18-23 Steingarten

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18-23 Steingarten
Steinzeit im Gar
S
teingärten üben eine ganz eigene
Faszination aus. Sie dienen nicht
nur der Begrünung von Böschungen,
sie verströmen auch alpinen Charme
und können kleine Kunstwerke sein, ja gar
in sich geschlossene Miniatur-Landschaften. Für das Anlegen eines Steingartens
braucht es deshalb nicht nur gärtnerisches,
sondern auch gestalterisches Geschick. Es
empfiehlt sich, Steingärten in der Nachbarschaft, in botanischen Gärten oder Illustrationen in entsprechenden Büchern zu studieren. Denn die Art der Steingärten unterscheidet sich immens, der Vielfalt sind
keine Grenzen gesetzt. Grundsätzlich gibt
es vier Punkte zu klären: Die Grösse, die
Lage, die Art der Steine und schliesslich die
Auswahl der Pflanzen.
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Sonnige Lage
Ein Steingarten braucht – auch wenn er
noch so klein ist – viel Platz um zu wirken. Der beste Standort für einen blütenreichen Steingarten ist eine freie, gut einsehbare Stelle in Südlage. Mit gelegentlichem Schatten durch Gebäude oder
Bäume kommen viele Steingartenpflanzen gut zurecht. Zwar ist auch eine schattige Böschung geeignet, für diesen Standort ist jedoch die Pflanzenwahl stark eingeschränkt. Am besten wirken Pflanzen
und Steine in einem leicht abschüssigen
Gelände oder an einem steilen Hang.
Ist der Garten zu eben, kann man Kies
aufschütten oder aber mit grossen Steinblöcken einen terrassenförmigen Steingarten schichten. Die Hohlräume werden
mit grobem Kies gefüllt, so dass nicht
der erste Regen das ganze Substrat wegschwemmt. Es ist jedoch auch möglich,
einen Senkgarten anzulegen: ein Teil des
Terrains wird um einen halben oder einen
Meter vertieft, die Ränder werden mit
Steinen verstärkt und danach bepflanzt.
Steinauswahl ist wichtig
Bei der Wahl der Steine sollte man sich
auf eine Gesteinsart beschränken, da
dies harmonischer wirkt als ein Sammelsurium an Felsen. Am kostengünstigsten
sind in der Regel so genannte Bruchsteine aus Steinbrüchen. «Man kann aber
auch selbst Steine aus der Umgebung
sammeln», sagt Martin Lutz, Projektleiter
Auch im Herbst, wenn die Gebirgsnelke
nicht mehr blüht, bringt sie mit ihrer Blattstruktur
und -farbe Abwechslung in den Steingarten.
Garten NATUR
Will man sich einen grossen Steingarten anlegen, empfiehlt es sich,
kleine Wege mit einzuplanen, damit man die Pflanzen genügend pflegen kann.
Aus Steinen und Pflanzen lassen sich im Garten attraktive Berg-
ten
landschaften im Miniformat anlegen. Damit die Pflanzen regelmässig blühen, gibt es jedoch einiges zu beachten. Der Winter ist
die ideale Zeit, um einen Steingarten sorgfältig zu planen.
Text und Fotos: Helen Weiss
Trockenmauern von der Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz. Im Mittelland wie
in den Kantonen Jura, Aargau und Baselland stösst man dabei eher auf Kalkoder Sandstein, im Wallis herrscht Granit
vor.
Sammelt man die Brocken für den
Steingarten selbst, setzt dies ein gewisses
geologisches Wissen voraus (siehe auch
Leitartikel ab Seite 6): «Von der Art der
Steine hängt später die Auswahl der
Pflanzen ab», so Lutz. Denn ist eine
Pflanze «kalkfliehend», fühlt sie sich in
einem Steingarten aus Kalkstein nicht
lange wohl.
Wer die Steine selbst sammelt, hat den
Vorteil, dass man im Gegensatz zu
Blöcken aus dem Steinbruch natürliche
Formen wählen kann. Lutz: «Steine aus
der Natur sind oft schon mit Moos oder
Flechten überwachsen, was dem Steingarten einen speziellen Touch gibt.»
Mit einem abwechslungsreichen Mix
aus grossen Findlingen und kleinerem
Geröll wird der Steingarten erst richtig
interessant. Wer handwerklich nicht so
geschickt ist, kann seinen Steingarten
auch mit aus Beton gegossenen Löffelsteinen gestalten. Zwar sehen Steingärten
dieser Art etwas monoton aus, doch das
Anlegen ist praktischer, da die im Handel
erhältlichen Steine einfach übereinander
geschichtet werden können und so kleine
Treppen bilden. Sie sind innen leicht
ausgehöhlt, damit genügend Platz für die
Pflanze vorhanden ist.
Achtung: Alte Bahnschwellen, die
früher als Böschungsstütze sehr beliebt
waren, sind heute verboten. Sie sind mit
chemischen Stoffen wie Teer, Bitumen
und Russ behandelt und deshalb für
Mensch wie Umwelt schädlich. Wer noch
Eisenbahnschwellen in seinem Garten
hat, sollte sie entfernen und bei einer
Kehrichtverbrennungsanlage fachgerecht
entsorgen lassen.
Ansprüche
der Pflanzen beachten
Die meisten Pflanzen, die sich für den
Steingarten eignen, sind auf ein durchlässiges und mageres Substrat angewiesen. Schon an den zarten Faserwurzeln
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Als kleines grünes Polster breitet sich
der Knäuel (Scleranthus uniflorus)
zwischen den Steinen aus.
Der braune Streifenfarn (Asplenium trichomanes)
eignet sich gut für Steingärten in schattigen Lagen.
Steingarten
für den Balkon
Für die Alpenwelt im Kleinen braucht
man keinen Garten, es genügt
auch ein Balkon. Er sollte aber sehr
sonnig sein. Da Steingartenpflanzen
grundsätzlich nicht viel Erde brauchen, kann man schon in einem relativ kleinen Gefäss eine MiniaturGebirgslandschaft anlegen. Am
schönsten wirkt natürlich ein alter,
grob behauener Steintrog, aber
auch flache Schalen aus winterfestem Ton oder Gefässe aus Holz
und Eternit eignen sich gut. Wichtig
ist ein guter Wasserabfluss des
Gefässes. Für die Pflanzung füllt
man zuerst eine dicke Schotter- oder
Kiesschicht ein. Als Substrat bietet
sich Kakteenerde oder eine eigene
Mischung aus Blumenerde und Sand
an, die noch mit Gesteinssplitt versetzt ist. Für den Steingarten im Trog
ist zu erkennen, dass sie sich gewohnt
sind, sich durch enge Spalten und Ritzen
der Felsen hindurchzuzwängen. Da die
meisten Böden in den Hausgärten eher
zu nährstoffreich sind, ist es deshalb
empfehlenswert, sie mit Sand, Kies oder
Splitt zu mischen (siehe Box).
Sukkulenten wie der Hauswurz
(Sempervivum) oder der Steinbrech
(Saxifraga) kommen fast ganz ohne
Humus aus und gedeihen am besten
auf Kies.
Da die meisten Steingartenpflanzen
karge Lebensumstände gewohnt sind,
brauchen sie auch kaum Dünger. Doch
auch hier muss auf die Ansprüche einzelner Arten eingegangen werden. «Setzt
man zum Beispiel einen Eisenhut in
seinen Steingarten, braucht er mehr
Nährstoffe und Humus als ein Thymian», sagt Christian Bühler, technischer Leiter Garten im Botanischen
Garten Bern. Deshalb ist es nicht nur
bei der Pflanzung, sondern später auch
bei der Pflege wichtig, die Ansprüche
der Pflanzen zu kennen.
eignen sich kleinwüchsige Pflanzen
Ideale Pflanzen
wie Mauerpfeffer, Sedum oder
Sempervivum, die nicht zu stark
wachsen.
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Grundsätzlich kann in einen Steingarten
alles gepflanzt werden, was die Strukturen nicht stört. Die Grösse der Pflanzen
muss dem Umfang des Gartens und der
Steine angepasst sein. Andernfalls ist der
Steingarten nach einigen Jahren nicht
mehr zu erkennen. Zudem ist grundsätzlich auf eine harmonische Vergesellschaftung zu achten. Es wirkt befremdend, wenn neben einer kleinpolstrigen
Grasnelke eine grosse Königskerze aufragt. Ausser, dass diese Kombination
nicht gerade vorteilhaft aussieht, wird
die kleinere der beiden Pflanzen den
Kampf ums Licht wohl verlieren und
eingehen.
Auch muss man sich bei der Bepflanzung vor stark wachsenden Arten in
Acht nehmen. Sie können innerhalb kurzer Zeit alles überwuchern. Geeignete
und beliebte Steingartenpflanzen für
sonnige Standorte sind Steinbrech (Saxifraga) und Hauswurz (Sempervivum),
Glockenblumen (Campanula), Primeln
(Primula), Gebirgsnelken (Dianthus)
und Enzian (Gentiana). Von diesen
Pflanzengattungen gibt es verschiedene
Arten und Sorten, die sich für den Steingarten eignen. Hinzu kommen Akelei
(Aquilegia alpina oder pyrenaica), Steinschmückel (Petrocallis pyrenaica), Grasnelke (Armeria juniperifolia) sowie die
Pelzanemone (Pulsatilla vulgaris). Diese
Pflanzen sind relativ pflegeleicht und
blühfreudig.
Garten NATUR
Das Leimkraut (Silene schafta) ähnelt der Nelke, blüht aber bis Ende September.
Eldorado für Insekten
Natürlich kann man seinen Steingarten
auch vorwiegend mit alpinen Pflanzen
ausstatten, die man jedoch zum Teil nur
in Spezialgärtnereien erhält. Martin Lutz
rät zu einer Bepflanzung mit einheimischen oder standortheimischen Pflanzen:
«Dadurch kann man Insekten wie Bienen
und Schmetterlinge anziehen und ihnen
eine Nahrungsquelle bieten», erklärt er.
Der Steingarten wird so zu einem Eldo-
rado für die Fauna. Auf den warmen
Steinen sonnen sich Eidechsen und auch
Igel suchen gerne Schutz zwischen den
Steinen. Aber auch für schattige Plätze
gibt es Pflanzen, die sich für einen Steingarten eignen: der braune Streifenfarn
(Asplenium nidus oder trichomanes),
Straussenfarne (Matteuccia struthiopteris) oder das Stachelnüsschen (Acaena
anserinifolia) gedeihen zwischen dem
Geröll gut.
Es geht ohne Chemie
Bei der Pflanzung muss man darauf achten, dass die Pflanzen gut gewässert sind.
Oft sind die Töpfe beim Kauf stark
durchwurzelt: «Mit den Fingern kann
man den Wurzelballen etwas aufreissen,
damit die Pflanzen besser anwachsen»,
rät Christian Bühler vom Botanischen
Garten. Die beste Pflanzzeit ist das Frühjahr oder aber der Herbst von Ende August bis Mitte Oktober. Bühler: «Durch
Schritt für Schritt zum Steingarten
Die meisten Pflanzen, die sich für den Stein-
und lehmigem Boden kann ausserdem grober
kleine Stützmauer aus Beton anzubringen.
garten eignen, mögen einen lockeren, kargen
Sand untergemischt werden.
Zudem kann man in extrem abfallendem
Boden. Deshalb muss man beim Anlegen
Das Erdreich sollte man beim Einfüllen gut
Gelände die Steine terrassenförmig platzieren,
eines Steingartens einiges beachten, damit
andrücken, so dass alle Fugen und Hohlräume
so dass sich Stufen bilden. Aber auch mit
optimale Wuchsbedingungen herrschen. Eine
gefüllt sind. Ansonsten schwemmt der erste
Natursteinen lässt sich ein Steingarten pro-
der wichtigsten Voraussetzungen ist eine gute
Regen das Substrat weg.
blemlos in steilem Gelände anlegen. Die freien
Drainage des Untergrunds. Dazu muss die
Für die Gestaltung des Steingartens platziert
Flächen werden mit kleineren Steinen und
obere Erdschicht rund 40 Zentimeter abgetra-
man zuerst die grössten Steine und setzt
grobem Kies aufgefüllt – in die Zwischen-
gen werden. Dann werden etwa 20 Zentimeter
damit Schwerpunkte. Am natürlichsten wirkt
räume setzt man die Pflanzen. Das Pflanzloch
Kies und Mauerschutt eingefüllt – dadurch
eine unregelmässige Anordnung. Die Steine
von besonders nässeempfindlichen Arten wird
fliesst überschüssige Nässe aus dem Wurzel-
sollte man wenn möglich mit der flachen Seite
zusätzlich mit einer Lage Kies als Drainage
raum der Pflanzen. Darüber kommt nun der
nach unten und mit etwa einem Drittel des
versehen. Nach der Pflanzung wird der neue
mit Splitt oder Kies aufgelockerte Oberboden
Umfangs in der Erde eingraben. Bei sehr
Steingarten, ohne das Erdreich wegzu-
(Mischverhältnis etwa 3:1). Bei sehr schwerem
steilen Standorten empfiehlt es sich, eine
schwemmen, vorsichtig angegossen.
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Garten NATUR
Attraktive Pflanzen für den Steingarten
Pflanzenname
Blütezeit und -farbe
Höhe in cm Ansprüche
Steinbrech
Saxifraga trifurgata
Hauswurz
Sempervivum arachnoideum
Brauner Streifenfarn
Asplenium trichomanes
Pelzanemone
Pulsatilla vulgaris
Glockenblume
Campanula poscharskyana
Gänsekresse
Arabis caucasica
Blaukissen
Aubretia x cultorum
Zier-Primel
Primula allionii
Feldthymian
Thymus serpyllum
Heidennelke
Dianthus deltoides
V-VI
weiss
VII
karminrot
20
10
15
III – IV
violett, rot, weiss
V – IX
blau, weiss, rosa
III – IV
weiss
IV – V
violett
III – IV
weiss, rosa, violett
VI – VII
karminrot, duftend
VI – VIII
karminrot mit Auge
20
10 bis 30
20
10
5 bis 10
5
15
volle Sonne
kalkhaltiger Boden
volle Sonne,
trockener, lehmiger Boden
Halbschatten bis Schatten
feuchte Böden, wintergrün
volle Sonne, humoser,
durchlässiger Boden
Sonne/Halbschatten
humoser Boden
volle Sonne
nährstoffreicher Boden
volle Sonne
kalkhaltiger Boden
Halbschatten bis Schatten
kalkhaltiger Boden
volle Sonne
sandiger Boden
Halbschatten bis Sonne
kalkarmer Boden
halb man die befallenen Stellen noch
einmal kräftig mit Sand oder Splitt
durchmischen sollte. Doch nicht nur die
unbeliebten floralen Gäste machen den
Pflanzen zu schaffen: Schädlinge wie
Schnecken, Läuse und Raupen knabbern
gern an den grünen Trieben. Bühler:
«Meist hält sich der Schaden jedoch im
Rahmen.» Mit der Chemiekeule muss
man deshalb nicht gleich anrücken, oft
reicht das Einsammeln oder Abstreifen
der Schädlinge um grössere Frassschäden zu vermeiden.
■
In diesem Steingarten wurden im Fachhandel erhältliche Löffelsteine aus Beton
und Findlinge gemischt – besser sollte man sich jedoch an eine Gesteinsart halten.
das kühle Wetter bleibt die Erde länger
feucht. Das sind ideale Bedingungen für
die Pflanzen.» In den heissen Sommermonaten brauchen auch Hungerkünstler
wie Steingartenpflanzen ab und zu etwas
Wasser. Deshalb sollte man den Steingarten frühmorgens oder nach Sonnenuntergang einmal kurz überbrausen.
Nicht nur das Anlegen des Steingartens braucht viel Aufwand, auch für
die Pflege muss einige Zeit einberechnet
werden. Brennnesseln bedrohen die
kleinwüchsigen Arten, andere Unkräuter wuchern über die Polsterpflanzen
und verdrängen sie. «Man muss den
Steingarten beobachten und darauf achten, dass er nicht verjätet», sagt Bühler.
Bekämpft werden müssen auch einige
Moosarten wie das Lebermoos, das die
Pflanzen unter sich völlig ersticken
kann. Meist sind die Moosarten ein
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