Exkursion nach Mexico

Transcription

Exkursion nach Mexico
WEB Bericht 1 Homepage FH Bielefeld 26. 11. 2014
Exkursion nach Mexico: Erkundungen von kulturellen, sozialen und politischen Lebenswelten
Zehn Studierende unter der Leitung von Prof. Cornelia Giebeler haben soziale und politische
Verhältnisse von Migration, der Zukunft der Jugend und den weltweiten Zusammenhängen von
Drogenkartellen, Staat und Menschenrechten in Mexiko untersucht. Es sind Sarah Wollweber, Marie
Brückmann, Lisa- Marie Rüther, Yannik Simon, Kristina Roth , Benjamin Dennis Hauck, Josephine
Jerke, Chantal Jurczik, Ann- Cathrin Debora Mildner und Elena Richard, die vom 6. Oktober 2014 bis
zum 22. November in Mexico-Stadt und Oaxaca waren, um sich mit den kulturellen, sozialen und
politischen Verhältnissen in Mexiko im internationalen Vergleich zu befassen, und so ihren Blick auf
globale Verhältnisse sozialer Ungleichheitsstrukturierung zu schärfen. Darüber hinaus ging es aber
auch im die Beschäftigung mit vorkolonialer Kultur und dekolonisierenden Praxen. Die Studierenden
des MA Angewandte Sozialwissenschaften, der BA´s Pädagogik der Kindheit und Soziale Arbeit sind
alle im Studienverlauf mit – auch kritischen Auseinandersetzungen zu den internationale Gültigkeit
beanspruchenden Menschenrechten befasst. Eine ethische Grundlage jeder Profession als
angewandter Wissenschaft – sei es Medizin, Pädagogik, Therapie, Soziale Arbeit oder Recht – ist die
Bezugnahme auf allgemeine – häufig überkulturell definierte Menschenrechte. Diese sind neben den
Persönlichkeits- und politischen Rechten ebenso kulturelle, soziale und wirtschaftliche
Menschenrechte, die für die verschiedenen exkludierten Gruppen wie Kinder, Frauen oder indigene
Völker auch eigener detaillierter Ausführungen bedürfen. Mit dieser ethischen Basis befasst sich u.a.
eine (s)Soziale Arbeit, eine anthropologisch reflexive Pädagogik und zentral – jede Sozialwissenschaft,
die handelnd interveniert.
Mit dieser Reise haben die beteiligten Studierenden – aber auch viele darüber hinaus - die Chance
im globalen Kontext die Umsetzungen und Verletzungen der Würde des Menschen zu untersuchen
und für ihre eigene spätere „angewandte“ Sozial- und Erziehungswissenschaft umzusetzen. Sie
haben ihre Erfahrungen im BLOG täglich dokumentiert und werden hier auch weiterhin analysieren
und interpretieren. Darüber hinaus wird das Heft der ila - Informationszentrum Lateinamerika vom
März 2015 weitgehend auch von den TeilnehmerInnen der Exkursion mitgestaltet.
Der Blog ist zu finden unter: http://fh-mexicotpp.blogspot.de/
Warum gerade jetzt die Reise nach Mexico?
Anlass für unsere Reise waren die Vorträge von:
1. Bettina Cruz im Jahr 2012 an die FH Bielefeld, die von dem Widerstand der indigenen Bevölkerung
im Süden Oaxacas - dem Isthmus von Tehuantepec - gegen den bis heute stattfindenden Aufbau des
größten Areals von Windkraftanlagen Lateinamerikas berichtete. Siehe: http://www.fhbielefeld.de/fb4/studium/qualifizierungsbereiche/global-social-work-interkulturellekompetenz/vortraege und
2. Adriana Rodriguez Marinez und Octavio Rosas Landa Ramos, beide eingeladen von dem Projektes
"Lebenswelten in Lateinamerika" und dem Schwerpunkt Global Social Work, die zur Ökologischen
Zerstörung aus Mexico berichtet haben.
Link: http://www.fdcl.org/event/das-staendige-tribunal-der-voelker-kapitel-mexiko/
Die sehr gut besuchten Veranstaltungen zeigten, dass das Interesse an einer globalen (s)Sozialen
Arbeit und der Auseinandersetzung mit Weltzusammenhängen eine relevante Größe innerhalb des
Studiums bildet und die Aufenthalte im Ausland eine weitreichende Schärfung des analytischen Blicks
unserer Studiengänge Angewandter Sozialwissenschaft, Kindheitspädagogik und Sozialer Arbeit
hervorbringt. Fast alle an der Exkursion teilnehmenden Studierenden haben auch bereits
langmonatige oder -jährige Erfahrungen in Lateinamerika im Rahmen von Forschungsaufenthalten
und Praktika gesammelt.
Nach den am ersten Tag stattfindenden Gesprächen mit den OrganisatorInnen des Tribunals der
Völker und dem Vertreter der deutschen Botschaft begann die Arbeit an und mit den Konferenzen,
Gruppen und Einrichtungen der Reise.
Die wichtigsten Stationen der Reise waren:
1. Die Teilnahme an der Jugendkonferenz zur Zukunft der Jugend im Museum der Stadt Mexico
(museo de la ciudad). Hier haben die Studierenden nicht nur gefilmt, fotografiert und
Interviews und Gespräche mit den Beteiligten geführt, sondern auch einen gut
nachgefragten Workshop zum interkulturellen Dialog durchgeführt mit dem Titel „Wo
kommen wir her, wo gehen wir hin? De donde venímos – a donde vamos?“
Ankündigung und Durchführung des Workshops auf der Jugendkonferenz.
2. Der Besuch von Teotihuacán und der Basilica der Guadalupe
Am Tag vor der Teilnahme an der Abschlusskonferenz des Tribunals der Völker – Kapitel Mexico,
hatte die Gruppe die Gelegenheit sich mit der vorkolonialen Hochkultur Teotihuancán zu befassen
und die Bedeutung des katholischen Glaubens wie er sich sehr speziell in Mexico durch die 1531
einem Bauern erschienenen Guadalupe entwickelt hat. Erst 1774 wurde diese Erscheinung vom Papst
anerkannt, 1990 der Bauer San Diego selig und 2002 heiliggesprochen. Auch ohne Zustimmung aus
Rom haben sie MexikanerInnen ihre Guadalupe und San Diego verehrt, sie gilt auch als Verkörperung
der synkretischen Volksreligion Mexicos – da sie die Aspekte der vorkolonialen Tonanzin - einer der
vielen Muttergöttinnen des nahuatl-sprechenden mexikanischen Volkes (bei uns Azteken genannt)
(bzw. der vorspanischen mesoamerikanischen Gottheiten) repräsentiert.
TEoti hua
Teotihuancán und die neue Basilica, mit 40000 Sitzplätzen eine der größten Kirchen der Welt. Die
alte Basilica steht auf dem ehemaligen Texcocosee, in dem die Hauptstadt der aztekischen
Hochkultur stand und sinkt immer weiter ab.
3. Ayotzinapa – 43 Verschwundene und die Folgen
Die Teilnahme stand von Anbeginne unter dem Einfluss von Ayotzinapa – den am 26 Oktober von der
Polizei getöteten sechs, fünf Schwerverletzten und 43 verschwundenen Studierenden aus der
Hochschule für Lehrerbildung „Normal Rural de Ayotzinapa“, die bis heute nicht gefunden wurden –
dafür aber unzählige weitere Massengräber von Verschwundenen im Bundesstaat Guerrero, vor
dessen Besuch – einschließlich Acapulcos - seither vom Auswärtigen Amt gewarnt wurde. Cornelia
Giebeler hatte die Chance am 14. 11. 2014 auf Einladung eines Mitglieds des Bundestages, das
wegen der damit zusammenhängenden Fragen der Zusammenarbeit zwischen EU und Mexiko sowie
Deutschland und Mexiko eingereist war.
Neben den weltweiten Massenprotesten und der Wut und Verzweiflung zeigen sich vor Ort im
Gespräch mit den Eltern vor allem die Trauer und das Unverständnis darüber was mit ihren Kindern
geschah. „Lebend haben sie sie uns genommen – lebend wollen wir sie zurück“ – so lautet einer der
Aussagen, die heute überall in Mexico zu hören – und auch bereits als T-Shirt-Aufdruck zu kaufen
sind. Die Trauer spiegelt sich in den Altären, die in der Hochschule aufgebaut sind:
Fotos der Verschwundenen vor der Hochschule und auf dem Altar
Bericht von Cornelia Giebeler mit Hintergrundinformationen unter: http://www.kompetenzla.unikoeln.de/fileadmin/home/salbiez/Ankuendigungen/Giebeler_Beitrag_43_1.pdf
4. Das Abschlusstribunal der Völker – Kapitel Mexico
Während des Abschlusstribunals der Völker – Kapitel Mexico konnten die Studierenden unzählige
Interviews führen – unter anderem mit einigen der international besetzten – ethische und moralisch
argumentierenden Jurorenschaft, wie z.B. dem Deutschen emeritierten Politikwissenschaftler und
Philosophen Prof. Dr. Elmar Altvater, oder dem Bischof von Saltillo Raúl Vera. Zur Einführung zum
Tribunal der Völker – Kapitel Mexico, siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Permanentes_V%C3%B6lkertribunal Drei Jahre lang hat das Tribunal zu
sieben Themen Einzelfälle recherchiert und dokumentiert, etliche davon wurden bereits vor dem
interamerikanischen Gerichtshof verhandelt und nun sein Urteil gesprochen. Dazu siehe auch
weiterhin den BLOG der Studierenden: http://fh-mexicotpp.blogspot.de/
Die Juroren der Abschlusskonferenz aus vielen Ländern Europas und der Amerikas
5. Die Migrationsherberge in Ixtepec
Am Abend nach der Urteilsverkündung ging es dann weiter über Nacht in den Isthmus von
Tehuantepec – vorbei an den Windmühlenparks der „Öko“ - Energie“, errichtet unmittelbar neben
den Häusern - in die Herberge „Hermanos en el Camino“ – die Migrationsunterkunft des mittlerweile
international bekannten Menschenrechtlers Padre Solalinde. Hier haben schon Generationen von
Studierenden des FB 4-Projektes „Lebenswelten in Lateinamerika“ ihre Unterstützung praktiziert und
waren gleichzeitig – durch Unterstützung des dort arbeitenden Dr. Eli Bartolo - eingeschrieben in der
Pädagogischen Hochschule Ixtepec. Gemeinsam mit den MigrantInnen vor Ort wurde von ihnen ein
Eingangs-Mural – ein Wandgemälde erstellt mit dem Namen der Herberge.
Windparkanlagen im Isthmus…
und ein Neubau in der Migrtionsherberge Ixtepec
6. Juchitán de Zaragoza – Stadt der Frauen, Muxe und der Ökologie?
Die letzten zwei Tage dann ging es dann in die Heróica Ciudad Juchitán de Zaragoza um dort auch
Alternativen kennen zu lernen zu den im TPP angeprangerten Menschenrechtsversetzungen wie das
Ökologische Forum, das gerade zur Ankunft sein zwanzigjähriges Jubiläum feiert oder der Woche
zuvor, die im Zeichen der sexuellen Diversität stand und die Existenz der 20jährigen eingetragenen
Vereins: Gunaxhíi Guendanabani Ama la vida A.C. , in dem es u. a. um die Aufklärung und
Behandlung von Aids/Sida geht sowie um die „unermüdliche Arbeit zur Verteidigung und Förderung
der Menschenreichte, der sexuellen und reproduktiven Rechte und der Freiheit jede Person zu
lieben…“.
7. Auswertung und Rückfahrt
Am letzten Tag dann konnte die Abschlussauswertung der Gruppe und die weitere
Perspektivdiskussion in der Bibliothek der Casa de la Cultura (dem in Mexico in jeder Stadt
vorhandenen öffentlichen Kulturhaus) durchgeführt werden und abends im Bar Jardin (dem
Restaurant, deren Besitzer maßgeblich für die Existenz des ökologischen Forums mitverantwortlich
sind, die Reise vorläufig würdig beim Salsatanz gefeiert und vorläufig beendet werden.
Auswertung in der Bibliothek der Casa de la Cultura und Abschlusstänze im Bar Jardín, Juchititán
Die Rückreise dann barg noch eine Überraschung – auch der Menschenrechtsverteidiger aus der
Moigrtionsherberge in Ixtepec, Padre Solalinde, reist am gleichen Tag nach Europa – zu einer
Internationalen Migrationskonferenz zur europäischen Migration. Und so warten seine HelferInnen
aus der FH Bielefeld gemeinsam mit ihm auf die Anschlussflüge:
Ihnen und Euch allen wünsche ich gute Einblicke in unsere Reise auch weiterhin über den
Studierenden-Blog im Netz und wir freuen uns über Kommentare, Fragen und jede Form von
Interesse – vor allem im BLOG http://fh-mexicotpp.blogspot.de/
und an der ila – Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika vom MÄRZ 2015
Cornelia Giebeler