zurück mp3 abspielen - Katholisches Rundfunkreferat NRW

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katholisches-rundfunkreferat.de
30/01 2013:
Kirche in WDR2
Autor: Manfred Becker-Huberti
Ort: Grevenbroich
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Rituale: Küsse zur Begrüßung
Mittwoch, 30.1. 2013
Guten Freunden gibt man ein Küsschen ... oder zwei ... oder drei ? - heißt es in dieser Werbung für die gleichnamige
Kalorienminibombe aus Schokolade. Der Werbe-Spruch ist schon uralt - aber er funktioniert immer besser. Denn mittlerweile sind
wir angekommen in der Bussi-Bussi-Gesellschaft. Überlegen Sie mal: Haben Sie vor 20 Jahren Leute mit Küsschen begrüßt? Da
hauchte sich vielleicht die weibliche Schickeria ein Küsschen auf die Backe, aber Alltag war das nicht. Ganz anders heute
Jugendliche und junge Erwachsene wandern als Kuss-Spender von Event zu Event, Bussi hier und Bussi da. Aber immer in
Distanz, nicht die Backe berühren. Gewusst wie! Auch sollte man wissen, wie viele Küsschen denn angebracht sind. Eins ist zu
wenig - aber was gibt man denn guten Freunden: zwei...oder drei?
Ist doch nicht so leicht mit den Küsschen. Und dabei gehört der Kuss schon immer zur besonderen Form der Begegnung. Und
das nicht nur bei uns Menschen: Auch Affen genießen die Mund-zu-Mund-Berührung als ein intensives Erlebnis. William
Shakespeare nannte den Kuss einst den See der Liebe . Aber so intim muss man den Kuss gar nicht deuten.
Christen kennen auch den Judaskuss, mit dem der Verräter Judas den ihn begleitenden Soldaten den zu verhaftenden Jesus
bekannt machte. Aber dieser Kuss stand im krassen Widerspruch zum eigentlichen Kussgebrauch der ersten Christen. Paulus
schreibt den Korinthern: Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss (2 Kor 13,12). Gemeint ist der Friedenskuss, der die
vollständige Versöhnung zum Ausdruck brachte. Dieser Mund-zu-Mund-Kuss fand während der gemeinsamen Mahlfeier statt.
Bereits im 4. Jahrhundert hatte man sich von dieser intimen Form des Kontaktes abgewandt. Bei den Gläubigen ist nur der
Friedensgruß per Hand übrig geblieben.
Warum wurde der Kuss zu einem wichtigen Symbol? Die Christen gingen davon aus, dass jeder einzelne von Kuss geistbegabt
war. Beim rituellen Kuss teilte man also den Geist miteinander. In einer Anrufung des Heiliges Geistes im Gottesdienst singen die
Christen noch heute Nun hauch uns Gottes Atem ein . Die Erfahrung des Geistes ist also im Christentum nicht ein rein
geistiges Erlebnis, sondern etwas körperlich Spürbares - ja, das hat eine sinnliche Seite! Nirgendwo wird das deutlicher als im
Psalm 85. In diesem alten Gebetslied wird die Vision einer perfekten Harmonie so beschrieben: Gerechtigkeit und Friede
küssen sich.
Von all dem ist der konventionelle Society-Bussi-Bussi-Schmatzer weit entfernt. Für mich ist das zu oberflächlich, ein schaler
Abglanz seiner Möglichkeit. Ich würde mir da wünschen: Weniger ist mehr! Haushalten beim Küssen hebt die Bedeutung des
einzelnen Kusses erheblich. Denn: Ein echter Kuss kann es immer noch: wirklich begeistern.