Raum und Wohnen 8/08

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Raum und Wohnen 8/08
PORTRAIT — Flueler
Sie hat die textile Innenausstattung mehrerer Swiss-Airbusse realisiert, hat letztes Jahr eine
Auszeichnung für den schönsten Teppich erhalten und beliefert ein österreichisches Wellnesshotel
mit selbst entworfenen Bettflaschen. Die Zugerin Caroline Flueler mischt national und international
als Textildesignerin erfolgreich mit und setzt dabei konsequent auf Karos.
Von Maja Fueter
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1_Für die Flight Attendants der Swiss Airline hat Caroline Flueler Foulards und Krawatten entworfen. Dies ist die dritte Serie,
2006. 2_Farbüberlagerungen, Karos und Rechtecke sind charakteristisch und tauchen immer wieder auf den Textilien Fluelers auf,
wie schon bei «Oberwil», einer der ersten Kollektionen, 1995. 3_Caroline Flueler *1969. 4_Der Teppich «Raven» aus der Kollektion
«Check4Stripes» für Tisca Tiara gewann die Auszeichnung «best carpet of 2007», die von Wools of New Zealand verliehen wird. 140
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Die Faszination der Karos
Sie haben es sich auf Ihrem Sitz bequem gemacht. Das Kissen im
Nacken zurechtgerückt, die Decke über die Beine gelegt und schauen
aus dem Fenster. Der Airbus A340-300 der Swiss Airline hebt ab. In
diesem Augenblick sind Sie mit Caroline Fluelers textilen Schöpfungen
schon mehrfach auf Tuchfühlung gegangen. Sie hat die Sitzbezüge,
Kissen, Decken und den Teppichboden entworfen. Auch die Foulards
und die Krawatten der Crew stammen von ihr. Seit 2002 arbeitet die
Textildesignerin aus Zug für Swiss, und ein Ende ist nicht abzusehen.
2007 hat Flueler bereits die dritte Accessoires-Serie für die Flight
Attendants kreiert. Derzeit ist sie gemeinsam mit dem Industriedesigner Patrick Lindon am Farb- und Materialkonzept für den neuen
Typ A330-300 und den A330-200, die ebenfalls umgerüstet und
modernisiert werden. Ansonsten teilen sich die beiden die Arbeit auf:
Sie konzentriert sich auf die Textilien, er entwickelt die Sitze.
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1_Schal «Hamburg», aus reiner Seide gewoben und mit Kaschmir gefüttert. Kollektion 2007/08.
2_Für einmal im Streifenlook designt ist die Decke aus reiner Lammwolle. 200 x 130cm, Kollektion
2007/08. 3_«Check» und «Stripes» sind die Dessin-Themen der hochwertigen, gewebten
Teppichkollektion für Tisca Tiara, 2007. 4_Der Tischläufer «Florenz» ist zu gleichen Teilen
aus Baumwolle und Leinen gewoben, Kollektion 2006/07. 5_Die Hülle der Gummibettflaschen
besteht aus feinster Lammwolle, Kollektion 2007-2008. 6_Für das renommierte Lucerne Festival
entwarf die Zugerin Foulards und Krawatten für die Ticketverkäufer und Platzanweiser. Lucerne
Festival 2007. 7_Die Seidenkrawatte «Hamburg» enthält die schmutzabweisende Schutzschicht
«cocoontec», Kollektion 2007/08.
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Swiss-Auftrag über Tyler Brûlé
Zum Grossauftrag kam die 39jährige, weil Tyler Brûlé beim Shoppen
in der Zürcher City Seidenkrawatten in die Hände bekam, die ihm auf
Anhieb gefielen. Sie trugen das Logo Caroline Flueler. Der durch die
Lancierung des Trendmagazins Wallpapers international bekannt gewordene Designexperte und Gründer des seit 2007 erscheinenden
Informationsmagazins Monocle war damals, 2002, im Wettbewerb um das
Branding der neuen Schweizer Fluggesellschaft und auf der Suche nach
Designern, die sich um den Look im Innern der Flugzeuge kümmerten.
Auch wenn Caroline Flueler oft am Flughafen Kloten arbeitet, ist ihr
eigentlicher Arbeitsort wesentlich idyllischer: Von ihrem Atelier im
Untergeschoss ihres Elternhauses bietet sich ein herrlicher Ausblick
auf den Zugersee. Hier hat die Laufbahn der Schweizer Designerin
und gelernten Hochbauzeichnerin begonnen. Heute kreiert sie neben
anderem Corporate-Identity-Produkte für namhafte Unternehmen wie
Swisscom, Geberit sowie das Lucerne Festival und führt eine eigene
Mode- und Homeaccessoireskollektion.
1994, eben als Textildesignerin diplomiert, schaffte sich Flueler eine
Siebdruckeinrichtung an, schob im Kellerraum ihres Zuhauses die
Waschmaschine zur Seite und begann mit ihren ersten Entwürfen.
Sie bedruckte Stoffbordüren, nähte sie an Wolldecken und verkaufte
diese mittels Postversand an Freunde und Bekannte. Daneben war
sie teilberuflich in der Textilindustrie tätig, um auf ihrem Fachgebiet
Erfahrungen zu sammeln. Sie arbeitete bei der Teppichfabrik Ruckstuhl,
bei Lantal Textiles, Produzent für Flugzeugtextilien, und bei Stewo,
Spezialistin für Geschenkpapier und Servietten. «Ich bin nicht die
geborene Angestellte und unbequem für manchen Chef», meint sie.
«Als angestellte Designerin ist Denken oft nicht gefragt.»
Ausweitung der eigenen Kollektion
Auf die Wolldecken folgten Foulards, Krawatten, Schals, Socken, Kissenbezüge, Tischwäsche, Geschirrtücher und Bettflaschenhüllen; die
Produkte verkauft sie über Fachgeschäfte und in ihrem eigenen Laden
3Pol in Zug. Für ihre Bettflaschen erhält Flueler in schöner Regelmässigkeit Bestellungen aus dem chicen Wellnesshotel Lanserhof in
Österreich, das unter anderem beliebte Bettflaschenkuren anbietet.
Ihre Textilien sind selbst entworfen, und die Designs werden aus den
hochwertigen Materialien Kaschmir oder Seide umgesetzt. «Kaschmir
ist ein herrliches Material - anschmiegsam und weich», schwärmt die
Textildesignerin. Und Seide sei ohnehin eine Freude für die Sinne:
«die angenehme Haptik und der Glanz machen den Stoff zu etwas
Besonderem; und er ist temperaturregulierend, wärmt im Winter und
wirkt im Sommer angenehm kühl.»
Noch heute fasziniert sie, wie aus einem Faden ein zweidimensionales Objekt entsteht und sich daraus
ein dreidimensionales entwickeln kann - wenn
es etwa als Möbelbezug genutzt wird. Anstelle
der Siebdruckgeräte hat der Computer einen
zentralen Platz im Atelier eingenommen. Die
Entwürfe und die gesamte Entwicklung finden
digital statt. «Heute können Muster
unendlich gross werden und lassen sind dennoch problemlos
produzieren, was mir beim
Entwerfen viel mehr
Freiheit gibt.»
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1, 2, 3_Sitzbezüge und Teppiche der Kollektion «Western» (1) «Asian Pacific» (2), «Middle East»
(3), für Tisca Tiara Mobility Textiles, 2007. 4, 5, 6_Teppiche aus der Kollektion «Check4Stripes»
für Tisca Tiara, 2007. 7_Geschirrtücher der Serie «Florenz» aus einem Baumwoll-Leinen-Gemisch,
Kollektion 2006/07. 8_Gestaltungskonzept der Zuger Familiensiedlung Herti, zusammen mit
dem Produktdesigner Patrick Lindon. Die Bauherrschaft wollte, dass sich die vier Mehrfamilienhäuser optisch voneinander unterschieden. Das Duo setzte dafür drei Gestaltungselemente ein:
Signalfarben, Lichtbänder sowie überdimensionale Hausnummern. 9_Corporate-Identity-Auftrag:
Foulard und Krawatte für Geberit, 2007. 144
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Lineares Muster und intensive Farben
Die Sitzbezüge der Swiss-Langstreckenflotte weisen ein streng lineares Muster auf, indem sich kreuzende Linien Rechtecke und Quadrate
bilden. Diese Karos und Farbüberlagerungen finden sich auch auf den
Swiss-Plaids sowie auf den eigenen Kollektionsteilen wieder. Die Gestalterin setzt diese Formsprache konsequent, jedoch immer wieder
anders ein. Nie wiederholt sich das scheinbar einfache Muster. Diese
fein abgestimmten Proportionen und das durchdachte Flächengewicht
der Farben sind es, die ihre Handschrift auszeichnen. Es sind langlebige, klassisch-elegante Muster. Die Produkte sind fast ausschliesslich
swiss made. Caroline Flueler macht jedoch die Erfahrung, dass es
immer schwieriger wird, in der Schweiz Webereien, Strickereien und
Nähereien zu finden. «Dem enormen Preisdruck aus dem Ausland
können nur noch wenige Schweizer Textilproduzenten standhalten»,
beobachtet sie, «und mit jeder Schliessung geht leider auch Know-how
unwiederbringlich verloren!»
Einmal pro Woche steht sie im Laden 3Pol und verkauft dort neben
ihrer eigenen Kollektion auch Schmuck von André Schweiger und
Systemmöbel von Patrick Lindon. Der Goldschmied und der Industriedesigner bilden die beiden andern Pole von 3Pol. «Eine glückliche
Konstellation», findet die Zugerin. «Der Laden schafft kreative und
spannende Synergien.» So hat Schweiger beim Swiss-Auftrag den
Pilotwing und die Krawattennadeln mitentworfen und Lindon war, wie
erwähnt, für das Sitzdesign zuständig.
Für ein anderes Projekt arbeitete das Trio ebenfalls zusammen. Es
handelt sich um die Gedenkstätte für die Opfer des Attentats im Zuger
Rathaus 2001. «Wir gingen bei diesem heiklen und emotionsgeladenen
Thema sehr behutsam vor», erinnert sich Flueler. Das Ergebnis ist
schlicht und eindrücklich: eine lange, schmale mit einer Gedenkinschrift
versehene Glasplatte, in deren Inneren 14 Leuchten, eine für jedes
der Opfer, Tag und Nacht brennen.
Corporate Identity Accessoires
Seit 2000 ist sie selbständig und realisiert hauptsächlich Kollektionsaufträge oder solche von Firmen, die ihre Corporate Identity mit
edlen Accessoires ausdrücken wollen.
Preise hat Flueler schon mehrere erhalten, den letzten grossen «best carpet 2007» - von Wools of New Zealand für den Teppich
«Check4 Raven aus der Kollektion «Check 4 Stripes». Den Auftrag
erhielt sie von Urs Tischhauser, dem Inhaber des Appenzeller Unternehmens Tisca Tiara. Er wollte frischen Wind in den Look seiner
textilen Bodenbeläge bringen und liess Caroline Flueler dabei freie
Hand. Sie entwarf vier Karo- und vier Streifenmuster in vier Farbwelten. Das Design reduzierte sie aufs Wesentliche und assortierte
die Farben sorgfältig.
Für ein zweites Standbein von Tisca Tiara, die Abteilung Mobility
Textiles, entwickelte sie eine Kollektion, bestehend aus Sitzbezügen
und Teppichen, die in Flugzeugen, Schiffen und Bahnen zum Einsatz
kommen werden. «Da Flugzeuge dauernd um die Welt fliegen, hatte
ich die Idee, verschiedene Weltzonen zu definieren», schildert die stets
konzeptionell denkende Designerin. Entstanden sind drei Kulturkreise:
«Middle East» mit islamischen Ornamenten, «Western» mit europäischen
und «Asian Pacific» mit japanischen und chinesischen Mustern.
Mira, ein indischer Stoffproduzent, der im Fashionbereich international
erfolgreich agiert und nun den Heimtextilbereich anpeilt, stiess 2004
auf Caroline Flueler. Eine Zusammenarbeit war rasch beschlossene
Sache. Die Zugerin reiste nach Delhi, wo sie ein hochmoderner Betrieb
erwartete, in dem aber auch vieles noch von Hand gemacht wurde.
Sie setzte sich zwischen die Maschinen und entwarf am Labtop das
Design von Tisch- und Bettwäsche. Ein
Handweber führte die Idee an Ort und
Stelle gleich auf Mustergrösse aus.
Die Textilien werden heute in den
USA, in Deutschland, Frankreich und
Belgien vertrieben.
Während des Indienaufenthaltes
lernte sie ihren Mann kennen. Mit ihm
und dem gemeinsamen zweijährigen
Sohn Luv lebt sie in einer Wohnung
gleich über dem Atelier. Mit grossartigem Blick auf den Zugersee und
einem Garten vor dem Haus.
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