PaderZeitung :: Neues Album von Sarah Connor

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PaderZeitung :: Neues Album von Sarah Connor
PaderZeitung :: Neues Album von Sarah Connor
01/16/17 01:23:52
Neues Album von Sarah Connor
Donnerstag, 02 Juli 2015
Foto: Universal Music
Ungewöhnlich aber gut legt Sarah Connor ein Wahnsinns-Comeback ab. Nach mehrmaligen hören der CD sind die Favoriten Songs schnell klar.
Die aktuelle Single aus ihre Album "Muttersprache" ist "Wie schön Du bist". Wer hätte das gedacht, dass die Sängerin und dreifache Mutter
Lieder in deutsch veröffentlichen wird.
Über Sarah Connor:
Ich kam mit 19 ins Musikgeschäft, wurde auf Anhieb ein "Star" in Deutschland, Europa und sogar ein bisschen in
Amerika, verkaufte über 7 Millionen Platten und habe 2005 meine Hochzeit und drei Monate meines schnellen
Lebens im Rampenlicht im Fernsehen mit einem riesigen Publikum geteilt. Das war die Zeit vor Facebook. Indem
Hunderttausende einen imaginierten "Like"-Button drückten, glaubten sie, über mich schon alles zu wissen. Heute
weiß ich, dass dies meine Warhol schen 15 Minutes of Fame waren - eine geteilte Oberfläche, eine schillernde,
faszinierende Pop-Bubble. Das waren die ersten zehn Jahre meiner Karriere. Tatsächlich habe ich vor fünf Jahren
meinen Plattenvertrag bewusst auslaufen lassen und mich um meine Familie und meine Kinder gekümmert, ich wollte
sie aufwachsen sehen. Zum ersten Mal in zehn Jahren habe ich die Bremse gezogen und durchgeatmet - ein normales
Leben mit normalem Alltag. Ich habe mir eine Auszeit im Privaten genommen, die wenige andere Popstars - der von
mir verehrte Bob Dylan vielleicht ausgenommen - ihrer Karriere je zugemutet haben. In diesen fünf Jahren war ich
indes nicht untätig. Ich habe mein gesamtes künstlerisches Selbstverständnis auf den Prüfstand gestellt. Nur nicht
meinen Gesang, denn ich weiß, dass ich singen kann. Aber dass ich selbst Songs schreiben kann, selbst texten, selbst
produzieren, sogar selbst bestimmen kann, wie, was, wann und wo ich veröffentliche hätte ich mir noch vor wenigen
Jahren niemals zugetraut.
Also habe ich nach Partnern gesucht, die mir dabei helfen, mich selbst musikalisch auszudrücken. Ich habe dabei viele
Menschen kennengelernt, viele verschiedene Musiker. Ich habe überall zugehört, reingehört, mitgemacht, mitmachen
zugelassen, beobachtet, verdaut, meine Schlüsse daraus gezogen. 60 englische Songs sind auf diese Weise zunächst
entstanden. Was mit ihnen passiert, weiß ich noch nicht. Denn zugleich wurde mir plötzlich etwas anderes klar: Ich
muss in meiner Muttersprache singen. Und mehr als das: Ich wollte, dass die echte und aufrichtig ehrliche
Emotionalität meiner Stimme eingefangen wird, dass sie auch auf deutsch endlich mal richtig zur Geltung kommt.
Dafür musste ich lernen, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Dort, wo es richtig wehtut ist es gut. Denn: Wenn man
die eigene Stimme beherrscht, kann man fast alles singen, man kann Emotionen vortäuschen, Gefühle posen. Aber
will ich das? Einzig: Dass es so schwer sein würde, Songs zu schreiben, die diesem Anspruch standhalten, hätte ich
nicht für möglich gehalten.
An meinem neuen Album habe ich die letzten fünf Jahre gearbeitet, da ich darauf bestanden habe, auch die Jobs selbst
zu machen, für die man normalerweise jemanden engagiert. Einfach und allein aus dem Grund, weil ich niemanden
gefunden habe, der es mir so richtig Recht machen konnte. Ich wollte meine Songs nicht in fremde Verantwortung
übergeben, habe "alles so gewollt, den ganzen Terror und das Gold". Juliette Gréco nennt es die "école du trottoir", die
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Schule der Straße, bei mir müsste man wohl von der "école du studio" sprechen: In den letzten fünf Jahren habe ich in
Studios in Deutschland, in England und in Amerika mein praktisches Musikstudium nachgeholt, auf eigene Faust. Ich
habe mich meiner eigenen Vorstellung von Musik, von Gesang, von eigenen Texten gewidmet und mir alle Zeit der
Welt genommen, die meine Songs von mir gefordert haben. Anfang letzten Jahres hat mich eine Freundin Peter Plate,
Ulf Sommer und Daniel Faust vorgestellt - das waren in ihrem "vorigen Leben" Rosenstolz. Und plötzlich waren da
Menschen mit einem extrem feinfühligen Händchen. Ganz behutsam, mit viel Spaß und sanfter Bestimmtheit, haben
sie mich ermutigt, meinen Instinkten zu folgen, haben sich auf mich und meine eigenwillige Art zu texten und zu
komponieren eingelassen und wurden innerhalb von ein paar Monaten meine wichtigste Reflexionsfläche. Ohne ihre
Liebe und Freundschaft und ihr Talent wäre dieses Album ein völlig anderes geworden.
Auf der Suche nach meiner eigenen Sprache habe ich übrigens wenige deutsche musikalische Vorbilder vorzuweisen.
Es hat mich einfach nie umgeben. Ich bin mit Soul und Jazz aufgewachsen und habe bis heute leider keine deutsche
Lieblingsband, die mich so richtig erreicht. Aber ich bin offen und interessiert daran, wie Künstler, egal ob deutsch
oder englischsprachig, etwas kreieren, das viele andere genau ins Herz trifft. Ich danke Künstlern wie Bob Dylan,
Leonard Cohen, Joni Mitchell, die ich abgöttisch verehre ebenso wie India Arie! Aber auch jüngeren Künstlern wie
Macklemore, Sia, Lorde, Adele und London Grammar, die ich alle studiert und analysiert habe und deren Musik mir
so viel Freude bereitet hat. Ich bin heute überzeugt, dass all die großen Songschreiber ihre Songs aus demselben
Beweggrund geschrieben haben: Sie haben genau hingesehen, sie haben ein dringliches Anliegen, sie haben sich
damit auseinander gesetzt und dann ihrer Sprache vertraut. Den Anfang markierten bei mir meistens auf der
akustischen Gitarre geschlagene Akkorde oder ein Klavier. Wenn ich oder auch meine jeweiligen Partner das Gefühl
hatten, dass die Akkorde passten, haben wir darüber Melodien gesungen, in Fantasiesprache. Ich habe im Laufe dieses
Prozesses sogar gelernt ein bisschen Gitarre zu spielen. Am Ende zogen wir uns dann zurück, um zu texten. Das
dauerte am längsten, da ich eben ganz genaue Vorstellungen habe, wann etwas nach mir klingt.
Ich habe mich dabei zeitweise ein wenig entfernt vom typischen Soul von Aretha Franklin und Nat King Cole und
Marvin Gaye - der Musik, mit der ich aufgewachsen bin - und angefangen minimalistisch arrangierte Songs zu
schreiben, die meiner Art zu Singen entsprechen, die meine Reime und Melodien gut vertragen. Denn das ist genau
die Herausforderung: Musik und Text müssen ineinander aufgehen, die eigene Sprache muss singbar gemacht werden,
damit meine Songs funktionieren. Und: Die Produktion darf die Stimme nicht erschlagen. Ich suche im Studio immer
nach der Essenz dessen, was ich ausdrücken will. Ich will nicht sperrig sein, aber auch nicht zu leicht, ich will
zugleich unterhalten, aber vor allem will ich ehrlich bleiben. Textlich und musikalisch. Und das dauert. Für mich fühlt
sich das an wie eine Wissenschaft. Und es erklärt, weshalb mein neues Album fünf Jahre gebraucht hat, und warum
ich es in meiner Muttersprache eingesungen habe.
Jetzt entlasse ich dieses Album, diese Sammlung von Songs, in die Welt, wo es ein Eigenleben führen wird. Es fühlt
sich so an, als wäre ein Kind erwachsen geworden.
Sarah Connor
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