DEVISENFOKUS Britisches Pfund

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DEVISENFOKUS Britisches Pfund
Helaba Volkswirtschaft/Research
DEVISENFOKUS
8. September 2014
Britisches Pfund
AUTOR
Christian Apelt, CFA
Telefon: 0 69/91 32-47 26
[email protected]


REDAKTION
Dr. Stefan Mitropoulos
HERAUSGEBER
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/Leitung
Research
Helaba
Landesbank
Hessen-Thüringen
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58
60311 Frankfurt am Main
Telefon: 0 69/91 32-20 24
Telefax: 0 69/91 32-22 44

Der Euro verlor zuletzt gegenüber allen relevanten Währungen. Große Gewinner waren
neben dem US-Dollar viele außereuropäische Devisen.
Die Aufwertung des Pfund Sterling ist zwar ins Stocken geraten. Das anstehende Referendum zur schottischen Unabhängigkeit hat jedoch dazu wenig beigetragen. Denn bis vor
kurzem befanden sich die Befürworter nach Umfragen noch in der Minderheit. Sollte sich allerdings der jüngste Stimmungsschwenk bestätigen, wird es spannend werden. Vor allem
die Frage nach der Währung in Schottland ist ungelöst und könnte für eine erhebliche Verunsicherung sorgen, die zeitweise das Pfund Sterling belastet.
Helaba Währungsprognosen
Euro-Performance im Monatsvergleich
% gg. Euro im Vergleich zum Vormonat (vom 07.08. bis zum 05.09.2014)
US-Dollar
3,2
Japanischer Yen
0,2
Britisches Pfund
0,1
Schweizer Franken
0,7
Kanadischer Dollar
3,6
Australischer Dollar
4,4
Neuseeland-Dollar
1,4
Schwedische Krone
0,4
Norwegische Krone
2,6
Tschechische Krone
0,6
Polnischer Zloty
0,9
Die Publikation ist mit größter
Sorgfalt bearbeitet worden.
Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und
Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen
Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen,
die wir für zuverlässig halten,
für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir
aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in
dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht
als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.
Ungarischer Forint
0,5
Russischer Rubel
1,1
Türkische Lira
3,6
Koreanischer Won
4,8
Chinesischer Yuan
3,6
Indische Rupie
4,7
Südafrikanischer Rand
3,9
5,6 Brasilianischer Real
5,1
Mexikanischer Peso
■ Kernwährungen ■ Restliche G10 ■ Schwellenländerwährungen
Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research
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DEVISENF OKUS BRITISC HES PF UND
GBP: Die schottische Frage
700 Jahre nach dem Sieg in der Schlacht von Bannockburn streben die Schotten erneut nach der
Unabhängigkeit. Am 18. September entscheiden die Einwohner Schottlands in einem Referendum
über die Loslösung vom Vereinigten Königreich. Damit steht aber nicht nur die britische Union von
1707 zur Disposition, sondern es stellt sich auch die Frage nach der Währung. Mit dem damaligen
„Act of Union“ gab es de facto eine einheitliche Währung in Großbritannien. Falls die Schotten tatsächlich für eine Abspaltung votierten, gäbe es dann eine britische Währungsunion zweier unabhängiger Staaten? Oder würde Schottland eine eigene Währung einführen, das Pfund Sterling inoffiziell nutzen oder gar der Eurozone beitreten?
Schottland hat einen Anteil von etwa 9 % an der britischen Wirtschaftsleistung. Diese Größenordnung erscheint damit nicht so bedeutsam, jedoch liegen die Öl- und Gasreserven des Landes
weitgehend im schottischen Bereich, so dass die wirtschaftlichen Folgen einer Abspaltung auch für
das restliche Großbritannien nicht zu vernachlässigen wären. Die Finanzmärkte ignorierten das
Thema schottische Unabhängigkeit eher. Das Britische Pfund bewegte sich zumindest gegenüber
dem Euro zuletzt kaum, der Euro-Pfund-Kurs notierte unweit seines Jahrestiefs von 0,79. Gegenüber dem US-Dollar hat die britische Währung allerdings ihre bisherigen Gewinne aus dem laufenden Jahr mehr als eingebüßt. Grund für die entspannten Marktreaktionen waren sicherlich auch
die Umfrageergebnisse, die bis vor kurzem eine Mehrheit der „Nein“-Stimmen vorhersagten. In der
jüngsten Befragung gewann das „Ja“-Lager aber erstmal knapp die Oberhand, der Euro-PfundKurs stieg daraufhin über 0,80. Angesichts der Zahl der noch unentschlossenen Wähler ist das
Rennen wieder offen und somit besteht durchaus Hoffnung für die Unabhängigkeitsbefürworter.
Ausgang des
Referendums ungewiss
„Nein“-Lager verliert die Führung
Britische Ölförderung auf dem sinkenden Ast
%, Anteil der Unentschiedenen herausgerechnet
Mio. t. Öläquivalent
80
80
70
70
"No"
60
60
50
50
40
40
"Yes"
30
20
Jan 13
30
20
Apr 13
Jul 13
Okt 13
Jan 14
Apr 14
Jul 14
Quellen: UK Polling Report, Helaba Volkswirtschaft/Research
Wirtschaftliche Argumente
im Vordergrund
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Die Frage der schottisches Unabhängigkeit wird sowohl auf emotionaler als auch auf rationaler
Ebene entschieden. Es ist eine Sache, ob sich die Schotten im Vereinigten Königreich unterdrückt
fühlen und deshalb entschieden mehr Selbständigkeit verlangen. Allein die sehr divergierenden
Wahlergebnisse in Schottland und England deuten schon bestimmte Unterschiede an. Allerdings
argumentieren auch die Unabhängigkeitsbefürwörter stark ökonomisch. So soll jeder Schotte dank
der Unabhängigkeit im Durchschnitt um 1.000 Pfund besser gestellt sein. Finanziert werden diese
Vorteile in erster Linie mit den zu erwartenden Erlösen aus dem Erdöl, die dann nicht mehr mit
London geteilt werden müssten.
Die Öl- und Gasvorkommen Großbritanniens befinden sich überwiegend in schottischen
Gewässern: 96 % bei der Offshore-Rohölproduktion und 52 % der Offshore-Gasförderung. Da Öl
teurer ist, machte der Anteil Schottlands an den britischen Steuereinnahmen davon mehr als 90 %
aus. In schottischen Gewässern wird damit mehr als die Hälfte des Rohöls innerhalb der EU
gefördert. Dank der potenziellen Erlöse versucht sich ein unabhängiges Schottland bereits mit
Norwegen zu vergleichen. Immerhin ist Norwegen dank seiner Öl- und Gasvorkommen das
zweitreichste Land in Europa, gemessen am BIP pro Kopf. Mit dessen Ölerlösen wird ein riesiger
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DEVISENF OKUS BRITISC HES PF UND
Pensionsfonds gespeist, der größer als die Staatsverschuldung ist. Zudem kann sich Norwegen
einen vergleichsweise üppigen Wohlfahrtsstaat leisten. Schottland weist ein höheres Pro-Kopf-BIP
als das restliche Großbritannien auf, wenn man die Offshore-Einnahmen einbezieht. Allerdings hat
sich die britische Öl- und Gasproduktion seit Beginn des Jahrtausends mehr als halbiert. Dank des
drastischen Preisanstiegs liegen die staatlichen Einnahmen dennoch höher als 1999. Jedoch ist
auch hier der Zenit klar überschritten, falls sich der Ölpreis nicht dramatisch verteuert.
Grundsätzlich sollte das Nordseeöl noch für 30 bis 40 Jahre Förderung ausreichen. Unter
Annahme eher konstanter Preise werden die ölbedingten Steuereinnahmen jedoch langsam
schrumpfen. Allein auf Basis der Öleinkünfte kommt der Ruf nach einer schottischen
Unabhängigkeit gewissermaßen 15 Jahre zu spät.
Unsichere Fiskalsituation
Die schottische Regierung ist vergleichsweise ausgabefreudiger – jährlich 1.200 Pfund pro Kopf –
als die britische Zentrale. Das Land wird von der sozialdemokratischen Scottish National Party
(SNP) regiert, Hauptopposition ist die Labour Party. So verspricht die SNP im Falle einer
Unabhängigkeit neue soziale Wohltaten, die mit den Ölerlösen finanziert werden sollen – analog
zu Norwegen. Allerdings würden dann die Transfers der britischen Zentralregierung entfallen,
damit reduzierten sich bereits die finanziellen Vorteile erheblich. Schottland besitzt zwar schon
eine eigene Administration, die in einem unabhängigen Staat noch ausgebaut werden würde. Eine
eigenständige Armee benötigte Schottland dann ebenfalls. Ein Abzug der britschen Nuklearflotte
aus Schottland ist ohnehin populär. In den vergangenen Jahren lag das eher theoretische, also
inklusive der Öleinnahmen, Haushaltsdefizit der Schotten niedriger als in Großbritannien. Zuletzt
gesunkene Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung sowie wohl wachsende Ausgaben dürften
die Haushaltslage eines schottischen Staates aber belasten, so dass der Fehlbetrag mit hohen
einstelligen Werten, gemessen am BIP, höher als im restlichen Großbritannien ausfiele.
UK: Staatliche Einnahmen aus Öl- und Gasförderung
Volatile Haushaltslage in Schottland
Mio. GBP
% am BIP
14.000
14.000
12.000
staatliche Einnahmen
Öl und Gas
10.000
12.000
10.000
8.000
8.000
6.000
6.000
4.000
4.000
2.000
2.000
0
0
84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 12
Quellen: HM Revenue & Customs, Helaba Volkswirtschaft/Research
Zweischneidiger
Finanzsektor
12
12
10
Haushaltsdefizit*
10
8
8
6
6
4
4
2
2
0
0
2008-09
2009-10
2010-11
2011-12
2012-13
* Schottischer Anteil der Öl- und Gaseinnahmen eingerechnet
Quellen: Scottish Government, Helaba Volkswirtschaft/Research
Prinzipiell ist es für eine Region von Vorteil, wenn sie über einen möglichst großen Teil der
staatlichen Gelder selbst verfügen kann. Wenn aber auch aufgrund zusätzlicher Kosten der
finanzielle Spielraum sogar kleiner ausfällt, dann reduziert sich die Vorteilhaftigkeit eines eigenen
Staates. Von den bestehenden Staatsschulden des Vereinigten Köngreichs dürfte Schottland
einen entsprechenden Anteil erhalten, ob pro Kopf oder nach Wirtschaftsleistung berechnet.
Zumindest würde Schottland dann mit einer Verschuldung von 70 bis 90 % am BIP starten. Ein
Sonderfall wären die vom britischen Staat in der Finanzkrise geretteten Banken, allen voran die
Royal Bank of Scotland (RBS). Der Name erwähnt schon die schottische Herkunft, wo auch noch
die Zentrale der Bank residiert. Allerdings werden ein Großteil der Geschäfte außerhalb
Schottlands getätigt. Die Übernahme dieser Bank bzw. auch der Halifax Bank of Scotland (HBOS)
durch den schottischen Staat birgt für diesen erhebliche Risiken, da deren Bilanzsummen ein
Vielfaches des schottischen BIP ausmachen – Island lässt grüßen. Allein die staatliche Rettung für
die RBS betrug mehr als 200 % des schottischen BIP. Nicht unwahrscheinlich aber ist, dass die
Banken ihren Hauptsitz dann ins restliche Großbritannien verlegen würden. Grundsätzlich ist der
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Finanzsektor in Schottland ein sehr wichtiger Wirtschaftszweig. Neben den jedoch mittlerweile
eher angeschlagenen Banken gibt es noch einige bedeutsame Vermögensverwalter und
Versicherungen. Hier kommen wir zu der eigentliche Frage nach der Währung zurück. Das
Interesse des schottischen Finanzsektors, der seine Geschäfte weit über Schottland hinaus
betreibt, an der Unabhängigkeit ist eher gering, vorsichtig ausgedrückt.
Schotten für Beibehaltung
des Pfund Sterling
– „EWU“
Einführung einer
eigenen Währung
– „St. Helena“
Informelle Beibehaltung
des Pfund Sterling
– „Panama“
Die Unabhängigkeitsbewegung setzt sich eindeutig für die Beibehaltung des Britischen Pfunds ein,
was dem Finanzsektor sicher lieber wäre. Übrigens plädierte der schottische Premier Salmond
Anfang 2009 noch für die Einführung des Euro in einem unabhängigen Staat. Auch aufgrund der
schwierigen Erfahrung der Europäischen Währungsunion hat die britische Regierung einem
solchen Bund mit Schottland eine klare Absage erteilt. Ohne eine abgestimmte Finanzpolitik birgt
ein Währungsverbund einige Risiken. Nichtsdestotrotz besteht die „Ja“-Kampagne auf der
Beibehaltung des Britischen Pfunds. In der Debatte ist gerade die Währungsfrage einer der
heikelsten Punkte, den insbesondere die Unabhängigkeitsgegner aufbringen. Auch die haushohe
Mehrheit der Schotten möchte Umfragen zufolge das Pfund behalten. Aber ohne formelle
Währungsunion blieben Schottland folgende Möglichkeiten: die Einführung einer eigenen
Währung, die Einführung des Euro sowie die informelle Beibehaltung des Britischen Pfunds.
Da die britische Regierung nicht zu einer Währungsunion gezwungen werden kann, verbleiben
Schottland nur die anderen Optionen. Technisch sollte die Einführung einer eigenen W ährung kein
Problem darstellen, schottischen Banken emittieren bereits beim Pfund Sterling eigene Banknoten.
Allerdings wäre die Umstellung ökonomisch riskant, wenn die neue Währung bei der Bevölkerung
nicht annähernd das Vertrauen des Britischen Pfunds besäße. Dann könnten die Kontoinhaber
womöglich ihr Gelder von den schottischen Banken abziehen und als Pfund-Bargeld nutzen oder
direkt auf Pfund-Konten britischer Banken überführen. Einzelne Finanzinstitute könnten damit in
große Schwierigkeiten geraten, was dann auch das restliche Großbritannien beträfe. Eine neue
schottische Regierung müsste daher zügig für Klarheit in der Währungsfrage sorgen. So könnte
ein „Schottisches Pfund“ direkt und 1:1 an das Britische Pfund gebunden werden. Damit würde ein
sogenannter „Currency Board“ eingeführt. Klassische Beispiele hierfür sind die Anbindung des
Hongkong-Dollar an den US-Dollar, der Dänischen Krone an den Euro oder, um beim Pfund zu
bleiben, das St.-Helena-Pfund – St. Helena ist ein britisches Überseegebiet im Atlantik – an das
Britische Pfund. Wenn dies klar, deutlich und glaubwürdig – auch mit Devisenreserven unterlegt –
erfolgt, dürfte die Einführung der neuen Währung unproblematisch werden. Allerdings würde
Schottland dann weitgehend auf eine eigenständige Geldpolitik verzichten und müsste sich nach
der Bank of England richten. Ob heutzutage die britische Notenbank größere Rücksicht auf
schottische Interessen nimmt, ist ebenfalls eine gute Frage. Generell könnte ein „Schottisches
Pfund“ auch den Wechselkurs zur britischen Währung flexibel halten, um eine eigene Geldpolitik
zu betreiben. Jedoch könnten dann bei der Umstellung die angesprochenen Probleme auftreten.
Sollte sich Schottland für die Beibehaltung des Pfund Sterling entscheiden, könnte dies
Großbritannien eigentlich kaum verhindern. Die schottischen Geschäftsbanken müssten sich dann
mit Pfund-Liquidität in Großbritannien versorgen. Beispiele für eine informelle Nutzung einer
anderen Währung sind u.a. Montenegro (Euro) oder Panama (US-Dollar). Auch in diesem Fall
verzichtete Schottland auf eine eigenständige Geldpolitik und womöglich auch auf eine eigene
Notenbank. Den Geschäftsbanken würde dann im Krisenfall allerdings die Zugangsmöglichkeit zu
Geldern der Zentralbank („lender of last resort“) fehlen, was internationale Investoren nicht gerne
sehen. Nach den Erfahrungen mit der globalen Finanzkrise könnte man hingegen schon fragen, ob
das Fehlen einer Notenbank wirklich ein großes Problem wäre. In Panama kommt der
Finanzsektor gut ohne eine solche zurecht. Ob die Schotten große Lust auf „panamaische“
Abenteuer verspüren, darf eher bezweifelt werden. Zumal der gescheiterte schottische
Kolonialisierungsversuch im heutigen Panama Ende des 17. Jahrhunderts („Darién-Desaster“) mit
seinen katastrophalen wirtschaftlichen Folgen eine wichtige Rolle beim Verlust der schottischen
Unabhängigkeit 1707 spielte. Das Fehlen einer Notenbank birgt Unsicherheiten, die Unternehmen,
Investoren bis hin zum schottischen Sparer irritieren könnten.
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Die Einführung des Euro als Alternative steht – anders als 2009 (s.o.) – aktuell nicht mehr zur
Diskussion. Ein anderer wichtiger Punkt ist dagegen die Mitgliedschaft in der EU. Ein
unabhängiges Schottland möchte dort Mitglied sein, in England ist die Stimmung da weniger
eindeutig. Großbritannien würde sich wahrscheinlich nicht gegen die schottische EU-Mitgliedschaft
stemmen. Unklar aber ist, ob Schottland als de facto Mitglied ein beschleunigtes Verfahren erhielte
oder einen neuen Antrag stellen müsste, wodurch sich der EU-Beitritt um einige Jahre verzögerte.
Auch könnten andere EU-Länder eine schottische EU-Mitgliedschaft blockieren, da diese selber
von Separationsbestrebungen – wie Spanien mit Katalonien – betroffen sind. Ein zumindest
temporärer Austritt aus dem EU-Binnenmarkt würde die schottische Exportwirtschaft zweifellos
belasten.
Euro-Einführung
kein Thema“
Bei der Frage nach dem Währungssystem sollte berücksichtigt werden, dass die schottische
Wirtschaftsstruktur von der britischen abweicht. Die einst dominante Schwerindustrie ist
weitgehend verschwunden, die Textilindustrie dagegen existiert noch. Als neuere Sektoren
bestehen Pharma, Hightech, Maschinenbau und Verteidigung. Neben der bereits angesprochenen
Finanzindustrie hat die Nahrungsmittelproduktion – vor allem Whisky – eine größere Bedeutung.
Allen voran aber wird die Wirtschaft von der Öl- und Gasförderung dominiert. Gleichzeitig ist
Schottland damit auch anfällig, falls sich die Energiepreise ungünstig entwickeln sollten. Im Prinzip
könnte das Land mit einer Währungsabwertung die negativen Folgen eines fallenden Ölpreises
ausgleichen, was einerseits eher flexible Wechselkurse favorisiert. Andererseits sprechen die
bereits erwähnten Konsequenzen zumindest zunächst für eine feste Bindung an das Pfund
Sterling.
Schottlands Export geht überwiegend nach England
Britischer Ölhandel bereits mit Handelsdefizit
% am Export inkl. restl. UK
% am BIP
70
70
60
60
50
50
Anteil am Export
40
40
30
30
20
20
10
10
0
0
Restl. UK
Europa
Nordamerika
Asien
Sonstige
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Zügige Lösung der
Währungsfrage
gefordert
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Sollten die Schotten tatsächlich für ihre Unabhängigkeit votieren, müsste die Regierung zügig für
Klarheit in der Währungsfrage sorgen, um negative Rückwirkungen zu vermeiden. Wenn
Großbritannien die ablehnende Haltung zu einer Währungsunion nach dem Referendum nicht
ändert, ist die sicherste Methode die Einführung einer an das Britische Pfund gekoppelten
schottischen Währung. Gewisse Unsicherheiten würden die Staatsfinanzen bergen. Auf die
mittlere bis längere Sicht wären gewisse Einschnitte im staatlichen Ausgabeverhalten kaum
vermeidbar. Grundsätzlich ist Schottland auch als kleinerer Staat wirtschaftlich überlebensfähig –
eine EU-Mitgliedschaft wäre von Vorteil. Allerdings gibt es noch einige Stolpersteine, die das „Ja“Lager weitgehend ignoriert bzw. verschweigt. Ob die Unabhängigkeit bei rein wirtschaftlicher
Betrachtung vorteilhaft ausfällt, darf zumindest auf längere Sicht bezweifelt werden.
Auch für das restliche Großbritannien hätte eine schottische Unabhängigkeit selbstverständlich
Folgen. Zum einen wäre das Land nicht nur geographisch, sondern wirtschaftlich kleiner. Dies
machte sich in der allgemeinen Bedeutung, aber auch in mancherlei Beziehung mit
Stimmgewichten etc. bemerkbar. Ein gravierende Veränderung wäre dies allerdings nicht.
Großbritannien wies bis 2003 sogar einen Überschuss im internationalen Ölhandel auf. Ohne das
schottische Öl würde das aktuelle Defizit bei Energiegütern von rund 1 % am BIP deutlich
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ansteigen. Gleichwohl hat das restliche Britannien bei anderen Gütern und Dienstleistungen
gegenüber Schottland einen erheblichen Überschuss, so dass der Gesamteffekt auf die
Leistungsbilanz wohl nicht so ausgeprägt wäre. Die Unsicherheit hinsichtlich der schottischen
Währungsfrage kann auch den Bankensektor im restlichen Großbritannien in Mitleidenschaft
ziehen, zumal die schottischen Großbanken vor allem da aktiv sind. Allerdings könnte die
Verlagerung von Finanzinstituten nach England – genauer London – sogar wirtschaftliche Vorteile
bringen. Ein schottischer EU-Beitritt ist im Interesse der britischen Wirtschaft. Da jedoch selbst die
EU-Mitgliedschaft Großbritanniens durch ein mögliches Referendum in Frage gestellt wird, ist
dieser Punkt recht verwickelt. Die Staatsfinanzen könnten sogar etwas entlastet werden, wobei
eventuell neue Militärstützpunkte Geld kosteten. Wenn die Währungsfrage zügig gelöst wird,
sollten sich aber die negativen Folgen für Großbritannien in Grenzen halten. Politische
Rückwirkungen eines „Ja“ auf die Regierung Cameron sind dagegen nicht auszuschließen.
Ein schottisches „Ja“ belastet das Pfund vermutlich
nicht nachhaltig
Das Pfund Sterling könnte im Falle eines „Ja“-Votums einen Dämpfer erhalten. Mit einer
nachhaltigen Schwäche, begründet mit einer Kapitalflucht aus dem Britischen Pfund, ist nur zu
rechnen, wenn sich die Entscheidung über die Währung in Schottland und den Verbleib der
Großbanken länger hinzieht. Ohnehin ist trotz der jüngsten Umfrage unser Basisszenario, dass die
Unabhängigkeit Schottlands im Referendum abgelehnt wird.
Zinserwartungen für Pfund bereits eingepreist
GBP
Pfund verliert Zinsvorteil gegenüber US-Dollar
%-Punkte
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Euro-Pfund-Kurs
Zunächst seitwärts
GBP
%-Punkte
* Differenz 1-Jahres-OIS-Forward in 2 Jahren
Quellen: Macrobond, Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research
Jenseits der schottischen Frage zeigte sich das Britische Pfund 2014 gegenüber dem Euro sehr
robust. Gegenüber dem US-Dollar gilt dies seit Juli nicht mehr. Nachdem einige Vertreter der Bank
of England das Thema Zinswende zunächst noch forcierten, überwogen zuletzt doch die
vorsichtigeren Töne, selbst wenn es in der August-Sitzung zwei Stimmen für eine Zinsanhebung
gab. So wurde das niedrige Lohnwachstum thematisiert, auch die Inflation lag im Juli mit 1,6 % auf
moderatem Niveau. Das rasante Wirtschaftswachstum aus dem ersten Halbjahr verliert etwas an
Dynamik. So kühlten sich einige Stimmungsindikatoren aus dem Verarbeitenden Gewerbe ab.
Damit kann auch die britische Notenbank die Sache etwas ruhiger angehen lassen, selbst wenn
die Preisanstiege bei Wohnimmobilien weiter wachsen. Anfang 2015 könnte die Bank of England
dann aber tatsächlich reagieren und ihren Leitzins anheben. Erst dann dürfte das Pfund gegenüber
dem Euro wieder zulegen. Schließlich wird die Zinswende an den Märkten bereits weitgehend
eskomptiert. Gegenüber dem US-Dollar wird die Pfund-Schwäche noch anhalten. Also auch
unabhängig von der schottischen Unabhängigkeit glänzt das Britische Pfund zunächst einmal
nicht.
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Helaba Währungsprognosen
Veränderung seit
31.12.13
07.08.14
gg. Euro
aktueller
Stand*
Prognose Ende
Q3/2014
Q4/2014
Q1/2015
Q2/2015
(jew eils gg. Euro, %)
US-Dollar
6,1
3,2
1,30
1,30
1,25
1,20
1,20
Japanischer Yen
6,3
0,2
136
133
131
126
128
Britisches Pfund
4,7
0,1
0,79
0,80
0,79
0,78
0,78
Schweizer Franken
1,8
0,7
1,21
1,25
1,25
1,25
1,25
Kanadischer Dollar
3,6
3,6
1,41
1,42
1,38
1,33
1,32
Australischer Dollar
11,6
4,4
1,38
1,44
1,42
1,36
1,36
Neuseeland-Dollar
7,6
1,4
1,56
1,55
1,52
1,50
1,54
Schwedische Krone
-3,7
0,4
9,19
9,20
9,00
8,80
8,70
Norwegische Krone
2,6
2,6
8,13
8,10
7,90
7,80
7,70
gg. US-Dollar
(jew eils gg. USD, %)
Japanischer Yen
0,2
-2,8
105
102
105
105
107
Schweizer Franken
-4,1
-2,4
0,93
0,96
1,00
1,04
1,04
Kanadischer Dollar
-2,4
0,4
1,09
1,09
1,10
1,11
1,10
Schwedische Krone
-9,3
-2,7
7,10
7,08
7,20
7,33
7,25
Norwegische Krone
-3,3
-0,6
6,28 1,57
6,23
6,32
6,50
6,42
US-Dollar gg. …
(jew eils gg. USD, %)
Britisches Pfund
-1,4
-3,0
1,63
1,63
1,58
1,54
1,54
Australischer Dollar
5,2
1,2
0,94
0,90
0,88
0,88
0,88
Neuseeland-Dollar
1,4
-1,8
0,83
0,84
0,82
0,80
0,78
*05.09.2014
Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research
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