Palliativmedizin und Sterbehilfe ergänzen sich von

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Palliativmedizin und Sterbehilfe ergänzen sich von
13. Juli 2012
Dialog
Wie viel Schmerz und Leid ein Mensch zu ertragen hat, muss er letztlich selbst bestimmen,
sagt Hans Göschke, ehemals Konsiliararzt der Vereinigung für humanes Sterben
Palliativmedizin und Sterbehilfe ergänzen sich
von Hans Göschke
allbarmherzige Gott, der dem Menschen die
Die Palliativmedizin ist in der Schweiz
Freiheit geschenkt und die Verantwortung für
noch viel zu wenig bekannt. Deshalb ist es
sein Leben zugemutet hat, hat gerade auch
sehr begrüs­senswert, dass der Arzt Lukas Ritz
die palliative Pflege von todkranken Menschen dem sterbenden Menschen die Verantwortung
und Gewissensentscheidung für Art und
im Interview mit der TagesWoche so eindrückZeitpunkt seines Todes überlassen. Eine
lich darstellt (www. tageswoche.ch/+aynzm).
Verantwortung, die weder der Staat noch die
Die Geister scheiden sich jedoch, wenn Herr
Kirche, weder ein Theologe noch ein Arzt dem
Ritz der Sterbehilfe ihre Berechtigung abMenschen abnehmen kann.» Der Sterbespricht und von der Selbstbestimmung des
wunsch eines Menschen sei zu respektieren
Patienten sagt, sie lasse sich «zerpflücken, bis
und dürfe nicht kritisiert werden, so der
sie nichts mehr wert ist». Die SelbstbestimSchweizerische Evangelische Kirchenbund.
mung ist eines der höchsten Güter jeder
Wenn ein Schwerkranker seinen Leidensweg
liberalen Gesellschaft. Um sie auszuhebeln,
bis zum schicksalshaften Ende gehen will, so
müsste Herr Ritz mehr als 200 Jahre europäikann die Palliativmedizin eine grosse Hilfe
scher Geistesgeschichte rückgängig machen.
sein. Wer jedoch darin keinen Sinn mehr sieht
Es ist nicht an uns Ärzten zu entscheiden,
oder durch die Palliativmediwie viel Schmerz und wie viel
zin nicht die erhoffte LindeLeid ein Mensch zu ertragen
Auch die Kirchen
rung erfährt, findet im assishat. Dies ist allein der Enthaben ihre frühere
tierten Suizid die Erlösung von
scheid des autonomen urteilsAblehnung der
seinem Leiden. Palliativmedifähigen Patienten. Dass er
Sterbehilfe
gelockert.
zin und Sterbehilfe sind somit
dabei auch an sein Umfeld
kein Gegensatz. Vielmehr
denkt, ist Teil dieser Autonoverhalten sie sich komplementär, sie ergänzen
mie.
sich gegenseitig. Die Palliativmedizin wurde
Die Suizidbeihilfe wird in der Schweiz von
von Exit intensiv gefördert, etwa mit einem
über 70 Prozent der Bevölkerung bejaht. Das
eigenen Hospiz für Palliativpflege.
zeigen Befragungen und Volksabstimmungen.
Exit umfasst derzeit 63 000 Mitglieder, der
Im Kanton Zürich wurde ein Verbot der
jährliche Mitgliederzuwachs beträgt seit
Suizidbeihilfe von über 85 Prozent der StimJahren rund 10 Prozent. Weniger als ein
menden abgelehnt. Die Schweizerische AkaProzent nehmen die Sterbehilfe tatsächlich in
demie der Medizinischen Wissenschaften
Anspruch. Die Allermeisten sehen in ihrer
überlässt die Entscheidung inzwischen dem
Mitgliedschaft lediglich eine Art der Versichebehandelnden Arzt. Auch die Kirchen haben
rung für den Fall eines unerträglichen Leiihre frühere Ablehnung der Sterbehilfe gelodens.
tageswoche.ch/+ayvhn
ckert. Dazu der Theologe Hans Küng: «Der
Hans Göschke
ist pensionierter
Arzt. Nach dem
Schweizer
Staatsexamen
arbeitete er 20 Jahre
in Spitälern der
Schweiz und der
USA, dann 20 Jahre
in seiner
internistischen
Praxis an der
Steinenvorstadt und
anschliessend drei
Jahre in der
palliativmedizinischen Klinik
Hildegard Hospiz in
Basel. Bis vor Kurzem
war er einer von
35 Konsiliarärzten
der Vereinigung für
humanes Sterben
Exit.
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pirania 1818
«Ein Rheinschwumm ist
ebenfalls gratis, es hat
eine Strömung, man sieht
die ganze Stadt und man
kann sich jederzeit wieder
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TagesWoche 28/29
Esther Staub
«Was habe ich falsch
gemacht, dass die
Pavlova sich einfach
nicht vom Backpapier
trennen wollte?»
Zu «Süsse Pavlova»,
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Leroy Jenkins
«Basel ist im Gegensatz
zum Baselbiet nicht
bankrott. Haltet
Basel frei von Landbewohnerlogik – nein
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Zu «Nun wird die Initiative zur Fusion
der beiden Basel lanciert»,
tageswoche.ch/+aytsr
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