Messwerte an die Verteilung des Modells anzupassen, wird üblicherweise eine
Biaskorrektur angewendet, in diesem Fall wurde dafür das „CDF matching“ (Cumulative
Distribution Function; REICHLE & KOSTER 2004) gewählt. Es ist dabei sowohl ein globaler
Ansatz, bei dem alle Gitterpunkte gemeinsam korrigiert werden, als auch ein lokaler Ansatz, bei dem jeder Modellgitterpunkt extra betrachtet wird, durchgeführt worden. Abb. 1
zeigt den Effekt der lokalen Biaskorrektur, wenn die Korrekturfunktion auf einen fiktiven
Messwert von 50 % Bodenfeuchte angewendet wird. Obwohl die Biaskorrektur jeweils
unabhängig von den Nachbargitterpunkten durchgeführt wird, zeigen sich nach der Korrektur realistische räumliche Strukturen, die darauf hinweisen, dass das Verfahren sinnvoll ist.
Schwarze Bereiche zeigen Regionen, in denen zu wenige Messwerte vorhanden waren, um
statistisch sinnvolle Korrekturfunktionen berechnen zu können. Für diese Regionen sind
auch bei der Assimilation keine ASCAT-Messwerte berücksichtigt worden.
Um den Nutzen von Qualitätskontrolle und Biaskorrektur zu quantifizieren, sind mehrere
Experimente durchgeführt worden. Während im operationellen Betrieb (OPER) keine
Datenassimilation von Bodenfeuchtedaten verwendet wird, ist in allen Experimenten eine
Assimilation mittels Kalman Filter angewendet worden. In EXP1 sind die ASCAT-Daten
direkt so verwendet worden, wie sie der Datenprovider liefert. Für EXP2 sind sowohl die
Qualitätskennzahlen als auch eine globale Biaskorrektur angewendet worden, für EXP3 ist
die lokale Biaskorrektur zur Anwendung gekommen.
ASCAT-Bodenfeuchtedaten in der numerischen Wettervorhersage
Abb. 1:
4.2
403
Änderung der Bodenfeuchte, ausgehend von einem konstanten Wert von 50 %
über der gesamten Domäne, durch die lokale Biaskorrektur. Grüne (rote) Bereiche zeigen eine Erhöhung (Verringerung) des Messwertes durch die Biaskorrektur an. Schwarze Bereiche kennzeichnen Regionen, in denen keine Biaskorrektur
durchgeführt werden kann.
Fallstudie Starkniederschlag
Für die verschiedenen Experimente sind Vorhersagen für Juli 2009 gerechnet worden, wobei ein Vorhersagelauf jeweils um 00UTC beginnt und 48 Stunden in die Zukunft gerechnet
worden ist. Für jeden Versuch gibt es also 31 Vorhersageläufe, die statistisch ausgewertet
werden können. Synoptisch war dieser Monat durch zahlreiche Niederschlagsereignisse in
Mitteleuropa geprägt und hat sich daher für die Testläufe angeboten, da eine verbesserte
Bodenfeuchteverteilung speziell positive Auswirkungen auf die Niederschlagsvorhersage
haben sollte. Ein schönes Beispiel für die Steigerung der Vorhersagequalität durch die
Assimilation ist der 23. Juli 2009. An diesem Tag kam es zu heftigen Gewittern über Ostösterreich (PISTOTNIK 2009), die vom operationellen Modell jedoch nicht in dieser Form
prognostiziert werden konnten (Abb. 2a), wie ein Vergleich mit der tatsächlichen Niederschlagsverteilung (Abb. 2c) zeigt. Mithilfe der Assimilation von Bodenfeuchte ist es möglich, die Prognose zu verbessern (Abb. 2b), was sich auch mittels objektivere objektorientierter Verifikation mit SAL (WERNLI et al. 2008) zeigen lässt.
404
S. Schneider, A. Jann, Y. Wang, V. Meyer und B. Zeiner
a)
b)
c)
Abb. 2:
24stündige Niederschlagssummen für a)
OPER, b) EXP3 und c) Analyse vom 23.
Juli 2009, 00UTC. Die Farbskala in c) gilt
auch für a) und b).
Tendenziell kommt es im Untersuchungszeitraum durch die Bodenfeuchteassimilation zu
einer Zunahme der Niederschlagshäufigkeit im Modell, die sich wie im gezeigten Fall positiv auswirken kann. Über den gesamten Monat gemittelt ist der resultierende Effekt für
starke Niederschlagsereignisse im Flachland für EXP3 verglichen mit OPER leicht positiv,
für gebirgige Regionen in Westösterreich ist der Effekt neutral. Dies lässt sich damit erklären, dass im Gebirge orographische Effekte einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die
Bildung von konvektivem Niederschlag haben. Im Flachland hingegen ist die Konvektionsauslösung eher zufällig und nicht so stark an die Orographie gekoppelt, wodurch die korrekte Bodenfeuchteverteilung eine wichtigere Rolle in der Vorhersage spielt.
4.3
Temperaturprognose
Nachdem im Modell die 2-m-Temperatur aus der Bodentemperatur und der Temperatur der
untersten Atmosphärenschicht berechnet wird, spielt die richtige Modellierung des Bodens
für diesen (und auch andere) Parameter eine wesentliche Rolle. Die Verifikation gegen
36 Bodenstationen in Österreich (Abb. 3) zeigt, dass der warme nächtliche Bias reduziert
werden kann, der negative Bias tagsüber wird dafür jedoch verstärkt. In Summe kommt es
aber bei allen 3 Experimenten zu einer Verringerung des Gesamtbias gegenüber OPER. Am
stärksten ist der Effekt bei EXP3 mit der lokalen Biaskorrektur der ASCAT-Werte. Die
aufwendige Datenkontrolle und -korrektur macht sich hier bezahlt.
ASCAT-Bodenfeuchtedaten in der numerischen Wettervorhersage
RMSE OPER
BIAS OPER
RMSE EXP1
BIAS EXP1
RMSE EXP2
BIAS EXP2
405
RMSE EXP3
BIAS EXP3
2,50
2,00
1,50
1,00
0,50
0,00
-0,50
-1,00
00
Abb. 3:
5
03
06
09
12
15
18
21
24
27
30
33
36
39
42
45
48
RMSE und BIAS für die 2-m-Temperatur im Juli 2009. Auf der x-Achse ist die
Vorhersagezeit in Stunden und auf der y-Achse die Werte in K aufgetragen.
Dargestellt sind die Werte für OPER (schwarz), EXP1 (violett), EXP2 (grün) and
EXP3 (rot).
Zusammenfassung und Ausblick
Die Prognosegüte des Wettervorhersagemodells ALADIN soll durch die Assimilation von
ASCAT-Bodenfeuchtedaten verbessert werden. Mithilfe verschiedener Testläufe konnte
gezeigt werden, dass eine lokale Biaskorrektur der Satellitendaten zum größtmöglichen
Nutzen führt, wobei dieser Ansatz den größten Rechenaufwand benötigt. Für eine Testperiode im Sommer 2009 lässt sich zeigen, dass die zusätzlichen Daten sowohl für die Niederschlagsvorhersage als auch für 2-Meter-Temperaturprognosen eine Verbesserung bringen können, wenn die Messungen mittels sEKF assimiliert werden.
Ansatzpunkte für eine weitere Verbesserung der Prognosen sind die Einbeziehung der Bodentemperatur in die Assimilation, eine höher aufgelöste Version des Modells (z. B. das
konvektionsauflösende Modell AROME) sowie weiteres Tuning des Verhältnisses zwischen Hintergrunds- und Beobachtungsfehlers während der Assimilation.
406
S. Schneider, A. Jann, Y. Wang, V. Meyer und B. Zeiner
Literatur
LEMOIGNE, P. (Ed.) (2009), SURFEX scientific documentation. In: Note de Centre du
Groupe de Météorologie à Moyenne Echelle, 87, CNRM, Météo France, Toulouse,
France.
MAHFOUF, J.-F. (2010), Assimilation of satellite-derived soil moisture from ASCAT in a
limited-area NWP model. In: Q.J.R. Meteorol. Soc., 136, 784-798.
PISTOTNIK, G. (2009), Meteorologische Analyse der großflächigen Hagelunwetter vom 23.
Juli 2009. ZAMG, http://www.zamg.ac.at/docs/aktuell/Unwetter_23ter_Juli_2009.pdf
(german).
REICHLE, R.H. & R.D. KOSTER (2004), Bias reduction in short records of satellite soil moisture. In: Geophys. Res. Lett., 31, L19501, doi:10:1029/2004GL20938.
WAGNER, W., BARTALIS, Z., NAEIMI, V., PARK, S.-E., FIGA-SALDANA, J. & BONEKAMP, H.
(2010), Status of the METOP ASCAT soil moisture product. In: IEEE Geoscience and
Remote Sensing Symposium (IGARSS'2010), Honolulu, USA, 276-279.
WAGNER, W., BLÖSCHL, G., PAMPALONI, P., CALVET, J.-C., BIZZARRI, B., WIGNERON, J.-P.
& KERR, Y. (2007), Operational readiness of microwave remote sensing of soil moisture
for hydrologic applications. In: Nordic Hydrology, 38 (1), 1-20.
WANG, Y., HAIDEN, T. & KANN, A. (2006), The operational limited-area modelling system
at ZAMG: ALADIN-Austria. Österreich. In: Beitr. Meteorol. Geophys., 37, ISSN 10166254.
WERNLI, H., PAULAT, M., HAGEN, M. & FREI, C. (2008), SAL – A Novel Quality Measure
for the Verification of Quantitative Precipitation Forecasts. In: Mon. Wea. Rev., 136,
4470-4487.

Documents pareils