LZT InfoblattLandeswappen Th

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LZT InfoblattLandeswappen Th
THÜRINGEN
B L Ä T T E R
Z U R
A
m 10. Januar 1991
beschloss
der
Thüringer Landtag das Gesetz über die
Hoheitszeichen Thüringens, veröffentlicht
im Gesetz- und Verordnungsblatt für das
Land Thüringen Nr.
7/1991. Danach zeigt
das Thüringer Landeswappen in Blau einen
goldgekrönten und bewehrten, achtfach von
Rot und Silber quergestreiften Löwen, umgeben von acht silbernen Sternen. Fällt bei
erster Betrachtung dieses Wappens zunächst
eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Wappen
des Landes Hessen auf,
zeigen sich bei genauem Vergleich jedoch
L A N D E S K U N D E
vier wichtige Unterschiede: Der hessische
Löwe ist zehnfach
quergestreift,
wobei
diese Streifung von
oben her mit Silber
beginnt, er ist ungekrönt, und auf den
Schildgrund sind keine
Sterne gestreut.
Welche Gründe führten dazu, dem 1990 neu
entstandenen
Land
Thüringen auch ein
neues Wappen zu geben, das sich auffallend
von seinen Vorgängerwappen unterscheidet,
aber auch Elemente
aus früheren Wappen
übernimmt, mit dem
“bunten Löwen“ jedoch ganz bewusst eine
Verbindung zum hessischen Wappen besitzt?
Das Thüringer Landeswappen
T
hüringen, über Jahrhunderte
hinweg mehr ein kulturhistorisch-geografischer Begriff, entstand als administrative Einheit erst am
1. Mai 1920 auf der Grundlage des am
23. April 1920 von der Nationalversammlung verabschiedeten Gesetzes
über die Bildung des Landes Thüringen
als Zusammenschluss der sieben ehe-
maligen Herzog- bzw. Fürstentümer
(die bis zum Ende der Monarchie in
Deutschland souveräne Staaten gewesen waren) Sachsen-Weimar-Eisenach,
Sachsen-Gotha (ohne Coburg), Sachsen-Altenburg, Sachsen-Meiningen, beiden Fürstentümern Reuß, die sich 1919
zum Volksstaat Reuß vereinigt hatten,
Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarz-
burg-Sondershausen. Die territoriale
Einheit Thüringens war damit jedoch
nicht hergestellt, denn die preußischthüringischen Gebietsteile (Regierungsbezirk Erfurt mit seinen beiden Exklaven Schleusingen und Ziegenrück,
Teile des Regierungsbezirkes Merseburg sowie der Kreis Herrschaft
Schmalkalden der preußischen Provinz
Hessen-Nassau) konnten nicht integriert werden. Nach jahrhundertelanger territorialer Zersplitterung war
aber damit ein großer Teil Thüringens
in einem Staatsverband zusammengeschlossen. In der Frage eines Wappens
für den Freistaat kam es im Landtag zu
Vollwappen des Wettiner Landgrafen
Albrecht um 1265
(Zeichnung: Peter Heß)
teilweise heftigen Kontroversen. Zunächst hatte die Regierung bereits acht
Wochen nach ihrer Bestätigung am
18. Januar 1921 dem Landtag den „Entwurf eines Gesetzes über das Wappen
und die Landesfarben Thüringens“ zur
Beschlussfassung zugeleitet. Danach
sollte das Wappen als Symbol des Zusammenschlusses der thüringischen
Einzelstaaten aus sieben silbernen
Sternen auf rotem Grund gebildet werden. Der Wappenkopf sollte aus dem
„zur Hälfte aufsteigenden altthüringer
weiß und rot gestreiften Löwen“ bestehen. Die Ähnlichkeit zum US-amerikanischen Sternenbanner war gewollt,
die USA wurden als Symbol der Demokratie angesehen. Streng genommen enthielt aber diese Überlegung
einen Denkfehler, denn Thüringen hatte, im Unterschied zu den USA, die Einzelstaaten aufgehoben.
Ein Kompromissvorschlag des Regierungschefs sah vor, aus Traditionsgründen den Landgrafenlöwen zusammen mit den Sternen in das Wappen
hineinzunehmen, also gestalterisch
entsprechend miteinander zu kombinieren, ein Gedanke, der erst siebzig
Jahre später verwirklicht wurde. 1921
lehnte man die Aufnahme des Löwen,
der als „Sinnbild der Raum- und Machtgier“ betrachtet wurde, ab. Feudale
Symbole jedweder Art waren damals
unerwünscht. Deswegen wurde vorgeschlagen, „Symbole der modernen gesellschaftlichen Arbeit“ in das Wappen
aufzunehmen, schon weil der Löwe viel
zu oft in der deutschen Heraldik vorkäme; von einem siebenzackigen silbernen Stern auf rotem Grund war die
Rede, dann erschien einigen Abgeord-
Thüringer Wappen von 1921
neten das dominierende Rot suspekt,
ein lächelnder Mond mit sechs Trabanten wurde ebenso vorgeschlagen
wie ein Wappen mit sieben Tannenzapfen. Die Debatte hatte jeden sachlichen Boden verloren, und das Ergebnis war dann auch entsprechend. Am
Ende stand ein Allerweltswappen, per
Gesetz am 7. April 1921 verkündet: Das
Wappen des Landes Thüringen bilden sieben silberne Sterne auf rotem
Grund. (1)
Den Abgeordneten des Thüringer
Landtages fehlte damals Verständnis
dafür, was Wappen eigentlich sind,
nämlich „in die Form der mittelalterlichen Schutzwaffen, Helm und Schild,
gebrachte, nach bestimmten Grundsätzen und Regeln verfertigte erbliche
Bilder, … die als bleibende Abzeichen
geführt werden.“ (2) Sie haben also nur
aus der Geschichte heraus ihren Sinn
und können nicht nach Belieben wie
Firmenschilder gewechselt werden.
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde aus dem Freistaat ein
politisch unselbstständiger Gau, dessen
gleichgeschaltetem Landtag nach dem
Stimmenverhältnis der Reichstagswahl
von 1933 (ohne Kommunisten) ein vom
Gauleiter eingesetzter Ministerpräsident vorstand. Thüringen erhielt ein
neues Wappen, welches das allgemein
sächsische Rautenkranzwappen für die
ernestinischen Länder mit dem kaiserlichen Doppeladler, der den Schwarzburgern anlässlich ihrer Erhebung in
den Reichsfürstenstand als Gnadenwappen verliehen worden war, dem
reußischen Löwen und der Henneberger Henne vereinte, belegt mit dem achtfach von Silber und Rot quergestreiften
Löwen in Blau, der ein goldenes Hakenkreuz darbrachte. Der Herzschild bildete bis 1945 als sog. Kleines Wappen
zugleich das Siegel der Landesbehörden.
Thüringer Wappen von 1933 mit
„hessischer Streifung“ des Landgrafenlöwen
(Zeichnung: Otto Hupp)
Mit dem Untergang des Dritten Reiches verschwand auch dieses, als „Thüringer Tiergarten“ bespöttelte Wappen.
Im Juli 1945 erhielt Thüringen sein
nunmehr drittes Hoheitszeichen, einen
(in der Urzeichnung goldenen) Löwen
auf rotem Grund, umgeben von jetzt
acht silbernen Sternen. Der neu aufgenommene Stern symbolisierte jene Gebiete des preußischen Thüringen – der
1944 aus der Provinz Sachsen ausgegliederte Regierungsbezirk Erfurt einschließlich des seit diesem Zeitpunkt
zugehörigen Kreises Herrschaft Schmalkalden – die im Sommer 1945 in das
Land integriert werden konnten. Das
entsprechende Gesetz vom 13. August
1945 machte jedoch keine Angabe zur
Tingierung (Farbgebung) des Löwen,
so dass es nicht verwundert, wenn die
wichtigste heraldische Figur später
auch in Silber erscheinen konnte.
Damit war aber die heraldische Vorschrift verletzt, dass jede Wappenschöpfung exakt beschrieben (blasoniert) werden muss.
Bereits am 28. Juni 1945 hatte der von
der amerikanischen Militärverwaltung
eingesetzte erste Nachkriegs-Regierungspräsident, Hermann Brill, in einer
Sitzung des Regierungskollegiums vorgeschlagen, das Wappen von 1921
wieder einzuführen und durch einen
achten Stern für die dem neuen Land
Thüringen eingegliederten preußischen
Gebietsteile zu ergänzen.
Nachdem die Sowjetische Militäradministration für Thüringen jedoch Mitte
Juli 1945 Brill seines Amtes enthoben
und durch den Geraer Rechtsanwalt
Rudolf Paul ersetzt hatte, ordnete dieser
die Aufnahme eines Löwen in das neue
Landeswappen an. Möglicherweise
schwebte ihm dabei der reußische
Löwe im Stadtwappen von Gera vor,
denn anders ist dessen goldene Tingierung nicht zu erklären.
1964 erzählte Heinrich Hoffmann, der
zuerst Brills, dann Pauls Stellvertreter
war, der neue Regierungspräsident habe als erste Amtshandlung für seinen
Dienstwagen einen Stander verlangt,
auf dem der „berühmte Meißner Löwe“
prangen sollte. Dagegen habe er, Hoffmann, die Wiedereinführung des Freistaat-Wappens mit nunmehr acht Sternen vorgeschlagen, da der Löwe nun
wirklich „kein friedliches Tier“ sei. (3)
Die Legende vom Meißner Löwen ist
eine nachträgliche Erfindung Hoffmanns, der damit Paul Sachverstand in
historischen und heraldischen Fragen
absprach, um seinen eigenen Anteil
an dem neuen Thüringer Wappen in
den Vordergrund zu rücken. Zwischen
1945 und 1952 wurde der goldene
bzw. silberne Löwe niemals als Meißner Wappentier interpretiert, denn das
Wappen der Mark Meißen zeigt einen
schwarzen Löwen in Gold und hätte für
Thüringen auch überhaupt keinen Sinn
ergeben. Das neue Wappen war also
eine Kombination des Wappens von
1921 mit dem häufigen heraldischen
Symbol eines Löwen, der aber in seiner
goldenen Tingierung auf rotem Grund
in Thüringen historisch nicht zu begründen ist.
Seit der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts
wurde es in Europa üblich, Wappen
anzunehmen. Sie dienten ursprünglich
als bemalte Schilde nur dazu, die gepanzerten Ritter in Kämpfen und Turnierspielen voneinander zu unterschei-
den. Bis zum Ende der Monarchie in
Deutschland 1918 führte keine der früheren Territorialherrschaften ein derart
tingiertes Löwenwappen. Die Landgrafen aus dem Hause Wettin führten oft
neben dem Wappen der Landgrafschaft
das der Mark Meißen in ihrer gleichzeitigen Eigenschaft als Markgrafen von
Meißen (beide Titel waren im Rang
gleich). Sie symbolisierten mit diesen
beiden Wappen also ihre Besitzstände.
Wie das 1921er Wappen stellt auch
das von 1945 eine Verletzung des heraldischen Erbprinzips dar und ist also
kein „Stenogramm der Geschichte“,
wie der englische Heraldiker Antony
Wagner die Wappen definierte. Die
Neuschöpfung von 1945, an der, wie
Hoffmann schreibt, kein Historiker beteiligt war, erschwert den Zugang zur
thüringischen Geschichte und reduziert
sie lediglich auf die Jahre seit der Vereinigung der thüringischen Kleinstaaten.
Der nach bildhaftem Ausdruck strebende mittelalterliche Mensch sah in
den heraldischen Figuren und Zeichen
Symbole weltlicher und geistlicher
Macht. Adler, Löwe und Krone waren
dafür natürlich besonders prädestiniert.
Im Grunde gilt das auch heute noch. In
der konkreten historischen Situation
des Jahres 1945 aber waren die Symbole des alten Deutschen Reiches mit
dem schrecklichen Erbe des Nationalsozialismus regelrecht belastet. Und in
Thüringen im Besonderen hatte sich
das Hitlerregime eben auch des Landgrafenlöwens bedient. Äußeres Zeichen
dafür war das goldene Hakenkreuz,
das man ihm in die Pranke gegeben
hatte. Das alte Landgrafenwappen war
nicht nur missbraucht, sondern auch
optisch verschandelt worden. Ein derart
diskreditiertes Symbol erschien daher
nicht geeignet, den demokratischen
Neuaufbau zu begleiten. So gesehen ist
die goldene Löwentingierung natürlich
auch ein Symbol, und das Wappen wird
damit zu einem Dokument der Zeitgeschichte.
Das Wappen Thüringens nach 1945
S
ehr bald jedoch begann unter dem
goldenen Löwen neues Unrecht
das alte zu ersetzen. Am 20. Oktober 1946 fanden die letzten freien Landtagswahlen statt, die für die aus SPD
und KPD zwangsweise vereinigte SED
50 von 100 Mandaten erbrachte. Die
letzten Landtagswahlen 1950 erfolgten
dann bereits nach dem Wahlgesetz der
DDR, wonach die kandidierenden Parteien das „Recht“ hatten, gemeinsame
Wahlvorschläge einzubringen. Dieses
Prinzip der Einheitslisten ließ jede
„Wahl“ zu einem bloßen Ritual erstarren. Hatte Rudolf Paul die sich anbahnende politische Entwicklung in
Deutschland auf der Sitzung des süddeutschen Länderrates im Juni 1946
noch durchaus realistisch mit den Worten beschrieben: „Viel einschneidender
als die Zerschneidung des deutschen
Raumes in Zonen sehe ich eine Gefahr
aufdämmern, die Gefahr der Zerreißung in Ideologien“, so beantragte er
auf der einzigen gesamtdeutschen
Ministerpräsidentenkonferenz im Juni
1947 in München namens seiner ostdeutschen Kollegen die Bildung eines
deutschen Einheitsstaates, wobei er den
westdeutschen Widerstand gegen die
SED völlig ignorierte, um sich wenige
Monate darauf nach Westen abzusetzen.
Musste sich die SED in den ersten
Nachkriegsjahren aus rein praktischen
Gründen noch der ungeliebten Länder
bedienen, die sie jedoch gleichzeitig
von innen heraus systematisch aufbrach, so war schließlich das föderative
Prinzip 1952 dem „Aufbau des Sozialismus“, d.h. der endgültigen Durchsetzung des zentralistischen Machtapparates, im Wege, und so wurde auch
das erst sieben Jahre zuvor gebildete
Land Thüringen samt seinem Wappen
auf „Empfehlung“ der SED als „historisch überlebtes feudales Relikt“ durch
die inzwischen gleichgeschaltete Volkskammer per Gesetz beseitigt. Die
ungenügende Berücksichtigung historischer Grundlagen in Thüringens
Wappen von 1945 ist kein Einzelfall.
Ausgenommen Sachsen, das das alte
Wappen beibehielt, und MecklenburgVorpommern/Mecklenburg, wo die Annahme eines Wappens bis 1952 nicht
gelang, erhielten die anderen Länder
der Sowjetischen Besatzungszone Wappen, in denen sich die Geschichte dieser Länder entweder nur teilweise oder
überhaupt nicht widerspiegelt.
Ein historisches Wappen
für ein wiedergegründetes Thüringen
A
ls sich 1990 die Neubildung der
Länder in der noch bestehenden
DDR abzeichnete, konnte bei der
Frage, welches Symbol Thüringen zu
geben war, die Aufgabe nur darin bestehen, die historische Quelle wiederzufinden, als das erste Thüringer Wappen
entstanden war und seither die Geschichte unseres Landes begleitete.
Dieses Symbol aber ist der bunte Löwe
der Thüringer Landgrafen, und die Begründung dafür ergibt sich aus der
Rolle und Bedeutung der Landgrafen in
der thüringischen Geschichte.
Die Landgrafen waren im Rang zwischen Graf und Herzog stehende königliche Beamte und übten außer in ihrer
Landgrafschaft noch in einem weit
größeren Gebiet die Wahrung des
Landfriedens und das Geleitrecht aus.
Seit 1181 auch im Besitz der Pfalzgrafenwürde von Sachsen, gehörten sie zu
jenen 16 weltlichen Großen, die allein
als weltliche Reichsfürsten galten. In
der Zeit des beginnenden Verfalls der
kaiserlichen Zentralgewalt sicherten
sie dem Land weitgehend politische
Stabilität, indem sie den thüringischen
Adel zur Anerkennung ihrer Oberhoheit zwangen.
Das Wappen mit dem bunten Löwen
erscheint erstmals unter Landgraf
Hermann I. (1190–1217) aus dem Geschlecht der Ludowinger.
Als 1247 das Geschlecht der Ludowinger im Mannesstamm erloschen
war, ergriff der Wettiner Heinrich von
Meißen auf Grund einer bereits 1242
von Kaiser Friedrich II. erhaltenen
Eventualbelehnung von der Landgrafschaft, die damals auch weite Teile
Nord- und Mittelhessens umfasste,
Besitz. Sophie von Brabant, Tochter
Landgraf Ludwigs IV. und der heiligen
Elisabeth, hatte sich zunächst mit ihrem
hessischen Erbteil begnügt, machte
dann jedoch weitere Ansprüche auch in
Thüringen geltend, die sie aber nicht
durchsetzen konnte. Im Ergebnis des
von 1247 bis 1263 währenden Erbfolgestreits kam es schließlich zur endgültigen Trennung zwischen Thüringen
und Hessen, doch behielten sowohl die
Wettiner, als auch die hessischen Erben
für ihre bereits 1248 gebildete Landgrafschaft Hessen das Wappen mit dem
bunten Löwen bei. Bis 1918 blieb es in
den Gesamtwappen der meisten ernestinischen Herzogtümer ebenso als Zeichen für Thüringen erhalten, wie im
Großen Wappen des Königreichs Sachsen. Dadurch aber ließen sich die beiden Teile der einstigen ludowingischen
Landgrafschaft heraldisch nicht voneinander abgrenzen. Zwar hatte bereits
der zweite Wettiner Landgraf Albrecht
das achtfach von Rot und Silber gestreifte Wappen Konrads von Thüringen (gest. 1240) übernommen, doch
finden sich später auch wieder Streifungen, die von oben her mit Silber
beginnen, und noch im Großen Sächsischen Wappen stimmt der bunte Löwe hinsichtlich Anzahl der Streifen und
Reihenfolge ihrer Tingierung mit dem
im Wappen des Großherzogtums Hes-
Wappen des Landes Thüringen 1991
(Zeichnung: Peter Heß)
sen, aus dem das Hessenwappen hervorging, überein.
1815 hatte jedoch Preußen von der
sächsischen Krone den „Thüringer
Kreis“ übernommen, jenen Teil der
ehemaligen Landgrafschaft, der mit der
Wettiner Erbteilung von 1485 an die
albertinische Linie gefallen und 1547
von Kurfürst Moritz von Sachsen in
einer eigenen Verwaltungseinheit zusammengefasst worden war. Dazu kam
1866 die Einverleibung von Kurhessen
und Nassau. Um diese Erwerbungen im
Großen Preußischen Wappen heraldisch dokumentieren zu können, wählte man für Thüringen wie für Hessen
die achtfache Streifung des Löwenwappens von Konrad von Thüringen, begann sie für Hessen, analog dem
großherzoglich bunten Löwen, von
oben her mit Silber, für Thüringen aber
mit Rot, wodurch die heraldische Abgrenzung hergestellt war. (4) (5) (6)
Die Frage nach dem Ursprung der
doch recht ungewöhnlichen Streifung
des Löwen lässt sich nicht beantworten.
Die auf den Marburger Historiker von
Brockhusen zurückgehende Ansicht,
Landgraf Ludwig III. (1172–1190) habe
bereits auf seinem 1182–1185 geführten
zweiten Siegel einen von Rot und Silber
siebenmal geteilten steigenden Löwen
in Blau geführt, hielt der Nachprüfung
nicht stand. Keines der sechs erhaltenen Fragmente dieses Siegels lässt
ein Wappen erkennen und auch die
Reiterbrakteaten (Hochrandmünzen)
Ludwigs III. zeigen keinerlei Wappendarstellungen. Damit wurden auch
keine Belege für die Annahme gefunden, die Löwenstreifung sei aus der
weit älteren Lehnsfahne der Landgrafschaft übernommen worden. Mit Sicherheit sind Rot und Weiß die Mainzer
Farben, die bei Adligen, die in enger
Verbindung zum Erzbistum Mainz
standen, oft zu finden sind. Zwischen
1921 und 1952 wurden sie in der
Kombination Weiß-Rot als horizontale
Streifen in der Landesflagge geführt
und so auch 1991 übernommen. In der
Spiegelung ergeben sie die hessische
Kombination Rot-Weiß, wodurch die
engen geschichtlichen Verbindungen
beider Länder auch in den Flaggen eindrucksvoll dokumentiert sind. Übernommen wurden auch die Sterne der
Vorgängerwappen ab 1921 als Symbole
des Zusammenwachsens der verschiedenen territorialen Teile Thüringens.
Der achte Stern versinnbildlicht dabei
alle preußisch-thüringischen Gebiete.
So steht das Thüringer Wappen von
1991 zum einen in der Tradition einer
mehr als siebenhundertjährigen Geschichte dieses Landes, wobei zugleich
eine saubere heraldische Abgrenzung
gegenüber Hessen vorliegt, zum anderen ist es mit seinen silbernen Sternen
den demokratischen Traditionen des
20. Jahrhunderts verpflichtet.
Peter Heß
Literatur
(1) Heinrich HOFFMANN,
„Das Sternenwappen Thüringens“
in: Eichsfelder Heimathefte 3/1966, S. 172–176
(2) Gert OSWALD, Lexikon der Heraldik,
Leipzig 1984
(3) Heinrich HOFFMANN,
„Geburtshilfe für die Hoheitszeichen
Thüringens 1945“
in: Eichsfelder Heimathefte 4/1964, S. 228–231
(4) Peter BÜHNER,
Das Thüringische Wappen. Eine Denkschrift
für den Landtag und die Regierung
des Landes Thüringen, Mühlhausen 1990,
unveröffentlichtes Manuskript beim Thüringer
Innenministerium
(5) Axel STELZNER, Peter HEß, Peter BÜHNER,
Frank BOBLENZ:
„Bunter Löwe mit oder ohne Sterne?
Ein Beitrag zur Verfassungsdiskussion“
in: Thüringer Allgemeine, Beilage, 30.11.1990
(6) Frank BOBLENZ,
Wappen des Landes Thüringen, Weimar 1992
Herausgeber:
Landeszentrale für politische Bildung
THÜRINGEN
Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt
www.lzt.thueringen.de
Autor: Peter Heß, Bachra
Druck: Druckerei Sömmerda GmbH
8. Auflage 70–75.000
2005

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