Nr. 05/2012 (pdf 3,0 MB) - Arbeitskreis Orangerien in Deutschland e.V.

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Nr. 05/2012 (pdf 3,0 MB) - Arbeitskreis Orangerien in Deutschland e.V.
Nr. 5/2012
Editorial
Seit der letzten Ausgabe unserer Zitrusblätter hat uns das Pech verfolgt. Zunächst traf es mich persönlich, so dass
ich fast ein halbes Jahr ausfiel, dann ließ
uns die Elektronik im Stich. Nun werden
unsere Zitrusblätter nicht mehr per EMail versandt, sondern der Zugang erfolgt über unsere „Homepage“ als
Download. Unsere Datenmengen waren
mittlerweile so groß geworden, dass der
alte Versand versagt hat. Wir bitten um
Entschuldigung und danken für Ihr
Verständnis.
Parallel zum entstandenen Datenstau kam
auch noch die Sonderbelastung unserer
Geschäftsstelle durch die Neuentwicklung unserer Internet-Präsentation. Sie ist
zwar noch immer im Aufbau, aber schon
freigeschaltet. Es war eine schwere Geburt! Doch das Kind ist außerordentlich
schön geraten: www.orangeriekultur.de.
Nun blicken wir auf die TschechienExkursion und die Jahrestagung in Wien
voraus. Frau Dr. Gröschel hat neben ihrer
mustergültigen Redaktionsarbeit einen
lesenswerten Artikel über kalifornische
Zitrus beigesteuert. Ihr und allen
fleißigen Kräften mein herzlicher Dank!
An Sie, sehr geehrte Leser, geht nochmals die Bitte: Teilen Sie unserer Redaktion Termine, Ereignisse und Personalien mit. Wir sind auf diese Zuarbeit
angewiesen. Lassen Sie uns Mitteilungen
über Publikationen zukommen, vielleicht
auch dann, wenn nur eine Anzeige
möglich ist. Alle wünschen sich doch
mehr Kommunikation! Also bringen Sie
sich bitte mit ein!
Ihr
Prof. Dr. Helmut-Eberhard Paulus
Von Wien nach Kalifornien
Ein Bericht über Zitruskultur im Golden State
„Know’st thou the land where trees bloom,
Where the gold orange glows in the deep thicket’s gloom,
Where a wind ever soft from the blue heavens blows,
And the groves are of miro and nikau and rose? California“
(B.M. Lelong, 1888)
Dank einer Einladung der University of California in Davis haben wir die
Chance, als Familie gemeinsam ein fünfmonatiges Sabbatical in Kalifornien
verbringen zu können. Mit Kalifornien assoziieren die meisten eher Strand,
Palmen und tausendjährige Redwoods in den Nationalparks. Dass Kalifornien
jedoch nach Florida das Zitrusanbaugebiet in den USA ist, ist weniger bekannt.
Als wir Anfang Februar aus dem tiefgefrorenen Europa kamen, hatten wir
nicht nur wegen der frühsommerlichen Temperaturen das Gefühl im Garten
Eden angekommen zu sein. Bereits in San Francisco begrüßten uns Palmen,
bei einem ersten Rundgang durch Davis am nächsten Tag sahen wir überall in
den Gärten dicht mit Früchten behangene Zitrusbäume und in der Food Coop
gab es Zitrus in über 20 verschiedenen Sorten in Bioqualität.
Mit der Zeit stellten wir fest, dass einerseits die Zitrusbäume in den Privatgärten zum Teil fast als Last angesehen und oft gar nicht abgeerntet werden,
andererseits werden in der Küche viele Zitrusfrüchte verwendet und die in
Europa fast sagenumwobene Meyer-Lemon hat auch hier einen sehr hohen
Stellenwert. So war es auch ein besonderer Festtag, als unser jüngerer Sohn von
einer seiner Lehrerinnen eine Riesenzitrone geschenkt bekam, aus der wir
mehrere Tage lang Nachspeisen, Salatsaucen und Limonade gemacht haben.
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Unseren Bedarf an frischem Obst haben wir immer wieder bei einem
Bauern mit frisch geernteten Navelorangen gedeckt, die wir im 50 Pfund
Sack gekauft haben. Ende März, nachdem die Bäume in Davis weitestgehend abgeerntet waren, setzte die Zitrusblüte ein. Bei unseren täglichen
Wegen mit dem Rad durch die Stadt hatten wir das schöne Gefühl, in
einer nicht enden wollenden Wolke aus Zitrusblütenduft zu stecken.
Doch neben diesem persönlichen Genuss stellte sich die Frage, wie und
wann sind die Zitrus nach Kalifornien gekommen, wie funktioniert heute
der kommerzielle Anbau?
Die spanischen Eroberer
Auf seiner zweiten Amerikareise von 1493-1496 hatte Christoph
Columbus Samen von in Spanien kultivierten Pflanzen mitgenommen, mit
dem Ziel, diese Pflanzen in den neuen Kolonien einzuführen. Darunter
befanden sich auch Samen von süßen und bitteren Orangen, Zitronatzitronen und Limonen. Schnell entstanden auf den Inseln der Karibik und
in Mittelamerika Zitrusplantagen.
Samuel Tolkowsky beschreibt in seinem 1938 erschienenen Hesperides, dass
die englischen Siedler in Florida verwilderte süße und bittere Orangen
gefunden haben, die durch die ersten spanischen Siedler Anfang des 16.
Jahrhunderts importiert worden seien und vermutet, dass auch in
Kalifornien bereits sehr früh einzelne Zitrus gepflanzt worden seien.
Sicher nachweisbar sind Orangenbäume jedoch erst im Jahr 1769, als die
erste spanische Mission von franziskanischen Mönchen in Alta California
in San Diego in Alcalá gegründet wurde. Die Missionen waren darauf
angewiesen, autark zu leben und so befanden sich auf ihrem Gelände
Obst- und Gemüsegärten. In der Folge wurden bis 1823 entlang des „El
Camino Real“ weitere 20 Missionen gegründet und gleichzeitig
Zitrusbäume allmählich nach Norden gebracht.
Erste Plantagen
Die erste Orangenplantage pflanzten die Franziskaner 1803/04 bei der
1771 gegründeten Mission San Gabriel Arcángel in der Nähe von
Pasadena. Bis zur Säkularisation der Missionen im Jahr 1833 gab es
außerhalb der Missionen keine Zitrusplantagen. Aber auch danach
entstanden nur wenige Plantagen. Kalifornien war in den 1830er und
1840er Jahren nur dünn besiedelt und die aus dem Osten kommenden
Siedler bauten eher Weizen oder andere Agrarprodukte an, die ihnen
vertraut waren.
Eine der wenigen Ausnahmen war William Wolfskill, der aus der
ehemaligen Mission San Gabriel im Jahr 1841 Sämlinge bekommen hatte
und diese in einem Obstgarten in Los Angeles kultivierte. Wolfskill
vergrößerte allmählich den Obstgarten in eine Plantage, baute sich einem
Absatzmarkt auf und konnte 1877 eine erste Wagenladung mit Orangen
nach Osten verschicken. Das U.S. Department of Agriculture (USDA)
berichtete 1867 von 15.000 Orangen- und 2.300 Zitronenbäume in Los
Angeles und Umgebung.
Der im Jahr 1848 einsetzende Goldrausch brachte in den kommenden
Jahren eine große Zahl an Glückssuchern aus der ganzen Welt nach
Kalifornien. Die rasch versiegenden Goldquellen führten dazu, dass sich
die Neuankömmlinge andere Einkommensquellen suchen mussten. Ab
der Mitte der 1850er Jahre entstanden nun vom Klima begünstigt Obstund Gemüseplantagen, darunter auch einige wenige Zitrusplantagen.
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Das kalifornische Gold
Der zweite kalifornische Goldrausch, das Orangenfieber, setzte in den 1870er Jahre ein. Der Ertrag von einem Acre (1
acre = 4 046 m²) Orangen erzielte mittlerweile in San Francisco 1000 Dollar und die wenigen Plantagen konnten nicht
mehr die stark gestiegene Nachfrage in Kalifornien decken.
Eng verbunden war die Vergrößerung der Anbauflächen mit der Southern Pacific Company (SP), die 1865 als
Grundbesitzgesellschaft gegründet worden war, das Eisenbahnnetz in den südlichen Staaten der USA errichtet sowie bei
der Besiedlung und Erschließung Kaliforniens eine wichtige Rolle gespielt hatte. Mit der Eisenbahn war es möglich,
neue Absatzmärkte zu erschließen und die Ernte in den Osten der USA zu transportieren. Gleichzeitig nutzte die SP die
Zitrusplantagen Kaliforniens intensiv für Werbezwecke. So verbreitete sie eine Werbeschrift mit dem Titel „California,
Cornucopia of the World“, und als 1890 der Weizenmarkt zusammenbrach, unterstütze die SP den Zitrusanbau als
Alternative für die Bauern. Als positiver Nebeneffekt lockte die Kombination von goldenen Orangen und ewigem
Sommer nun auch Touristen aus dem Osten an und sicherte damit zusätzliche Einnahmen für die SP als
Reiseunternehmen.
In Südkalifornien stieg die Anbaufläche rasant an. 1882 existierten in dem 60 Meilen östlich von Los Angeles gelegenen
Riverside, das sich zu einem der Zitrusanbauzentren entwickeln sollte, bereits 200.000 Zitrusbäume. Gleichzeitig
experimentierten die Zitruserzeuger mit vielen unterschiedlichen Sorten auf der Suche nach der idealen Tafelorange.
Mittlerweile hatte auch die Regierung die Bedeutung des Zitrusanbaus erkannt. Das „State Board of Horticulture of the
State California“ hatte in den 1880er Jahren begonnen, das Wissen über Sorten und Anbau zusammenzufassen und in
Publikationen den Zitruserzeugern zur Verfügung zu stellen. In einer der ersten Publikationen aus dem Jahr 1888
werden bereits über 100 Arten und Sorten sowie ihre Eignung für den Anbau in Kalifornien beschrieben. Die große
Vielfalt der Arten und Sorten sollte jedoch nicht bestehen bleiben.
Washington Navel
1873 hatte die Siedlerfamilie Tibbet in Riverside von ihrem ehemaligen Nachbarn in Washington D.C. William O.
Saunders, Superintendent of Gardens and Grounds beim USDA, drei Sämlinge einer Navelorange bekommen, die sie in
ihren Garten in Riverside pflanzten. Wegen ihrer Herkunft nannten sie die Bäume „Washington Navel“. Ursprünglich
stammte diese Sorte aus Bahia, Brasilien. Die Früchte zeichneten sich durch Kernlosigkeit und eine angenehme Süße
aus. Eliza Tibbet stellte die Früchte ihrer Bäume erstmals bei der Citrus Fair 1881 in Riverside aus. Aufgrund der guten
Speisequalität und der hervorragenden Transportfähigkeit setzte sich diese Sorte weitgehend auf dem Markt durch.
Heute sind ca. 3/4 der angebauten Orangen in Kalifornien Washington Navel und 1/4 Valencia. Das Anbaugebiet der
Navel befindet sich überwiegend im Landesinneren, da sie zur Reife die großen Unterschiede zwischen Tag- und Nachttemperaturen benötigen. Valencia wird weitestgehend im näheren Küstenbereich angebaut. Limonen werden vor allem
rund um Santa Barbara kultiviert.
Anbaugenossenschaften
Probleme bei der Kultivierung von Zitruspflanzen und dem Verkauf der Früchte, vor allem aber die Praxis der
Zwischenhändler, die Erzeuger erst nach dem Verkauf der Früchte zu bezahlen, führten bereits in den späten 1880er
Jahren zum Zusammenschluss von einzelnen Zitrusbauern in Form von Kooperativen. Ziel war es, die Früchte
gemeinsam zu verkaufen und die Kosten für Verpackung und Transport zu teilen. 1885 wurde in Riverside die „Orange
Growers Protective Union“ gegründet. Die Ernte der Genossenschaftsmitglieder wurde an ein Packinghouse verkauft,
in dem die Früchte gewaschen, nach Größe sortiert und zum Transport in Holzkisten verpackt wurden. Verkauft
wurden die Früchte jedoch unter dem Label der Anbaugenossenschaft. Vom Packinghouse wurden die Früchte an
Zwischenhändler bzw. Konsumenten geliefert. In der Folge gründeten sich zahlreiche Kooperativen in ganz
Kalifornien, die sich 1905 als „California Fruit Growers Exchange“ mit 5.000 Genossenschaftsmitgliedern (45 % der
kalifornischen Betriebe) zusammenschlossen. Ab 1908 wurde ein Teil der Ernte dieser Genossenschaft unter dem
Namen „Sunkist“ vermarket.
Forschung
Parallel zur rasanten Vergrößerung der Anbauflächen wurde die Forschung ausgebaut. 1890 wurde in Pomona, einer
Kleinstadt östlich von Los Angeles eine Forschungsstation eingerichtet, in der auf 2 acre 28 Sorten kultiviert wurden.
Die Fläche wurde sehr schnell zu klein und aufgrund der Lobbyarbeit der sehr aktiven Zitruskooperative in Riverside
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eröffnete das USDA 1906 in Riverside die Citrus Experimentation Station. Seit 1910 ist die Citrus Variety Collection in
Riverside beheimatet, in deren Sammlung sich heute über 1000 verschiedene Varietäten befinden. 1959 ging aus diesem
Institut die University of California Riverside hervor. Neben dem Pflanzenschutz und dem Sortenerhalt ist die
Züchtung neuer Sorten eine der wichtigsten Aufgaben des Institutes.
Anbau heute
Die heutigen Anbaugebiete befinden sich vor allem im süd-östlichen Central Valley, rund um Riverside, im Orange
County und ein kleines Gebiet rund um Sacramento. Die Anbaugenossenschaft Sunkist, die sich heute auf die Bundesstaaten Arizona und Kalifornien erstreckt, verkauft etwa 75 % der kalifornischen Ernte. Das System der Packinghouses
besteht bis heute. Laut dem National Agricultural Statistics Service des USDA wurden in Kalifornien 2010 folgende
Flächen nach Arten bzw. Sorten unterschieden angebaut: Grapefruit 8.929 acres, Limonen 44.477 acres, Limetten 473
acres, Washington Navel 134.906 acres, Valencia 42.540 acres, Pomelos und Hybriden 1.579 acres, Mandarinen und
Hybriden 38.826 acres. In den letzten Jahren wuchsen die Anbauflächen nur gering. Lediglich die Flächen von
Mandarinen und deren Hybriden stiegen deutlich an. Pro Saison werden etwa 3,2 Millionen Tonnen Orangen geerntet,
die einen Marktwert von etwa 587 Mill. Dollar haben. Bis heute werden Zitrusfrüchte in Kalifornien nur per Hand
geerntet. Finanzierbar ist dies nur aufgrund der geringen Löhne der überwiegend mexikanischen Erntearbeiter.
Zitrusmuseum in Riverside
An die Geschichte und wirtschaftliche Bedeutung des Zitrusanbaus wird seit einigen Jahren im California Citrus State
Historic Park in Riverside erinnert. Auf dem 377 acre großen Gelände, das zur Verwaltung der California State Parks
gehört, werden auf ca. 10 acre historische Sorten aus dem Sortenarchiv der UC Riverside angebaut, der Rest der Fläche
dient zum kommerziellen Anbau von Orangen. Im Visitor Center werden die Besucher mit historischen Geräten und
zahlreichen Exponaten zu Anbau, Ernte und Weiterverarbeitung in die allgemeine Geschichte und Herkunft der
Zitruspflanzen sowie ihrer Kultivierung in Kalifornien eingeführt.
Die goldenen Äpfel Kaliforniens
Das angenehme Klima und die fruchtbaren
Böden Kaliforniens ließen den westlichen
Sonnenstaat als Garten Eden erscheinen. Der
kommerzielle Zitrusanbau wurde rasch durch
eine an die antike Mythologie angelehnte Symbolik nobilitiert. Neu gegründete Orte wurden
Pomona oder Hercules genannt. In zeitgenössischen Artikeln in Tageszeitungen und
Magazinen wurden die Zitruserzeuger mit
Herkules, Orangen mit den goldenen Äpfeln
und Kalifornien mit dem Paradies verglichen.
Sogar in offiziellen Regierungspublikationen
wurde diese Symbolik verwendet, wie in der
an Goethes „Lied der Mignon“ angelehnten
Huldigung Kaliforniens, die Lelong 1888 als
Vorsatz für A Treatise on Citrus Culture in
California verwendete (s. o.). Es gab jedoch auch realistische Stimmen, wie Thomas Garey, der 1882 in Orange Culture in
California davor warnte, dass die Kultivierung von Orangen nicht nur „poetry and romance“ sei.
Diese Symbolik wird bis heute bedient. Auf einem aktuellen Wandbild in der Bundeshauptstadt Sacramento ist Pomona,
in die amerikanische Flagge gehüllt, zu sehen. Sie hat den Vorhang vor Kalifornien aufgezogen, zu erkennen durch das
Weiße Haus von Sacramento, gerahmt von einem Orangenast und umgeben von kalifornischer Landschaft, bestehend
aus Orangenplantagen, Gemüsefeldern sowie „unberührter Natur“ in Form der schneebedeckten Sierra Nevada, der
grünen Pacific Coast Ranges und fischreicher Gewässer. Es scheint so, dass bis heute der Wohlstand des Bundesstaates
von den goldenen Früchten abhänge.
Claudia Gröschel
(Alle Fotos: Verf. 2012.)
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Die ehemalige Orangerie des Klosters Prüfening bei Regensburg
Als die lokale Regensburger Presse im Dezember des Jahres 2011 die Sanierung des Orangeriegebäudes von Prüfening
als großen Sanierungserfolg feierte, war dort alles, was eine Orangerie prägt, auf der Strecke geblieben. Wenn
Denkmalsanierung in erster Linie der Wahrung des äußeren Scheins dienen soll, wenn sie sich zum Experimentierfeld
hergibt, dann sollte man sich nicht wundern, dass individuelle Denkmalwerte im Lauf der Sanierung verloren gehen.
Übrig bleibt eine aparte Hülle, doch ihrer Geschichte entledigt und aller Spuren ihrer ursprünglichen Funktion beraubt.
So nennt sich das heutige bauliche Relikt der einstigen Orangerieanlage des altehrwürdigen Klosters Prüfening bei
Regensburg zwar noch „Orangerie“, doch mit Funktion und Wesen einer Orangerieanlage hat diese Präsentation
allermodernster Glasflächen als ästhetisierendes Architekturspektakel nichts zu tun.
Zweifellos war das ältere Sanierungskonzept bis 2009, mit dem dieses Gebäude als Gärtnerei betrieben werden sollte,
die bessere Lösung. Diese Konzeption hätte die Tradition der Orangerie in einer neuzeitlichen Variante fortgeführt,
eben als einen Ort der Begegnung von Menschen mit Pflanzenkultur, als einen Ort der anspruchsvollsten Kultivierung
überhaupt, nämlich der Kultivierung von Natur durch Menschenhand. Für dieses Sanierungsziel gab es ein gutes
Konzept und eine gültige Baugenehmigung. Dass die Umsetzung dieses Konzeptes in Verfolgung starker Interessen
abgebogen wurde, darüber will in Regensburg niemand sprechen, zu groß ist der Einfluss der interessenbezogenen
Kreise hinter den Kulissen.
Auch die neue Nutzung - ein Kindergarten - ist ohne Zweifel eine sehr ehrenwerte und im Blick auf die drängenden
Bedürfnisse unserer Zeit eine nur zu gut verständliche. Doch sie befindet sich hier leider im völlig falschen Gebäude.
Wer von der Funktionsweise einer Orangerie auch nur geringste Ahnung hat, musste erkennen, dass die neue Nutzung
auf den Bestand nicht adaptierbar war, auch die Unterbringung eines „Kinderhauses“ in einem „Pflanzenhaus“ in letzter
Konsequenz pädagogisch problematisch werden musste. So konnte mit dem neuen Nutzungskonzept vom alten
Denkmal weder substantiell noch inhaltlich etwas übrig bleiben. Begleitende Kommentare bestätigen dies: Der
zuständige Bürgermeister bezeichnete das historische Gebäude wörtlich „als Bruchbude“, der Architekt sah in ihm nur
ein „Gewächshaus“. Weder dem einen noch dem anderen war bewusst, was eine Orangerie ist. Man könnte dies schlicht
als Bildungslücke abtun, wenn es denn nicht den Versuch unseres „Arbeitskreises Orangerien in Deutschland“ gegeben
hätte, hier mit sanfter Aufklärung und sachlicher Beratung noch etwas zu retten und diese Initiative nicht von der
Eigentümerseite gezielt sabotiert worden wäre. Der Architekt selbst formulierte das Problem sachlich als
„Nutzungskonflikt zwischen Gewächshaus und Kinderhaus“ und charakterisierte im Nachhinein die Installation
neuartiger modernster Hochtechnologie in das alte Gebäude als denkmalpflegerisch sehr „mutig“.
So wurde der Konflikt nicht durch die Erhaltung des Erhaltenswerten, sondern faktisch dadurch gelöst, dass man die
Substanz des Bauwerks ungeschützt den Zeiten aussetzte, bis alle dem neuen Projekt im Wege stehenden Teile von
selbst in sich zusammenbrachen. Konfliktlösung durch unterlassene Hilfeleistung nennt man das. So konnte das
Kinderhausprojekt eine gegenüber dem alten Bestand völlig veränderte Raumdisposition anstreben. Die noch erhaltenen
Pflanzensäle seitlich des Mittelpavillons mussten laut Bekenntnis des Architekten „in viele kleine Räume zerteilt
werden“. Die beiden historischen Heizräume im rückwärtigen Teil der Anlage, der eine aus der barocken Phase
(Heizkammer I) und der andere aus der klassizistischen Phase (Heizkammer II), beide komplett erhalten, wurden bis auf
Mauerstümpfe und Schornsteinreste beseitigt. Die historischen Niveaus wurden verändert, weil im Westen des
Gebäudes ein Personal-WC, das durchaus in die wertvolle alte Struktur gepasst hätte, um ganze 90 Zentimeter
westlicher liegen sollte. Im Osten stand die historische Heizkammer II einem Teil der Garderobe im Wege, obwohl
diese auch in die gegebenen Strukturen hätte eingefügt werden können. Nach Bekunden des Architekten „konnten
zahlreiche Wandmalereien nicht gehalten werden“. Diese befanden sich in mehreren historischen Schichten in den
Pflanzensälen und dem leicht aus der Mitte in östlicher Richtung versetzten zentralen Pavillon, der im frühen 19.
Jahrhundert in die einst barocke Substanz des Orangeriegebäudes eingefügt worden war.
Dies alles ist umso bedauerlicher, als die Orangerie von Prüfening doch eine äußerst interessante Geschichte aufweisen
kann, die den dort verweilenden Kindern ein sehr kreatives Verhältnis des Menschen zur Natur vermittelt hätte.
Orangeriekultur hätte für diesen Ort einen authentischen pädagogischen Auftrag darstellen können. Die vom
Kindergarten in Anspruch genommene Maria Montessori hätte da sicher auch auf Seiten der Orangeriefreunde
gestanden.
Auch wenn das Orangeriegebäude im 1701 entstandenen, bis 1726 publizierten Präsentationsprospekt Michael Wenings
von Kloster Prüfening nicht verzeichnet ist, so muss es im 18. Jahrhundert schon bestanden haben. Allerdings handelte
es sich nicht um eine der großen repräsentativen Orangerien des Barock, was wohl auch die Ursache dafür war, dass ihre
Darstellung immer vernachlässigt wurde, so auch im Lageplan von Johann Evangelist Kaindl um 1803. Gartenkultur
wurde von jeher schlecht überliefert. So gibt es auch keinen Hinweis auf einen repräsentativen Orangeriegarten oder ein
gesondertes Parterre im Bereich des Prälatengartens. Vielmehr waren die Orangeriekulturen wohl Bestandteil des
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Klostergartens und auch das Winterungsgebäude in den Inventaren unter dem Begriff „Garten“ abgehandelt. Das
Orangeriegebäude war ein relativ schlichtes Haus, das der Klostermauer südseitig angebaut war. Von dieser verdeckt,
bot es für die in Prüfening gerne gewählte Kavaliersperspektive keinen nennenswerten Bildgegenstand.
Doch die Befunde vor Ort sprachen eine andere Sprache: Mindestens drei eigenständige Bauphasen vor der jüngsten
Bauphase unter der Familie Vrints-Berberich weisen auf eine frühere um das Jahr 1800 und sogar auf eine des 18.
Jahrhunderts. Noch 2010 enthielt das Gebäude im rückwärtigen Teil einen durchgehenden Heizgang mit zwei
Heizkammern. In Gestalt einer Kanalheizung, einer Variante der Hypokaustenheizung, wurde von dort der Rauch nicht
direkt in den Schornstein geleitet, sondern über Heizkanäle, die im Boden der Pflanzensäle in Windungen verzogen
waren, geleitet. Die beiden Schornsteine in den Seitenfronten des Gebäudes zählen zu den wenigen erhalten gebliebenen
Dokumenten im heutigen Bestand. Wie die veränderte Dachkonstruktion erweist, wölbte sich auch beim Vorgängerbau
über die beiden Pflanzensäle eine hölzerne Sonnenfangkonstruktion, die mit einem so genannten Schwanenhals über die
Fassadenfront hinaus ein die Verglasung überspannendes Vordach bildete.
Selbst die traurigen Reste des Verfalls konnten noch 2011 erweisen, dass in nachbarocker Zeit zweimal ein
entscheidender Umbau des Orangeriegebäudes erfolgte. Er bestand darin, dass aus dem Orangeriehaus des Barock möglicherweise einer einfachen Winterung - ein klassizistisches Lusthaus mit seitlichen Glashäusern wurde. Diese
Befundlage widerspricht der bisherigen Vermutung, dass die Orangerie 1803 „völlig neu“ entstanden sei. So nahm der
um 1800 eingefügte Pavillon nicht ganz die Mitte der barocken Anlage ein. Er nutzte offenbar die unmittelbare
Nachbarschaft der älteren östlichen Heizkammer, vielleicht um den kleinen Gartensaal in diesem Pavillon bei Bedarf
temperieren zu können.
Nochmal im 19. Jahrhundert - wohl zu Zeiten der Familie Vrints-Berberich - wurde der Saal umgebaut und nach
Befundlage wohl auch erweitert. Der Saal erhielt ganz im klassizistischen Anspruch eine rückwärtige Rundnische und
eine klassizistische Farbfassung. In der Fassade erhielt der Pavillon eine dreiteilige Fenstertürenanlage und einen
dezenten, auf die Mittelachse beschränkten Dreiecksgiebel, eine Instrumentation, die den Stil Emanuel Josephs von
Herigoyen erkennen lässt. Das neue Dachgesims des Mittelpavillons wurde offenbar auch zum Maßstab für die Höhe
der beiden Pflanzensäle links und rechts, die im Inneren einen gewölbten, nun deutlich tiefer gesetzten Sonnenfang
erhielten, ferner eine neue verglaste Fassade, die das Dachgesims des Mittelpavillons aufnahm und fortführte. Im
Giebelfeld hatten sich bis kurz vor der Sanierung die Initialen „VB“ unter den Dreiecksgiebeln des Mittelpavillons
erhalten. Sie sind ein deutlicher Beleg für die Durchführung des letzten großen Umbaus jenseits der Pflanzensäle
zwischen 1803 und 1811. Denn 1811 endet der dauernde Aufenthalt des Barons Vrints-Berberich in Regensburg.
Die interessanteste Veränderung fand damals wohl in den Pflanzensälen statt. Es ist die Veränderung des Heizsystems.
Möglicherweise veranlasste sie auch die relativ kurzfristig aufeinander folgenden Umbauten im 19. Jahrhundert. Leider
lassen sich diese Änderungen nur noch anhand von Indizien nachvollziehen, da die Eigentümerseite eine
Dokumentation der Befunde durch den Autor nicht zuließ. Als es gelang, mit Unterstützung des Bayerischen
Landesamts für Denkmalpflege die Heizstellenbereiche zu fotografieren, waren diese bereits weitgehend zubetoniert
bzw. abgetragen. Die im Vorfeld der Baumaßnahme erstellte Voruntersuchung von Lena Stocker von 2009 bis 2010
geht auf diese Befunde nicht ein, sondern widmet sich überwiegend den Farbfassungen an den Wänden. Die
archäologische Baubegleitung hat die Heizkanäle im Boden und ihre Anschlüsse an den Wänden in ihrer historischen
Dimension nicht erkannt und daher undokumentiert einer Abbaggerung und Betonierung freigegeben.
Das Interessante an der Prüfeninger Orangerie ist der Wechsel der Heizsysteme in ein und demselben Objekt. Im
Bereich der Heizkammer I war in Rudimenten noch das ältere System der Rauchkanalheizung nachvollziehbar. An der
Nordwand, im Bereich des rückwärtigen Heizgangs, befand sich die Feuerstelle. Von der Heizkammer zog sich der zum
Heizkanal verlängerte Fuchs durch den Fußboden, um schließlich in der Südwestecke des Gebäudes in einem
Schornstein zu münden. Über die Wärmeabstrahlung des Rauchkanals konnte der Pflanzensaal temperiert werden. Über
die Abdeckung des Rauchkanals und die Gestalt des Kanalanschlusses an den Schornstein können aufgrund der
genannten Behinderungen keine Angaben im Detail gemacht werden. Möglicherweise wären die Befunde aber auch von
der jüngeren Bauphase überlagert gewesen.
Über die jüngere Phase gab der Bereich um die Heizkammer II Auskunft. Hier stellte sich die Frage, ob es sich wieder
um eine „einfache“ Rauchkanalheizung handelte oder um die gerade um 1800 entwickelte und zunehmend in
Anwendung gelangende Rauchröhrenheizung, eine „verbesserte“ Rauchkanalheizung, die statt des einfachen, direkt
abstrahlenden Rauchkanals über einen gesonderten, in den Warmluftschacht gesetzten Kanal verfügte. Von rauchfreier
Luft umstrichen erwärmte der Rauchkanal den Raum. Der Schacht wurde von Eisenplatten bedeckt, die in diesem Fall
Löcher aufwiesen.
Von entscheidender Bedeutung für die Identifizierung dieses Systems ist die Gestaltung des Fuchses als Tonröhre, die in
den Kanalschacht einmündet. Eine Untersuchung an Heizkammer II in dieser Richtung musste aus den genannten
Gründen unterbleiben. Die tiefer liegende Heizstelle, erkenntlich an den hinabführenden Treppen in den Heizkammern,
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deutet aber darauf hin, dass es sich jedenfalls nicht um eine Luftheizung, sondern um eine um 1790/1820 gängige
Rauchgasheizung gehandelt hat. Der tiefer liegende Wolf in Verbindung mit Funden und Befunden der eingesetzten
Tonröhren hätte möglicherweise ein frühes Beispiel der verbesserten Rauchkanalheizung in Regensburg nachweisen
können. Im Zusammenhang mit der Familie Vrints-Berberich und Emanuel Joseph von Herigoyen wäre dies eine echte
Bereicherung. Doch nun bleibt diese für die Zeit um 1800 entscheidende Frage unbeantwortet.
Immerhin lassen sich die wenigen Funde und Befunde in einen historischen Zusammenhang stellen. Mit der
Säkularisation des Klosters Prüfening gelangten dessen Anlagen 1803 an die Familie Vrints-Berberich, die sie als
Adelssitz und Landgut nutzten. Die Umwandlung der einstigen Kloster-Orangerie in ein klassizistisches Lusthaus mit
Pflanzenhaus unter dieser Ägide offenbart höchst eindrucksvoll, wie nicht nur Stilwandel und Mode des veränderten
Wohnens einen Wandel der Bauten beeinflussten, sondern auch der Wandel von Technik und Pflanzenkultivierung. Die
Orangerie Prüfening hätte - wenn als Dokument erhalten geblieben - das Welterbe Regensburg auch als einen Ort der
Orangeriekultur um 1800 erweisen können. Die Bruchstückhaftigkeit unseres heutigen Wissens und die entstandenen
Kenntnislücken verdanken wir einer bedauerlicherweise aufklärungsfeindlichen, werteverachtenden und
wissenschaftsunfreundlichen Gesellschaft, die sich oft genug für etwas Besseres hält und sich doch nur durch Ignoranz
auszeichnet. Die aussagekräftigen Ergebnisse im Fall Prüfening verdanken wir namentlich der freundlichen
Unterstützung von Frau Restauratorin Lena Stecker und des Denkmalreferenten Dr. Michael Schmidt vom Bayerischen
Landesamt für Denkmalpflege. Ein Bericht mit Auswertung der Befunde im Einzelnen ist in Vorbereitung.
Helmut-Eberhard Paulus
REZENSIONEN
Über Orangen und Zitronen.
Österreichische Gartenbau-Gesellschaft (Hrsg.), 1. Band der Schriftenreihe
der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft, Wien 2012, 58 S.,
durchgehend farbig Ill., € 12,50, ISBN 978-3-9503319-0-5.
Zum 12. Mal jährte sich in diesem Jahr der Beginn einer Erfolgsgeschichte:
Die Wiener Zitrustage, veranstaltet von der Österreichischen GartenbauGesellschaft (ÖGG) zusammen mit den Österreichischen Bundesgärten,
eine Informations- und Verkaufsausstellung zur Zitruskultur und
-geschichte, die von Jahr zu Jahr mehr Interessierte und Begeisterte in ihren
Bann zieht. Aus diesem Anlass ist in diesem Jahr der erste Band einer
Schriftenreihe der ÖGG erschienen, der den beabsichtigten Auftrag der
Weiterbildung und Verbreitung von Fachinformationen in hervorragender
Weise erfüllt. Über das, was man gemeinhin mit einer Begleitbroschüre zur
Ausstellung assoziiert, geht sie weit hinaus.
Neben handfesten Kulturanleitungen und einem Interview mit dem Mann
mit dem „goldenen Händchen“, dem Schönbrunner Zitrusgärtner Heimo
Karner, gibt es allgemeinverständliche Artenkunde, die die verwirrende
Arten- und Sortenvielfalt der Zitrus ein wenig aufschlüsselt, Praxistipps zu
Pflanzenschutz und -pflege sowie mehrere Artikel, in denen die Historie
und Kulturgeschichte der Zitruspflanzen, ihrer Einfuhr, Überwinterung, Pflege und Bedeutung sorgfältig dargestellt
wird. Artikel zur Geschichte der großen Orangerie Schönbrunn, Veranstaltungsort der Zitrustage, sowie zu
heilkundlichen und kulinarischen Besonderheiten der Zitrusfrüchte runden den Band ab und machen Appetit auf mehr:
bei den nächsten Wiener Zitrustagen 2013.
P.S.: Nach Aussage Heimo Karners bieten die Tagungen des Arbeitskreises Orangerien die einzige Möglichkeit zur
Weiterbildung als Zitrusgärtner – lassen wir uns dies einen Ansporn sein!
Simone Balsam
ZITRUSBLÄTTER
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AUS ANDEREN MEDIEN
1 Berichte
Im Zwinger sollen Orangenbäume blühen
Die Sächsische Zeitung berichtete im April 2012 über den Plan der Sächsischen Schlösserverwaltung wieder
Orangenbäume im Hof des Dresdner Zwingers aufzustellen. Da sich die Anlage seit dem frühen 18. Jahrhundert stark
verändert habe, so Christian Striefler, Direktor der Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen, könnten die Orangenbäume
nicht mehr so aufgestellt werden, wie sie August der Starke zu Beginn des 18. Jahrhunderts erlebt hatte.
Die neuen Orangenbäume sollen nun in Italien angekauft werden. Details über den Überwinterungsort der Bäume
nannte Striefler gegenüber der Sächsischen Zeitung noch nicht.
sz-online/Sächsische Zeitung, 2. April 2012.
2 Rezensionen
Nürnbergische Hesperiden und Orangeriekultur in Franken
(Orangeriekultur – Schriftenreihe des Arbeitskreises Orangerien in Deutschland 7),
Petersberg 2011, Imhof, 223 Seiten, zahlr. Abbildungen.
Rezensiert von Werner Wilhelm Schnabel (Erlangen)
Der seit 1979 in der DDR tätige Arbeitskreis Orangerien in Deutschland wurde 1993 in Potsdam als gemeinnütziger
Verein neu gegründet. Er widmet sich der "denkmalpflegerischen Förderung der Orangerien, ihrer ursprünglichen
Bewirtschaftung und ihrer Pflanzenbestände". Darüber hinaus bemüht er sich um die kulturgeschichtliche Aufarbeitung
historischer Gartenkultur in allen ihren Aspekten. Die seither stattfindenden Tagungen, aber auch Einzelforschungen
werden in unregelmäßig erscheinenden
Buchpublikationen dokumentiert. Sie erscheinen in einer mittlerweile auf sieben Bände angewachsenen Reihe, die seit
2011 den Obertitel "Orangeriekultur" trägt.
Die Tagung des Jahres 2009 führte die Interessierten aus Denkmalpflege und Gartenbau, Architektur- und
Kulturgeschichte nach Nürnberg, dessen einschlägige Tradition unter anderem in den berühmten "Nürnbergischen
Hesperides" (1708) des Kaufmanns, Gartenliebhabers und Botanikers Georg Christoph Volkamer (1644-1720)
festgehalten wurde. Eben diesem repräsentativen Werk mit seinen großformatigen Kupferstichen gilt der erste
Schwerpunkt des Sammelbandes. Nachgezeichnet werden das Entstehen und die Struktur dieses aufwendigsten
Zitrusbuches des deutschen Barock (Heinrich Hamann, Clemens Alexander Wimmer). In Text und - mehr noch – im
Bild wurden dort nicht nur unterschiedliche Sorten von Zitrusfrüchten vorgestellt, sondern auch die repräsentativen
Gartenanlagen wohlhabender Nürnberger Besitzer von verschiedenen Stechern in Szene gesetzt. In ihrer Reihenfolge
im Buch spiegeln sie auffällig den sozialhierarchischen Status ihrer Besitzer wider, in dem Volkamer selbst seinen Platz
zu behaupten versuchte. Erst im zweiten Band (1714) kamen dann auch auswärtige Gärten zu ihrem Recht, wobei der
selbstbewußte Nürnberger aber auch hier den Rang seiner Heimatstadt und ihrer Gärten (darunter nicht zuletzt seines
eigenen) herauszustreichen wußte. Zwei weitere Aufsätze befassen sich dann mit der Rezeption des Volkamerschen
Werkes. Sie wird zum einen anhand eines annotierten Exemplars aus dem Besitz des Hannoveraner Hofgärtners Georg
Ernst Tatter (1689-1755) und dessen eigenen Fachpublikationen untersucht (Heike Palm/Hubert Rettich), läßt sich aber
auch bis in einen schlesischen Zitruskatalog der 1730er Jahre hinein nachweisen (C.A. Wimmer).
Ein zweiter Schwerpunkt des Sammelbandes liegt in der Aufarbeitung der Nürnberger Gartenkultur, die hier vom 15.
bis ins 19. Jahrhundert verfolgt wird. Jochen Martz geht der Kultivierung von Zitrusfrüchten in den Gärten rund um
den Nürnberger Mauerring nach; Helmut Wiegel umreißt die Geschichte des Irrhains, den der Pegnesische
Blumenorden - die älteste heute noch existierende Dichtersozietät der Welt - unweit von Kraftshof nördlich der
Reichsstadt hat errichten lassen. Die maßgeblich von Nürnberger Ärzten getragene erste medizinische Wochenschrift
Deutschlands, das "Commercium Litterarium", stellt Tilmann T. R. Rau als Forum botanischen Wissensaustausches vor.
Auch der dritte Themenschwerpunkt befaßt sich mit der Region: Hier wird die Orangeriekultur in Franken einer
exemplarischen Sichtung unterzogen. Mittelfränkischen Orangerien und Gewächshäusern in Ansbach, Dennenlohe,
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Eichstätt, Ellingen, Erlangen, Pappenheim, Syburg und Unternzenn widmet sich überblicksartig Norbert Nordmann.
Auf den berühmten "Hortus Eystettensis" geht dann Konstantin Buchner, auf die heute als Sitz der universitären
Kunstgeschichte genutzte Erlanger Orangerie Helmut-Eberhard Paulus ausführlicher ein. Jost Albert thematisiert den
erst im 19. Jahrhundert
entstandenen Pomeranzenhain am Aschaffenburger Pompejanum
Abgerundet wird der Band durch aktuelle Forschungs- und Arbeitsberichte über die Gartenkultur im Ortenburger
Hofgarten (Claudia Gröschel) und zur Erhaltung von Orangeriebauten in Tschechien (Dagmar Fetterová). Den
informativen und abwechslungsreichen Band machen zahlreiche hochwertige Abbildungen auch zu einem optischen
Genuß. Leider wurde auf einen Personen- und Ortsindex verzichtet, der die Benutzbarkeit noch deutlich erhöht hätte.
Erschienen am 08.03.2012 in Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
http://www.kbl.badw.de/zblg-online/rezension_2151.pdf
Copyright © 2012 by Kommission für bayerische Landesgeschichte 2/2
VERANSTALTUNGSHINWEISE
TERMINE
Pomeranzen – die königlichen Früchte
Ein Streifzug durch die Großsedlitzer Orangerie-Kultur
Sonntag, 29. Juli, 02. September 2012
Barockgarten Großsedlitz, jeweils 15 Uhr
Gebühr 7,- EUR (inklusive Parkeintritt, je Person)
Voranmeldung unter Telefon +49(0)35 29 56 39-0
TAGUNGEN
Orangerien und Glashäuser in Ostösterreich, der
Tschechischen Republik und Ungarn
33. Jahrestagung des Arbeitskreises Orangerien
vom 13. – 15.09.2012 in Wien
In Kooperation mit der Österreichischen GartenbauGesellschaft, den Österreichischen Bundesgärten sowie
der Österreichischen Gesellschaft für historische Gärten
Tagungsort: Palmenhaus im Augarten
Anmeldungen nur über die Geschäftsstelle des
Arbeitskreises Orangerien erbeten.
Detailliertes Programm sowie weitere Informationen unter
www.orangeriekultur.de
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PUBLIKATIONEN
Das Kunstwerk in der Residenz. Grenzen und Möglichkeiten der Präsentation höfischer Kultur, Jahrbuch der
Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Bd. 14, 2010, Regensburg 2011, 320 Seiten,
ISBN 978-3-7954-2526-5, € 39,95.
Darin die beiden folgenden Aufsätze:
Udo Hopf: „Des Neüen Fürstl. Orange Hauß Baues allhier“ - Die Baugeschichte des südlichen Orangeriegebäudes von
Schloss Friedenstein in Gotha im 18./19. Jahrhundert, S. 180-192.
Der Beitrag enthält die zusammenfassende Darstellung der aktuellen Ergebnisse der bauhistorischen Untersuchungen
am Lorbeerhaus in der Orangerie Gotha. In den Anmerkungen verweist der Autor ausführlich und informationsreich
auf die verwendeten Quellen aus dem Thüringischen Staatsarchiv Gotha.
Jens Scheffler: „Gewächs-Kästen zur guten Unterhaltung der Herzgol. Orangerie höchst nöthig sind“ - Ein aktuelles
Beispiel zur Veranschaulichung fürstlicher Orangeriepflanzenpräsentation in der Orangerie Gotha im 18. und 19.
Jahrhundert, S.193-201.
Der Autor beleuchtet in seinem Beitrag eine Facette der höfischen Orangeriekultur in Gotha. Erstmalig wird die
Einführung eckiger Pflanzkästen in der Gothaer Orangerie unter Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg
beschrieben, die historische Bauweise der Kästen untersucht und die weitere Verwendung im 19. Jahrhundert
dargestellt. Im Ergebnis der Untersuchungen steht der Versuch, sich der historischen Pflanzenpräsentation in Gotha
aktuell anzunähern.
Norbert Nordmann: „Im Neuen garttl hinter dem orangery gepäu“ - Zur Geschichte der Citrus und ihrer
Überwinterung im Schloss Nymphenburg,
in: Burgen und Schlösser, Zeitschrift für Burgenforschung und Denkmalpflege, 1, 2012, S. 22-31, ISSN 0007-6201.
Obwohl bereits früher wahrscheinlich, ist erstmals für 1565 eine Lieferung
von Citrusbäumen an den herzoglichen Hof der Wittelsbacher in München
nachweisbar. In Nymphenburg plante Kurfürst Max II. Emanuel 1715 eine
auf einer Insel gelegene prachtvolle Orangerie. Gebaut wurde dann von 1722
bis 1726 ein einfaches Überwinterungsgebäude mit einem Theatersaal im
Obergeschoss. Als Kurfürst Max III. Josef dieses Gebäude 1749 zur
Hofküche umbauen ließ, plante und baute er 1753 bis 1754 eine doppelt so
große Orangerie mit Festsaal und Wohnungen im Obergeschoss. Weitere
kleinere Überwinterungsstandorte und -häuser gab es zusätzlich. Ein
Gewächshaus von 1755 steht noch im Gärtnereigelände. Über 100
Citrusbäume standen im Sommer im Hauptparterre, weitere 165 Bäume in
einem eigenen Orangerieparterre. Unter Kurfürst Max IV. Josef, dann König
Max I. Josef ab 1806, wurde der Landschaftsgärtner Friedrich Ludwig von
Sckell als Hofgärtenintendant (1804-1823) in Bayern eingesetzt. In dieser Zeit
wurden neben den großen Landschaftsgärten drei Gewächshäuser für weitere
exotische Pflanzen errichtet.
Bereits mit dem Ende der Monarchie 1918 wurden Citruspflanzen minder
geachtet, die letzten sieben uralten Bäume 1929 nach Würzburg verfrachtet,
wo sie bei einem Bombenangriff 1944 vernichtet wurden. Die Orangerie in
Nymphenburg wurde 1937 für ein Projekt der Nationalsozialisten völlig
umgestaltet. Eine umfangreiche Renovierung des Orangerietraktes seit 1999
kam besonders dem Hubertussaal als Veranstaltungsraum zugute. Auf Hinweise des Verfassers wurde eine
Bestandsaufnahme der Orangeriereste durchgeführt. Im kleinen Orangeriesaal erinnert eine Dauerausstellung an die
Nymphenburger Orangeriegeschichte sowie die Geschichte des Orangerietraktes.
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PERSONALIA
Die österreichischen Mitglieder
Thomas Baumgartner, geboren 1967 in Wien, 1986 bis 2000 freier Mitarbeiter der Restaurierwerkstätten
Baudenkmalpflege des österreichischen Bundesdenkmalamtes. Aufgrund des parallel dazu begonnenen
Biologiestudiums (Schwerpunkt Palmen und allgemeine Tropenbotanik/-ökologie) Herausbildung des Spezialgebietes
der historischen Entwicklung der Kultur subtropischer und tropischer Pflanzen. Seit 1996 Mitglied des Arbeitkreises
Orangerien in Deutschland e.V. Seit 1995 Forschungen, Begutachtungen, Bauuntersuchungen und Publikationen zur
Entwicklung der Orangeriekultur und zu historischen Gewächshäusern in Österreich, u.a.: begleitende historische
Forschungen und bauhistorische Betreuung der Revitalisierung der Orangerie in Eisenstadt (2000-2002), 2003-2007
wissenschaftlicher Mitarbeiter der Marchfeldschlösser Revitalisierungs- und Betriebsgesellschaft, in dieser Funktion u.a.
wissenschaftliche Leitung der Wiederherstellung des östlichen Glashauses und Gartens der Orangerieanlage von
Schlosshof (Bauforschung, Planung und Baubegleitung 2003-2007). Seit 2007 freiberuflicher Bau- und Gartenforscher
mit Schwerpunkt Gärten der Renaissance und des Barock, Orangerien, historische Gewächshäuser und deren Pflanzensammlungen. Besonderes persönliches Interesse gilt neben den Palmen und der Tropenbotanik, der Entwicklung der
Gewächshaus-Technologie sowie der Geschichte der Schönbrunner Orangerie- und botanischen Sammlungen und ihrer
Gewächshäuser.
Dr. Peter Fischer-Colbrie, geboren 1941, studierte in Wien an der Universität für Bodenkultur (BOKU)
Forstwirtschaft. Nach dem Studium war er als Angestellter der International Atomic Energy Agency in
Entwicklungshilfeprojekten tätig und promovierte 1973 an der BOKU. Nach langjähriger wissenschaftlicher Tätigkeit in
der Bundesanstalt für Pflanzenschutz wurde er 1983 als Direktor der Österreichischen Bundesgärten bestellt. In dieser
Zeit übergab er Heimo Karner die Verantwortung für die Schönbrunner Zitrussammlung. Seit 1999 ist Dr. FischerColbrie Präsident der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft, die gemeinsam mit den Bundesgärten Schönbrunn seit
1999 die Wiener Zitrustage veranstaltet.
Dr. Claudia Gröschel, geboren 1965, ist seit dem Abschluss ihres Studiums der Kunstgeschichte und Germanistik im
Bereich der Gartenkunst und Gartengeschichte tätig. Seit 1992 ist sie Mitglied des Arbeitskreises Orangerien, seit 2000
Mitglied des erweiterten Vorstandes. Sie arbeitet freiberuflich für verschiedene Gartendirektionen, Museen und
Institute: Kuratorin zahlreicher Ausstellungen (u. a. „Der Süden im Norden – Orangerien, ein fürstliches Vergnügen“
in der Orangerie im Schlosspark Schwetzingen 1999; „Wo die Zitronen blühn – Orangerien: historische Arbeitsgeräte,
Kunst und Kunsthandwerk“ in der Orangerie im Neuen Garten in Potsdam, 2001) Forschungsprojekte, Gutachten,
Vorträge, Publikationen, Redaktionen, gartenpädagogische Tätigkeit. Seit 2009 betreut sie das Archiv und die historische
Bibliothek der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft in Wien.
Heimo Karner, geboren 1964, begann seine berufliche Laufbahn als Gärtnerlehrling im September 1979 in
Schönbrunn. Die Lehre schloss er in der Höheren Bundeslehranstalt Schönbrunn ab. Er war anschließend bei den
Österreichischen Bundesgärten in der Abteilung Augarten und später in Schönbrunn im Feldgarten als Blumen- und
Zierpflanzengärtner beschäftigt. Das Interesse an Zitruspflanzen begann aber schon während der Lehrzeit mit dem
Heranziehen von Zitrussämlingen und dem Veredeln derselben. Aufgrund dieses Interesses und der augenscheinlichen
Erfolge wurde ihm im Herbst 1997 der Altbestand der Zitruspflanzen der Orangerie in Schönbrunn übertragen. Eine
große Hilfe sind die Tagungen des Arbeitskreises Orangerien, an denen Karner seit 2000 teilnimmt, sowie die engen
Kontakte zu den Kollegen aus den deutschen Gartenverwaltungen. Mittlerweile wurde das Sortiment auf über 100
Sorten und Arten erweitert und ein Großteil der etwa 180 Jahre alten Zitruspflanzen konnte gerettet werden. Ein
besonderes Anliegen ist Karner der Ausbau der Sammlung historischer Sorten und deren Bestimmung.
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Nachbau eines Orange Juice Kiosks in Lemon Cove CA, Foto C. Gröschel, 2012.
1926 wurde am Highway 50 in Kalifornien die erste „Big Orange“ errichtet, zum Verkauf von Lemonade und
Orangensaft. Bis in die 1960er Jahre entstanden zahlreiche Orange Juice Kioske entlang der Highways in
Kaliforniens Central Valley, von denen heute nur noch wenige existieren.
Liebes Mitglied,
wenn Sie Informationen bezüglich Veranstaltungen, Publikationen
o. dgl. weitergeben, kurze Artikel über Orangeriegebäude, Pflanzensammlungen, Ihre eigene Arbeit in der Orangerie oder über andere
interessante Themen aus dem Gebiet der Orangerien verfassen
möchten, sind Sie herzlich dazu eingeladen. Abgabetermin von
Manuskripten für die nächste Ausgabe der ZITRUSBLÄTTER ist
der 15. November 2012. Manuskripte (ohne Formatierung) und/
oder digitale Fotos schicken Sie bitte an die Geschäftsstelle des
Arbeitskreises.
Für namentlich gekennzeichnete Beiträge ist die Autorin oder der
Autor verantwortlich.
Für Anregungen und Kritik sind wir dankbar.
Die Redaktion
Impressum
Arbeitskreis Orangerien
in Deutschland e.V.
Friedrichstraße 6
D-99867 Gotha
www.ak-orangerien.de
[email protected]
Vorsitzender:
Prof. Dr. Helmut Eberhard Paulus
2. Vorsitzender: Frithjof Pitzschel
Redaktion:
Dr. Claudia Gröschel
Jens Scheffler
Nächster Erscheinungstermin: Januar 2013
Redaktionsschluss: 15. November 2012

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