Fledermäuse, nächtliche Insektenjäger

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Fledermäuse, nächtliche Insektenjäger
Fledermäuse, nächtliche Insektenjäger
GISELA DECKERT
Für viele Menschen sind Fledermäuse
rätselhaft und unheimlich, weil sie in
der Dunkelheit scheinbar lautlos vorbei
huschen und sich deshalb viel Aberglauben um sie rankt. Kaum jemand hat
sie einmal richtig von nahem gesehen,
obwohl diese hoch interessanten Tiere
oft ganz in unserer Nähe, auf dem
Dachboden, hinter Fensterläden, in
Zwischenwänden oder in einer Spechthöhle im Garten unbemerkt ihre Jungen aufziehen. Heute sind sie aber auch
längst nicht mehr so häufig wie früher.
Schon 1937 beklagt der Fledermausforscher M. Eisentraut den deutlichen
Rückgang der Tiere.
Fledermäuse gibt es seit mindestens
50 Millionen Jahren, wie Fossilfunde
beweisen. Sie haben sich auf das Jagen
nächtlich fliegender Insekten spezialisiert, die ihnen konkurrenzlos zur
Verfügung stehen. Außerdem entgehen
sie dadurch weitgehend Greifvögeln.
Gleichzeitig mit dem Flugvermögen
entwickelten sie ein Echoortungssystem, das ihnen erlaubt, sich bei völliger
Dunkelheit zu orientieren und Beute zu
machen. Diese außerordentlich erfolgreiche Tiergruppe konnte sich im Verlauf der Evolution in viele Arten mit unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen aufspalten, die über die ganze Erde
verbreitet sind. Der Schwerpunkt liegt
in den Tropen und Subtropen. Mit etwa
800 Arten bildet sie nach den Nagetieren die artenreichste Säugetiergruppe
und sie ist noch gegenwärtig dabei, sogar in Europa, neue Arten hervorzubringen. In Deutschland wurden bisher
24 Arten nachgewiesen und im Landkreis Dahme-Spreewald 18. Die Nordfledermaus dringt sogar bis über den
nördlichen Polarkreis vor.
Für uns fliegen Fledermäuse gespenstisch leise, in Wirklichkeit machen
sie aber einen Riesenlärm. Er liegt nur
außerhalb unseres Hörvermögens, im
Ultraschallbereich, etwa zwischen 20
und 100 kHz. Die Töne produzieren
sie, wie bei Säugetieren üblich, im Kehlkopf. Die Schallwellen werden von der
Umgebung reflektiert, und nach dem
Zeitunterschied der im Ohr eintreffenden Echos die Entfernung festgestellt.
Wir können zwei verschiedene Typen
von Rufen unterscheiden. Der CF-Ruf
hat eine konstante Frequenz mit hoher
Reichweite. Der FM-Ruf beginnt mit
hoher Frequenz und fällt ab, kann unterschiedlich moduliert werden, hat nur
eine geringe Reichweite und dient zur
Verfolgung der Beute. Fledermäuse
sind in der Lage im raschen Wechsel, in
Bruchteilen von Sekunden, zu rufen
und auf das Echo zu horchen. Sie haben
wesentlich empfindlichere Ohren als
andere Säugetiere. Zwergfledermäuse
erkennen mit dieser Echoortungsmethode Drähte von 0,28 mm aus 1 m
Entfernung. Bei Nebel bleiben Fledermäuse gewöhnlich im Quartier, weil
Nebeltröpfchen Echos absorbieren und
die Orientierung stark erschweren.
Mit moderner Technik, den Fledermaus- oder Batdetektoren, kann man
die Rufe für uns hörbar machen. Es ist
sogar möglich, einzelne Arten an den
Rufen zu unterscheiden, allerdings ist
dafür sehr viel Erfahrung notwendig.
Auf diese Weise ist es vor kurzem gelungen, sogar in Mitteleuropa, noch unbekannte Arten zu entdecken. So gibt es
eine ganz nahe Verwandte unserer
Zwergfledermaus, die Mückenfledermaus, die sich von ihrer Schwesterart
äußerlich nicht unterscheidet, aber et-
was höhere Ortungsrufe ausstößt. Molekulargenetische Untersuchungen ergaben, dass es sich tatsächlich um eine
eigene Art handelt. Sie bevorzugt andere Habitate und ist gar nicht so selten,
wenn auch nicht so häufig wie die
Zwergfledermaus. Das Graue Langohr,
im Mittelmeergebiet verbreitet, hatte
man bei uns nicht vermutet und übersehen. Erst bei näheren Studien fand
man durchaus deutliche Unterscheidungsmerkmale im Vergleich zum Braunen Langohr. Auch die Große Bartfledermaus wurde bis 1958 für eine
Großer
Variante der schon lange bekannten
Abendsegler
Kleinen Bartfledermaus gehalten.
Foto:
Allerdings hatte schon C. Koch MitU. Hoffmeister &
te des 19. Jahrhunderts bemerkt, dass
V. Giebel
es bei Langohren und Bartfledermäusen zwei verschiedene gut unterscheidbare Formen gibt, man wollte es ihm jedoch nicht glauben.
Von der Nordfledermaus waren bis
vor wenigen Jahren nur Vorkommen im
Gebirge und in Skandinavien bekannt.
Mit dem Fledermausdetektor haben
Spezialisten sie auch in Teltow-Fläming
und im Landkreis Dahme-Spreewald
entdeckt.
Mit Hilfe der neuen Untersuchungsmethoden (Fledermausdetektoren, DNA-Analysen und der Telemetrie) kann man nun viel besser die
Lebensweise dieser versteckt lebenden,
harmlosen Insektenfresser erforschen,
wodurch Schutzmaßnahmen erheblich
verbessert werden. Gutes Sehvermögen
brauchen Fledermäuse in der Dunkelheit nicht, deshalb ist dieses Sinnesorgan bei ihnen nur schlecht ausgebildet,
jedoch sind sie keinesfalls blind. Neben
den Vögeln sind Fledermäuse und die
vielleicht mit ihnen nah verwandten
größeren Flughunde die einzigen Wirbeltiere, die aktiv fliegen können und
dafür haben sie besondere Anpassungen entwickelt. Ihr Herz ist dreimal so
groß wie das eines gleich großen anderen Säugetiers, auch sind die roten
Blutkörperchen und der Hämoglobingehalt stark erhöht. Die einzelnen Arten
bedienen sich recht unterschiedlicher
Jagdmethoden.
Der Große Abendsegler, eine große
Art mit schmalen Flügeln und einer
Spannweite von 40 cm, fliegt schnell
und hoch und schon in der frühen
Dämmerung, ja man sieht ihn nicht selten bereits am Nachmittag zusammen
mit Schwalben in größerer Höhe auf
Insektenjagd. Er wurde sogar schon in
300 bis 500 m Höhe angetroffen. Seine
Ultraschalllaute sind besonders laut. In
10 cm Abstand vom Maul sind es 125
Dezibel, das entspricht einer Lautstärke
eines Presslufthammers. Für manche
Menschen ist die unterste Frequenz seiner Rufe, etwa bei 19 kHz, ein wiederholtes «zick» noch in einer Entfernung
von etwa 150 m gut zu hören.
Wesentlich später, wenn es dunkel
wird, kommen die Wasserfledermäuse
aus ihren Schlupfwinkeln und jagen 10
bis 30 cm über der Wasserfläche. Sie
fangen hauptsächlich gerade schlüpfende Zuckmücken, greifen mit den Füßen
Insekten, die auf der Wasseroberfläche
treiben und manchmal sogar sehr kleine
Fische. Es fällt auf, dass Wasserfledermäuse größere Füße als andere gleich
große Arten haben. In den Tropen gibt
es eine große Fledermaus, die sich als
Fischjägerin spezialisiert hat.
Die einheimischen Langohren, Fransenfledermäuse und viele tropische Arten suchen im Laubwerk mit leiseren
FM-Rufen, sie «flüstern» und horchen
auf das Krabbeln und Flattern von Insekten und lesen sie von Blättern ab.
Mopsfledermäuse mit ihren sehr
kleinen Zähnchen fangen hauptsächlich
Kleinschmetterlinge.
Die Beutetiere der Fledermäuse haben aufgerüstet, um ihren Feinden zu
entkommen. Viele können die Ortungsrufe hören und lassen sich einfach fallen. Manche Nachtfalter vernehmen
die Fledermaus schon aus 30 m Entfernung, aber flüsternde Langohren erst
im Abstand von höchstens einem Meter.
Es gibt Bärenspinner, die schlecht
schmecken, weil sich ihre Raupen von
giftigen Pflanzen ernähren. Diese Falter
warnen Fledermäuse durch KlicksLaute, das bedeutet «ich schmecke
schlecht». Fledermäuse lernen schnell,
diese ekelige Beute zu meiden, so wie
Vögel giftige Insekten mit Warnfarben
in Ruhe lassen. Das Große Mausohr,
unsere größte einheimische Fledermaus-Art, fliegt spät aus und flattert
mit Vorliebe einen Meter über wenig
bewachsenen Boden oder über Stoppelfelder und lauscht auf Krabbelgeräusche von Laufkäfern – kann sogar
Beute in der Streuschicht wittern. Wo
intensive Landwirtschaft betrieben wird,
gibt es allerdings so gut wie keine großen Laufkäfer mehr und keine Mausohren.
Zwerg- und Breitflügelfledermäuse
kommen auch mitten in Städten zurecht
und jagen beispielsweise hoch über der
Gedächtniskirche in Berlin. Zweifarbfledermäuse wurden bei Balzflügen in
großer Höhe über Häusern beobachtet.
Alle Fledermäuse sind sehr soziale
Tiere. Die Weibchen suchen sich gemeinsam geeignete Quartiere, wo sie
ihre Jungen zur Welt bringen und säugen (Wochenstuben). Die Vermehrungsrate ist sehr niedrig. Die meisten
ziehen pro Jahr nur ein Junges auf. Bei
einigen Arten, zum Beispiel bei Abendseglern und Zwergfledermäusen gibt es
öfter Zwillingsgeburten. Fledermäuse
können sich das leisten, weil sie sehr
wenige natürliche Feinde und eine sehr
hohe Lebenserwartung haben. Durch
Beringung wurden beim Braunen Langohr 30 Jahre, beim Grauen Langohr 25
und bei der Wasserfledermaus und den
meisten anderen Arten mindestens 15
bis 22 Jahre nachgewiesen. Gleich große
Nagetiere mit vielen Feinden und hoher Produktion erreichen kaum einmal
ihr geringes physiologisches Höchstalter
von 2 Jahren. So können Fledermäuse
im Laufe ihres Lebens sehr viele Erfahrungen sammeln, die sie auch brauchen,
um gute Quartiere zu finden. Bei einer
tropischen Art wurde sogar beobachtet,
Breitflügelfledermaus mit
Wochenstube
Foto:
U. Hoffmeister &
V. Giebel
dass sie ihre Gruppenmitglieder mit bestimmten Lauten zu ergiebigen Nahrungsquellen lockt, ähnlich wie das bei
Rabenvögeln üblich ist. Gelegentlich
gelingt es der Schleiereule oder dem
Waldkauz, eine Fledermaus zu erbeuten. Auch spielen Marder als Feinde
meistens keine große Rolle. Das Junge
wird, so lange es noch klein ist, von der
Mutter auf nächtliche Jagdflüge mitgenommen. Später lässt sie es im Quartier
zurück. Die Kleinen rücken dann eng
zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen. Auch die Weibchen hängen oft
dicht beieinander, wobei es beim Sichputzen oder Umherkrabbeln zu gegenseitigem Anrempeln kommt, das mit
lautem Gezeter quittiert wird. Die Rufe
im Sozialleben sind überwiegend im für
uns hörbaren Bereich. Säuglinge, die
von der Mutter oder der Gemeinschaft
getrennt werden, äußern Verlassenheitsrufe.
Mir wurden drei Breitflügelfledermäuse gebracht, die man in einem
Jalousiekasten eines 1,5 km entfernten
Hauses entdeckt hatte. Jede hatte ein
kleines nacktes Junges bei sich. In der
Abenddämmerung ließ ich sie fliegen.
Ein Weibchen nahm ihr Kind mit, die
beiden anderen flogen allein ab. Die
eine der beiden kehrte nach einigen
Minuten zurück und holte ihr Junges.
Die andere verschwand.Wir setzten das
verwaiste Junge dicht ans Fenster. Es
äußerte in der Abenddämmerung der
nächsten anbrechenden Nacht Verlassenheitsrufe in immer kleineren Abständen. Da erschien die Mutter wie ein
kurzer Schatten zwitschernd am Fenster und verschwand mit dem Jungen in
Sekundenschnelle. Die Weibchen einer
Gruppe bleiben beim Umzug zusammen. Sie kennen mehrere geeignete Unterkünfte in der Umgebung, die sie notfalls nach Störungen aufsuchen können.
Quartiere werden auch dann gewechselt, wenn die Tiere von Flöhen oder
von zu großer Hitze geplagt werden.
Große Mausohren sind recht Wärme liebend und haben ihre Wochenstuben fast nur auf Dachböden. Durch
Sanierungen der Gebäude sind viele
Wochenstuben verloren gegangen, so
dass diese Art bei uns selten geworden
ist (Rote Liste Brandenburgs: vom Aussterben bedroht). Heute sind Fledermäuse streng geschützt und genießen
bei der Bevölkerung zunehmend Wohlwollen, so dass ihre Quartiere trotz
Renovierung erhalten bleiben können.
Im Süden und Südwesten Deutschlands
sind Große Mausohren häufiger. Die
Weibchen bilden oft sehr große Gemeinschaften. Im Wasserkraftwerk in Nassau
besteht eine der größten Wochenstuben
mit 2500 Individuen. Im Mittelmeergebiet ist das keine Seltenheit. In Südfrankreich fanden wir in einer Grotte
mindestens zehntausend Große Mausohren und Langflügelfledermäuse, die
unablässig laut zeterten. Für mitteleuropäische Fledermäuse sind unterirdische Höhlen für die Jungenaufzucht zu
kühl.
In denWochenstuben werden Männchen fast nie geduldet. Sie suchen sich
passende Unterkünfte allein oder zu
wenigen vereint. Waldfledermäuse, also
unter anderem Langohren, Bartfledermäuse und Abendsegler wohnen in Höhlen alter Bäume. Spechthöhlen sind
meistens erst geeignet, wenn sie oberhalb des Einschlupfs ausgefault sind, wo
sich die Fledermäuse anhängen können.
Es war lange unbekannt, wie weit
wohl Fledermäuse zur Nahrungssuche
fliegen. Erst mit der Telemetrie können
Erkenntnisse darüber gewonnen werden. Dazu klebt man sehr kleine Sender
von 0,5 g Gewicht einzelnen Individuen
auf den Rücken und verfolgt sie mit
einer Empfangsantenne. Dabei ergab
sich, dass Mausohren bis 20 km weit
fliegen, Fransenfledermäuse bis 3 km
und Zwergfledermäuse 2 km. Jede Fledermaus hat offenbar ein Kernjagdgebiet, wo sie immer wieder hinfliegt.
Die Weibchen einer großen Kolonie
könnten unmöglich alle in der Nähe jagen, müssen sich also weit verteilen.
Wenn sie Junge säugen, kommen sie
nachts mehrmals zurück, sonst oft erst
kurz vor Morgengrauen. Von Regenschauern überrascht, bleiben etliche im
Jagdgebiet in ihnen bekannten Ausweichquartieren.
Nachdem die Jungen, bei uns etwa
Juli/August, selbstständig sind, beginnt
die Balz der Männchen, die mit Zwitscherlauten und Balzflügen um die
Weibchen werben.
Fledermäuse der gemäßigten Breiten suchen sich im Herbst möglichst
frostfreie Quartiere, wo sie von Oktober
bis März oder April Winterschlaf halten.
Sie fallen ähnlich wie Igel und
Hamster in Kältestarre, senken die
Herzfrequenz und ihre Körpertemperatur gleicht sich ganz oder fast der Außentemperatur an. Auf diese Weise können sie ohne Nahrung den Winter
überdauern.
Am beliebtesten sind natürliche unterirdische Höhlen, Keller, Bergwerkstollen und Bunker. Einige Arten wählen Baumhöhlen, müssen dann aber in
der Lage sein, bei Frost den Körper etwas anzuheizen, ohne die Energiereserven vorzeitig aufzubrauchen. Bei kalter
Witterung und Nahrungsmangel fallen
sie auch im Sommer in Lethargie, um
Energie zu sparen. Auch säugendeWeibchen und ihre Jungen sind in der Lage,
einige Tage mit gedrosseltem Stoffwechsel zu überleben.
Ein großes Winterquartier befindet
sich in einer alten Bunkeranlage aus
der Zeit des 2. Weltkriegs in Nietoperek
in Westpolen, wo mindestens 30000
Fledermäuse in 12 Arten überwintern,
hauptsächlich Mausohren und Wasserfledermäuse. Weitere große Winteransammlungen gibt es in der Spandauer
Zitadelle in Berlin und in Bad Segeberg in Schleswig Holstein. In den 30er
Jahren des vorigen Jahrhunderts fand
Eisentraut 4000 bis 5000 Große Mausohren in den Stollen des Kalkbergwerks
in Rüdersdorf bei Berlin. Dort herrschte große Feuchtigkeit, für Mausohren
und Wasserfledermäuse eine Bedingung
für die Überwinterung. 1951 waren es
noch etwa 2000 Mausohren und viele
Wasserfledermäuse und einzelne Tiere
von weiteren 10 Arten, darunter auch
die seltenen Bechstein- und Teichfledermäuse. Im Oktober kamen die ersten
Gruppen von etwa 30 Mausohren gemeinsam, dann auch wenige zusammen, einzelne und später wieder große
Trupps. Wasserfledermäuse hingen zu
mehreren frei oder neben und zwischen
Mausohren, die meisten aber ruhten in
ganzen Scharen dicht bei dicht auf großen waagerechten Kalkplatten, die sich
teilweise und etwas instabil von der
Decke gelöst hatten und tiefe Spalten
parallel unter der Decke bildeten.
Haensel schätzte 1974 etwa 3000 Wasserfledermäuse im gesamten Tagebau.
Männchen warben hier noch ab und zu
um Weibchen unter lautem Gezwitscher
und paarten sich, während sich die
Mausohren schon in tiefer Lethargie
befanden. Bei einem Besuch des Stollens Anfang April um die Mittagszeit
fand ich fast alle Wasserfledermäuse
wach, etliche jagten sich gegenseitig
durch den Stollen unter zwitschernden
Rufen, blieben aber noch im Quartier.
Drei Tage später befanden sich nur
Winterquartier
der Fransenfledermaus, des
Braunen und
Grauen Langohrs
(Eiskeller am
Forsthaus
Dubrow)
Foto:
U. Hoffmeister &
V. Giebel
noch etwa ein Viertel der Tiere im Stollen, einige in tiefer Lethargie, andere
flogen umher. Mitten im Winter waren
dagegen alle im Tiefschlaf, nur vereinzelt war eine wach und suchte sich einen
anderen Hangplatz. Am 15. April hatten
fast alle das Winterquartier verlassen,
die letzten Anfang Mai. Inzwischen ist
dieses Stollensystem durch Abbau verloren gegangen. Zunehmend mehr Fledermäuse überwintern jetzt in alten
Bunkeranlagen auf ehemaligem Militärgelände, die aber für Mausohren und
Wasserfledermäuse meistens zu trocken,
aber für andere Arten günstig sind.
Das größte Winterquartier in
Deutschland befindet sich seit Jahrhunderten in Mayen (Rheinland Pfalz) in
einem tausend Meter langen Basaltlabyrinth mit vielen Höhlen, wo hohe
Luftfeuchtigkeit herrscht und konstante
Temperaturen von 8° C gemessen werden. Bis zu etwa 100000 Fledermäuse
in 15 Arten überdauern hier die kalte
Jahreszeit. Der Naturschutzbund Rheinland Pfalz hat vor kurzem dem Grubenbesitzer das Höhlensystem für 4,5 Millionen Euro abgekauft und gesichert.
So bleibt dieser Platz vor drohendem
Abbau verschont. Fledermäuse kommen aus Entfernungen von bis zu hunderten von Kilometern immer wieder
hier her und geben das als Tradition an
ihre Nachkommen weiter.
Durch Beringung (Aluminiumklammer am Unterarm) konnten außer traditionellem Überwintern im selben
Quartier, sowie hohes Alter, auch Zuggeschehen ähnlich wie bei Vögeln festgestellt werden.
Populationen von Rauhhautfledermäusen und Großen Abendseglern aus
dem Norden und Osten Europas wandern jeden Herbst nach Südwesten und
Süden, um sich zu paaren und in
Baumhöhlen im Rheintal und am Bodensee zu überwintern, oder sie fliegen
sogar bis Südfrankreich, auf den Balkan
und in die Türkei. Auch aus unserer
Gegend sind Wanderungen von Rauhhautfledermäusen bis Südwestdeutschland, Südfrankreich und Italien bekannt geworden.
In der Oberrheinebene wird regelmäßig ein Massenzug des Abendseglers
beobachtet, im September bis 140 Tiere
pro Abend und auf dem Frühjahrszug
von Mitte April bis Anfang Mai bis zu
300 Tieren pro Abend nach Nordosten.
In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde wiederholt an schönen
Septembertagen nachmittags eine größere Zahl ziehender Abendsegler beobachtet, so bei Darmstadt, bei Wien und
am Main. Zusammen mit Mehlschwalben flogen sie in 60 bis 70 m Höhe nach
Westen.
Am 25. September 1933 beobachteten zwei Ornithologen bei Ullersdorf in
der Oberlausitz innerhalb von 1,5 Stunden bis zum Einbruch der Dämmerung
etwa 500 nach Süden wandernde Fledermäuse zusammen mit ziehenden
Rauch- und Mehlschwalben, Lerchen
und Piepern. Der Vogelzug hörte auf,
aber es zogen immer noch weiter Fledermäuse (Eisentraut, M. 1957. Aus
dem Leben der Fledermäuse und Flughunde. Jena). Ziehende Fledermäuse
können vielfach nicht mit Detektoren
erfasst werden, weil sie sich vermutlich
nicht mit Echoortungsrufen orientieren
und sehr hoch fliegen.
Fledermäuse leiden unter Parasiten
und werden auch von Krankheiten
nicht verschont. So können nicht nur
tropische, sondern auch einheimische
Arten an Malaria erkranken, die durch
Mücken übertragen wird. Es konnte ein
Fall bei einem Braunen Langohr aus
dem Rüdersdorfer Kalkbergwerk nachgewiesen werden. Das Tier zitterte ständig, obwohl es ganz wach war, hatte
offenbar Fieber und Schüttelfrost. Ein
Blutausstrich ergab Malariaerreger
(Plasmodien) und erhebliche Senkung
der Roten Blutkörperchen. Das Tier
starb am nächsten Tag. Es handelt sich
dabei nicht um dieselbe PlasmodiumArt, die beim Menschen Malaria hervorruft.
Die Ursache für den Rückgang der
Fledermauspopulationen sind aber weder Krankheiten noch Feinde, sondern
die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. In der Hauptsache daran schuld ist
die Umwandlung strukturreicher Kulturlandschaft in eintönige Monokulturen. Eine besondere Gefahr für Fledermäuse sind großflächige Begiftungen
der Wälder bei Nonnen-, Maikäferoder anderen Insektenkalamitäten. Die
Fledermäuse sterben entweder daran,
dass sie vergiftete Insekten aufnehmen
oder an Nahrungsmangel. Auch die angeblich so umweltfreundlichen Häutungshemmer gegen Raupen der Nonnenfalter reduzieren nicht nur die Nonnen, sondern auch andere Insekten.
Fledermäuse haben einen sehr hohen
Nahrungsbedarf und spielen deshalb in
den Ökosystemen eine außerordentlich
wichtige Rolle. Die gedankenlose Reduzierung dieser Tiere macht eine
nachhaltige Nutzung der Kulturlandschaft zunehmend unmöglich.
Neben dem Entzug der Nahrungsgrundlage ist die Zerstörung vieler
Quartiere für Fledermäuse bedrohlich.
Bei der Dächersanierung muss für Einschlupfmöglichkeiten gesorgt werden.
Eine ganz neue Gefahr, vor allem für
ziehende Fledermäuse, sind Windkraftanlagen, namentlich wenn sie auf traditionellen Zugwegen errichtet werden.
Das Echoortungssystem scheint die rotierenden Räder nicht zu erkennen. Es
wurden schon sehr viele verunglückte
Fledermäuse unter den Windrädern gefunden. Der Standort dieser Anlagen
nahe oder gar in Wäldern ist besonders
problematisch, weil viele Fledermäuse
über den Baumkronen jagen. Mit ihrer
niedrigen Vermehrungsrate können die
Tiere zusätzlich von Menschen verursachte Verluste nicht ausgleichen.