La Gioia et la Disperanza Programm
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La Gioia et la Disperanza Programm
La Gioia et la Disperanza Venedig um 1630 - zwischen Euphorie und Schrecken Wie ein groteskes Antimaskenspiel, eine Parodie des triumphalen Aufstiegs einer Stadt, des Komponisten Monteverdi und seines neuen Stils, so nimmt sich der Eintritt der Pest in Venedig im Sommer 1630 aus. Venedig war der Pest keine Fremde, doch verstand die Stadt ihre Wiederkehr nicht so sehr als Folge der überfüllten Wohnungen und unhygienischen Kanäle, sondern vielmehr als göttliche Bestrafung ihrer Sünden. Eineinhalb Jahre wütete der schwarze Tod und raffte viele Musiker hinweg, unter ihnen auch Giovanni Battista Fontana (1571-1630). Für die Dauer der Epidemie kam auch das Musikleben fast vollständig zum Erliegen. Den Widerhall jenes Grauens vermeint man in Stücken wie dem Lamento der Barbara Strozzi oder in Biagio Marinis La Gioia, in dem eine von Verzweiflung eingefärbte Freude gezeichnet wird, herauszuhören. Das farbige und abwechslungsreiche Basso Continuo, zusammengesetzt aus Laute, Theorbe, Viola da Gamba, Barockgitarre und Cembalo, bildet einen reichen Klangteppich für die Soloinstrumente. Die frühbarocke italienische Musik gleicht kleinen Taschenopern, voll Expressivität und Lebensfreude, manchmal auch voll Verzweiflung, welche von schwungvollen Tänzen immer wieder durchbrochen wird. Der Zuhörer erlebt ein musikalisches Kaleidoskop voller Überraschungen ! Programm Intonazio Cembalo-Improvisation Tarquinio Merula (1590/95?-1665) La Gallina a tre Giovanni Battista Fontana (1571-1630) Sonata prima Gaspar Sanz (1640-1710) Canarios Dario Castello Sonata seconda (um 1625) Francesco Corbetta (1615-1681) Passacaglia Francesco Turini (1595-1656) Sonata prima a tre Giovanni Paolo Cima (1570?-1622) Sonata Biagio Marini (1594-1663) La Gioia a tre Giovanni Battista Fontana (1571-1630) Sonata seconda Dario Castello Sonata terza a tre (um 1625) Tarquinio Merula/Chiaccona a tre Dieses Programm ist in zwei Varianten ausführbar: á6 Sopran, Barockvioline, frühbarocke Blockflöten, Viola da Gamba/ Barockgitarre, , Laute/Theorbe, Claviorganum oder Cembalo á 5-6 Barockvioline, frühbarocke Blockflöten, Viola da Gamba/ Barockgitarre, Claviorganum oder Cembalo, Laute/Theorbe ad libitum - Texte zur Pestzeit Venedigs um 1630, zusammengestellt und moderiert von Dirk Schümer. Venedig im siebzehnten Jahrhundert war eine europäische Metropole voller Widersprüche: schwerreiche Handelsstadt im ökonomischen Sinkflug und zugleich Vergnügungsort, in dem sich der kontinentale Adel bei Oper, Glücksspiel und Bordell die Winter verkürzte, sprudelnder Treffpunkt von Völkern und Schauplatz schlimmer Seuchen, aber immer auch Bühne für große Kultur. Neben der überschäumenden Barockmalerei und der Oper, die als öffentliche Institution nach 1637 in Venedig recht eigentlich erfunden wurde, gab es massenhaft konzertierende Musik für sakrale und profane Anlässe. Davon handelt das musikalische Gerüst des Konzerts. Die Literatur der Zeit, verfasst von einem snobistischen Zirkel Intellektueller, ist dagegen fast vergessen. Dabei fördert sie - mal in venezianischem Dialekt, mal in italienischer Hochsprache - überraschende Aspekte von der Mentalität der Lagune an die Wasseroberfläche: überschäumende Lebensfreude, knallharte Erotik, frömmelnde Todesangst, aber auch stoische Jenseitsverachtung und Zynismus. Eine kleine, naturgemäß übersetzte, Auswahl von Prosa und Poesie - unter anderem von Librettisten Monteverdis und Cavallis - ergänzen das Musikprogramm um ein Sittenbild aus der Stadt der Freude und der Verzweiflung. Dirk Schümer