Ein Sommer(nachts) - Hofgut Hopfenburg
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Ein Sommer(nachts) - Hofgut Hopfenburg
Ein Sommer(nachts)traum im Schäferwagen Das historische Hofgut Hopfenburg ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht: Eine Gruppe von Idealisten hat auf der Schwäbischen Alb eine Ferienanlage eröffnet, die mit 08/15-Camping rein gar nichts zu tun hat Camping? Um Himmels Willen. Das klingt nach winzigen Handtuchgrundstücken, vollgepflastert mit Wohnwagen, Hauszelten und Hundehütten. Nach lieblos eingetüteten Supermarktwaren zu überteuerten Preisen im Campingplatz-Kiosk. Nach dreckigen Duschen. Und nach überfüllten Stränden, die abends mit leeren Bierdosen übersät sind. Davon hatten wir in der Kindheit wahrlich genug. Das muss wirklich nicht sein. Nie wieder. Das hatten wir uns jedenfalls geschworen. Mit leiser Skepsis machen wir uns auf den Weg in Richtung Münsingen auf der Schwäbischen Alb. Damit beginnt das Experiment Land-Urlaub auf dem Hofgut Hopfenburg. Die erste Überraschung wartet schon am Eingang: Der Wagen muss draußen auf dem Parkplatz bleiben. Die Ferienanlage ist zum großen Teil autofrei. Schilder führen auf Fußwegen zur Rezeption – und zur Ankunft mit AhaEffekt: Vor der ländlich-malerischen Kulisse des Gutshofs steht ein alter Zirkuswagen. Nostalgie ganz ohne Kitsch. Hier werden Neuankömmlinge empfangen. Im Nebengebäude, wo einst der Hühnerstall stand, ist ein Tante-Emma-Laden untergebracht. In den Regalen aus den 20er Jahren liegen Eier, Käse, Marmelade und was man sonst so fürs tägliche Leben braucht. Keine Massenware, sondern frisch von Bauern aus der näheren Umgebung. Ein 08/15-Camping-Kiosk sieht anders aus. Die Menschen, die hinter dieser Ferienanlage stehen, sind echte Überzeugungstäter. Sie haben einen alten Bauernhof aus seinem Dornröschenschlaf erweckt , in monatelanger Arbeit nach historischen Vorlagen restauriert und eine Camping-Anlage daraus gemacht, die es so nirgends sonst geben könnte. Rund um das Gehöft erstrecken sich weitläufige Wiesen. Hier darf man seinen Wohnwagen oder sein mitgebrachtes Zelt aufstellen, natürlich. Die Alternativen sind allerdings viel spannender: Übers Gelände verteilt stehen mobile Behausungen verschiedener Kulturen und Epochen. Für eine Nacht, ein Wochenende oder einen ganzen Sommer können Gäste nach ganz anderen Regeln wohnen und leben. In geräumigen Wagen wie das fahrende Volk der Zirkusleute und Schausteller. In kleinen, leichten Karren, mit denen der Schäfer und sein Esel früher durch die Lande zogen. In indianischen Tipis oder in mongolischen Jurten. Für Romantiker – und Großfamilien In der Sammlerszene hat das Hopfenburg-Team Stück für Stück sein außergewöhnliches Inventar zusammengetragen: das Hofgut soll kein Disneyland sein, das mit lieblosen Attrappen vollgestopft ist. Sondern ein stimmiges Ganzes, das zur Umgebung passt. Deshalb ist alles echt: die Zelte wurden aus den USA, der Mongolei und Kirgisien geliefert. Ein Teil der Wagen und Karren war viele Jahre mit Zirkusleuten, Zigeunern und Schäfern unterwegs und wurde restauriert. Die schweren, dunklen Möbel im Rezeptionswagen stammen wie auch die Tante-Emma-Laden-Ausstattung aus den 1920er Jahren. Um genügend Platz für alle Gäste zu haben, wurde der Bestand um einige Nachbauten nach originalgetreuen Vorlagen erweitert. Selbst die Gefährte, auf denen das Gepäck vom Auto zur Behausung rollt, stammen aus Omas Zeiten: Zum „Fuhrpark“ gehören alte Leiter-, Post- und Milchkannenwagen. Im Schäferwagen, der angenehm nach Holz duftet, bekommen wir eine Ahnung davon, wie die berühmten Schäferstündchen zu ihrem Namen gekommen sein könnten. Der Innenraum des Wagens misst 2,8 auf 2 Meter. Das ist genug für romantische Zweisamkeit. Den größten Teil nimmt ein Doppelbett ein, die verbleibenden Fleckchen werden optimal genutzt: Schrank, Essplatz, kleine Küche – alles da. Sogar eine Essensklappe, in die man sich auf Wunsch Frühstücksbrötchen oder Sekt liefern lassen kann. Fürs Schäferstündchen. In respektvoller Entfernung stehen Zirkuswagen, Heidewagen und die Roulotte, die französische Variante des Schäferwagens. Je nach Bauart bieten sie auch Familien oder mehreren Erwachsenen genügend Platz. Der große Zirkuswagen zum Beispiel ist stattliche acht Meter lang und 2,5 Meter breit. Neben einem Doppelbett sind hier zwei weitere Einzelbetten sowie zwei Klappbetten, ein eigenes WC mit Waschbecken und eine Küche mit Essplatz untergebracht. Trotzdem wäre es schade, den Urlaub nur im Wagen zu verbringen. Die Lage des Gehöfts, die den Bewohnern in früheren Zeiten vor allem in den harten Wintern auf der Alb ziemlich einsam vorgekommen sein mag, ist schlichtweg ein Traum: der Blick schweift über das sanfte Profil der Kuppenalb mit ihren grünen Hügeln, im Vordergrund liegt das kleine Städtchen Münsingen. Das weitläufige Grundstück des Hofguts erstreckt sich bis zum Waldrand. In den Wiesen und in den Obstbäumen summen Bienen, unter den Duft der Kräuterbeete mischt sich der Geruch von frischem Holzofenbrot, das im eigenen Backhaus gebacken wird. Das Gelände wird eingerahmt von einem 30 Meter breiten und einem Kilometer langen Streuobstwiesengürtel, wie er für die Kulturlandschaft der Schwäbischen Alb seit Jahrhunderten typisch ist. Seit einigen Jahren gehört die Schwäbische Alb zu den Unesco-Biosphärenreservaten. Diese Auszeichnung ist eine Chance - für die Menschen hier, ihre Landschaft und sanften Tourismus, der zu ihnen passt. Nachhaltigkeit ist für die Visionäre von der Hopfenburg deshalb kein leeres Wort. Bei der Restaurierung des Gehöfts haben sie großen Wert auf baubiologische und energetische Aspekte gelegt. Die Grauwasserkläranlage zum Beispiel bereitet Duschwasser so auf, dass es für die WC-Spülung genutzt werden kann. Mit einem Blockheizkraftwerk erzeugt die Hopfenburg ihren eigenen Strom. Gehörnte Schafe und ein charmanter Esel Das im Jahr 1840 erbaute Hofgut hat seinen Namen nicht ohne Grund: Auf der „Hopfenburg“ wurde Hopfen für die vielen kleinen Brauereien auf der Schwäbischen Alb angebaut. Später folgte eine rein landwirtschaftliche Nutzung. Heute leben wieder Tiere hier: die Hopfenburg hält nach dem Vorbild eines Arche-Hofs seltene Hausstierrassen. Die Waldschafe mit ihren imposanten, gezwirbelten Hörnern teilen sich den Stall großzügig mit Poitu-Esel Beppo, den Kühen Babette, Berta und Bella und einer Katzenfamilie. Urlaub auf der Hopfenburg, das ist für Familien mit Kindern auch Urlaub auf dem Bauernhof von anno dazumal. Auf dem Hof, in der Küche und im Stall gibt es immer was zu tun: Rund ein Dutzend Mitarbeiter kümmern sich um die Gäste, die Tiere und die weitläufige Anlage. Unterstützt werden sie von behinderten Jugendlichen: die Gemeinschaft des Hofguts Hopfenburg versteht sich auch als integratives Projekt, das denen eine Chance gibt, die sonst kaum eine hätten. Ein Teil der ehemaligen Stallungen wurde zu Werkstätten, Seminar- und Festräumen umgebaut. Weil zum Urlaub mehr gehört als nur eine schöne Unterkunft, bietet das Hopfenburg-Team seinen Gästen eine Vielfalt an Freizeitmöglichkeiten an. Unter fachkundiger Anleitung machen die Teilnehmer Bekanntschaft mit alten Handwerkstraditionen. Filzen, Bogenbauen oder Korbflechten – jeder darf sein Meisterstück mit nach Hause nehmen. Bei gutem Wetter kann man eigentlich gar nicht anders, als sich aufs Rad zu schwingen, die Wanderstiefel zu schnüren oder sich für einen Wanderritt anzumelden: Die Region hat Aktivurlaubern viel zu bieten. Im Großen Lautertal, das von mittelalterlichen Raubritterburgen überragt wird, kann man beispielsweise Kanu fahren. In Marbach liegt das berühmte Haupt- und Landgestüt. Das Ulmer Münster ist nur eine halbe Autostunde entfernt. Und Metzingen, Schnäppchenjägern auch als „Outlet City“ ein Begriff, hat mit seinen Weinbergen und historischen Keltern noch viel mehr zu bieten als seine Einkaufsmeile. Nach einem Ausflugstag auf die Hopfenburg zurückzukehren fühlt sich fast an wie nach Hause zu kommen: Am Grillfeuer klingt der Abend bei Gesprächen mit den Nachbarn aus den Zelten, Jurten und Wagen gemütlich aus, während sich die Sonne langsam hinter den sanften Hügeln der Alb schlafen legt.