Preise 0504 - Frauenarzt
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FORTBILDUNG + KONGRESS INTIMPFLEGE Vulvabeschwerden und Hautpflege Empfehlungen zur Behandlung und Pflege A. Bauer, J. Deutinger, J. Eberhard, P. Elsner, M. Hagedorn, M. Kiechle, H. Kölbl, J. Martius, E. Petersen, E. Petri, M. Steiner Juckreiz und Brennen im Genitalbereich sind Beschwerden, die häufig von Patientinnen beklagt werden. Dieses Konsensuspapier fasst das diagnostische Vorgehen bei Auftreten der Symptomatik „Jucken, Brennen und Schmerzen im Genitalbereich“ zusammen und gibt Therapie-Empfehlungen für die unterschiedlichen Krankheitsbilder. Außerdem wird kurz die medizinisch richtige Pflege des Genitalbereichs zur Vorbeugung von Hautbeschädigungen skizziert. Als Ursachen kommen Infektionen mit Pilzen (seltener durch andere Mikroorganismen), entzündliche und nichtentzündliche Dermatosen exogener oder endogener Genese in Frage. Hautreinigung und Hautpflege spielen dabei eine wichtige Rolle. Übertriebene und falsche Reinigungsmaßnahmen können zur Hautbeschädigung führen. Anatomische Verhältnisse und physiologische Bedingungen Die Vulva besteht aus den äußeren großen und den inneren kleinen Labien, der Klitoris mit dem Präputium, der Urethralöffnung und dem Introitus. Im äußeren Bereich ist das verhornte Epithel kräftig und mit Haarfollikeln, Talgdrüsen, Schweißdrüsen und Fettzellen durchsetzt. Besonders sensibel und empfindlich sind die Klitoris, der Bereich zwischen Klitoris und Urethralöffnung und die Innenseite der kleinen Labien, der so genannte Introitusbereich. Letzterer ist dem Einfluss der Östrogene besonders unterworfen. Unter Östrogenmangel wird das Epithel dünn und rot (durchschimmernde Gefäße) und leicht verletzlich. An der Innenseite der kleinen Labien liegen Talgdrüsen, die die Haut glatt und geschmeidig 1052 FRAUENARZT n 45 (2004) n Nr. 11 halten und vor mechanischer Beschädigung, Einfluss von Mikroorganismen und der Feuchtigkeit aus der Vagina schützen. Der hormonelle Einfluss auf die Haut ist bekannt. Bei älteren Patientinnen sind daher Störungen der Hautbeschaffenheit mit deutlichen Beeinträchtigungen häufig. Der anogenitale Bereich ist das am stärksten mikrobiell besiedelte Hautareal. Eine intakte Haut im Genitalbereich ist daher der beste Schutz vor Infektionen und entzündlichen Veränderungen. Symptomatik Die typischen Beschwerden bei Vulvaerkrankungen sind Juckreiz, Brennen, Schmerz, seltener Ausfluss oder Harndrang. In Abhängigkeit von der Akuität der Symptomatik können bei den beschriebenen Krankheitsbildern alle genannten Symptome auftreten. Bei den Pilzinfektionen und den chronisch entzündlichen nichtinfektiösen Dermatosen (Lichen sclerosus, Lichen planus, Psoriasis und Ekzemen), aber auch bei trockener Haut steht der Juckreiz im Vordergrund. Brennende Schmerzen weisen eher auf Herpes genitalis, Läsionen/Ero- sionen und Hautbeschädigung hin. Berührungsschmerz bei makroskopisch unauffälligem Epithel kann auch durch besonders dünnes und zartes Epithel verursacht sein. Mögliche Krankheitsbilder n Infektionen Infektionen mit schmerzhafter Entzündungsreaktion werden nur durch wenige Mikroorganismen verursacht. Der häufigste Erreger ist Candida albicans. Am gefährlichsten, aber im Erwachsenenalter selten, sind A-Streptokokken. Ein häufiger Erreger auf der Haut ist außerdem Staphylococcus aureus, der gelegentlich Ursache einer Follikulitis (große Labien) oder kleiner Abszesse in den Talgdrüsen der großen und kleinen Labien sein kann. Die schwerste Form der Vulvitis wird durch die Erstinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV 1 und 2) ausgelöst, ist aber beim Immunkompetenten ein einmalig so schweres Ereignis. Der rezidivierende Herpes genitalis findet sich so gut wie immer nur an einer umschriebenen Stelle und heilt nach wenigen Tagen ab. Sexuell übertragbare Infektionen wie Lues, Lymphogranuloma venereum oder Ulcus molle sind sehr selten; Papillomvirusinfektionen verursachen keine Schmerzen. Der bakteriologische Nachweis von Darmflora bei einer Vulvitis bzw. Beschwerden ist ohne Bedeutung, da diese Bakterien eine Kolonisation vom nahen Analbereich darstellen und so gut wie nie eine Entzündung der Haut verursachen. n Dermatosen Viele Hauterkrankungen können auch die Vulva befallen oder ausschließlich auf der Vulva auftreten. Bei letzteren kann die Diagnose schwierig sein. Die häufigsten und wichtigsten Hauterkrankungen an der Vulva sind: n Malignome Jede nicht heilende Effloreszenz, z.B. hyperkeratotische, verruköse Areale, Erosionen oder Ulzera, jeder wachsende Knoten ist in jedem Alter ver- dächtig auf ein Malignom. Jede Läsion, die länger als 6–8 Wochen persisiert, sollte biopsiert werden. Chronisch-entzündliche vernarbende Veränderungen, wie sie beim Lichen sclerosus und Lichen planus typischerweise auftreten, können die Entstehung eines Malignoms begünstigen. Präinvasive Formen wie VIN III, früher auch Morbus Bowen genannt, müssen frühzeitig entfernt werden. n Hautbeschädigung/ dünnes Epithel Verstärkte Reinigungsmaßnahmen und andere Belastungen (wie frühe Kohabitarche, zunehmende Enthaarung im Genitalbereich, Intimschmuck) und die vermehrte Verwendung von Waschlotionen können zur Austrocknung, Allergisierung und Beschädigung der Haut im anogenitalen Bereich führen. Rhagaden und das Symptom „Brennen“ sind besonders typisch für diese Hautläsionen. Fehlender Erregernachweis, normale Laktobazillenflora ohne Leukozytose und rasche Abheilung unter Pflegemaßnahmen schließen Infektionen aus. Die bei Hautbeschädigung und dünnem Epithel auftretenden Beschwerden „Brennen“ und „Berührungsschmerz“ sind klinisch vom irritativen Kontaktekzem kaum zu unterscheiden. Der mit Juckreiz verbundene Lichen simplex chronicus ist eine chronische Hautvergröberung, die durch das ständige Kratzen persistiert. Manche sehen ihn als Variante des seborrhoischen Ekzems an. Darüber hinaus spielen hormonelle Einflüsse eine große Rolle. Gerade bei Frauen in der Postmenopause führt der Östrogenmangel zu einem dünnen Epithel im Introitus und der Vagina und nachlassender Produktion der Talgdrüsen. Solche Patientinnen sind daher als besondere Risikogruppe für Hautbeschädigungen anzusehen. Zu- Wege der Infektionsdiagnostik in der Praxis FORTBILDUNG + KONGRESS – Lichen sclerosus (wahrscheinlich eine Autoimmunerkrankung), – Lichen planus ohne und mit der erosiven Form (lymphozytenmediierte entzündliche Hauterkrankung, wahrscheinlich auch eine Autoimmunerkrankung), – Psoriasis vulgaris (genetisch determinierte, durch verschiedene Faktoren ausgelöste, in Schüben verlaufende Entzündung), – allergisches Kontaktekzem (Sensibilisierung gegen Kontaktallergene), – irritatives Kontaktekzem (entsteht durch falsche und zu häufige Reinigungsmaßnahmen), – atopisches und seborrhoisches Ekzem (endogene Genese mit starkem Juckreiz). Abb. 1: Wege der Infektionsdiagnostik in der Praxis (aus Petersen: Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe, 4. Auflage 2003, ThiemeVerlag, Stuttgart). FRAUENARZT n 45 (2004) n Nr. 11 1053 FORTBILDUNG + KONGRESS sätzliche Maßnahmen zum Schutz der empfindlichen Haut im anogenitalen Bereich sind daher notwendig. Diagnostik Die Symptomatik und der klinische Befund sind bei manchen Krankheitsbildern wegen der intertriginösen Lokalisation sehr ähnlich. Die Diagnose in diesen Fällen ist daher oft nur durch eine ausführliche Anamnese, kolposkopische Inspektion der gesamten Vulva und eine Laboruntersuchung oder Biopsie zu stellen (s. Abb. 1 auf S. 1053). Da Infektionen normalerweise gut zu behandeln sind, sollte zunächst immer erst eine ausreichende Infektionsdiagnostik durchgeführt werden, die sowohl Pilze als auch pathogene Bakterien umfasst. Infektiöse Entzündungsreaktionen lassen sich meist schon mikroskopisch durch erhöhte Leukozytenzahlen im Fluor vermuten. Werden durch die Mikroskopie keine typischen Erreger (Pilze, Trichomonaden) oder Clue Cells nachgewiesen, so sind eine Pilzkultur und eine bakteriologische Kultur sinnvoll. flikt, Depression) oder an bestimmte Stoffwechselerkrankungen (Lebererkrankungen, Diabetes mellitus). Dabei sollte auch ein allergisches Kontaktekzem möglichst immer ausgeschlossen werden. Bei vielen Infektionen lässt sich der Erreger leichter im feuchten Milieu der Vagina erkennen (Pilze, Trichomonaden). Werden nur Darmbakterien isoliert (E. coli, Enterokokken, B-Streptokokken, Proteusarten etc.), so ist bei Beschwerden nach anderen Ursachen, z.B. den oben genannten, zu fahnden. Spezifische Behandlung (Tab. 1) Jede unklare, nicht in 6–8 Wochen abheilende Hautveränderung muss durch Biopsie histologisch geklärt werden. Bei klinisch unauffälligen Verhältnissen und mikrobiologischem Erregerausschluss ist zunächst an Hautempfindlichkeit/Beschädigung zu denken, aber auch an Probleme auf anderer Ebene (Sexualstörung, Partnerkon- Infektionen sind meist gut und rasch zu beseitigen, wenn die richtige Diagnose gestellt wird. Lokalen Maßnahmen sollte zunächst immer der Vorzug gegeben werden. In hartnäckigen Fällen hat die orale Therapie Vorteile, da der Wirkstoff sicherer aufgenommen wird. Das gilt auch für Infektionen durch C. albicans, die mit ihren Pseudomyzelien ins Epithel einwachsen kann. Bei häufigen Infektionen durch C. albicans (> 4/Jahr) können die Mitbehandlung des Partners und eine alle vier Wochen vorgenommene orale Pro- Behandlungsvorschläge Erkrankung 1. Wahl 2. Wahl Candidose durch Candida albicans Lokal: Clotrimazol (z.B. Canesten, Kadefungin) Ciclopiroxoloxamin (z.B. InimurMyk, Batrafen) oral, z.B. Fluconazol, Itraconazol Vulvitis durch A-Streptokokken Penicillin oral Cephalosporin oral Vulvitis durch Staphylococcus aureus Cephalosporin oral Polyvidonjodsalbe, Octenisept-Lösung Lichen sclerosus Lichen planus Psoriasis vulgaris Clobetasol (z.B. Dermoxin) Mometason (z.B. Ecurat Fettsalbe) Methylprednisolon (Advantan) Desoximetason (z.B. Dermatop) (Cyclosporin-Haftsalbe) allergisches Kontaktekzem irritatives Kontaktekzem Lichen simplex chronicus (anfangs) Prednicarbat Methylprednisolon (z.B. Advantan) Lichen simplex Hautbeschädigung Zusatzbehandlung bei – Lichen sclerosus – Lichen planus – Psoriasis auch zur Prophylaxe Hautpflege mit hochwertigen Fettprodukten (z.B. Deumavan) Hautpflege mit Cremes, anderen Produkten (z.B. Bepanthen, Vaseline, Melkfett etc.) primärer Herpes genitalis Aciclovir oral (z.B. Zovirax) ≥ 5 Tage Valaciclovir (z.B. Valtrex) Famciclovir rezidivierender Herpes genitalis Aciclovir oral 1–2 Tage Famciclovir 1 Tag urogenitale Atrophie lokale E3-Therapie mit Ovula oder Creme lokale E2-Therapie als Ovulum, Creme oder in Silikonring (z.B. Estring) Tab. 1: Spezifische Behandlung von Vulvaerkrankungen. 1054 n Antiinfektiva FRAUENARZT n 45 (2004) n Nr. 11 FORTBILDUNG + KONGRESS phylaxe mit z.B. Fluconazol hilfreich sein. Infektionen durch A-Streptokokken und Staphylococcus aureus sollten oral erfolgen, ebenso wie die Behandlung bei der Trichomoniasis. n Kortikosteroide Bei den chronisch entzündlichen, nichtinfektiösen Erkrankungen besteht die Standardtherapie aus topischen Kortikosteroiden. Zur besseren Wirkung sollte anfänglich ein potentes Mittel verwendet werden, langfristig jedoch eher eine weniger atrophierende Substanz. Eine Applikation im Intervall bei Beschwerden verringert die Atrophie, die aber nur eine untergeordnete Rolle spielt. Auch beim Lichen simplex kann eine anfängliche kurzfristige Kortikosteroidsalbenbehandlung den Heilungsverlauf abkürzen. n Geschlechtshormone Östrogene lassen atrophische, aber auch normale Haut im Introitusbereich dicker und widerstandsfähiger werden. Testosteron ist heute zur Behandlung des Lichen sclerosus obsolet. n Exzision Bei der frühen Diagnosestellung eines Malignoms kann der Eingriff oft klein gehalten werden. Bei leichten Präkanzerosen (VIN I und VIN II) genügt eine destruktive Therapie, bei schweren Präkanzerosen (VIN III) wird die Exzision in sano und histologische Aufarbeitung empfohlen. Bei Dermatosen ist Laserung oder Exzision nur in Einzelfällen hilfreich. Unspezifische Behandlung und vorbeugende Hautpflege Regelmäßige Hautpflege mit verträglichen Fettpflegemitteln glättet die Haut und erhöht die Elastizität, sodass Hautbeschädigungen in Form von Einrissen und Mikroläsionen bei mechanischer Belastung seltener auftreten. Auf Reinigung mit Wasser (Baden, Duschen) muss auch bei empfindlicher 1056 FRAUENARZT n 45 (2004) n Nr. 11 und trockener Haut nicht verzichtet werden, wenn danach Pflegemaßnahmen mit Fett vorgenommen werden. Die verwendeten Salben oder Pflegecremes sollten möglichst wenig Zusatzstoffe enthalten, da Allergien bzw. Unverträglichkeiten durch sie bei längerem Gebrauch nicht auszuschließen sind. Wegen des feuchten Milieus im anogenitalen Bereich ist fettenden Salben der Vorzug zu geben. Sitzbäder sind bei vielen Störungen nicht vorteilhaft, da sie nur kurzfristige Linderung bewirken, langfristig die Haut aufweichen und austrocknen. Im Einzelfall können sie hilfreich sein, wenn nachfolgend die Haut wieder gefettet wird. Der nur wenige Zentimeter von der Vulva entfernte Analbereich ist die Quelle von Darmbakterien, gelegentlich auch Pilzinfektionen im Genitalbereich. Auch hier verbessert die Fettpflege die Hautbeschaffenheit und schützt vor mechanischer Beschädigung. Es ist von Vorteil, diesen Bereich vor dem Stuhlgang einzufetten. Auch Infektionen können durch die Hautpflege verringert werden. Dermatosen mit chronischer Entzündung verlaufen milder, weil weniger gekratzt wird, wenn die sonst häufigen Beschwerden – zusätzliche Hauttrockenheit und Hautbeschädigung – geringer sind. Auf diese Weise lassen sich Antiinfektiva und auch Kortikosteroidpräparate im Vulvabereich einsparen. Das Neuauftreten von Malignomen ist auf einer gepflegten glatten Haut seltener und wird zudem leichter und früher erkannt. Mitglieder der Konsensusgruppe n PD Dr. Andrea Bauer, MPH, Universitäts-Hautklinik, Jena [email protected] n Prof. Dr. Josef Deutinger, Universitäts-Frauenklinik Wien, AKH josef.deutinger@meduniwien. ac.at n PD Dr. Jakob Eberhard, Frauenklinik, Kantonsspital Frauenfeld, CH Frauenfeld [email protected] n Prof. Dr. Peter Elsner, Universitäts-Hautklinik, Jena [email protected] n Prof. Dr. Manfred Hagedorn, Hautklinik, Klinikum Darmstadt n Prof. Dr. Marion Kiechle, Universitäts-Frauenklinik, TU München [email protected] n Prof. Dr. Heinz Kölbl, Universitäts-Frauenklinik Mainz [email protected] n Prof. Dr. Joachim Martius, Abt. Gynäkologie und Geburtshilfe, Krankenhaus Agatharied [email protected] n Prof. Dr. Eiko Petersen, Univ.-Frauenklinik Freiburg [email protected] uni-freiburg.de n Prof. Dr. Eckhard Petri, Klinikum Schwerin, Gyn. Gebh. Klinik [email protected] n Dr. Manfred Steiner, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte, Ihringen [email protected] Für die Autoren Hautpflege ist kein Kurzzeitprogramm, sondern bringt nur dann den gewünschten Erfolg, wenn sie regelmäßig und langfristig durchgeführt wird. Frauen mit chronischen Vulvaerkrankungen, insbesondere entzündlichen Dermatosen, sollten regelmäßige Kontrollen bei ihrem Arzt durchführen lassen. Prof. Dr. Eiko E. Petersen Universitäts-Frauenklinik Freiburg Sektion Gynäkologische Infektiologie Hugstetter Straße 55 D-79106 Freiburg