Eine Reise der Sinne: Kochi
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Eine Reise der Sinne: Kochi
Gesellschaft Eine Reise der Sinne: Kochi Das sommerliche yosakoi-Fest zieht regelmäßig viele Besucher nach Kochi auf Shikoku. Die Reise lohnt sich jedoch zu jeder Jahreszeit, denn es gibt viel zu entdecken. Von Robert Stein V om 9. bis zum 12. August verwandeln sich die Straßen der Stadt Kochi jedes Jahr in Ströme der Farben, Klänge und Tänze. Zum yosakoi-Fest zeigen jährlich etwa 20.000 Tänzer ihr Können. Sie alle gehören zu einem der etwa 190 Teams, von denen jedes individuelle, flamboyante Kostüme trägt. Passend zur Musik, die vom teameigenen jikatasha-Truck schallt, präsentieren die Tanzgruppen ihre einzigartigen Choreografien. Dabei werden die traditionellen Texte des yosakoi-Liedes in verschiedensten Musik-Genres und Stilen interpretiert. Alle Kochi liegt im Südwesten der Insel Shikoku und ist mit dem Flugzeug von Tokyo in 90 Minuten, von Osaka in 45 Minuten oder mit dem Auto zu erreichen. Von Hiroshima dauert die Fahrt etwas über drei Stunden. Die Hauptstadt der Präfektur heißt ebenfalls Kochi. Die Region hat etwa 757.000 Einwohner. Die Präfektur Kochi 44 J A PA N M A R K T N r.5 2016 – September/Oktober Tänze basieren jedoch auf dem Einsatz der hölzernen naruko-Klappern, die dem Spektakel einen ganz eigenen Rhythmus verleihen. Erstmals wurde die Feier 1954 in Zeiten einer wirtschaftlichen Rezession veranstaltet, um die Menschen der Region aufzumuntern. Es kam so gut bei der Bevölkerung an, dass yosakoi seit damals jedes Jahr erneut gefeiert wurde. Die Lebendigkeit des farbenfrohen Festes und auch die kreativen Freiheiten führten dazu, dass auch in anderen Teilen Japans inzwischen yosakoi-Feste gefeiert werden. Historische Schätze Doch auch außerhalb der Festtage bietet die Präfektur ein reichhaltiges Kulturprogramm. Kochi besitzt 146 auf nationaler Ebene bestimmte Kulturgüter sowie 232 weitere, die von der Präfektur selbst ernannt wurden. Die Tempelhalle in der Stadt Otoyo, sowie das Schwert des Omura-Schreins sind darüber hinaus japanweit bekannte, nationale Schätze. In Hotsumisakiji, dem „östlichen Tempel“ und Kongochoji, dem „westlichen Tempel“ von Muroto hat der in Japan berühmte buddhistische Priester, Dichter und Kalligraph Kukai sein asketisches Training als Mönch absolviert. Kukai, der auch unter dem Namen Kobo-Daishi (Großmeister, der buddhistische Lehren verbreitet) bekannt In seiner heutigen Form umfasst der Pilgerweg eine Strecke von 1450 Kilometern. Den gesamten Pfad zu begehen dauert etwa 40 bis 60 Tage. Früher begaben sich junge Männer und Frauen von Shikoku auf diese Reise, bevor sie heirateten. Heute entscheidet sich nur ein Bruchteil der Reisenden für die traditionelle und entbehrungsreiche Art, den Weg als aruki-henro (wandernder Pilger) zu Fuß zu begehen. Wer nicht gar so weit wandern, aber dennoch etwas Aktivität möchte, kommt ebenfalls auf seine Kosten. Kajaktrips, Angelausflüge, Walbeobachtungstouren und Kurse in Papierherstellung sind nur einige der Erlebnisse, die Kochi zu bieten hat. Für die Wagemutigen bieten erfahrene Führer – auf Reservierung – eine Tour, die die Teilnehmer tief in den vier Kilometer langen Höhlenkomplex von Ryugado vordringen lässt. ist, werden unter anderem die Erfindung der japanischen Silbenalphabete kana zugeschrieben. Kana und kanji (chinesische Schriftzeichen) bilden bis heute die Bausteine der japanischen Schrift. Die beiden Tempel stellen kulturelle Artefakte wie buddhistische Statuen aus, die Kukai aus der chinesischen Qing-Dynastie nach Japan gebracht haben soll. Beindruckende Landschaften Eine besondere Sehenswürdigkeit, die nicht nur Kunstliebhaber interessieren dürfte, befindet sich im Ort Kitagawa. Der französische Impressionist Claude Monet legte während der letzten 30 Jahre seiner Schaffenszeit in Giverny seinen berühmten Wassergarten an, dessen Seerosen auf vielen seiner späteren Werke abgebildet sind. Bei der Gestaltung der Anlage ließ sich der Künstler von Bildern japanischer Gärten inspirieren, die er gesammelt hatte. In Kitagawa lässt sich ein Nachbau dieses Wassergartens besichtigen. Die japanische Variante, eines französischen Gartens nach japanischem Vorbild sozusagen. Monet würde er sicher gefallen. Im Muroto Geopark, der sich auf einer Halbinsel an der östlichen Küste Kochis befindet, können Besucher ein einmaliges Phänomen bestaunen. Bei jedem größeren Erdbeben, dass die Region erschüttert, wird hier neues Gestein aus dem Meer an die Oberfläche gedrückt. Die Naturgewalten, die wir häufig für ihre zerstörerischen Kräfte kennen, zeigen hier ihre durch die Entstehung neuen Landes ihre selten gesehene schöpferische Seite. Neben diesen so entstandenen, oft beeindruckenden geologischen Formationen befinden sich im Geopark auch mehrere Tempel des berühmten Shikoku-Pilgerwegs. Die Welt mit neuen Augen sehen Jedes Jahr manchen sich Schätzungen nach etwa 100.000 Menschen aus Japan sowie anderen Teilen der Welt auf den Pilgerweg von Shikoku. Entlang des Pfades befinden sich 88 Tempel, die der Legende nach alle von Kobo-Daishi gegründet wurden. Seine Anhänger folgten diesem Weg, damit ihre Hoffnungen und Wünsche Erfüllung finden mögen. Die Reise, die um die gesamte Insel Shikoku und durch jede ihrer vier Präfekturen führt, stellt ein Symbol für den Pfad zur Erleuchtung dar. Die vier Abschnitte der Strecke repräsentieren dabei das eigene Erwachen, Enthaltsamkeit und Disziplin, das Erlangen der Erleuchtung und den Eintritt ins Nirvana. Insgesamt liegen 16 der 88 Pilgerstätten in Kochi. Lokale Spezialitäten Wer vom umfangreichen Kultur- und Aktivitätenprogramm erschöpft ist, für den hat die Präfektur Kochi auch kulinarisch einiges zu bieten. Das milde und warme Klima sorgt dafür, dass in den Gewässern und auf dem Land der Region viele Köstlichkeiten gedeihen. Die in Kochi ansässigen Bauern bemühen sich seit einigen Jahren, Anbaumethoden durchzusetzen, von denen sowohl die Pflanzen als auch die Menschen profitieren. Sie verzichten dabei weitgehend auf den Einsatz von Pestiziden und setzen stattdessen auf natürliche Methoden der Schädlingsbekämpfung. In Gewächshäusern ziehen die Landwirte unter anderem Auberginen, Gurken, Lauch und Paprika, während auf den Feldern Ingwer, Zwiebeln und Okra-Schoten wachsen. Besonders typisch für Kochi sind die lokalen Zitrusfrüchte (Buntan, Ponkan und Yuzu) sowie die saftigen Niitaka-Birnen. Die hohe Wasserqualität kommt nicht nur den Fischen zugute, sondern schafft auch beste Voraussetzungen für das Brauen hochwertigen Reisweins. Kein Wunder also, dass zu dem berühmtesten regionalen Gericht katsuo no tataki (Echter Bonito, serviert mit Yuzu und Knoblauch) gerne ein Schälchen Sake gereicht wird. Ein gelungener Ausklang für eine erlebnisreiche Reise. n N r.5 2016 – September/Oktober J A PA N M A R K T 45