WAPEN von HAMBURG III - Karl Heinz Marquardt FASMA

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WAPEN von HAMBURG III - Karl Heinz Marquardt FASMA
WAPEN von HAMBURG III
Das M odell und seine Identität
A n einem b e v o rz u g te n Platz im M useum für
H am burgische G eschichte ste h t se it 1951 ein
altes M odell, v o n dem e s h eißt, es sei ein e
N achbildung des ham burgischen Kriegsschiffs,
das von 1722 bis 1737 den stolzen, tra d itio n s­
reichen N am en „W apen von H am burg" g e ­
tra g e n hat. Das Schiff d ie n te als C o n v o y e r zum
Schutze d e r ham burgischen K auffahrer. V or
ihm gab es schon zw ei a n d e re Fregattschiffe
gleichen N am ens. D ie,, W ap e n v o n H am burg" I
w urde 1669 in D ienst g e ste llt u n d v e rb ra n n te
1683 auf d e r R eede v o n Cadiz. D rei J a h re
sp ä te r w u rd e die F re g a tte „W apen v o n H am ­
burg" II g ebaut, d ie b is 1719 als B egleitschiff
nach dem W esten, nach E ngland, G rö n lan d und
nach A rchangelsk die nördlichen und östlichen
M eere durchkreuzte, d an n aber, als sich n o t­
w endig g ew o rd en e R e p a ra tu re n nicht m eh r
ren tierten , aus dem D ienst gezogen u n d sp ä te r
v e rk a u ft w urde.
Das M odell, das nun seit ü b e r einem J a h r ­
zehnt in dem H am b u rg e r M useum a u sg e ste llt
ist, h at schon a llerlei A u fseh en erre g t. P resse
und W ochenschau b eric h tete n d a rü b e r, u n d zu
g u te r Letzt w u rd e es so g a r zum E rk e n n u n g s­
zeichen des ham burgischen F ern seh sen d ers.
V on A nfang an w a re n sich a b e r die F achleute
nicht ganz einig, ob das a lte M odell w irklich
das C onvoyschiff „W apen v o n H am burg" III
d a rstellt. Im m erhin b e trac h te te die M useum s­
le itu n g d ie Id e n titä t als n achgew iesen. Sie
schloß sich dam it d e r M ein u n g v o n H. R einck e
und B. Schulze* an, die in d e r B roschüre „Das
H am burgische C onvoyschiff,, W a p e n v o n H am ­
bu rg ' " ein e dem entsp re chen d e T h ese v e rtre ­
ten h atten . (Z uvor h a tte n R. C. A n d erso n und
H R einck e E rm ittlun g en an g este llt, d e re n Er­
geb n isse R. C. A n d erso n in ein em A ufsatz
„The w appen von H am burg"* zusam m en­
faßte).
N achdem ich 1951 das M odell zum e rs te n Mal
geseh en h a tte, g eh ö rte ich zu den K ritik ern
d ieser H yp o th ese. D er Identifizieru n g sv ersu ch
erschien m ir fragw ürd ig . Es w a re n zunächst
n u r Ä ußerlichkeiten, die mich zu m ein en Z w ei­
feln a n reg ten . Zum e rste n M al le g te ich sie
schon 1951 in einem B rief an das M useum für
H am burgische G eschichte dar, d an n 1953 in
einem Schreiben an den englischen Schiffbau­
h is to rik e r R. C. A n d e rso n u n d schließlich
ä u ß e rte ich sie 1955 und 1956 nochm als in
V eröffentlichungen in d e r Z eitschrift „H a n sa“.
Die D okum ente, die uns ü b e r die „W apen
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von H am burg" III e rh a lte n g eb lieb en sind
die B auzarter, die T ax e d e r B estückung, die
M u sterro lle, d as In v en tariu m u n d d iv e rse A b ­
h an d lu n g e n ü b e r R eisen des Schiffes) b e s tä rk ­
te n mich in d e r A nsicht, d as M odell ste lle ein
ganz a n d e re s u n b e k a n n te s Schiff dar.
W o h e r kom m t d as M odell?
Der E rbau er des M odells ist u n b e k an n t. W ann
es en tsta n d , ist eb en so u n g ew iß ; m an k a n n
h ie rü b e r höchstens V e rm u tu n g en a n stellen
Bis zu dem Z eitp u n k t, in dem es vom H am b u rg e r M useum g ek a u ft w urde, k o n n te man
es in E ngland b esichtigen, u n d zw ar im Lon­
d o n e r M useum d e r R oyal U nites S erv ice In
stitu tio n . In einem a lte n K atalo g des M u­
seum s fand m an d ie Bezeichnung „Linienschiff
d e r H an seatisch en Liga aus dem J a h re 1650*
V iel m eh r w eiß m an nicht d arü b er.
A bb. 1 D as umstrittene M o d ell v o r se in er l e tzten
R en o vieru n g im Jahr 1951
An d as L ondoner M useum kam es aus dem
Besitz des K ap itän s d e r königlich b ritischen
Flotte, S ir J o h n M arshall. W o h e r M arsh all
das M odell h a tte, läß t sich nicht nachw eisen.
R einck e und Schulze* b e h a u p te n in d e r schon
e rw ä h n te n Broschüre, M arsh all habe 1814 m it
e in e r k lein en Seestreitm ach t H am burg e in g e ­
schlossen und allerlei B eute gem acht. Das M o­
dell sei bei d ie s e r G e leg en h eit dem H am b u r­
g e r A rsen al entnom m en w orden. D as ist a lle r­
d ings n u r ein e V erm utung, d ie m an an stellen
k ann, w enn m an zu v o r schon v o n d e r Id e n titä t
des M odells ü b erzeu g t w ar.
H auptsächlich w aren es Ä uß erlich k eiten , die
zur G leichsetzung von M odell u n d V orb ild
fü h rten :
1. Im Spiegel des M odells b efin d et sich, flan­
k ie rt von Löwen, ein W appen, w ie es üb lich er­
w eise von K riegsschiffen g efü h rt w urde. D ieses
W ap p en scheint nachträglich um gesch n itten
w o rd en zu sein und ste llt se ith e r das d e r
ham burgischen Fam ilie Tam m dar, an die das
C onvoyschiff 1737 v e rk a u ft w urde.
2. A uf dem H albdeck des M odells ste h e n zw ei
K om passe m it d er Inschrift , , HAMBRO 1691".
W en n das alles ist, reicht es zu r B ew eisfüh­
ru n g kaum aus. Z ur Iden tifizieru n g b en ö tig t
m an m eh r M aterial; m an m uß d as M odell m it
A bbild u n g en und D o k u m en ten vergleichen,
aus denen sichere N achrichten ü b e r die K on­
stru k tio n des V orbild es zu en tn eh m en sind.
G anz offensichtlich zog m an solche U n te r­
lag en zu r B ew eisführung nicht h e ra n . Es gib t
auch g a r k ein e au th en tisch en A b b ild u n g en
des O rig in als; sta ttd e sse n lieg en a b e r von
diesem F ahrzeug m eh r A n g ab en ü b e r Form
und A u sseh en vor, als v o n jed e m a n d e re n
deutschen Schiff je n e r Zeit.
B evor ich das u m stritte n e M odell m it den
dokum en tarisch en A n g ab en v ergleiche, m öchte
ich es im F olgenden zunächst einm al so b e ­
trachten, als w äre es ein u n b e k a n n te s O b jek t
das historisch und g eographisch e in g e o rd n et
w erd en soll.
Englisch beeinflußte K o n stru k tio n
V erschiedene E ig en arten des M odellrum pfes
lassen sich so d eu ten , daß d as V o rb ild von
einem Schiffbaum eister stam m t, d e r in d e r
englischen Schiffbau-T radition zu H au se w ar
1. D as R undgatt, also die ru n d e Form des
Hecks, w urde im englischen Schiffbau etw a
se it 1650 gebräuchlich; im k o n tin e n ta le n Schiff­
bau setzte es sich frü h este n s in d e r e rste n
H älfte des 18. Ja h rh u n d e rts durch. D as e rste
k o n tin en tale Schiff m it einem R u n d g att w ar
d ie h olländische „P rov in tie U trech t“, d ie 1728
von dem englischen Schiffbaum eister T hom as
D avis g e b a u t w urde. Es w äre also nach dem
zeitgenössischen S tan d d e r S chiffbaukunst
im m erhin möglich g ew esen , daß ein ham burgisches Schiff m it einem R u n dg att a u sg e rü ste t
w ar; jedoch:
2 Die S pantform des M odells ist typisch e n g ­
lisch u n d u n tersch eid et sich deutlich v o n den
S pantform en
französischer
und
dänischer
Schiffe, b eso n d e rs a b e r auch v o n d e r S pantform, die e in st d e r ham burgische C o n v o y er
h atte. In diesem Z usam m enhang sei au f Röding* Bd. 4 v erw iesen , wo die V ersch ied en ­
a rtig k e it d er S p an tfo rm en d a rg e s te llt ist.
3. D as G alion h a t ein e englische Form , läßt
a b e r auch n ied erlän d isch e Einflüsse erk en n en .
R öding v erg leich t die französische G alionsform
m it d e r englischen u n d s c h r e i b t : L e t z t e r e
u n tersch eid et sich in so n d e rh e it von d e r ersteren d arin , daß d ie u n te rste R egeling bis an
d en D rücker u n te r dem K rah n b alk en v e rlä n ­
g e rt w ird u n d d iese V e rb in d u n g o d er diesen
u n te r dem D rücker an g eb rach ten Z ie rrath n e n ­
n en d ie E n g län d er E iking; auch ste h en die
S chließknien w e ite r v o n e in a n d e r u n d zw ischen
d en se lb e n sind d ie K lüsen geb o h rt, w elche
nach französischer B au art ü b er d e n selb en lie ­
gen. Die o b e rste Schließknie w ird bei den
E n g län d ern auch bis h in te n an den K opf des
Löw en (Anm. G alionsfigur) v e rlä n g e rt, u n d
d iese V erlä n g e ru n g h eiß t H airb rack et. Die
b e id en an dem V o rste v e n lieg e n d en Klüsh ö lzer reichen nach o b en h erau s, u n d zw i­
schen d e n se lb e n lieg t das B ugspriet. D as h e r­
a u sra g e n d e Ende w ird B ollard-tim ber oder
K nig h t-h ead g en an n t. S tatt e in es K üssen v or
d en K lüsen gebrauchen d ie E n g län d er das
N avel-w ood, w elches dicke an die K lüshölzer
g esp ick erte K lötze sind, w odurch die Klüsg a te n g e b o h rt sin d . "
Beim M odell lie g t d as N av el-w o o d nicht
zw ischen den S chließknien, so n d ern d a rü b e r;
so k a n n te m an es bei fast allen n ie d e rlä n ­
dischen Schiffen des 18 Ja h rh u n d e rts . H ier
h a n d e lt es sich verm utlich um eine Z w ischen­
form, die e in e rse its m it d e r französischen B au­
a rt (mit d en K issen u n te r d en K lüsgaten) und
a n d e re rse its m it d e r englischen B au art v e r­
w andt ist. Auch F. C hapm an* ste llte diese
Form d ar. Sie ist bei v ersch ied en en nachw eis­
lich englischen M odellen d e r H. H. R ogers
C o llectio n i n d e r USA N a v a l A cadem y in
g leich er W eise zu finden. D en Ü berg an g d er
o b e rste n R egeling in ein en Kopf bezeichnet
C an n en b u rg * als n ied erlän d isch es D etail. Er
sch reib t d a rü b e r in einem an d e re n Z usam ­
m en h an g : , , N ed erlan d sch e h e rk o m st ist echter
w aarsch ijnlijk , w aaro p ook de m e rk w aard ig e
m an n en k o p p en k u n n e n w ijzen, die de b o v e n ste
re g e lin g e n v a n h et g a ljo e n afslu ite n . . . "
4. Die S tückpforten sin d am M odell w ie
bei englischen Schiffen an g eo rd n et. K rünitz*
schreibt dazu: ,,Bei den E n g län d ern findet man
gew öhnlich in d e r v o llen Lagen gleiche A nzahl
v o n K anonen und die dem V o rste v en am
nächsten ste h e n d e K anone in d e r u n te rste n
Lage; m an findet auch w ohl d iese P forte o hne
K anone, u n d m an b rin g t n u r dann e in e hinein,
w enn d as Schiff nach v o rn schießen soll, z. B.
bei Jach ten , w enn m an dem F eind se h r nahe
is t. "
5. D ie U b erb re ite d e r B erghölzer — am M odell
285
Abb. 2 Rumpfseitenansicht des Modells, Vorderteil mit der Galionsfigur
sind sie m in d esten s d o p p elt so b re it als n o r­
m al — und die dadurch b e d in g te sta rk e
Schneidung d e r letzten P forten in die B erg­
h ölzer w erd en von K rünitz* und Röding* ü b e r­
einstim m end als englische E ig en art bezeich­
n et (s. a. A bb. 2 u. 3).
6. Auch die Form d e r G esch ü tzrap erten (La­
fetten) am M odell d e u te t auf ein e n englisch
o rie n tie rte n Schiffbauer hin. Röding* v e rw e ist
diese Form nach E ngland.
7. Die h alb ru n d e n A b o rte v o r d er Back k ö nnen
als englisches D etail g e w e rte t w erden. Ich v e r­
glich zahlreiche M o d ellb ild er m ite in a n d e r und
ste llte fest, daß n u r M odelle en g lisch er V o r­
bild er des 18. Ja h rh u n d e rts h a lb ru n d g efo rm te
A b o rte haben, so z. B. die russischen M odelle
im Schloß Eutin, ein englischer D reidecker
im L eningrader M arinem useum , ein englisches
V orschiff (d arg estellt in einem zeitgenössischen
Stich) sow ie zahlreiche M odelle d e r H. H. Ro­
gers C ollection in A nn ap o lis, USA.
N ach d ie se r B etrachtung w ird es ziem lich u n ­
w ahrscheinlich, daß ein M odell m it e in e r sol­
chen A nhäu fu n g englisch er Schiffbau-Eigen­
arte n die N achbildung e in es d eu tsch en Fregattschiffs des frühen 18. Ja h rh u n d e rts sein
soll.
W an n e n tsta n d das M odell?
A usgehend von u n se re r zu v o r e rlä u te rte n A r­
b eitsh y p o th ese, w ir h ä tte n ein v o llstän d ig u n ­
b ek an n te s M odell v o r uns, w ollen w ir nun
d en V ersuch u n tern eh m en , es zeitlich ein zu ­
ord n en : S ehr schnell sto ß en w ir d ab ei auf
S chw ierigkeiten, v o r alle n D ingen, w eil das
M odell in seinem h e u tig e n Z u stan d u n e in h e it­
lich w irk t. O ffensichtlich sin d anläßlich v e r­
schiedener R e stau rieru n g e n n achträgliche A b­
ä n d eru n g en und V erfälsch u n g en vorgenom m en w orden. G erad e die T ak elu n g , d ie man
g ern e fü r d ie Z eitbestim m u n g h eran z ie h en
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w ürde, läß t n u r ganz w en ig e Rückschlüsse
zu, w eil m an bei ihr, w ie auch R. C. A n d e r­
son* (in d e r B roschüre von R eincke u. Schulze*)
ein räu m t, m it R ek o n stru k tio n sfe h le rn rechnen
muß. Im m erhin d e u te t ein D etail, d as zu r
E rsta u ssta ttu n g des M odells g e h ö rt h ab en
muß, d a ra u f hin, daß das d a rg e s te llte Schiff
w ohl nicht in d e r e rste n H älfte des 18. J a h r ­
h u n d e rts g e b a u t w o rd en ist. Es sind d a s die
B utlufs, R undhölzer, d ie auf das G alion füh­
ren und die H alsen d e r Fock aufnehm en. Dem­
nach m uß d ie T ak elu n g des V o rb ild s u rs p rü n g ­
lich e in e K lü v erb au m -T ak elu n g g ew esen sein.
Nach C annenburg* w u rd en B utlufs in d e r Z eit
zw ischen 1740 u n d 1750 ein g e fü h rt; h in g eg en
sei d e r W asserstag , fü r d en im M odell Öff­
n u n g e n v o rh a n d e n sind, schon etw a um 1700
zu finden gew esen . Nach D iderot* und d'A lem bert* b en ü tzte m an auf H andelsschiffen um
1751 B utlufs. Röding* schreib t:, , K au ffah rer
h a b e n se lte n ein en Butluf, u n d in E rm angelung
d essen g eb rau ch en sie den K ra h n b a lk e n . " A us
C hapm ans* W e rk g e h t h erv o r, daß um 1778
a lle F re g a tte n m it B utlufs a u sg e rü ste t w aren.
Bei Schiffen, die m an zeitlich ein o rd n en will,
u n tersu ch t m an b eso n d ers so rg fä ltig die k ü n st­
lerischen D etails, weil für b estim m te Z eiten
b estim m te S tilelem en te typisch sind. S eh r au f­
schlußreich ist im allg em ein en d er Spiegel; er
w a r bei den a lte n K au ffah rern im m er ein
Schiffsteil, d e r zu r ä u ß e re n R ep rä se n ta tio n
d ie n te un d d e sh alb m it b e so n d e re r Pracht und
S o rg falt a u sg e s ta lte t w urde.
D er Spiegel d es M odells (Abb. 4) p aß t in k e in e r
W e ise in die Z eit um 1720, in w elcher d e r
C o n v o y e r „W apen v o n H am burg" III g e b a u t
w urde. Ein S piegel in d e r A rt, wie e r am
M odell g e sta lte t ist, k a n n frü h este n s 1780
e n tsta n d e n sein. Die k u n stv o lle n V e rzie ru n ­
g en sind näm lich klassizistisch, und som it d er
z w e ite n Ja h rh u n d e rth ä lfte zuzuordnen, w ä h ­
re n d sich vom zeitg en ö ssisch en R okoko k ein e
S pur m eh r findet. D ie „W apen v o n H a m b u rg “
III, d ie 1722 g e b a u t un d schon 1737 vom S en at
d e r S tad t H am burg v e rk a u ft w urde, k an n
k ein en k lassizistischen S piegel b esessen haben.
B esonders deutlich w ird dies bei- d e r B etrach­
tu n g des u n teren G alerieb an d es. Beim M odell
ist es g la tt und nicht a b g e ru n d e t; die F e n ste r
sind rechteckig und durch S äulen k lassisch er
Form u n terb ro ch en — ein typisches M odea ttrib u t des K lassizism us.
Die V erfälschungen
D as V orbild des M odells m uß ein Schiff g e­
w esen sein, d as in E ngland o d e r in einem
an d eren Land, das Schiffe nach en g lisch er A rt
zu b a u en pflegte, e n tsta n d e n ist. Es g ib t sta rk e
A nzeichen dafür, daß d as V o rb ild in d en N ie­
d erla n d e n g e b a u t o d e r g e p la n t w urde. Da sind
z. B. die b eid en Löw en im Spiegel, die das
u m stritte n e W ap p en flan k ieren ; sie p assen
nicht zu einem englischen Schiff. Englische
Schiffe tru g en Löw e u n d E in h o rn als W a p ­
pen tiere. Auch die Form des S piegels zeigt
n ied erlän d isch e E igenart; m anches an d e r Form
scheint so g a r ein H in w eis d a ra u f zu sein,
daß m an es m it einem Schiff d e r O stindischen
C om pagnie zu tu n h at. N ach C annenburg*
soll im Spiegel d e r Schiffe d er n ied erlän d isch en
F lo tte m eist die W ellenform d es H ackbords
sichtb ar g ew esen sein, w og eg en sich die S pie­
g el d er O. I. C. Schiffe durch ein e a b g e ru n d e te
H ufeisenform auszeich n eten ; g e ra d e dies ist
a b e r die Form , die w ir b ei dem M odell w ie ­
derfinden. A ußerdem seien, e b en falls nach
C annenburg*, b ei O. I. C. Schiffen fast a u s­
nahm slos geschlossen e S pieg el o hn e offene
G alerien gebräuchlich g ew esen ; auch d as M o­
dell h a t k e in e offenen G alerien.
W ie das V orbild tatsächlich a u sg e se h en haben
m ag, läß t sich h e u te nicht m eh r e in w an d frei
feststellen , w eil das M odell — w ie schon e r ­
w äh n t — in s p ä te re r Z eit v erfälsch t w urde.
Bei d e r R e stau rieru n g im J a h r e 1951 h ä tte
m an eigentlich v iel d iesbezügliches M ateria l
finden m üssen. Je tz t d ie V erfälschungen nach­
zuw eisen, ist viel schw ieriger. M an b ekom m t
das M odell n u r noch im G la sk a ste n des M u­
seum s zu seh en ; auß erd em ste h e n lediglich
Photos und u n g esich erte R ißzeichnungen zu r
Abb. 3 Rumpfseitenansidit des Modells, Heckteil
V erfügung. T rotzdem g ib t es noch ein ig e a u f­
fallen d e S puren.
Die F orm en d e r R eling u n d d er K uhl w ei­
chen v o n d en en ab, die im 18. J a h rh u n d e rt ge­
bräuchlich w aren : Die R eling ist geschlossen
und die K uhl ü b e rh ö h t — im 18. J a h rh u n d e rt
k o n n te d ie R eling eigen tlich n u r offen und die
K uhlhöhe no rm al g ew e se n sein. D as übliche
M aß d e r B o rd w an d h ö h e in d e r K uhl d ü rfte
5 Fuß b e tra g e n hab en , das entsp rech en d e, um ­
g erech nete M aß des M odells erg ib t 9 Fuß.
Auch in d e r z w eiten H älfte des 18. J a h rh u n ­
d e rts w a re n solche S o n d erfo rm en nicht üblich.
Es ist an zu n eh m en , daß es sich h ie r um ein e
sp ä te re Z u tat h an d elt.
Am M odell fä llt auch d e r u nharm onische V e r­
lau f d e r gesch lo ssen en H ü tte n re lin g auf, die
nach v o rn e h ö h e r w ird. S piegel u n d Taschen
ersch ein en m ir im V e rh ä ltn is dazu e tw a s klein.
Da ab e r Rum pf u n d S piegel o rganisch zusam ­
m en g eh ö ren, m uß d as M odell in d ie se r H in ­
sicht sp ä te r a b g e ä n d e rt w o rd e n sein. Die V e r­
ä n d eru n g betrifft die g esa m te Schiffsreling bis
zu r Back, einschließlich d e r Kuhl. Bei d e r le tz ­
te n R e stau rie ru n g in H am b u rg h ä tte m an fe st­
ste lle n k ö n nen , w elche T eile nach H o lzart und
Stil zum Rumpf p assen . B esonders v erd äch tig
sin d m ir die gesch n itzten Fische, durch w elche
d ie u n gew öhnlich h a rte n Ü b erg än g e d e r R e­
lin g sstu fen offenbar g em ild ert w erd en sollen.
Ich g la u b e nicht, daß die Fische v o n d e r se l­
ben K ü n stle rh a n d geschaffen w o rd en sind,
w ie S piegel u n d G alio n sb ild n is. S piegel und
G alion w irk en in ih re r A u sa rb e itu n g etw as
d illettan tisch j d a g eg en sind die Fische w ohl
v o n einem geschickten H o lzb ild h au er g e ­
schnitzt w orden. Ich n eh m e an, daß d ie Fische
e rst 1846 bei d er R e stau rie ru n g in C hattam
G ard dem M odell b e ig e fü g t w u rd en . M an
frag t sich d a n n n atü rlich nach dem G rund.
D as k ö n n te durchaus so e rk lä rt w erden, daß
d e r R e sta u ra to r ein V o rb ild d a fü r h a tte : Ich
fan d näm lich A b b ild u n g en v o n Charnock*, die
ähnliche R elin g -S tu fen ü b erg än g e (Fische, Lö­
w en usw . ) zeigten. Charnock* veröffentlichte
sein Buch im J a h r e 1800 u n d lies se in e r P h an ­
ta sie bei d e r D arste llu n g ä lte re r Schiffe ziem ­
lich v iel freien Lauf. Solchen b eto n ten , m it
T ierg e b ild en g e schm ückten Üb e rq ä n g e n b e ­
gegnet m an so n st n irg en d w o ; sie w ären auch
auf dem Schandeck vo n d en S e e le u te n als u n ­
praktisch em pfunden w orden. V erm utlich w ird
m an sie als w illkürliche E igenschöpfungen
C harn ocks au fzufassen haben.
Ich nehm e an, daß d e r R e sta u ra to r von 1846
C harnocks Buch als V o rla g e b e n ü tz t hat. Es
w äre d an n erklärlich, w arum d am als auch noch
a n d e re ein schneidende V e rä n d e ru n g e n vo rg enom m en w urden. Bei C harnocks Schiffsdarstellu n g en findet m an ö fters die geschlossenen
R elings, w ie sie d as M odell hat. A ußerdem
haben C h arn o c ks Z w eidecker g elegentlich
runde G eschützpforten au f d e r H ü tte; das
M odell lä ß t an d ie se r S telle e b en falls ru n d e
G eschützpforten erk en n en .
Dazu kom m t, daß das M odell, das, seinem
Rumpf nach, die N achbildung ein es h o llä n ­
dischen Schiffes sein k ön n te, G esch ü tzrap erten
rein englischer B auart träg t. W ahrscheinlich
w urde das M odell e rs t 1846 m it d iesen K a­
nonen a u sg erü stet. A u ß erd em stim m t d ie Z ahl
d e r G eschützpforten nicht m it den A usm aßen
des Schiffes überein. Den M aßen nach w äre
das V orb ild ein 58—60 K anonenschiff g e w e ­
sen, d as M odell h at a b e r 12 P forten zuviel.
Pforten auf d er H ü tte und auf d e r Back w aren
bei einem Schiff d ie se r G röße nicht üblich.
Die K om passe m it d er Inschrift „H am bro 1691",
d ie als B ew eism ittel für d ie Id e n titä t des M o­
dells m it d er „W apen v o n H am burg" III a n ­
g efü h rt w urden, sind lose B estan d teile des
M odells; sie k önnen ih ren S ta n d o rt irg e n d ­
w an n einm al auf einem ganz a n d e re n M odell
g eh ab t haben. M an k an n beim b e sten W illen
nicht annehm en, daß d e r M o d ellb au er den
K om passen ein e Inschrift gab, die auf den
K om passen des V o rb ild es höchstw ahrscheinlich
nicht zu lesen w ar. M an m üßte so n st a n n eh ­
m en, beim Bau d es C o n v o y e rs im J a h r e 1722
seien K om passe ein es noch ä lte re n Schiffes
übernom m en w orden. Das ist d urchaus im Be­
reich d e r M öglichkeit. Ich h a lte es a b e r für
se h r viel w ahrscheinlicher, daß d er M od ell­
b a u e r d er E infachheit h a lb e r K om passe eines
a n d e re n M odells v e rw e n d e te , w obei e r es
u n terließ , die a lte n Inschriften zu tilgen.
R eincke und Schulze* sind ü b rig e n s d e r M ei­
nung. d ie K om passe seien en g lisch er H erk u n ft.
W ie schon erw äh n t, ist das W ap p en im S piegel
des M odells das d e r h am burgischen Fam ilie
Tamm, d er ein stig en E ignerin des C o n v o y ers
,,W ap p en von H am b u rg “ III. Es d ü rfte dies
a b e r kaum das u rsp rü n g lich e W a p p en des
M odells g ew esen sein. Ein an deres, ä lte re s
W appen, d as u n s — w ä re es noch v o rh a n d e n
— A ufschluß ü b e r d as tatsächliche V orbild
des M odells g eb en k ö n n te, is t irg en d w an n
einm al um geschnitten w orden. B ew eisen lä ß t
sich d as nicht. A ber an dem M odell w u rd e in
frü h eren Z eiten so v iel g e ä n d e rt u n d verfälscht,
daß m an dem W ap p en b ei Id en tifiz ieru n g sv e r­
suchen k ein e B ew eisk raft b eim essen darf.
288
D er C o n v o y er
„W apen v o n H am burg“ III
N achdem w ir das u m stritte n e M odell des H am ­
b u rg e r M useum s b e tra c h te t haben , b leib t noch
d arzu stellen , w ie d e r C o n v o y e r , , W ap en v o n
H am b u rg “ III u n g e fä h r au sg eseh e n h ab en m ag
(s. u n se re Z eichnung, w elche nach d en ü b e r­
liefe rte n B aurichtlinien re k o n s tru ie rt w urde).
M it diesem h am burgischen Schiff h a t d as in
H am burg a u sg e ste llte M odell zw eifellos n u r
w en ig gem einsam .
1. Das R u n d g att
D er C o n v o y er h a tte — w ie das M odell — ein
R undgatt. Das g eh t au s d e r B au zerter h e r­
vor, d ie „Z arter v o n ein F re g a tt Schiff m it
ein g e w ru n g en S p ie g e l. . . ” titu lie rt ist.
A u ß erd em ist b ei Röding* fo lg en d es zu lesen :
„Spiegel e in es Schiffes h eiß t eigen tlich blos
das Stück, w elches die R andsom hölzer und d e r
H eckbalken b eg rän zen auch rech n et m an die
H in terg illin g m it dazu. Den T eil ü b e r dem
H eckbalken b is zum H ackbord, n e n n t m an
e ig entlich das H eck. “ W en n d e r C o n v o y er, d e r
um 1720 g e b a u t w urde, ein d e ra rtig e s R u n d ­
g a tt h a tte , so s te h t u n s d am it ein se h r a u f­
schlußreiches D atum z u r V erfü g u n g . Etw a 10
J a h r e v o r d e r E in fü h ru n g des R u n d g atts in
den N ie d e rlan d e n ist d iese ursp rü n g lich e n g ­
lische Bauform in H am burg nachw eisbar.
2. S pantform für flachgehende Schiffe
Die „W apen v o n H am burg" III h a tte ein e
speziell für flachgehende Schiffe gedachte
S pantform m it ex trem langem Lieger. (Dem­
g e g e n ü b e r h a t das M odell e in e ganz g ew ö h n ­
liche S pantform englischer B auart). Die B au­
z e rte r g ib t fü r den C o n v o y e r ein e W eite
. . . . au f sein en B alken. . . " v o n 43 H am b u r­
gischen Fuß an, w as 40'6" englischer M aß­
e in h e it entspricht. A n d ere Schiffe d u rchschnitt­
licher B auart und en tsp re c h e n d e r G röße (mit
12 K anonen zu 18 Pfund in d e r u n te rste n
Lage) h a tte n d am als ein e W e ite v o n 37'6"
(engl. Fuß).
D ie S pantform des C o n v o y e rs ist v o n d e r Bau­
z e rte r in alle n E inzelh eiten festg ele g t:, , . . . daß
d as lieg en d e Flack bis an d ie u n te rste K ant
d es e rste n K niep lan k en , 30 Fuß, von da bis an
d ie o b e rste n Kimm en 36 Fuß, v o n da bis an
d ie u n te rste n D ecksbalken 43 Fuß, v o n die
u n te rste n D ecksbalken bis au f die H älfte des
B reiten g an g es 39 Fuß, von bis an die o b ersten
D ecksbalken 35 Fuß w eit b in n en se in e r b u tersten H aut, u n d von da bis ganz nach o b en zu
1 1/ 2 a 1 3/4 Fuß a u f je d e r S eiten nach V e r­
lau f w ied eru m a u s g e fa lle n . . . " (Fuß b e d e u ­
ten h ie r im m er h am burgische Fuß).
Eine solche S pantform ist au ß ero rd en tlich se l­
ten gew esen , eb en so selten w ie e in e ex trem
flach g e b a u te F reg atte. N orm al w a r beim
L ieger ein e W e ite v o n 0, 5, o d e r 6 bis 8"
w eniger. D as M odell lä ß t die n o rm ale S p an t­
form erk en n e n , also die m it e in e r se h r g e ­
ru n d e te n Kimm. D er C o n v o y e r h a tte dem-
g e g e n ü b er im H a u p tsp a n t ein en L ieger von
0,7 W eite, und fü r die Kimm u n d die A u s­
buchtung b e tru g die W e ite n u r 0,3 (norm al
0,5 — 0, 53). Die Form des C o n v o y er-H au p tsp a n ts k a n n m an etw a so b esch reib en : D er
Boden w ar se h r flach u nd die Kimm nicht se h r
g eru n d et; die A usbuchtung muß bis zum u n te r­
sten Deck ste ile r als gew öhnlich g ew esen
sein, a b e r die B ord w u rd e bis zum o b eren
Deck se h r sta rk ein g eh o lt; bis zum Schandeck
fällt sie um nah ezu die H älfte d e r E inschnü­
ru n g w ied er aus.
13 P forten p ro S eite fü r 12-Pfünder in d er
o b eren Lage
4— 5 Pforten p ro S eite für 4-P fünder im H a lb ­
deck.
Da die P forten übliche M aße e rh a lte n sollten,
uns a b e r die d am als üblichen M aße noch h e u te
b e k a n n t sind, k ö n n e n w ir versuchen, a u s d e r
A nzahl d e r P forten d ie Länge d es C o n v o y ers
zu berech n en :
3. Die schm alen B erghölzer
Die in d er B auzerter v o rg esch rieb en e B erg­
holzform w eicht erheblich v o n d e r beim M o­
dell v erw e n d e te n englischen Form ab; es h a n ­
d e lt sich dabei w ohl um die ä lte re k o n tin e n ­
ta le B ergholzform . Im ein ze ln en g ib t d ie B au­
z e rte r folgende A n w eisu n g en : «Das u n te rste
B archholz 10 1/2 Zoll dick, 17 a 18 Zoll breit.
D as zw eite B archholz 9 1/2 Zoll dick, 16 Zoll
b re it un d m üssen also liegen, daß die Stückp o o rte n nicht d arankom m en . D ie F üllu n g zw i­
schen die B archholzer m it die B archholzer
gleich. " D ie F üllung ste llt also ein e n o rm ale
P lanke dar, d eren B reite m it d e r e in es B erg­
h olzes ü b erein stim m en soll. Es ist m öglich, daß
m an stellen w eise e in e v o lle A u sfü llu n g v o r­
g eseh en h a tte, w ie sie v o n C annenburg* für
d ie Z eit von 1720 — 1730 als gebräuchlich v e r­
m e rk t w ird.
78' 2"
4. Die B estückung
F ür d ie ham burgische F re g a tte w ar, d en Stück­
p fo rten nach, e in e übliche B estückung v o rg e ­
sehen, die aus zw ei v o llen Lagen und aus
G eschützen auf dem H albdeck b e ste h e n konnte.
D ie S tückpforten durften , w ie die B au zerter
vorschreibt, nicht in d ie B erg h ö lzer eingeschnitten w erd en : «Zwei lang P o o rten w ie auch
auf d as h alb e Deck u n d in das h in te r Schiff
v on solcher G röße als d ie v e rla n g t w erden,
auch daß k e in e r v o n selb ig e d ie B archholzer
b erü h ren , w ie o ben bei B archholzer schon e r­
w ä h n e t. " V on ein zu b a u e n d e n S tückpforten auf
d er Back und auf d er H ü tte, w o d as M odell
Pforten h at, ist nicht d ie Rede. Solche G e­
schütze w aren bei einem Schiff d ie se r G rö ß en ­
o rd n u n g nicht gebräuchlich und w u rd e n d es­
halb auch nicht in d e r B au zerter g efo rd ert.
Die A nzahl d er P forten in den v o lle n Lagen
k a n n nicht aus d e r B au ze rte r en tn o m m en w e r­
den. Es g ib t a b e r ein e M öglichkeit, aus d er
b e k a n n te n Schiffslänge d ie Z ahl d e r Pforten
zu berechnen. Die Schiffslänge w ird in d e r
B auzerter m it «über S tab en " 150 h am burgischen Fuß angegeben. Bei K rünitz* ist zu
lesen : «Ein Schiff von 62 K anonen w a r lang
140 (englische) Fuß". D er C o n v o y e r h a tte um ­
g erechnet ein e L änge v o n 141 englischen Fuß.
Da e in e no rm ale B estückung für d as H am ­
b u rg e r Schiff g e fo rd ert ist, d arf angenom m en
w erden, daß es für 60 K anonen a u sg e le g t w ar.
Die Pforten für die K anonen d ü rfte n w ie folgt
a n g e o rd n et g ew esen sein:
12 Pforten pro S eite für 18-Pfünder in d e r
u n te rste n Lage
290
12 P fo rten w eite n fü r 18-Pfünder
je 2'8"
11 Z w isch en räu m e
je 7'2"
E n tfernung d e r h in te re n Pforte
vom A ch terstev en = 1 1/2 Z w ischen­
räu m e
E n tfernung d e r v o rd e re n Pforte
vom V o rste v e n = 2 1/2 Zw ischen­
räum e
B reite d es V o rstev e n s v o r d e r
Sponung
B reite des A ch te rstev en s h in te r
d e r S ponung
Länge des Schiffes zw ischen
den S tev en
32'
10' 9"
16' 2"
1' 1"
10''
141'
D ann stim m t also die P robe; denn e in e Länge
v on 141 (englischen) Fuß o d e r 150 ham b u rgischen Fuß fo rd erte, w ie w ir fe s tg e ste llt h a ­
ben, d ie B auzerter.
In te re ss a n te E in zelheiten k a n n m an a u s d e r
T ax e d e r B estückung u n d aus d e r M u ste r­
ro lle en tn eh m en . D ie tatsächliche B estückung
h in te r d en P forten m uß w esentlich schw ächer
g ew esen sein, als ursp rü n g lich v o rg e se h e n
w ar. D as w ü rd e g u t zu d e r zeitg en ö ssisch en
N otiz p assen , , , . . . daß solche C o n v o y C apita in e um d ie 1/2te sich s tä rk e r rühm en, als
A bb. 4 H eckansicht m it dem kla ssizistisch en S p ie­
gel. — D ie P hotos 2 — 4 w u rd en w ä h ren d d er R e ­
n o v ie ru n g d es M odells, im Jahr 1951, a u lg en o m m en
in d er T at b e s c h a f f e n ... " (s. E. Baasch*). In
Ü bereinstim m ung m it d e r T a x liste ist d ieser
Satz durchaus als H inw eis au f ein e vom N o r­
m alzu stan d abw eichen d e M in d e r b e s tü c ku ng
zu v ersteh en . N ichts d e u te t d a ra u f hin, daß
m an d en Schiffen durch E inbau e in e r Ü b er­
zahl an G eschützpforten d en A nschein e in e r
schw eren B ew affnung v e rlie h e n h ä tte.
D er T ax liste nach fü h rte d e r C o n v o y er in d er
u n te re n Lage 6 Stück 18-Pfünder u n d 16 Stück
12-Pfünder, in d er zw eite n Lage 26 Stück
8-Pfünder und auf dem H albdeck 4 Stück
3-Pfünder. Eigentlich h ä tte das Schiff in d er
u n te re n Lage 22 Stück 18-Pfünder und 4
k le in e re K aliber o d er 26 Stück 18-Pfünder,
in d e r zw eite n Lage 26 Stück 12-Pfünder und
auf dem H albdeck 8 Stück 4-Pfünder fü h ren
m üssen. D er C o n v o y er h a tte also w eg en d e r
u n v erh ältn ism äß ig leichten G eschütze ein e b e ­
d eu ten d g erin g ere Schuß-Reichw eite, als m an
ihm äußerlich h ä tte Z utrauen m ögen.
L eichtere G eschütze sind einfacher zu b e d ie ­
n en ; m an k o n n te also, w enn m an leichtere
G eschütze au fstellte, P ersonal ein sp a re n . A uf
d er „W apen von H am burg" h a t m an ab er
noch d a rü b e r h in a u s g esp art. D as g eh t aus
d er M u sterro lle h erv o r, die für d as J a h r 1724
ein e B esatzung von 160 M ann, für das J a h r
1727 ein e v o n 283 M an n an g ib t. W ie s ta rk
die n o rm ale K am pfbesatzung des Schiffes h ä tte
sein m üssen, k a n n m an nach d e r B estückungs­
liste berechnen, d. h. nach G röße und A n ­
zahl d er K anonen. F ür d ie „W ap en v o n H am ­
b u rg " sie h t die B erechnung w ie folgt aus;
o b eren K a jü te durch ein e T h ü r in die G allerie.
Schiffe u n te r 60 K anonen h ab e n se lte n ein e
G allerie. D reidecker h ab e n h in te n zw ey G allerien . An b e y d e n S eiten d es Schiffes befin­
den sich noch die S e ite n g a lle rie n w elche in
e in e r F lur m it d e r o b e rn K a jü te liegen, und
an die H in ter-G a lle rie stoßen. U n ter je d e r von
d iesen S eiten g a llerie n sin d noch A b th eilu n g en
m it F en stern , in w elche m an durch T h ü ren
aus d e r u n te rn K ajü te geht. D iese Plätze
d ien en den O fficieren zum A b tritt u n d es
sind dazu Sitze e in g e r ic h te t. . . " Es ist
also w ahrscheinlich, daß d ie „W ap en v o n
H am burg" III nach d en A n w eisu n g en d e r
B au zerter „w ie gebräuchlich" m it e in e r offenen
G alerie ru n d um die H alb d e c k sk a jü te a u sg e ­
s ta tte t w ar. D as M odell h in g eg e n h a t kein e
offene G alerie.
D er C o n v o y e r w a r nicht irg en d ein Schiff, so n ­
d e rn das g ro ß e Schiff d es H am burgischen
S en ats schlechthin. M an w ird also g ro ß en
W e rt auf ein e re p rä se n ta tiv e A u sg e sta ltu n g
g eleg t haben. U nd dazu g e h ö rte auch d er
Bau e in e r G alerie.
6 X 9 M ann
1 6 X 8 M ann
26 X 7 M ann
4 X 3 M ann
7. Die F ockgräting
Im G eg en satz zum M odell h a tte die „W apen
vo n H am burg" e in e F ockgräting.
für
fü r
für
für
die
die
die
die
18-Pfünder
12-Pfünder
8-Pfünder
3-Pfünder
54 M ann
128 M ann
182 M ann
12 M ann
In sg esam t: 376 M ann
Es b efan d en sich im m er w e n ig e r M enschen
an Bord, als m an in einem G efecht z u r o rd ­
nungsgem äßen B edienung d e r G eschütze b e­
nö tig t h ätte. D abei w aren ja , w ie w ir oben
g eseh en haben, die G eschütze se lb st schon
schw ächer als üblich. Die abschreckende W ir­
k u n g ein es solchen C o n v o y ers, d e r H a n d e ls­
schiffe v o r P iraten zu schützen h a tte, b e ru h te
also lediglich auf Ä uß erlich k eiten ; die G e­
fech tsstärk e entsprach nicht d e r Schiffsgröße.
V ergleichsw eise sei h ie r n u r e rw äh n t, daß
gleichgroße K riegsschiffe ein e B esatzung von
450 bis 500 M ann h atten .
5. D ie H eckgalerien
In den Schlußabschnitten d e r B au zerter ist
zu lesen : „ . . . Noch ist d er Z im m er M ann g e ­
h a lte n zu liefern alles Holz, es sei inw endig
o d er ausw endig, an Eichen o d e r F ühren, zum
B ildw erk, G alion u n d G allerey en , auch so l­
ches zu befestigen, w ie gebräuchlich u sw . ”
W ie sah nun die gebräuchliche Form d er
G alerien aus? Röding* schreibt: „Ein d re y
bis v ie r Fuß h erv o rsp rin g e n d e r B alkon, d e r
h in te n am Schiff zu r Z ierd e u n d zu r B equem ­
lichkeit an g eb rach t ist. M an g eh t a u s d e r
6. Die A u sfu tte ru n g für den A n k er
Die B au zerter g ib t die A n w eisu n g : , , . . . fe r­
n e r au f dem Boog, da d ie A n k e rs au f und
n ie d e r gehen , a u s z u f u tte rn . . . " U n te r e in e r
solchen A u sfu tte ru n g v e rs ta n d m an b re ite
H ölzer, d ie vom u n te re n B ergholz bis zum
F ockrüst reich ten u n d ein b e sse re s A u fh o len
u n d F a lle n la sse n d e r A n k e r erm öglichen so ll­
te n ; das M odell b esitz t k e in e A u sfu tteru n g .
8. D er G lockengalgen
Im In v e n ta riu m fü r d en C o n v o y e r w ird u. a.
ein e „ . . . g ro ß e Klock au f d ie Back. . . " v e r­
m erkt. A uf d e r Back m uß sich also ein Glokk en g a lg e n b e fu n d e n hab en . Am M odell sind
k ein e A nzeichen d a fü r zu finden, daß es je ­
m als ein e n G lockengalgen besaß.
9. Die d o p p elte B eplankung des U n te rw asse r­
schiffs
F ür d ie „W apen v o n H am b u rg “ m uß ein e
d o p p e lte B eplankung d es U nterw asserschiffs
an g en o m m en w erden. In d e r B au z e rte r w ird
die B eplankung u n te r dem K ap itel „das A usb o y e n t" festg ele g t; b eso n d ers h e rv o rg e h o b e n
w ird d ab ei die V e rstä rk u n g d er K im m plan­
ken. Im A bsch n itt „H aut" ist d a rü b e r h in a u s
e in e F ich ten b ep lan k u n g v o n 2" vom Kiel bis
zum B ergholz vorg esch rieb en . V erm utlich
w u rd e das U nterw asserschiff b eso n d ers ro b u st
g eb au t, um es für C o n v o y fah rte n in s Eis­
m eer, z. B. nach A rchangelsk, w id e rsta n d s­
fä h ig e r zu m achen. Da ein e d o p p e lte B eplan­
k u n g des U nterw asserschiffs an den u n te r­
schiedlichen M aßen v o n U n ter- u n d O b e rk a n te
des B ergholzes e rk e n n b a r sein m üßte, k a n n
m an annehm en, daß d as M odell n u r ein e N o r­
m alb e p la n k u n g besitzt.
291
Z usam m enfassung
A us den v o rste h e n d e n E rö rteru n g en w ird
deutlich, daß es sich b ei dem C o n v o y e r , W apen von H am b u rg “ III u n d dem V orb ild des
in H am burg a u sg e ste llte n M odells um zw ei
versch iedene F ah rzeu g e g e h a n d e lt h a b e n mag.
A bschließend seien die H au p tu n tersch eid u n g sM erk m ale nochm als zu sam men g efaß t:
Länge und B reite des C o n v o y ers stim m en u n ­
g efäh r m it den en tsp rech en d en M aßen des
M odellvorbilds überein . Es h a n d e lt sich also
um zw ei etw a gleichgroße Schiffe. D agegen
erg a b e n sich für die S p a n tto rm en b e m e rk en s­
w erte U nterschiede. D as M odell h a t e in e n o r­
m ale S pantform , d e r H a u p tsp a n t des C on­
v o y e rs ist außergew öhnlich:
Hol des M odells: 0,48 B reite
Hol des C o n v o y ers: 0,36 B reite
L iegerw ert des M odells: 0,47 — 0, 50 B reite
L iegerw ert des C o n v o y ers: 0,7 B reite
Die „W apen von H am b u rg “ h a tte d o p p elte
B erghölzer m it d azw isch en lieg en d er Füllung,
und die Stückpforten b e rü h rte n die B erghöl­
z er nicht. Das M odell b esitz t ü b e rb re ite B erg­
hölzer englischer A rt, in d ie d ie letzten v ie r
Pforten eingeschnitten sind.
D er C o n v o y er h a tte ein e offene G alerie. Beim
M odell g ib t es k e in e G alerie. Ein Schiff m it
einem klassizistischen S piegel, w ie ihn das
M odell besitzt, k a n n frü h e ste n s um 1780 e n t­
stan d en sein. Das h am burgische G eleitschiff
h a tte ein en Barock- o d e r R okoko-Spiegel.
D er C o n v o y er w a r am Bug m it e in e r A u s tu tte ­
rung für d ie A n k er a u sg e rü ste t. Am M odell
ist ein e solche E inrichtung nicht zu finden.
Die F re g a tte h a tte im G eg en satz zum M odell,
ein e F ockgräting u n d ein en G lockengalgen.
Eine d o p p elte B epla n ku n g , w ie sie d ie,, W a p e n
von H am b u rg “ h atte, ist am M odell nicht fest­
stellb ar. Im R estau rieru n g sb erich t v o n 1951
w u rd e sie nicht erw äh n t.
H inzu kom m en noch erh eb lich e U n terschiede
in d er A rt d er B estü ck u n g u n d d e r A n o rd ­
nung d e r G eschützpforten.
Das M odell ist sicherlich e in es d e r g rö ß ten
M odelle d es 18. Ja h rh u n d e rts . Nach allem
w ird m an a b e r nicht um hin k ö n n en , d ie b is­
h erig e M useum sbezeichnung, die ihm so v iel
B erühm theit eingebrach t h at, zu k o rrig ie re n .
Es gibt k ein M odell des Fregattschiffs „W apen
von H a m b u rg '' III. Das M useum sm odell ist
ein e durch R estau rieru n g e n verfälsch te N ach­
b ild u n g ein es u n b ek an n te n Schiffes u n b e k a n n ­
te r N a tio n alität. A ls geschichtliches D okum ent
ham burgischer Schiffsbaukunst um 1720 ist es
ohne je d e n W ert.
K.-H. Marquardt
P hotos: 2— 4 Fr. Jo rb e rg
A nm . d. R ed.: F ern lieg t u n s die A bsicht, den vom
A u to r v e rtre te n e n T h esen je tz t am Schluß zu w id e r­
sprechen. Er h a t d afü r zu schlagend a rg u m e n tie rt,
u nd d afü r ist auch d a s v o n ihm g esam m elte M a terial
zu b ew eisk rä ftig . N u r die B eg eisteru n g , die im
S chlußabsatz zum A u sdruck kom m t, g la u b e n w ir
ein w en ig däm pfen zu m ü ssen , auch w en n sie uns
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im g eg eb en e n F all v e rstä n d lic h erscheint. W ir hoffen
näm lich im Sinn des A u to rs zu h an d eln , w en n w ir
h ie r noch ein m al p rä z isie re n : ü b e r d ie ham burgische
S chiffbaukunst des 18. Ja h rh u n d e rts b e s a g t d a s M o­
dell w ahrscheinlich nichts o d er je d e n fa lls nicht v iel:
tro tz d em ist es auch im Z u sta n d d e r v o llstä n d ig e n
A n o n y m itä t ein se lte n e s K u n stw erk , d as in d e u t­
schen M u seen se in esg leich en sucht.
* L iteratu rv erzeich n is:
R. C. A n d e r s o n , . T he w ap p en vo n H a m b u rg “, M a­
rin e rs M irror, Bd. 34, H eft 3
E. Baasch, H am burgs C o nvoyschiffahrt un d C onvoyw esen, 1896
W . V. C a n n en b u rg , B e sd irijv e n d e C a ta lo g u s d e r
S cheepsm odellen en S cheepsbouw kundige T eekenin g en 1600— 1940, 1943
F. H. C hapm an,
to ria , 1768
A rch itectu re
N a v a lis
M erca-
C harnock, A n h is to ry of m a rin e arch itectu re , 1800
D. M. D id éro t un d J. L. M. d 'A lem b ert, E ncyclo­
pédie ou D ictio n n aire R aiso n n ée d e s S cience, des
A rts e t d es M étiers, 1751
Dr. J. G. K rünitz, T echnologisch ökonom ische En­
cy c lo p ä d ie Bd. 143, 1826
Kh. M a rq u a rd t, „W apen vo n H am burg III“ — ja
o d e r nein?, H ansa 1955, S. 1184/1185 u n d 1956,
S. 591/592
H. R einck e u n d B. Schulze, D as H am burgische Convoyschiff „W apen vo n H am b u rg “
J. H. R öding, A llg em ein es W ö rterb u ch d e r M arine,
Bd. 1— 4, 1794
M. V ocino, La N a v e n el T em po, 1942

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