Schmetter-Schmerz

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Schmetter-Schmerz
Sportmedizin
Schmetter-Schmerz
Die Schulter ist bei Volleyballern ein für Verletzungen besonders anfälliges Gelenk. Andreas
Lieschke und Dr. med. Josef Harrer erklären die Ursachen der häufigsten beiden Schuiterblessuren
und zeigen, was in der Rehabilitation zu beachten ist.
Das Engpass-Syndrom – Impingement der Schulter
Das Impingementsyndrom (Abbildung) wird durch ein Raumproblem unter
dem Schulterdach hervorgerufen, das aus knöchernen Anteilen und Bändern
gebildet .wird. Durch, ein Ungleichgewicht der verschiedenen Muskelgruppen,
die das Schultergelenk führen,- entsteht ein erhöhter Anpressdruck des
Oberarmkopfes am Schulterdach. Daraus folgt ein entzündlicher Zustand '
der Gleitschicht {Schleimbeutel) unter dem Schulterdach, der vor allem bei
volleyballtypischen Bewegungen wie beim Schmettern, Blocken, oder beim Aufschlag äußerst schmerzhaft sein- kann. Eine weitere Entstehungsursache
des Impingement ergibt sich durch eine Volumenzunahme der anatomischen
Strukturen unter dem Schulterdach wie zum Beispiel durch Kalkeinlagerungen
in der Rotatorenmanschette. Liegt ein Impingement vor, erklärt sich das
Auftreten von Beschwerden vor allem bei den Bewegungen,
die
normalerweise ohnehin zu einer Einengung des Raumes unter dem
Schulterdach führen: das Abspreizen des Armes mit gleichzeitiger Rotation.
Neben der genauen körperlichen Untersuchung des Schultergürtels und der
Durchführung ,von bestimmten . Provokationstests am Gelenk lässt sich die
Diagnose mit Hilfe von Röntgenbildern, Ultraschalluntersuchungen
und
Kernspintomographien erstellen.
Die Behandlung des Impingements richtet sich nach der Ursache:
Liegt diese im funktionalen Bereich einer Störung des
Muskelgleichgewichts, reicht oft eine physio- therapeutische Behandlung mit gleichzeitigem Einsatz von speziellem muskelaufbauendem
Training und koordinationsschulenden
Übungen. In hartnäckigen
Fällen werden Corticoide unter das Schulterdach injiziert. Lässt sich
damit keine Beschwerdefreiheit erzielen, wird eine raumschaffende
Operation, in der Regel arthroskopisch und ambulant durchführbar,
gefolgt von einer intensiven Nachbehandlung, in den meisten Fällen
zum Erfolg führen.
Phase eins: 1. bis 8. Woche
In die erste Phase der Rehabilitation gehören vor allem physiotherapeutische Maßnahmen.
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Spezielle Friktionen (Quermassagen für Sehnen, Bänder und Muskeln) und vorsichtige Dehnungsübungen
können bei Verletzungen der Rotatorenmanschette überaus sinnvoll sein. Bei einer Reizung des
Schleimbeutels ist zuerst eine Injektion zur unmittelbaren Schmerzlinderung in Betracht zu ziehen.
Akute Schmerzen können in den ersten zwei bis drei Tagen mit Eis behandelt werden.
Adduktions Übungen:
Die wichtigste Übung ist das Ad-duktionstraining
(Adduktion
-eine
Bewegung zum Körper). Alle Muskeln, die den Arm adduzie-ren, liegen
günstig, um eine echte Zugbewegung des Oberarmkopfes nach unten zu
bewirken. Ein Training dieser Muskeln ist unbedingt nötig, um
dauerhaft den Raum für den Oberarmkopf zu erweitern Geräte
Theraband, Expander, Seiizug. Aufhängung auf Schulterhöhe
Beschreibung
Ausgangstellung: Stand, seitlich in Verlängerung des Widerstandes,
leichte Körperdrehung (im Bild nach rechts). Ausführung: mit gestrecktem
Arm gegen Widerstand von etwa 60 bis 20 Grad den Arm zum Körper ziehen.
Dabei das Schulterblatt nach hinten - unten 2iehen. Dauer Täglich 20
Wiederholungen mit fünf Serien mit beiden Schultern. Die Pause ergibt sich
durch den Seitenwechsel. Häufige Fehler Anheben des Schultergürtels, Arm
über 60 Grad bewegen, Eindrehen des Arms, Beugung des Ellenbogens. Der
Widerstand muss so gewählt werden, dass die Übung fehlerlos und
schmerzfrei durchzuführen ist und die Ermüdung erst in der letzten Serie
eintritt.
Phase zwei: 8. bis 12. Woche
Adduktionsübungen
Wie oben: Umfang langsam auf
täglich 60 Wiederholungen mit
fünf Serien erhöhen
Dehnung der hinteren Kapsel
Siehe Seite zwei
Training der gesamten Rotatoren
©Adduktion mit Außenrotation
© Außenrotation
© Adduktion
© Adduktion mit Innenrotation
© Innenrotation
Bei Überkopfsportarten wie Volleyball kommt es nicht
selten zu Schmerzzuständen in den Schultergelenken.
Hierbei stechen unter der Vielzahl der Erkrankungen und
erletzungen des Schultergürtels vor allem zwei
Gruppen hervor: Das Engpass-Syndrorn oder Impingement
des Schultergelenks und die Symptomkomplexe und
Beschwerdebilder, die durch eine Instabilität im Gelenk
verursacht werden. Andreas Lieschke und Dr. Josef
Harrer zeigen, wie Sie hierbei den Weg zurück ans
Netz finden. Lieschke betreut als Physiotherapeut mit
Martina Fezer und Michael Roser die männliche
Jugendnationalmannschaft. Harrer betreibt als
Orthopäde eine Praxisklinik in Neustraubling bei
Regensburg.
DieSchulter im Fokus: Josef Harrer (links) und Andreas Lieschke
Dehnung der hinteren Kapsel
Speziell bei Überkopfsportlern passt sich der hintere Kapselbandapparat der
Schulter durch eine Verkürzung den Bewegungen an. Dadurch kommt es zu
einer weiteren Verengung im Schulterdachbereich, Beschreibung
Ausgangstellung: Stand, Arm etwa 60 Grad anheben (auf die Uhr sehen),
andere Hand greift über den betroffenen Arm und umfasst den Ellenbogen,
Schulterblatt nach hinten-unten ziehen Ausführung: Mit der oberliegenden Hand den Ellenbogen Richtung Körpermitte ziehen. Dauer 40
Sekunden halten, fünf Serien, einmal am Tag Häufige Fehler Der
Schultergürtel darf keine Bewegung nach vorne ausführen, dass
Schulterblatt ist aktiv fixiert am Rumpf. Bei korrekter Ausführung ist die
Bewegung sehr klein. Der betroffene Arm darf nicht über 60 Grad angehoben
werden. Die Übung muss schmerzfrei ausgeführt werden.
Phase drei: ab 12. Woche
In der dritten Phase erfolgt die grundsätzlich wie in den ersten beiden Abschnitten. Das Training der Rotatoren
kann jetzt zunehmend exzentrisch durchgeführt werden.
Das
bedeutet, die Bewegung wird gebremst.
Weiterführend kann mit der Sta-bilisation des Schultergürtels begonnen werden
Der Beitrag entstand mit:
Roy Obermüller (Dipl.-Sportwissenschaftler), Hubert Brüderlein (Physiotherapeut), Oliver Oppitz, Leonard
Baur (Universität Regensburg), Michael Roser (Physiotherapeut), Jörg Schardt (Physiotherapeut),
Internationale Akademie für Orthopädische Medizin (IAOM), insbesondere Didi van Parido
Schulterinstabilität
Plötzlich einschießende Schmerzen, beispielsweise
bei Schmetterbewegungen, können durch eine
Instabilität des Schultergelenks verursacht
werden. Ein Grund kann eine Instabilität sein
durch einen lockeren Kapselbandapparat, der
Veranlagung bedingt vorliegt oder Folgezustand
einer Verletzung ist. Des weiteren kann auch eine
(Teil)Ablösung
von
Strukturen
am
Schulterpfannenrand für eine innere Instabilität
im Schultergelenk verantwortlich sein. Die
verletzungsbedingte Verrenkung (Luxation) des
Gelenkes (am häufigsten nach vorn unten) stellt.
gleichsam die Maximalform der Instabilität dar.
Nach entsprechender' ärztlicher Einrenkung bedarf
diese meist der Operation, die je nach Schweregrad
und erforderlichem Aufwand arthroskopisch
durchgeführt werden kann: Bewegt sich der
Oberarmkopf nur gering aus der Pfanne heraus,
verkantet er und fügt sich mit einer
Schnappbewegung wieder in seine korrekte Position
ein (sogenannte Subluxation). Auch hier wiederum
sind es vor allem volleyballtypische Bewegungen
des abgespreizten, rotierenden Armes, bei denen
diese schmerzhaften Phänomene auftreten. Eine exakte
Diagnose mit den oben beschriebenen Techniken,
vor allem der Kernspintomographie, ist zu
fordern.
Eine intensive medizinische Trainingstherapie ist in den
meisten Fällen nach Erlangung der. Reizfreiheit und der
freien Beweglichkeit des Gelenkes nötig, um das
instabile Gelenk muskulär zu festigen.
Die Erlernung einer exakten Schlagtechnik ist in der
Folge unbedingt erforderlich.
Operative Möglichkeiten beste hen bei der
anlagebedingten Instabilität nicht. Bei entsprechend
nachgewiesener Ablösung von Strukturen vom
Schulterpfannenrand
erhöhen
reparative
Operationstechniken
jedoch
deutlich
die
Ausheilungsrate. Die Behandlung der Schulterinstabilität ist ein Management mit vielen Komponenten.
Dabei, gilt es die überdehnten Strukturen wieder in eine
normale, straffe Situation zu bringen' und die
Schultermuskulatur zu konditionieren.
Beim Volleyball wird der vordere Kapselbandapparat des
Schultergelenks durch die Ausholbewegung und die
starke Beschleunigung hervorgerufen. Bei der Behandlung
sind folgende Punkte zu beachten: ◘Pause für das
Kollagen: Der vordere Kapselbandapparat besteht
überwiegend aus einer bestimmten Form von Bindegewebe,
dem Kollagen. Um dessen Anpassung an die normale
Länge zu erreichen, ist eine Unterbrechung aller
Schlagbewegungen Überkopf notwendig. Diese Pause
liegt, je nach Schweregrad der Instabilität, bei drei bis
neun Monaten.
◘Die Technik macht’s: Ein Fehler beim Angriffsschlag kann die Ursache für Schulterbeschwerden sein: Beim
Ausholen und Beschleunigen wird der Arm häufig zu weit außen neben dem Körper geführt. Dadurch entsteht ein
sehr langer Hebel und maximaler Stress für den vorderen Kapselbandapparat. Bei einem sauberen
Schmetterball oder Aufschlag sollte das Handgelenk direkt über der Schulter geführt werden.
◘Vorsicht bei Dehnübungen: Ein Klassiker ist die Dehnung der Brustmuskulatur. Dabei wird in 90 Grad
Position, mit gebeugtem Ellbogen der Unterarm an die Wand gepresst und der Spieler dreht sich vom Arm
weg. Diese Dehnungsübung bedeutet aber auch für den vorderen Kapselbandapparat maximale Zugbelastung und
ist daher bei Instabilität verboten. Vielmehr sollten die hinteren Strukturen gedehnt werden.
◘Stabilisationstraining: Nicht selten geht die Instabilität mit dem Engpass Syndrom (Impingement)
einher. In diesem Fall muss zuerst mit dem Training der Schulteradduktoren begonnen werden. Das Training
sollte mindestens zwei bis drei Mal in der Woche durchgeführt werden und kann sich in manchen Fällen bis zu
zwölf Monaten hinziehen. Das Training zielt zuerst auf die Muskelgruppen ab, die das Schulterblatt an den Rumpf
aktiv fixieren. Bei den Stabilisationsübungen sollte immer mit belasteten Schultergelenken begonnen werden.
Daher liegt der Schwerpunkt in Stützübungen, die den Vorteil haben, dass zwischen den Gelenkflächen Druck
aufgebaut wird. Dieser verhindert ein Abgleiten oder Subluxieren des Schultergelenks
Phase eins: 1. bis 4. Woche
Seitstütz (Serratus-Übung)
Beschreibung Ausgangstellung: Seitstützauf den Ellbogen, Beine leicht angewinkelt, Unterarm zeigt nach
vorn oder leicht fußwarts Ausführung: Schulterblätter zusammen ziehen, Druck über den Ellbogen Richtung
Unterlage, Brustkorb bogenförmig zur Decke anheben. Als Steigerung kann das Becken abgehoben werden.
Kleine Bewegungen ohne abzusetzen.
Dauerfünf Serien mit 15 Wiederholungen ~ beide Seiten
Rücken
Beschreibung
Ausgangstellung: Klassischer Liegestütz (auch zuerst mit Bodenkontakt der Knie möglich), Handgelenk, Ellenbogen und Schulter stehen
senkrecht übereinander, Fingerspitzen zeigen leicht nach innen. Ausführung:
vom Boden abstützen bis zur maximalen Ellenbogenstreckung, den
Körper horizontal in einer Linie halten. Danach den Körper wieder
absenken, kurz vor dem Boden halten und erneut hochstützen. Die
Ellenbogenspitzen zeigen Richtung Füße. Dauer drei Serien mit 15 Wiederholungen, etwa eine Minute Pause. Variante: Liegestütz plus (Foto)
Ausgangstellung:
wie
oben
Ausführung:
Am
Ende
der
Abstützbewegung werden der Brustkorb weiter nach oben gedrückt und
die Schulterblätter Richtung Boden gestemmt.
Schulter-Dipps
Beschreibung Ausgangstellung: im Langsitz, Hände erhöht
(etwa 20 bis30Zentimeter) abgestützt. Ausführung: aufstützen bis
die Ellbogen fast gestreckt sind,
Schulterblätter nach hinten
zusammenziehen, langsam
wieder absenken, kurz vor dem
Berühren des Bodens wieder abheben. Dauer fünf Serien mit 15
Wiederholungen, etwa eine Minute Pause.
Phase zwei: 4. Woche bis 3. Monat
Alle Übungen werden in dieser Phase exzentrisch, das heißt bremsend und fallverhindernd ausgeführt.
Dieses erreicht man bei den drei Übungen aus Phase eins durch normales Abstützen und direktes
explosives Absenken mit Betonung des (frühen) Bremsens. Dabei langsam hoch stützen, schnell
absenken und die Bewegung bremsen
Wurfübungen
Beschreibung
Ausgangstellung: Zwei Spieler stehen sich gegenüber.
Der Abstand beträgt etwa vier bis fünf Meter (je nach Kraft)
Ausführung:
Beide Spieler werfen mit Druck beidhändig den Ball
(zum Beispiel Medizinball mit etwa fünf Kilogramm Gewicht)
auf Brusthöhe zu. Langsam wird die Wurfbahn immer weiter
über den Kopf geführt. Hinweis: Die Aufgabe des Spielers ist es,
den Ball sehr früh zu stoppen und mit Druck explosiv zurückzuwerfen.
Varianten:
Diese Übung kann man sehr gut kombinieren, zum Beispiel
mit:
Sidesteps oder Bauchmuskelübungen aus Rückenlage
Phase drei: ab dem 3. Monat
Alle Übungen v/erden in der dritten Phase forciert ausgeführt, Die gesamte Rotatorenmuskulatur der
Schulter kann nun zum Beispiel an Seilzügen trainiert werden, wobei eine Außendrehung etwas
limitiert bleiben sollte. Mit dem Training mit Hanteln sollte erst spät begonnen werden, da die
Fehlerquelle hier am größten ist. Das Balltraining und der Wettkampf sollte allerdings erst wieder
bei absoluter Beschwerdefreiheit aufgenommen werden.