Die Rolle der Herztransplantation in der Behandlung der

Transcription

Die Rolle der Herztransplantation in der Behandlung der
Die Rolle der Herztransplantation in der Behandlung
der Herzinsuffizienz
Thierry Carrel1 und Paul Mohacsi2
1
Klinik für Herz- und Gefässchirurgie und 2Kardiologie,
Schweizer Herz- und Gefässzentrum Bern
Inselspital, 3010 Bern
Korrespondenz
Prof. Dr. T. Carrel
Direktor der Klinik für Herz- und Gefässchirurgie
Universitätsklinik Inselspital
3010 Bern
Telefon +41 31 632 23 75 (FAX 44 43)
e-mail:
[email protected]
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC
Einführung
Obwohl bei der Herzinsuffizienz durch moderne Behandlungsmethoden eine
verbesserte Lebenserwartung und auch eine verbesserte Lebensqualität erzielt
werden können, erreichen immer mehr Patienten altersbedingt oder durch die
Progression der Grunderkrankung das Stadium der terminalen Herzinsuffizienz. Für
diese Patienten stellt der Organersatz, die orthotope Herztransplantation, die einzig
gesicherte Behandlungsmethode. Leider wird der Einsatz dieser Behandlung durch
den zunehmenden Mangel an Spenderorganen wesentlich eingeschränkt. Unter
diesem zunehmenden Druck ständig wachsender Patientenzahl nehmen alternative
Behandlungsmethoden
einen
zunehmend
wichtigen
und
besonderen
Wert.
Chirurgische Standardtherapien – z.B. koronare Revaskularisationsoperation bei
nachgewiesener Malperfusion des Myokardes oder Herzklappenersatz – auch bei
schwerst eingeschränkter Pumpleistung der linken Kammer können eine deutliche
Verbesserung der Herzfunktion durch funktionelle Reaktivierung von lebensfähigem
(hibernating) Myokard oder durch Korrektur einer schwer pathologischen Druck-/
oder Volumenbelastung der linken und/oder rechten Kammer hervorrufen.
Neben diesen chirurgischen Standardverfahren werden gegenwärtig immer noch
experimentelle
Techniken
diskutiert,
die
hauptsächlich
eine
Korrektur
der
pathologisch veränderten Geometrie des insuffizienten und dilatierten Ventrikels
verursachen sollten (siehe weiter).
In der Schweiz gibt es ca. 150'000 Herzinsuffizienz-Patienten. Davon sind zirka 6-7%
(= ca. 10'000 Patienten) der funktionellen Klasse NYHA IV zuzuordnen (Fig 1) 1. Da
infolge
Spenderorganmangel
jährlich
in
der
Schweiz
lediglich
35-45
Herztransplantationen erfolgen (Fig 2), wird die Herztransplantation nur für eine sehr
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC
kleine und selektionierte Gruppe von schwerst herzinsuffizienten Patienten als
Behandlung betrachtet. Für diese kleine Anzahl von schwerst herzinsuffizienten und
normalerweise jüngeren (d. h. jünger als 65 Jahre) Patienten entspricht die
Herztransplantation nach wie vor einem Goldstandard 2.
Alternativbehandlungen
Das Konzept der dynamischen Kardiomyoplastie wurde 1985 von Carpentier in
Paris entwickelt 3. Dabei wird durch autologe, durch elektrische Stimulation des in
den Brustkorb eingebrachte und gestielte M. latissimus dorsi, den Herzmuskel
dynamisch unterstützt (Fig 3). Neben der systolischen Untersütztung soll der um das
Herz umgewickelte Skelettmuskel eine progressive Erweiterung der kranken
Herzmusels verhindern. Obwohl mit dieser Methode eine Verbesserung der
Symptomatik bei sehr gut selektionierten Patienten sich nachweisen liess, konnten
bis anhin keine Korrelate für eine Verbesserung der Hämodynamik gefunden werden
4
. Auch das Konzept der Volumenreduktion der linken Kammer nach Batista führte
zu keinem Durchbruch bei der Behandlung der terminalen Herzinsuffizienz. Diese
Therapie wurde ursprünglich in Brasilien bei der durch Chagas-Krankheit
verursachten Kardiomyopathie verwendet
5
. Dabei wird bei der dilatierten
Kardiomyopathie durch Exzision eines definierten Wandsegmentes das Volumen der
linken Kammer reduziert (Fig 4); durch die Verminderung der Wandspannung
(Laplace-Gesetz) wird eine Verbesserung der Kontraktilität der linken Kammer
postuliert. In einer Mehrheit der Fälle wurde gleichzeitig eine konkommitierende
Mitralklappeninsuffizienz
durch
Rekonstruktion
oder
Ersatz
der
Mitralklappe
mitbehandelt Im initialen Verlauf wurde eine Verbesserung der LV-Funktion nicht
selten nachgewiesen; mittelfristig konnte aber keine stabile Verbesserung erreicht
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC
werden
6,7
. Die Frühletalität und auch die späte Todesfälle waren aber beträchtlich,
so dass diese Behandlung nicht etablieren konnte.
Die Reduktion der Wandspannung durch Veränderung der Geometrie und
Volumenstabilisierung der linken Kammer ist aber weiterhin ein Konzept, das
versucht, langfristig die Funktion des insuffizienten Ventrikels zu verbessern.
Gegenwärtig stehen zwei Verfahren in klinischer Erprobung: beim ersten wird mittels
transventrikulär eingeführten „Spannungseil“ die Taille des dilatierten linken
Ventrikels reduziert. Beim anderen wird das Herz in einem wenig dehnbaren
Kunststoffnetz eingepackt. Beide Verfahren können wahrscheinlich höchstens eine
gewisse Stabilisierung der linksventrikulären Dilatation erreichen, eine Verbesserung
der Funktion darf aber kaum erwartet werden.
Verschiedentlich werden künstliche Ventrikel (Sog. Ventricular Assist Devices,
(Herzpumpen) (Fig 5-7)8 oder sogar totale Kunstherzen (Total Artificial Heart)
9
(Fig
8) als Alternative zur Herztransplantation diskutiert. Sie können jedoch vorderhand
höchstens im Sinne eines Bridge to Transplant eine zeitliche „Überbrückung“
darstellen, da trotz REMATCH-Daten
10
zur Zeit die Existenz einer Destination-
Therapie erst in ihren Anfängen steht.
Ziel der temporären Unterstützung des insuffizienten linken Ventrikels ist entweder
die Überbrückung bis zur Transplantation oder die Überbrückung bis zur Erholung;
wobei die zweite Option doch klinisch selten beobachtet wird. Grundsätzlich wird
zwischen
extra-
oder
parakorporellen
und
voll
implantierbaren
Systemen
unterschieden. Die extrakorporellen Systeme (meistens pulsatil) kommen meistens
beim akuten Herzversagen zum Einsatz, zum Beispiel im Anschluss an einer
konventionellen Herzoperation oder bei Myokarditis. Die Unterstützung, die entweder
nur links oder biventrikulär durchgeführt werden kann, erfolgt dann über einem
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC
Zeitrahmen von Wochen bis Monaten und der Patient bleibt in der Regel
hospitalisiert.
Für eine geplante, mittel- bis langfristige Unterstützung sind voll implantierbare
linksventrikuläre Systeme besser geeignet. Solche Systeme (meistens axiale
Blutpumpen) können bei einer Restfunktion der linken Kammer häufig nur links
implantiert werden, sie entlasten aber auch durch ihre starke Sogwirkung den
rechten Ventrikel. Diese Systeme sind zwar für die weitere Behandlung des
Patienten relativ wenig aufwendig (Entlassung nach Hause möglich); aufgrund der
Kosten und der nicht zu vernachlässigenden Komplikationsrate (Blutungen, Infekte,
Thromboembolien) sollten diese Systeme nur bei strenger Indikation eingepflanzt
werden.
Welche Patienten entsprechen dem idealen Kandidaten für eine
Herztransplantation?
Im Prinzip handelt es sich um Herzinsuffizienz-Patienten der Klasse D, also um
Patienten, die mit konventioneller oraler medikamentöser Therapie (ACE-Hemmer, ßBlocker, Aldosteron-Inhibitoren) ausreichend behandelt werden und trotz einer
adäquaten Compliance und entsprechender Schulung zu sehr symptomatisch resp.
zu limitiert sind (Fig 9)11. Ferner haben solche schwer herzinsuffiziente Patienten
einen sogenannt tiefen Aaronson Mancini-Score
12-15
. Andere prognostische
Faktoren zur Beurteilung der Dringlichkeit einer schweren Herzinsuffizienz stellen die
Harnsäure
Risikoprofil
16
und das BNP
erarbeiten,
17
dar. Anhand dieser und anderer Daten lässt sich ein
mittels
welchem
Risikopatienten
rechtzeitig
einer
Herztransplantation zugeführt werden können. Es bleibt allerdings zu beachten, dass
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC
die Wartezeit erheblich sein kann,
Körpergewicht
abhängt.
Die
und vor allem von der Blutgruppe und dem
Beurteilung
der
rechtzeitigen
Listung
eines
Herztransplantations-Kandidaten benötigt Fachwissen und Erfahrung, weshalb eine
Zuweisung
des
potentiellen
Kandidaten
an
das
Herzinsuffizienz
und
–
transplantations Zentrum zur Standortbestimmung sinnvoll ist 18-20.
Befindet sich die Herztransplantation in einer Krise?
Eine häufig in der Literatur erwähnte Krise gibt es nicht. Die aktualisierten Non-USDaten des ISHLT-Registers bestätigen gerade das Gegenteil 21.
Resultate nach erfolgter Herztransplantation
Bezüglich Mortalität wie auch Morbidität sind die Daten der Herztransplantation
erfreulich. In der Schweiz leben ca. 70 % der herztransplantierten Patienten nach 5
Jahren. Auch ist die Morbidität (Infektionen, Abstossungen, Tumoren) recht gut unter
Kontrolle.
Welche
Bedeutung
hat
die
Herztransplantation
für
die
kardiovaskuläre Forschung?
Dank der Herztransplantation hat die kardiovaskuläre Medizin einen erheblichen
Wissenssprung
machen
können.
Nicht
nur
auf
dem
Gebiet
der
Transplantationsimmunologie sondern auch über die Forschung nach neuen
Immunsuppressiva wurden massgebende neue Techniken eingeführt
Sirolimus Stent
23-25
darf hier als klassisches Beispiel erwähnt werden.
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC
22
. Der
Zusammenfassung
Die Herztransplantation spielt für Herzinsuffizienz-Patienten der Klasse D nach wie
vor eine sehr wichtige Rolle. PatientInnen, die davon profitieren können, stellen
jedoch eine sehr kleine Gruppe dar. Einerseits, weil nur eine begrenzte Anzahl
Organe pro Jahr zur Verfügung stehen und andererseits, weil die konventionelle,
vorwiegend medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz in den letzten 20 Jahren
enorme Fortschritte gemacht hat.
Referenzen
1. Moschovitis G, Zbinden S, Noll G, Hess OM, Mohacsi P. The Swiss Heart Failure
Registry: a longitudinal follow-up survey. Kardiovask Med 2002;5(Suppl
4):15S.
2. Deng MC. Cardiac transplantation. Heart 2002;87:177-84.
3. Chachques JC, Grandjean PA, Carpentier A. Latissimus dorsi dynamic
cardiomyoplasty. Ann Thorac Surg 1989;47:600-4.
4. Jessup ML. Dynamic cardiomyoplasty: expectations and results. J Heart Lung
Transpl 2000;19:S68-72.
5. Batista RJ, Santos JL, Takeshita N, Bocchino L, Lima PN, Cunha MA. Partial left
ventriculectomy to improve left ventricular function in end-stage heart disease.
J Card Surg 1996;11:96-8.
6. Konertz W, Hotz H, Khoynezhad A, Zytowksi M, Baumann G. Results after partial
left ventriculectomy in a European heart failure population. J Card Surg
1999;14:129-35.
7. Kawaguchi AT, Suma H, Konertz W, et al. Partial left ventriculectomy: the 2nd
International Registry Report 2000. J Card Surg 2001;16:10-23.
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC
8. Berdat PA, Gygax E, Nydegger U, Carrel T. Short- and long-term mechanical
cardiac assistance. Int J Artif Organs 2001;24:263-73.
9. SoRelle R. Third abiocor artificial heart implanted in Houston. Circulation
2001;104:E9033-4.
10. Rose E, Gelijns AC, Moskowitz AJ, et al. Long-term mechanical left ventricular
assistance for end-stage heart failure. N Engl J Med 2001;345:1435-43.
11. Hunt SA, Baker DW, Chin MH, et al. ACC/AHA Guidelines for the evaluation and
management of chronic heart failure in the adult: executive summary of a
report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task
Force on Practice Guidelines (committee to revice the 1995 guidelines for the
evaluation and management of heart failure): developed in colaboration with
the International Society for Heart and Lung Transplantation; endorsed by the
Heart Failure Society of America. Circulation 2001;104:2996-3007.
12. Aaronson KD, Schwartz JS, Chen TM, Wong KL, Goin JE, Mancini DM.
Development and prospective validation of a clinical index to predict survival in
ambulatory
patients
referred
for
cardiac
transplantation.
Circulation
1997;95:2660-7.
13. Mancini DM, Eisen H, Kussmaul W, Mull R, Edmunds Jr LH, Wilson JR. Value of
peak
exercise
transplantation
oxygen
in
consumption
ambulatory
patients
for
optimal
with
heart
timing
failure.
of
cardiac
Circulation
1991;83:778-86.
14. Myers J, Gullestad L, Vagelos R, et al. Cardiopulmonary exercise testing and
prognosis in severe heart failure: 14 mL/kg/min revisited. Am Heart J
2000;139:78-84.
15. Ponikowski P, Francis PD, Piepoli MF, et al. Enhanced ventilatory response to
exercise in patients with chronic heart failure and preserved exercise
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC
tolerance. Marker of abnormal cardiorespiratory reflex control and predictor of
poor prgnosis. Circulation 2001;103:967-972.
16. Anker SD, Doehner W, Rauchhaus M, et al. Uric acid and survival in chronic
heart failure: validation and application in metabolic, functional, and
hemodynamic staging. Circulation 2003;107:1991-7.
17. Koglin J, Pehlivanli S, Schwaiblmair M, Vogeser M, Cremer P, von Scheidt W.
Role of brain natriuretic peptide in risk stratification of patients with congestive
heart failure. J Am Coll Cardiol 2001;38:1934-1941.
18. Mohacsi P, Im Hof V, Carrel T. Wann muss der Hausarzt mit dem
kardiologischen Transplantationsteam Kontakt aufnehmen ? Therapeutische
Umschau 1995;52:617-25.
19. Deng MC, De Meester JM, Smits JM, Heinecke J, Scheld HH. Effect of receiving
a heart transplant: analysis of a national cohort entered on to a waiting list,
stratification by heart failure severity. Comparative outcome and clinical
profiles in transplantation (COCPIT) study group. BMJ 2000;321:540-5.
20. Deng MC, Smits JMA, Packer M. Selecting patients for heart transplantation:
which patients are too well for transplant ? Curr Opin Cardiol 2002;17:137-44.
21. Mohacsi P, Taylor DO, Boucek MM, et al. How representative is the Registry of
the ISHLT ? J Heart Lung Transpl 2003;in press.
22. Mohacsi PJ, Tüller D, Hulliger B, Wijngaard PLJ. Different inhibitory effects of
immunosuppressive drugs on human and rat aortic smooth muscle and
endothelial cell proliferation stimulated by platelet-derived growth factor of
endothelial cell growth factor. J Heart Lung Transpl 1997;16:484-92.
23. Cao W, Mohacsi P, Shorthouse R, Pratt R, Morris RE. Effects of rapamycin on
growth factor-stimulated vascular smooth muscle cell DNA synthesis. Inhibition
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC
of fibroblast growth factor and platelet-derived growth factor action and
antagonism of rapamycin by FK506. Transplantation 1995;59:390-5.
24. Sousa JE, Costa MA, Sousa AG, et al. Two-year angiographic and intravascular
ultrasound follow-up after implantation of sirolimus-eluting stents in human
coronary arteries. Circulation 2003;107:381-3.
25. Ruygrok PN, Muller DW, Serruys PW. Rapamycin in cardiovascular medicine.
Intern Med J 2003;33:103-9.
09.06.2008 / D:\User\I0063133\Lokale Einstellungen\Temporary Internet Files\OLKE6\HTX.DOC