Rechnungslegungsstandards für Kreditinstitute im
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Rechnungslegungsstandards für Kreditinstitute im
Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Rechnungslegungsstandards für Kreditinstitute im Wandel Die Rechnungslegung in Deutschland steht vor einem bedeutenden Wandel. Eine Verordnung der EU-Kommission sieht vor, ab 2005 zumindest auf Konzernabschlüsse aller kapitalmarktorientierten EU-Unternehmen die „International Accounting Standards“ (IAS) anzuwenden. Die EU-Verordnung und ihre Umsetzung fallen in eine Zeit, in der Ereignisse wie der Zusammenbruch des US-amerikanischen Unternehmens Enron Zweifel an der Zuverlässigkeit der Rechnungslegung aufgeworfen haben. Die Kritik erstreckt sich dabei auf alle Beteiligten, von den Bilanzerstellern über Abschlussprüfer, RatingAgenturen und Finanzanalysten bis hin zu den Investoren und deren unkritischem Umgang mit veröffentlichten Unternehmenserfolgszahlen. Vor diesem Hintergrund ist der Übergang von einer bewährten gläubigerschutz- und kapitalerhaltungsorientierten Bilanzierung nach HGB zu einer investor- und kapitalmarktorientierten IAS-Bilanzierung sorgfältig abzuwägen. Es sind Lösungen zu entwickeln, die einen Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte leisten und eine wettbewerbsneutrale Anwendung bankenaufsichtlicher zuverlässiger Risikobegren- zungsnormen gewährleisten. Eine zu schnelle Aufgabe des Einzelabschlusses nach den Rechnungslegungsnormen des HGB und des Instruments der stillen Reserven erscheint dabei gegenwärtig nicht sachgerecht. 41 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 den regulatorischen Eigenkapitalbegriff wer- Veränderung der Rahmenbedingungen den die Anforderungen an die EigenmittelunLetzte ¾nderung des Bilanzierungsrechts für Kreditinstitute ab 1993 Die Rahmenbedingungen für die Rechnungsle- terlegung für die Adressenausfall- und Markt- gung der Kreditinstitute haben sich in Deutsch- preisrisiken eines Instituts festgelegt. Ein en- 1) ger definitorischer Zusammenhang besteht und deren Umsetzung in deutsches Recht hierbei zwischen dem handelsrechtlichen durch das Bankbilanzrichtlinie-Gesetz in 1991 oder bilanziellen Eigenkapital und dem regu- und die Verordnung über die Rechnungsle- latorischen Eigenkapital, wobei die banken- gung der Kreditinstitute (RechKredV) in 1992 aufsichtliche Definition der Eigenmittel auf geändert. Damals wurden einheitliche Bilanzie- dem handelsrechtlichen Eigenkapital basiert, rungsvorschriften für alle Kreditinstitute in das aber über die Abgrenzung des in der Bilanz Handelsgesetzbuch (HGB) und eine dazugehö- auszuweisenden Eigenkapitals hinausgeht. rige Rechtsverordnung aufgenommen, ohne Bilanzielles Eigenkapital stellt dabei stets allerdings einen grundlegenden Wandel der bankenaufsichtliches Kernkapital dar. ¾nde- Rechnungslegung an sich herbeizuführen. Ins- rungen in der Bilanz, die das bilanzielle Eigen- besondere blieb der für die Bilanzierung der kapital ändern, bedingen daher stets Verän- Kreditinstitute zentrale Punkt der Bildung stiller derungen beim bankenaufsichtlich anzuer- Reserven durch entsprechende Ausübung des kennenden Eigenkapital. Dabei haben ¾nde- Mitgliedstaatenwahlrechts, wenngleich in ein- rungen im Kernkapital auch Auswirkungen land zuletzt durch die Bankbilanzrichtlinie 2) Die Zulassung auf das maximal mögliche Ergänzungskapital, einer Vielzahl von Mitgliedstaatenwahlrechten das nicht mehr als 100 % des Kernkapitals in der Bankbilanzrichtlinie beeinträchtigte je- ausmachen darf. 3) geschränkter Form, erhalten. doch bisher die Vereinheitlichung der Rechnungslegung in der Europäischen Union. Die Residualgröße „bilanzielles Eigenkapital“ ist zudem das Ergebnis der Bewertungsent- Jahresabschlüsse sind Element der Bankenaufsicht Für die Bankenaufsicht stellen die Jahresab- scheidungen bei Vermögensgegenständen, schlüsse der beaufsichtigten Institute als Er- Verbindlichkeiten gebnis der externen Rechnungslegung eine Geschäften. Die Wertansätze der Vermögens- maßgebliche Grundlage für die Beurteilung gegenstände sind zugleich Ausgangspunkt der wirtschaftlichen Lage der Institute dar. Sie für die Bestimmung der bankenaufsichtlich und bilanzunwirksamen unterliegen auch deshalb einer gesetzlichen Prüfungspflicht. Die Berichte über die Prüfung der Jahresabschlüsse durch externe Wirtschaftsprüfer und durch die Prüfungsverbände sind ein wichtiges Instrument der Bankenaufsicht in Deutschland. Eigenkapitalbegriffe Das Eigenkapital der Banken spielt bei der Überwachung eine bedeutende Rolle. Durch 42 1 Richtlinie des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten (86/635/EWG). 2 Vgl.: Deutsche Bundesbank, Das neue Bilanzierungsrecht für Kreditinstitute ab 1993 und seine Auswirkungen auf die Monatliche Bilanzstatistik, Monatsbericht, Mai 1992, S. 39–48. 3 Über die Auswirkungen der Internationalisierung der Rechnungslegung beim Eigenkapital der Kreditinstitute wurde im Monatsbericht Januar 2002 ausführlich berichtet. Vgl.: Deutsche Bundesbank, Das Eigenkapital der Kreditinstitute aus bankinterner und regulatorischer Sicht, Monatsbericht, Januar 2002, S. 41–60. Zutreffende Bewertung der Vermögensgegenstände von zentraler Bedeutung Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 zu berechnenden Risikoaktiva, die mit Eigen- counting Standards Board“ (FASB) in den USA kapital zu unterlegen sind. Vor diesem Hinter- entwickelt werden und deren Anwendung grund wird offensichtlich, dass eine zutref- Voraussetzung für ein Börsenlisting in den fende Vermögensgegen- Vereinigten Staaten ist. Bei international täti- stände eine zentrale Voraussetzung für das gen Kreditinstituten, die sich verpflichtet Funktionieren der bankenaufsichtlichen Risi- haben, die Eigenmittelempfehlung des Baseler kobegrenzungsnormen darstellt. Ausschusses für Bankenaufsicht einzuhalten, Bewertung der können Konzernabschlüsse nach IAS oder Bedeutung eines Konzernabschlusses nach HGB international begrenzt, ... Zentrales Informationsinstrument deutscher US-GAAP, die auf Grundlage des § 292a HGB Unternehmen ist der handelsrechtliche Kon- erstellt werden, auch für die bankenaufsicht- zernabschluss. Die zunehmende Inanspruch- liche Eigenkapitalberechnung herangezogen nahme internationaler Kapitalmärkte auch werden. Von dieser Möglichkeit machen ge- durch deutsche Unternehmen hat aber zu- genwärtig zwei der 15 international tätigen letzt verstärkt dazu geführt, dass an auslän- deutschen Kreditinstitute Gebrauch. dischen Kapitalmärkten aktive Unternehmen dazu übergegangen sind, Informationen im Die Befreiungsregelung des § 292a HGB stellt Konzernabschluss auf Basis internationaler allerdings nur eine Übergangslösung dar, die Rechnungslegungsstandards offen zu legen, bis zum Ende des Jahres 2004 befristet ist. die internationalen Investoren besser vertraut Danach wird voraussichtlich eine Verordnung sind als die HGB-Regelungen. des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler ... daher befreiender Konzernabschluss nach § 292a HGB möglich Der deutsche Gesetzgeber ist dieser Entwick- Rechnungslegungsgrundsätze greifen, die ka- lung 1998 gefolgt. Mit dem Kapitalaufnah- pitalmarktorientierte Unternehmen in der EU meerleichterungsgesetz und einer ergänzen- ab 2005 verpflichtet, ihren Konzernabschluss 4) den Regelung im Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinien-Gesetz wird kapitalmarktorientierten Muttergesellschaften jetzt gestattet, unter Einhaltung der EU-Bilanzrichtlinien ihren Konzernabschluss gemäß § 292a HGB mit befreiender Wirkung auch nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen aufzustellen. 5) Als international anerkannte Rechnungslegungsstandards gelten hierbei die „International Accounting Standards“ (IAS) des „International Accounting Standards Board“ (IASB) sowie, auf Grund der internationalen Verbreitung, auch die US-amerikanischen „Generally Accepted Accounting Principles“ (US-GAAP), die vom „Financial Ac- 4 Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz) vom 20.4.1998, BGBl. I, S. 707; ergänzt durch das Kapitalgesellschaften- und CoRichtlinien-Gesetz (KapCoRiLiG) vom 24.2.2000, BGBl. I, S. 154; nahezu zeitgleich mit dem Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz erließ der deutsche Gesetzgeber das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl. I S. 786; auf dieser gesetzlichen Grundlage entstand mit dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) auch ein öffentlich anerkanntes deutsches privates Rechnungslegungsgremium, das Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernbilanzierung erarbeitet, das Bundesministerium der Justiz bei Gesetzgebungsvorhaben auf dem Gebiet der Rechnungslegung berät, und das den deutschen Einfluss auf den internationalen Standardisierungsprozess, insbesondere im Rahmen des IASB, verstärken soll. 5 Diese Regelung ist ausdrücklich auf den Konzernabschluss begrenzt. Auf den Einzelabschluss erstreckt sich die Regelung nicht, d. h., die Anwendung des HGB ist dort weiterhin zwingend. 43 Fortentwicklung internationaler Rechnungslegung in Deutschland nach 2004 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 halb der EU andere international anerkannte Bilanzsumme, Risikoaktiva und Eigenkapital der Baseler Banken *) Standards anwenden. Bedeutung hat dies praktisch nur für eine Börsennotierung in den Mrd DM 10000 9000 8000 Mrd 5 Bilanzsumme Risikoaktiva (gewichtet) USA und die daraus resultierende Anwen- 5000 dung von US-GAAP. Der Verordnungsentwurf 4500 gewährt darüber hinaus den Mitgliedstaaten 4000 Wahlrechte, auch nichtkapitalmarktorientier- 7000 3500 6000 3000 5000 2500 vorzuschreiben, ihren Konzernabschluss nach 4000 2000 IAS aufzustellen, sowie allen Unternehmen 3000 1500 zu gestatten oder vorzuschreiben, auch ihren 2000 1000 1000 500 0 0 280 240 200 ten Mutterunternehmen zu gestatten oder Einzelabschluss nach IAS aufzustellen. Eine vergleichende Darstellung der Rechnungslegungsstandards nach HGB, IAS und US-GAAP Maßstab vergrößert 140 Bilanzielles Eigenkapital Kernkapital enthält die Übersicht auf Seite 45. 120 100 160 80 120 60 Rechnungslegung nach International 80 40 Accounting Standards (IAS) 40 20 0 1) 1996 1997 o) 1998 0 1) 2) 3) 1999 2000 2001 * International tätige deutsche Banken. — 1 Fünf IAS-Abschlüsse, von denen zwei Institute IAS bei der Berechnung der Baseler Meldungen zu Grunde gelegt haben. — 2 Sechs IAS-Abschlüsse, von denen drei Institute IAS bei der Berechnung der Baseler Meldungen zu Grunde gelegt haben. — 3 Vier IAS-Abschlüsse und ein US-GAAPAbschluss, von denen jeweils ein Institut IAS bzw. US-GAAP bei der Berechnung der Baseler Meldungen zu Grunde gelegt hat. — o Ab 1999 Angaben in Euro. Deutsche Bundesbank Die Anwendung international einheitlicher und zweckmäßiger Rechnungslegungsstandards soll die Transparenz im Unternehmens- IAS als Initiative zur Internationalisierung der Rechnungslegung sektor verbessern und die Stabilität des Finanzsystems fördern. IAS gelten als ein wesentliches Instrument für eine weltweite Harmonisierung der Rechnungslegung. Im Oktober 1998 haben die G 7-Finanzminister und -Notenbankgouverneure das IASC 6) auf- nach den Regeln der IAS aufzustellen und zu gefordert, die IAS zu diesen international har- publizieren. Die entsprechende EU-Verord- monisierten und anerkannten Rechnungs- nung, deren Entwurf auf breite Zustimmung legungsgrundsätzen weiterzuentwickeln. Im gestoßen war, ist kürzlich verabschiedet wor- Gegenzug erklärten sie sich bereit, die natio- den. Zur Vermeidung von Härtefällen soll eine nale Anwendung der IAS zu fördern. Übergangsfrist bis Ende 2006 für solche Unternehmen vorgesehen werden, die aus- Sowohl der Baseler Ausschuss für Bankenauf- schließlich mit Schuldverschreibungen an re- sicht (BCBS) als auch die „International Orga- gulierten Kapitalmärkten vertreten sind, oder die bereits wegen eines Börsenlistings außer- 44 6 International Accounting Standards Committee (IASC); jetzt International Accounting Standards Board (IASB). Baseler Ausschuss und IOSCO für IAS Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Rechnungslegungsstandards im Vergleich Ausgewählte Kriterien HGB International Accounting Standards (IAS) Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) Zweck Gläubigerschutz Anlegerschutz Anlegerschutz Adressaten Vorrangig Fremdkapitalgeber Vorrangig Eigenkapitalgeber Vorrangig Eigenkapitalgeber Zuständigkeit für die Entwicklung von Vorschriften Gesetzgeber (Bundesministerium der Justiz); Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) mit Deutschem Standardisierungsrat (DSR): öffentlich anerkannte private Gremien International Accounting Standards Board (IASB): internationale, nichtstaatliche, unabhängige Organisation US-Financial Accounting Standards Board (FASB): private, unabhängige Organisation Funktion der BMJ: Handelsrechtliche Standardsetter Vorschriften DSR: Entwicklung von Grundsätzen für die Konzernrechnungslegung; Beratung des BMJ, deutsche Vertretung im internationalen Standardisierungsprozess (insbesondere IASB) Formulierung und Veröffentlichung von Rechnungslegungsgrundsätzen im Interesse der Öffentlichkeit mit dem Ziel einer weltweiten Anwendung und Akzeptanz Entwicklung von Vorschriften für börsennotierte Unternehmen in den USA Rechtliche Relevanz Keine allgemeingültigen, gesetzlich verankerten Rechnungslegungsvorschriften; ab 2005 in der EU Anwendung auf alle Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen; weiter gehende Mitgliedstaaten- und Unternehmenswahlrechte vorgesehen Keine allgemeingültigen, gesetzlich verankerten Rechnungslegungsvorschriften, aber Anwendung für börsennotierte Unternehmen in den USA verbindlich, Kontrolle durch SEC (Securities and Exchange Commission) System der Allgemeine handelsrechtliche Ausgestaltung Buchführungs-/ Bilanzierungsgrundsätze (System des „code law“) Allgemeine Rechnungslegungsgrundsätze (System des „case law“) Detaillierte Rechnungslegungsgrundsätze bezogen auf den Einzelfall (System des „case law“) Anwendungsbereich Rechtsform- und größenabhängige Vorschriften; besondere Vorschriften u.a. für Kreditinstitute Rechtsform- und größenunabhän- Börsennotierte Unternehmen an gig den US-Börsen; keine Trennung nach Einzel- und Konzernabschluss Maßgeblichkeit Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz Strikte Trennung von Handelsund Steuerbilanz Strikte Trennung von Handelsund Steuerbilanz Generalnorm Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unter Beachtung der GoB Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes („fair presentation“) Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes („fair presentation“) Funktion der Bilanzierung Ermittlung eines unter Gläubigerschutzgesichtspunkten und der Kapitalerhaltung ausschüttungsfähigen Gewinns Darstellung des Periodenergebnisses in Form des „true and fair view“; keine Ausschüttungsbemessung Darstellung des Periodenergebnisses in Form des „true and fair view“; keine Ausschüttungsbemessung Prinzipien Grundsatz der periodengerechten Grundsatz der periodengerechten Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermittlung i.R. des HGB Erfolgsermittlung („accrual Erfolgsermittlung („accrual principle“) principle“) Einzel-/Konzernabschluss Einzelabschluss als Bemessungsgrundlage; Konzernabschluss als Informationsinstrument Kodifiziertes Bilanzrecht; ferner allgemeine Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) DSR: Entwicklung von Standards (DRS) für den Konzernabschluss Rahmenkonzept für Jahresabschlüsse allgemein einschließlich Konzernabschlüssen Konzernabschluss als erweiterter Abschluss des Mutterunternehmens ersetzt den Einzelabschluss Wahlrechte Handelsrechtliche Wahlrechte Wahlrechte eng begrenzt Keine expliziten Wahlrechte Form und Gliederung Detaillierte Vorschriften Nur Mindestanforderungen Detaillierte Vorschriften nur für börsennotierte Unternehmen Ansatz Vermögen Einzelverwertbarkeit Schulden Wirtschaftliche Belastung Zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen Zukünftiger Nutzenabfluss Zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen Zukünftiger Nutzenabfluss Anschaffungskosten Anschaffungskosten Strenges und gemildertes Niederst- Zeitwerte, fortgeschriebene wertprinzip mit WertaufholungsAnschaffungskosten gebot und Anschaffungskosten als Wertobergrenze Anschaffungskosten Zeitwerte, fortgeschriebene Anschaffungskosten Bewertung Zugang Folge Deutsche Bundesbank 45 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Anerkennungsverfahren der IAS in der EU EU Einführung IAS/IFRS IAS/IFRS IASB Komitologie EU-Kommission Beobachtung Beratung EFRAG Vorsitz Komitologie ARC EU-Rat Beratung BAC Beobachtung und Einflussnahme Zuarbeit Zuarbeit EFRAG-TEG Beobachtung Das geplante Anerkennungsverfahren der vom International Accounting Standards Board (IASB) entwickelten International Accounting Standards (IAS) bzw. der künftigen International Financial Reporting Standards (IFRS) für die Europäische Union (EU) soll dem fortlaufenden Prozess der Weiterentwicklung dieser Standards Rechnung tragen. Die Anerkennung der IAS/IFRS für die EU soll durch ein besonderes EU-Rechtsetzungsverfahren, der Komitologie, erfolgen. Dabei wird die EU-Kommission in einem Basisrechtsakt ermächtigt, zu diesem Rechtsakt in einem vereinfachten Verfahren Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Hierbei legt die Kommission ihren Vorschlag für die Anerkennung (oder Ablehnung) eines IAS/IFRS einem Regelungsausschuss (Accounting Regulatory Committee – ARC) vor. Dieser besteht aus Vertretern der Mitgliedstaaten unter Vorsitz der Kommission. Stimmt der Ausschuss dem Anerkennungsvorschlag der Kommission zu, trifft die Kommission die Vorkehrungen für die Anwendung des Rechnungslegungsgrundsatzes in der EU. Sollte sich das ARC Deutsche Bundesbank 46 BACUnterausschuss für Bilanzierung dem Vorschlag der Kommission nicht anschließen, hat die Kommission im Rahmen des Komitologieverfahrens den EU-Rat mit ihrem Vorschlag zu befassen. Der Rat kann den Kommissionsvorschlag billigen oder mit qualifizierter Mehrheit ablehnen. Ein Technischer Ausschuss (EFRAG – European Financial Reporting Advisory Group), bestehend aus Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten, soll die Kommission bei der Einführung der IAS/IFRS in der EU mit seiner Technical Expert Group (EFRAGTEG) beraten. Die EU-Kommission hat in der EFRAG Beobachterstatus. Die EFRAG soll mit dem IASB in Kontakt stehen, um schon bei der Entwicklung eines neuen oder Änderung eines bestehenden IAS/IFRS auf die Belange der EU hinzuwirken. Um auch bankbezogene und bankenaufsichtliche Aspekte einfließen zu lassen, wurde dem BACUnterausschuss für Bilanzierung des Beratenden Bankenausschusses der EU (Banking Advisory Committee – BAC), der die Kommission in allen Banken- und Bankenaufsichtsfragen berät, ein Beobachterstatus bei der EFRAG-TEG eingeräumt. Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Bewertung nach IAS 39 Finanzielle Verbindlichkeiten Finanzielle Vermögensgegenstände Position Held for Trading Held-toMaturity Available for Sale Zugangsbewertung Loans and Receivables originated by the Enterprise Financial Liabilities Anschaffungskosten Folgebewertung Zeitwert fortgeführte Anschaffungskosten Behandlung der Bewertungsänderungen erfolgswirksam Wahlrecht: (a) erfolgswirksam oder (b) erfolgsneutral (Erfassung in einem gesonderten Eigenkapitalposten) Niederstwerttest nein (bei der Bewertung bereits berücksichtigt) Zu (a): nein (bei der Bewertung bereits berücksichtigt); Zu (b): ja (zur erfolgswirksamen Berücksichtigung eines bonitätsbedingten Abschreibungsbedarfs bzw. einer Wertaufholung) erfolgswirksam entfällt ja (zur erfolgswirksamen Berücksichtigung eines bonitätsbedingten Abschreibungsbedarfs bzw. einer Wertaufholung) Deutsche Bundesbank nization of Securities Commissions“ (IOSCO) Strategie der Europäischen Union auf dem haben unter ihrem jeweiligen Blickwinkel die Gebiet der Rechnungslegung folgt dieser IAS beurteilt. Nach Ansicht des BCBS sind sie Linie. Mit der so genannten Fair-Value-Richt- für Zwecke der Bankenaufsicht grundsätzlich linie 7), die in der nächsten Legislaturperiode geeignet, wenngleich zu zwei Standards auch in deutsches Recht umgesetzt werden (IAS 39 und IAS 30) Anmerkungsbedarf gese- soll, will sie die richtlinienkonforme Anwen- hen wurde. Die IOSCO hat die IAS akzeptiert dung von IAS bereits für das Bilanzjahr 2001 und ihren Mitgliedsorganisationen im Mai ermöglichen. Die verbindliche Einführung der 2000 empfohlen, die Anwendung von IAS als IAS ab 2005 erfordert aber wegen der damit Zugangsvoraussetzungen zu ihren nationalen verbundenen Aufgabe der Gestaltungskom- Wertpapierbörsen grundsätzlich zu gestatten. petenz weitere begleitende Regelungen. Wegen der absehbaren ständigen WeiterentAnerkennung und Anwendung der IAS in der Europäischen Union Die Schaffung eines einheitlichen europäischen Finanzmarkts erfordert eine weiter gehende Harmonisierung der Rechnungslegung, als sie mit den Bilanzierungsrichtlinien bisher erreicht wurde. Hierfür bieten sich die IAS insbesondere deshalb an, weil sie auf weltweite Akzeptanz ausgerichtet sind. Die 7 Mit der sog. Fair-Value-Richtlinie (Richtlinie 2001/65/EG vom 27. September 2001) wird die Möglichkeit einer weiter gehenden zeitwertorientierten Bilanzierung (Fair Value Accounting) für bestimmte Finanzinstrumente zugelassen, um insbesondere die umfangreichere Zeitwertbilanzierung in IAS 39, der ab 2001 anzuwenden ist, richtlinienkonform zu ermöglichen. Das DRSC hat bereits im Rahmen seiner Beratungsfunktion gegenüber dem BMJ einen Vorschlag für eine Transformation der FairValue-Richtlinie in deutsches Recht vorgelegt. 47 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Hedge Accounting nach IAS 39 schätzter Verkehrswerte, unabhängig von deren Realisierung. Im Mittelpunkt des Interesses steht gegen- IAS 39 bietet im Wesentlichen zwei Verfahren für das Hedge Accounting: IAS 39 wärtig der für Banken besonders wichtige Standard IAS 39 „Financial Instruments: Recognition and Measurement“, der ab 2001 Fair Value Hedge anzuwenden ist. Der allergrößte Teil der Bi- Fair Value Hedges zielen auf die Sicherung gegen ¾nderungen des Fair Value eines bilanzierungsfähigen Grundgeschäfts ab. lanzpositionen in einer Bankbilanz fällt unter den Begriff „Financial Instruments“. Nach IAS 39 sind die relevanten finanziellen Vermö- Cash Flow Hedge genswerte und Verpflichtungen jeweils einer Cash Flow Hedges zielen auf die Fixierung künftiger Zahlungsströme aus einem Grundgeschäft ab. von vier Kategorien zuzuordnen, die sich hinsichtlich Ansatz und Bewertung erheblich IAS 39 fordert für beide Verfahren eine weit gehende Effektivität und eine weit reichende Dokumentation des Sicherungszusammenhangs. Zusätzlich ist die FairValue-Hedge-Bilanzierung nur für Mikro-Hedges möglich. Für Cash Flow Hedges ist der Nachweis zu führen, dass für die Sicherungsgeschäfte genügend variable zukünftige Cash Flows zu erwarten sind. unterscheiden. IAS 39 fordert zudem grundsätzlich die Bilanzierung aller Derivate, wobei besondere Regelungen für strukturierte Produkte mit eingebetteten Derivaten („embedded derivatives“) existieren. Darüber hinaus Deutsche Bundesbank legt IAS 39 Prinzipien für die Bilanzierung von wicklung der IAS durch das IASB ist in der EU Sicherungsgeschäften (Hedge Accounting) ein laufendes Anerkennungsverfahren (En- fest. dorsement Mechanism) einzurichten. Zudem sollen bereits bei der Entwicklung der Rege- Für die Anwender der IAS existieren erheb- lungen im IASB EU-Interessen eingebracht liche Probleme in der Umsetzung des IAS 39. werden. Im Bereich der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften werden Sicherungsstrategien, die Konzeption der IAS Während hinter den Bilanzierungsgrundsät- auf zen des HGB das Gläubigerschutzprinzip und (Makro-Hedge) beruhen, nicht anerkannt. Zu- damit Vorsichtsgedanke sätzliche Schwierigkeiten ergeben sich, da sind die IAS (ähnlich wie die nach IAS 39 nur Sicherungsgeschäfte mit steht, verbunden 8) der US-GAAP) auf die Informationsinteressen der Investoren als primäre Bilanzadressaten ausgerichtet. Daraus folgen für die IAS im Vergleich zu den HGB-Vorschriften umfassendere Bilanzansatzregeln und eine weit reichende Ausrichtung der Bewertung an den beizulegenden Zeitwerten in der Form tatsächlicher Marktwerte beziehungsweise ge- 48 der Absicherung ganzer Portfolien 8 Jahresabschlüsse der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sollen unter Beachtung der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermitteln (§ 340a HGB i. V. m. § 264 Abs. 2 HGB). Im Einzelnen sind hierzu die Vorschriften zu Ansatz, Bewertung und Offenlegung der Jahresabschlusspositionen zu beachten, die in Deutschland traditionell von den Grundsätzen der Vorsicht und des Gläubigerschutzes geprägt sind. Im Vordergrund steht die Ermittlung eines ausschüttungsfähigen Gewinns. Hedge Accounting unter IAS 39 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Dritten, nicht aber mit solchen innerhalb strumente voranzutreiben. Der ursprüngliche eines Unternehmens oder Konzerns, aner- Ansatz einer umfassenden Zeitwertbilanzie- kennungsfähig sind. rung war auf deutliche Kritik und Vorbehalte gestoßen. Als Interimslösung, jedoch ohne Reformansätze für IAS 39 Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat absehbares Verfallsdatum, wurde daraufhin sich dafür eingesetzt, dass Anwendungsfra- die Regelung des IAS 39 erarbeitet. gen des IAS 39 unter Beteiligung der Banken in einem Ausschuss des IASB diskutiert wer- Eine weitere Regelung mit erheblicher Rele- den. Die Arbeit des Ausschusses zur Einfüh- vanz für die Banken stellt der IAS 30 „Disclo- rung des Standards führte zu einer umfang- sure in the Financial Statements of Banks and reichen Erläuterung in Form von Fragen und Similar Financial Institutions“ dar. Dieser ban- Antworten, ohne allerdings alle Probleme zu kenspezifische Standard über die zu veröf- lösen, die aus der parallelen Verwendung von fentlichenden Angaben im Abschluss von Zeitwerten und Anschaffungswerten resultie- Kreditinstituten und ähnlichen Institutionen ren. In Kürze wird der IASB einen ¾nderungs- soll die Publizität und damit die Transparenz entwurf zu IAS 39 zur Konsultation veröffent- der finanziellen Verhältnisse von Finanzinsti- lichen. Die bedeutendsten darin vorgeschla- tuten standardisieren und verbessern helfen. genen ¾nderungen betreffen zum einen die IAS 30 befindet sich derzeit in der Überarbei- Available-for-Sale-Instrumente, deren Wert- tung. Einen entsprechenden Vorschlag des änderungen nicht mehr alternativ über die BCBS hat der IASB aufgegriffen. Insbesondere Gewinn- und Verlustrechnung, sondern aus- wird in einen möglichen neuen IAS 30 eine schließlich direkt in einem gesonderten Eigen- weiter kapitalposten verbucht werden. Zum anderen pflicht eingehen. Das Deutsche Rechnungsle- wird vorgeschlagen, ein weit gehendes Wahl- gungs Standards Committee (DRSC) hat diese recht für Fair-Value-Ansätze vorzusehen. Da- Entwicklung mit seinem Standard zur Risiko- mit wird wohl auch eine Lösung für die Prob- berichterstattung von Kredit- und Finanz- leme beim Hedge Accounting angestrebt, die dienstleistungsinstituten (DRS 5-10), der für sich ergibt, wenn neben dem Sicherungsin- nach dem 31. Dezember 1999 beginnende strument auch der Sicherungsgegenstand Geschäftsjahre gilt, bereits berücksichtigt. gehende IAS 30 Risikoberichterstattungs- zum Fair Value angesetzt wird und sich die gegenläufigen Wertänderungen im Idealfall betragsmäßig ausgleichen. Ob und wie diese Rechnungslegung nach US-GAAP Vorschläge umgesetzt werden, wird wesentlich von den Stellungnahmen im Konsultati- Die amerikanischen Rechnungslegungsgrund- onsverfahren abhängen. sätze US-GAAP haben vor allem aus zwei Gründen für deutsche Großunternehmen Be- Full-Fair-ValueBewertung IAS 39 stellt letztlich den ersten Ausfluss der deutung erlangt: Zum einen schreibt die ame- Bemühungen des IASB dar, die Zeitwertbilan- rikanische „Securities and Exchange Commis- zierung (Fair Value Accounting) für Finanzin- sion“ (SEC) deren Anwendung als Vorausset- 49 Zunehmendes Interesse an US-GAAP Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Grundkonstruktion der US-GAAP zung für eine Börsennotierung in den USA vorherrschendes Prinzip eine Umgehung der verbindlich vor. Zum anderen hat sich der Einzelfallregeln verhindern und damit den In- Kreis potenzieller weltweit anlegender Inves- teressen des Adressatenkreises dienen soll. toren im Zuge der Globalisierung stetig erwei- Eine solche Generalklausel ist in den offiziel- tert. Dabei stammen wichtige Investoren aus len Quellen der US-GAAP aber nicht aus- angelsächsischen Ländern, die bei ihren Inves- drücklich kodifiziert. Allerdings ist die „fair titionsentscheidungen eine ihnen vertraute presentation“ ein Grundsatz der Abschluss- Rechnungslegungsmethode prüfung, dessen Einhaltung der Wirtschafts- und Bericht- erstattung bevorzugen. prüfer zu bestätigen hat. Grundlegendes Konstruktionsmerkmal der Die US-GAAP haben insbesondere wegen der US-GAAP ist deren hohe, auf einzelne Sach- Größe und Bedeutung ihrer Heimatwirtschaft verhalte Die weltweit hohe Anerkennung erlangt. Im Zuge US-GAAP können damit als kasuistischer statt der zunehmenden Bemühungen um interna- prinzipienbasierter Ansatz bezeichnet wer- tional akzeptierte und anwendbare Regeln in den. Die Wurzeln hierfür sind im US-Recht zu Form der IAS, haben die US-GAAP jedoch finden, das insgesamt durch seine Fallbezo- ernst zu nehmende Konkurrenz bekommen, genheit („case law“) charakterisiert ist. Ein die Schwachpunkte des amerikanischen Re- weiteres Kennzeichen ist die Dynamik der gelwerks zu beseitigen sucht. Insbesondere US-GAAP, die sich in ständigen ¾nderungen die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang oder Ergänzungen bestehender Regeln äu- mit dem Zusammenbruch der US-Firma Enron ßert. haben solche Schwächen offen gelegt, die zu bezogene Regelungsdichte. Zunehmende Kritik an den US-GAAP auch international beachteter Kritik geführt Im Allgemeinen keine Wahlrechte in den US-GAAP In den US-GAAP fehlen auf Grund ihrer ho- haben. Auf wichtige Aspekte des Enron-Falles hen Regelungsdichte im Allgemeinen expli- wird in einem abschließenden Exkurs geson- zite Wahlrechte. Damit sollen Interpretations- dert eingegangen. spielräume weitgehend vermieden werden. In der Praxis wächst dabei allerdings die Gefahr, dass Geschäftsvorfälle auf eine präfe- Bankenaufsichtliche Folgerungen rierte Regelung hin oder von einer bestehen- aus der Internationalisierung den Regelung bewusst abweichend gestaltet der Rechnungslegung werden, um den angestrebten Bilanzausweis zu erreichen oder eine unerwünschte Aus- Die bankenaufsichtlichen Regelungen des weisform zu vermeiden. Die eigentliche Ab- KWG basieren auf den für alle Kreditinstitute sicht, die hinter einer Regel steht, kann dabei einheitlichen Rechnungslegungsregeln des unterlaufen werden. HGB und sind insoweit wettbewerbsneutral. Sie beruhen auf den Einzelabschlüssen der „Fair presentation“ Die US-GAAP werden oft mit dem Grundsatz Banken und den darin getroffenen Bilanzie- der „fair presentation“ charakterisiert, der als rungs- und Bewertungsentscheidungen. Die 50 Einheitliche Rechnungslegung wettbewerbsrelevant Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 konsolidierte Aufsicht von Institutsgruppen Vergleichbarkeit der Abschlüsse erhalten folgt den eigenen bankenaufsichtlichen Kon- bleibt, an die Ausschüttungen, Steuerzahlun- solidierungsregeln des § 10a KWG. Handels- gen und bankenaufsichtliche Eigenkapital- rechtliche Konzernabschlüsse erfüllen auch normen anknüpfen. gegenüber der Bankenaufsicht lediglich eine Informationsfunktion. Eine Ausnahme bilden Der handelsrechtliche Jahresabschluss nach hier die international tätigen deutschen Insti- HGB erfüllt auf Basis einer vorsichtigen Ge- tute, die zusätzlich eine Eigenmittelquote winnermittlung eine Zahlungsbemessungs- nach der Baseler Eigenmittelempfehlung auf funktion für die Ausschüttung sowie, über der Basis ihrer Konzernabschlüsse errechnen. das Maßgeblichkeitsprinzip, auch für die Be- Die Rech- steuerung. 9) Durch die methodische Verknüp- nungslegungsstandards im Konzernabschluss fung der Handels- und Steuerbilanz haben (IAS oder US-GAAP) ist unter Wettbewerbs- alle weiteren Überlegungen für künftige An- gesichtspunkten dabei unproblematisch, da forderungen an die Erstellung von Einzelab- die Geschäfts- und Risikobegrenzungsnor- schlüssen nicht nur handelsrechtliche sondern men des KWG von diesen Instituten ebenfalls ebenso steuerrechtliche Implikationen. Für einzuhalten sind. Deutschland wird sich daher auch die Frage Anwendung unterschiedlicher Konzeptionelle Unterschiede zwischen HGBund IASBilanzierung haben handelsrechtliche und steuerrechtliche Implikationen nach der steuerlichen Gewinnermittlung und Fragen vor Umsetzung der geplanten IASBilanzierung in Deutschland Wie die von der EU-Kommission vorgeschla- die Folgen für das Steuerbilanzrecht stellen genen Mitgliedstaatenwahlrechte zur An- und ob beim Einzel- und Konzernabschluss wendung der IAS in Deutschland in nationa- eine zweigeteilte Rechnungslegung hinge- les Recht umgesetzt werden sollen, wird noch nommen werden kann. intensiv diskutiert werden. Die Anwendung der IAS auch auf konsolidierte Abschlüsse Im Gegensatz zur deutschen Handelsbilanz nichtkapitalmarktorientierter Unternehmen kommt einem Abschluss nach IAS oder oder gar auf Einzelabschlüsse kapitalmarkt- US-GAAP nicht die Funktion einer Ausschüt- orientierter oder nichtkapitalmarktorientierter Unternehmen setzt die Klärung zentraler Fragen voraus, die insbesondere die Auswirkungen auf die Einheitlichkeit der nationalen Rechnungslegung, den Gläubigerschutz beziehungsweise die Forderung nach Kapitalerhaltung betreffen. Die Einführung eines Unternehmenswahlrechts zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards auch auf den Einzelabschluss ist jedenfalls abzulehnen, wenn nicht gewährleistet wird, dass unter Beachtung der bewährten handelsrechtlichen Grundsätze des Gläubigerschutzes die 9 Für Anlagevermögen und Umlaufvermögen bilden die Anschaffungskosten den Wertansatz bei erstmaliger Bilanzierung und gleichzeitig die Wertobergrenze für die Folgebilanzierung. Im Umlaufvermögen sind am Abschlussstichtag Abschreibungen vorzunehmen, wenn ein niedrigerer Wert (Börsenpreis, Marktpreis, beizulegender Wert) festgestellt wird (strenges Niederstwertprinzip). Im Anlagevermögen sind Abschreibungen nur bei voraussichtlich dauernder Wertminderung obligatorisch (gemildertes Niederstwertprinzip). Nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung dürfen nur realisierte Erträge erfolgswirksam berücksichtigt werden, Aufwendungen sind jedoch auch dann erfolgswirksam zu berücksichtigen, wenn sie noch nicht realisiert sind. Das HGB verlangt möglichst objektivierte Wertansätze; Ermessensspielräume ergeben sich im Wesentlichen bei der Bewertung von Vermögensgegenständen, für die keine Börsen- oder Marktpreise verfügbar sind, sowie bei der Dotierung von Rückstellungen. 51 Unterschiedliche Rechnungslegungsphilosophie erschwert Kongruenz Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 tungsbemessung oder gar einer vorsichtigen Kategorie „Available for Sale“. Entspre- Ausschüttungsbemessung zu. Die bewährte chende Wertänderungen von Bilanzaktiva HGB-Bilanzierung verhindert, dass Erträge fließen hier direkt in einen gesonderten Ei- ausgewiesen werden, bevor Gewinne reali- genkapitalposten, der als Neubewertungs- siert oder Verlustrisiken endgültig abgewen- rücklage den nicht realisierten Reserven det sind. Die Abschlüsse nach internationalen gleichgestellt werden kann und deshalb Rechnungslegungsstandards sind allein auf grundsätzlich bankenaufsichtlich Ergänzungs- die Vermittlung als entscheidungsrelevant an- kapital darstellt. Nutzt der Bilanzierende die gesehener Informationen vor allem für Anle- alternativ mögliche Verbuchung über die Ge- ger ausgerichtet und sollen die Vermögens-, winn- und Verlustrechnung, fließt die Wert- Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens änderung des Aktivums über das Ergebnis di- in Form des „true and fair view“ abbilden. rekt in die Gewinnrücklagen, die bankenauf- Auch hierin kann zwar eine Ausprägung des sichtlich zum Kernkapital zählen. Für die Be- Gläubigerschutzinteresses gesehen werden, handlung der unterschiedlichen Resultate sol- dabei stehen aber nicht Ansatz- und Bewer- cher Bewertungsergebnisse auch im Vergleich tungsvorschriften, sondern allein Transpa- zu anderen Komponenten der verschiedenen renzgesichtspunkte im Mittelpunkt. Ein den regulatorischen Eigenkapitalkategorien müs- tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes sen sachgerechte bankenaufsichtliche Lösun- Bild im Sinne des „true and fair view“ erfor- gen gefunden werden. Gleiches gilt hinsicht- dert eine weiter gehende Anwendung des lich der bankenaufsichtlichen Behandlung der Marktwertansatzes und eine Abkehr vom An- aus der Bewertung nach IAS resultierenden schaffungswert als Wertobergrenze und der latenten Steuern. Bankenaufsichtliche Berücksichtigung von Eigenkapitalwirkungen unrealisierter Wertänderungen durch IAS 39 einseitigen imparitätischen Berücksichtigung nur der negativen Wertänderungen (sofern Die internationalen Standardsetter haben eine nicht eine Wertaufholung bis zum Anschaf- Präferenz für eine vollständige Zeitwertbilan- fungswert greift). Das Prinzip der Bewertung zierung, um die Gestaltungsmöglichkeiten im zu Marktpreisen ist im deutschen Recht nicht Jahresabschluss durch eine Umwidmung von aufgeführt. Aus den unterschiedlichen An- Vermögensgegenständen in nach anderen satz- und Bewertungsregeln von HGB und Grundsätzen bewertete Vermögenskatego- IAS entstehen deshalb zum Teil deutliche Un- rien zu vermeiden. Sowohl die Kreditwirt- terschiede in der Ergebnisermittlung und dem schaft als auch die Bankenaufseher haben Erfolgsausweis, die auch die bankenaufsicht- sich ebenso wie die EU-Kommission und die lich relevante Höhe des bilanziellen Eigenka- Europäische Zentralbank jedoch gegen eine pitals betreffen. solche vollständige Zeitwertbilanzierung aller Finanzinstrumente ausgesprochen. Im Gegen- Ein wesentliches Problem mit der Bilanzierung satz zur Bilanzierung zum Zeitwert bei markt- nach IAS 39 für die Bankenaufsicht entsteht gängigen Finanzinstrumenten ergeben sich durch die Berücksichtigung von beizulegen- nämlich erhebliche Probleme bei der Ermitt- den Zeitwerten zum Beispiel im Bereich der lung der beizulegenden Zeitwerte von Instru- 52 Vollständige Zeitwertbilanzierung Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Wesentliche Auswirkungen auf das bilanzielle Eigenkapital von Kreditinstituten beim Übergang von HGB- auf IAS-Konzernabschlüsse Bilanzierungsgrund HGB-Bilanzierung Folgerungen für den IAS-Abschluss Stille Reserven nach § 340f HGB Goodwill Stille Reservenbildung nach IAS nicht zulässig; Eigenkapitalerhöhung Aktivierungspflicht, Abschreibung zu Lasten GuV; Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer, i.d.R. nicht länger als 20 Jahre; Anpassung an US-GAAP in der Diskussion (Aktivierungspflicht mit ImpairmentTest bei der Folgebewertung, keine planmäßige Abschreibung); Eigenkapitalveränderung von bisheriger HGB-Verfahrensweise abhängig; tendenziell Eigenkapitalerhöhung Wertpapiere Anlagevermögen Umlaufvermögen Pensionsrückstellungen Leasing Steuern Forderungen und Wertpapiere der Liquiditätsreserve dürfen bis 4% ihres Wertes unterbewertet werden Aktivierungswahlrecht nur für den entgeltlich erworbenen Firmenwert; neben sofortiger Verrechnung mit den Rücklagen Abschreibung über vier Jahre oder über die voraussichtliche Nutzungsdauer möglich Bewertung zu Anschaffungskosten abzüglich Abschreibungen (gemildertes Niederstwertprinzip) Bewertung zu Anschaffungskosten bzw. niedrigerer Börsen- oder Marktpreis (strenges Niederstwertprinzip) Abschreibungen nur für dauerhafte Wertminderungen; tendenziell Eigenkapitalerhöhung Held-to-Maturity: Fortgeführte Anschaffungskosten evtl. gemindert um Abschreibungen; Trading securities: Zeitwerte mit Erfassung unrealisierter Gewinne in der GuV; Available-for-Sale: Zeitwerte mit Erfassung unrealisierter Gewinne erfolgswirksam oder erfolgsneutral im Eigenkapital; tendenziell Eigenkapitalerhöhung Passivierungspflicht für Neuzusagen ab 1.1.1987 Passivierungspflicht; Berücksichtigung von Marktzins, Gehaltsentwicklung und Rentenanpassung; Eigenkapitalverminderung Vertragsgestaltung für Bilanzierung maßgeblich; AktiVertragsgestaltung für Bilanzierung maßgeblich; ggf. vierung des Leasing-Gegenstandes ggf. unter „Sonstige Umgruppierung des Finanzierungsleasings zu den ForVermögensgegenstände“; verschiedene Abschreibungs- derungen und Korrektur degressiver Abschreibungen; methoden tendenziell Eigenkapitalerhöhung Steuerliche Sonderabschreibungen und Einstellungen in Steuerliche Sonderabschreibungen nicht zugelassen; Sonderposten mit Rücklageanteil; Wahlrecht hinsichtlich Pflicht zur umfassenden Steuerabgrenzung; tendenziell der Aktivierung latenter Steuern Eigenkapitalerhöhung Deutsche Bundesbank menten wie zum Beispiel Krediten, für die in hen, Zins- und Kapitalbindungsdauer zu ver- Deutschland und vielen anderen Ländern bis- kürzen, so dass sich die Bedingungen für lang- her kein aktiver und liquider Markt existiert. fristige Finanzierungen verschlechtern. Zu- Beizulegende Zeitwerte wären in diesem Fall gleich wird der Anreiz zur Fristentransforma- als Schätzwerte zu ermitteln, wofür es aber tion weit stärker als bisher von kurzfristigen keine anerkannten und verlässlichen Verfah- Kapitalmarktbedingungen abhängig. ren gibt. Die individuelle Modellierung solcher Verfahren („mark-to-model“) böte, ebenso Einzel- und Pauschalwertberichtigungen spie- wie die bei der Schätzung zu treffenden An- len bei einer Zeitwertbilanzierung unter buch- nahmen, ein erhebliches Maß an Bewertungs- halterischen Gesichtspunkten keine Rolle. Sie spielraum, der die Verlässlichkeit der so ermit- werden bei der Wertfindung automatisch be- telten Bilanzansätze erheblich beeinträchtigen rücksichtigt, wenn die erwarteten zukünfti- dürfte. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass gen Zahlungsströme auf den Barwert diskon- eine vollständige Zeitwertbilanzierung zu vola- tiert werden. Im so genannten „mixed mo- tileren Ergebnissen führt, die sowohl die Stabi- del“ des IAS 39 gibt es – wie erwähnt – je- lität des Finanzsystems berühren, als auch Ver- doch Finanzinstrumente, die zu fortgeführten haltensänderungen bei den Banken auslösen Anschaffungskosten bewertet werden. Sie können. Um die Ergebnisvolatilität in Grenzen sind einem so genannten „Impairment-Test“ zu halten, können sich Banken veranlasst se- (Werthaltigkeitstest) und gegebenenfalls 53 Wertberichtigungen Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 einer Abschreibung auf den niedrigeren Zeit- len Reserven gemäß 340f HGB im Hinblick wert zu unterwerfen. Hierin konkretisieren auf die Stabilität des Finanzsystems unter sich die Wertberichtigungen zu Lasten des Ei- bankenaufsichtlichen genkapitals. Während das Rechnungswesen doch weiterhin Bedeutung beigemessen. Die dabei stärker stichtagsorientiert vorgeht und Bundesbank befürwortet jedenfalls die Beibe- mögliche Wertminderungen, die ihre Ursache haltung des Instruments der stillen Reserven in künftigen Ereignissen haben, unberück- für alle handelsrechtlichen Einzelabschlüsse. sichtigt bleiben, ist regulatorisch die Bereit- Ein Interessenkonflikt mit der Zielsetzung schaft zur Berücksichtigung erwarteter künf- einer größeren Transparenz und Marktdiszi- tiger negativer Ereignisse größer. Die Praxis plin (Säule 3 der neuen Baseler Eigenmittel- der Ermittlung von Pauschalwertberichtigun- empfehlungen) ist insoweit hinzunehmen. Gesichtspunkten je- gen steht dem nach bankenaufsichtlicher Auffassung auch nicht entgegen. Gesichts- Die Säule 3 („Marktdisziplin“) des neuen punkte eines international diskutierten „dy- Baseler Akkords („Basel II“) zielt darauf ab, namic provisioning“ mit der Berücksichtigung ergänzend zur Bankenaufsicht die Banken so genannter erwarteter Verluste („expected einer Disziplinierung durch den Markt auszu- losses“) auf der Basis gesicherter Erfahrungs- setzen. Die Banken sind gehalten, aktuelle werte können und sollten danach bei der Er- und potenzielle Anteilseigner, Geschäftspart- mittlung von Pauschalwertberichtigungen Be- ner und Kunden sowie die breite Öffentlich- achtung finden. Eine solche Risikovorsorgepraxis sollte im Übrigen auch steuerlich anerkannt werden, da dies einen Anreiz für eine angemessene Risikovorsorge bietet, die steuerliche Leistungsfähigkeit zutreffend zum Ausdruck bringt und einen Beitrag zur Stabilität der Finanzmärkte leistet. Zukunft stiller Reserven Für die deutschen Banken ergibt sich eine gravierende ¾nderung bei der Ausrichtung hin zu internationalen Rechnungslegungsstandards insbesondere dadurch, dass die Bildung stiller Vorsorgereserven 10) in den Konzernbilanzen – und damit faktisch auch in den Einzelabschlüssen – dann nicht mehr möglich ist. Eine Reihe von Instituten, die bereits heute internationale Rechnungslegungsstandards anwenden, haben sich schon freiwillig von diesem Instrument verabschiedet. In Deutschland wird dem Instrument der stil- 54 10 Hinsichtlich der Bilanzierung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute enthält das HGB branchenspezifische Vorschriften, die die allgemein geltenden Grundsätze ergänzen und teilweise modifizieren. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die als Wahlrecht ausgestalteten gesetzlichen Möglichkeiten zur Bildung und Auflösung von Positionen zu nennen, die den allgemeinen Bankrisiken Rechnung tragen und eine besondere Ausprägung des Vorsichtsprinzips darstellen (§§ 340f und 340g HGB). Durch diese Instrumente können bilanzielle Reserven aufgebaut werden, die im gegebenen Fall zu einem späteren Zeitpunkt zur Stützung der Ertragslage mobilisiert werden können. Die gewinnwirksame Dotierung und Auflösung sowie der Bestand eines Vorsorgepostens nach § 340f HGB ist für einen Bilanzleser grundsätzlich nicht erkennbar, da entsprechende Dispositionen mit anderen Posten der Bilanz beziehungsweise Gewinn- und Verlustrechnung saldiert werden. Das Instrument der „stillen Vorsorgereserven“ ermöglicht eine diskrete Ergebnisgestaltung durch den Bilanzersteller, um eine Gefährdung der Unternehmensfortführung (Going Concern) durch exzessive Marktreaktionen wie gleichgerichtetes Einlegerverhalten auf eine Verschlechterung der Ertragslage zu vermeiden und Zeit zu gewinnen für korrigierende Gegenmaßnahmen. Das Instrument kollidiert insoweit mit dem Transparenzgedanken der internationalen Rechnungslegungsstandards. Im Falle des Sonderpostens für allgemeine Bankrisiken nach § 340g HGB werden Zuführung, Auflösung und Bestand transparent in gesonderten Positionen der Bilanz beziehungsweise Gewinn- und Verlustrechung gezeigt, so dass entsprechende Dispositionen für den Bilanzleser nachvollziehbar sind. Gleichlauf der Säule 3 mit IAS 30 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 keit über ihre Kapitalausstattung und ihr Risi- Konsequenzen ausgelöst, um künftig Markt- koprofil zu informieren. Diese erweiterten störungen zu vermeiden, wie sie als Folge Anforderungen an die Transparenz der beauf- eines allgemeinen Vertrauensschwundes in sichtigten Institute stehen dabei im Einklang die Veröffentlichung von Unternehmenszah- mit den aktuellen Tendenzen in der Rech- len zu beobachten waren. Zur Schieflage des nungslegung. Durch eine erweiterte Offenle- Konzerns mag zu einem gewissen Teil betrü- gung von Informationen und Risiken bei Kre- gerisches Geschäftsgebaren und ein bewuss- ditinstituten, wie sie auch die IAS vorsehen, tes Missachten von Vorschriften beigetragen können die Marktmechanismen und die Risi- haben. Es wurden jedoch auch einige grund- koanalyse der Märkte ergänzend für die Zwe- sätzliche Mängel und Lücken in den Berei- cke der Bankenaufsicht genutzt werden, um chen Rechnungslegung, Wirtschaftsprüfung die Stabilität der Finanzmärkte besser abzusi- wie auch Unternehmensführung und -kon- chern. Um die Institute nicht unangemessen trolle (Corporate Governance) offenkundig. Internationale Diskussion über Vermeidung von Marktstörungen zu belasten und auch die Adressaten der Veröffentlichung nicht durch abweichende Da- Die kasuistisch aufgebauten US-GAAP hatten ten zu verunsichern, ist darauf zu achten, bei Enron Anreize für Umgehungsstrategien dass ein möglichst weit gehender Gleichlauf wie auch für deren missbräuchliche Anwen- zwischen den Angaben nach einem überar- dung eröffnet. Enron führte viele Geschäfte beiteten neuen IAS 30 und den Anforderun- nur mit dem Zweck durch, einen günstigen gen der Säule 3 besteht. 11) Finanzausweis nach US-GAAP offen legen zu können. Dabei wurden speziell dafür gegründete Zweckgesellschaften, so genannte nicht Exkurs: Die internationale Diskussion konsolidierte „Special Purpose Entities“ (SPE), über Folgerungen aus der Insolvenz des als Hilfskonstruktionen eingesetzt. Auf diese US-amerikanischen Unternehmens Enron Weise wurden zum Beispiel Verbindlichkeiten verlagert und Finanzumsätze erzeugt, die sich Der Fall Enron Internationale Aufmerksamkeit hat der Zu- zwar per saldo ausglichen, den Märkten je- sammenbruch des US-Energiehändlers Enron doch Wachstum und Liquidität vortäuschten. im Spätjahr 2001 hervorgerufen. Der Fall En- Im ron hatte nicht nur Folgen für die US-Firma US-GAAP-Regeln entsprochen, jedoch ihrem selbst, deren Investoren sowie Beschäftigte, eigentlichen Zwecke zuwidergehandelt. Ergebnis wurde damit formal den sondern auch für deren Abschlussprüferfirma, die sich inzwischen sogar in einem Gerichtsverfahren für ihre Rolle bei der Verschleierung unseriöser Geschäftspraktiken Enrons verantworten muss. Der Fall Enron hat eine internationale Diskussion über Ursachen und die notwendigen 11 IAS 30 sieht nur eine sehr geringe Anzahl von Positionen für Bilanz und Erfolgsrechnung und einen umfassenden Anhang mit nicht standardisierter Gliederung vor. Da Jahresabschluss und Konzernabschluss auch eine Informationsfunktion gegenüber der Bankenaufsicht erfüllen, werden Lösungen zu suchen sein, die sicherstellen, dass die bankenaufsichtlich benötigten Informationen in der erforderlichen Gliederungstiefe zur Verfügung stehen und Brüche in den Zeitreihen von Jahresabschlussdaten möglichst gering bleiben. 55 Enron offenbart Mängel in den US-GAAP beziehungsweise deren Anwendung Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Die Diskussion um Enron hat unter anderem herausgestellt. Die Prüfer haben bei Enron auch zu einem kritischen Hinterfragen der zu- zweifelhafte Bilanzierungspraktiken nicht nur nehmenden Praxis der Veröffentlichung so gebilligt, sondern offensichtlich auch deren genannter ge- Aufklärung durch die Vernichtung von Unter- führt, die mitunter große Unterschiede zu lagen erschwert. Allgemein stellt sich im Be- den in den testierten Abschlüssen veröffent- reich der Wirtschaftsprüfung vor allem die lichten geprüften Zahlen aufweisen. Es ist of- Frage nach der Unabhängigkeit der Prüfer fenkundig, dass Pro-forma-Zahlen eine ge- und hierbei die oftmals festzustellende Mehr- nauere Analyse der finanziellen Situation fachtätigkeit von Wirtschaftsprüfungsfirmen eines Unternehmens nicht ersetzen können. bei ihren Mandanten sowohl im Beratungs- Pro-forma-Erfolgszahlen 12) als auch im Prüfungsbereich. Zwar bestehen Enforcement der Rechnungslegung Verbesserung der Prüfungsqualität Rechnungslegungsregeln, die zu einem für bereits internationale Standards wie die „In- die Märkte verlässlichen Finanzausweis füh- ternational Standards on Auditing“ (ISA) oder ren, sind allein jedoch unzureichend, solange der „Code of Ethics“ des „International Audi- kein glaubwürdiges Verfahren zu deren insti- ting Practices Committee“ (IAPC), eine ver- tutioneller Durchsetzung vorhanden ist. In bindliche Anwendung dieser Standards ist den USA wurde diese Rolle der SEC übertra- allerdings bisher nicht vorgesehen. Eine expli- gen. Damit ist in den USA insgesamt für eine zite Beaufsichtigung von Wirtschaftsprüfern Durchsetzung von Rechnungslegungsstan- durch staatliche Stellen ist ebenso wenig vor- dards gesorgt, wenngleich auch Kritik laut handen. Allerdings praktiziert die Wirtschafts- wurde, die auf eine für diese Zwecke man- prüfungsbranche als eine Konsequenz aus gelnde personelle wie finanzielle Ausstattung vergangenen Fehlleistungen eine gegensei- der Behörde hinweist. In Deutschland kann tige Kontrolle in Form eines so genannten allenfalls die Tätigkeit des Registergerichts als „peer reviews“. Dabei können im Ergebnis vergleichbare Durchsetzungs- von der prüfenden Firma Empfehlungen aus- instanz angesehen werden. Eine Überprüfung gesprochen werden, die dann auch umge- der Notwendigkeit eines expliziten Durchset- setzt werden sollten. Es ist zu überprüfen, ob zungsmechanismus auch in Deutschland das Instrument des „peer reviews“ ausrei- könnte durchaus sinnvoll sein. Zum Beispiel chend ist, um verloren gegangenes Vertrauen könnte man in diesem Zusammenhang an ein wieder herzustellen. Im Übrigen diskutiert Zusammenspiel zwischen Registergericht und auch der Berufsstand auf internationaler dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Ebene bereits weitere Maßnahmen zur Quali- Committee (DRSC) denken. tätssicherung bei der Abschlussprüfung. hoheitliche Ferner hat sich bei Enron – wie bei Problemfällen in Deutschland (z. B. Balsam AG, Flowtex oder Philipp Holzmann) – die Prüfung von Unternehmensabschlüssen durch einzelne externe Wirtschaftsprüfer als unzulänglich 56 12 Neben den offiziellen geprüften Ergebniszahlen des Jahresabschlusses veröffentlichen Unternehmen teilweise so genannte um besondere Einflüsse bereinigte Proforma-Erfolgszahlen. Diese zeigen nach der Auffassung des Unternehmens den nachhaltig erzielbaren Erfolg, sind aber subjektiv und nicht geprüft. Deutsche Bundesbank Monatsbericht Juni 2002 Corporate Governance Wie schon bei einer Reihe anderer Problem- tionen weniger heftig ausfallen dürften. Eine fälle sind auch bei Enron im Bereich der Un- Verbesserung der Ratingqualität durch eine ternehmenskontrolle und -führung Defizite explizite Beaufsichtigung von Rating-Agentu- aufgedeckt worden. Die Transparenz auf die- ren durch eine staatliche Behörde wäre zwar sem Gebiet sollte generell erhöht werden. denkbar, wobei sich die Aufsicht dann auf die Der in Deutschland Ende Februar 2002 vorge- Überprüfung der Arbeitsweise und der Ein- stellte Corporate-Governance- haltung allgemein akzeptierter Standards zu Kodex für Unternehmen, der 50 nationale beschränken hätte. Dies könnte allerdings die und internationale Standards umfasst, kann Branche auch selbst mit möglicherweise als ein Schritt in die richtige Richtung gesehen weniger Aufwand leisten. freiwillige werden. Die Einhaltung der Standards ist zwar freiwillig, verpflichtend wird jedoch eine Zu den angesprochenen Problembereichen, Stellungnahme der Unternehmen sein, in der aber auch darüber hinaus, gibt es bereits ei- sie einmal jährlich eine eventuelle Nichtbe- nige Initiativen sowohl in den USA als auch in achtung einzelner Standards darlegen müs- den zuständigen EU-Gremien. In den USA sen. Die kontroverse Diskussion um diesen werden zum Beispiel gegenwärtig einige Kodex, insbesondere zum Beispiel um dessen US-GAAP-Regeln von der FASB überarbeitet, Forderung nach einer Offenlegung der einzel- um beispielsweise die Konsolidierungspflicht nen Vorstandsbezüge einschließlich Aktien- bei SPEs auf eine solidere Basis zu stellen. Die optionen, hat gezeigt, dass es noch keinen SEC hat einen Plan zur Überwachung der Konsens über das richtige Maß an Unterneh- Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer bei menstransparenz gibt. den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vorgestellt. Auf diesem Gebiet ist auch die Rolle der RatingAgenturen Schließlich wurde durch den Fall Enron auch EU-Kommission aktiv und hat kürzlich eine erneut die Rolle der Rating-Agenturen in die Empfehlung veröffentlicht, die Kriterien zur Diskussion gebracht. Eine Erhöhung der Ra- Sicherstellung der Unabhängigkeit von Wirt- tingqualität ist ein besonderes Interesse nicht schaftsprüfern enthält. Darüber hinaus gibt nur der Märkte sondern auch der Bankenauf- es auf EU-Ebene umfangreiche Pläne, die Ver- sicht, die sich im Rahmen der neuen Basel II- besserungen auch auf den Gebieten Rech- Eigenkapitalregeln künftig auch auf externe nungslegung und Corporate Governance Ratings stützen wird. Im Fall Enron wurde kri- zum Gegenstand haben. Weitere EU-Initiati- tisiert, dass die Rating-Agenturen das Unter- ven zielen auf die Erhöhung der Transparenz nehmen noch kurz vor dessen Zusammen- im internationalen Finanzsystem, die Vermei- bruch (Investment dung von Interessenkonflikten bei Finanzana- Grade) beurteilt hatten. Die Aktualität des Ra- lysten wie auch auf eine denkbare Regulie- tings für die Märkte sollte möglichst erhöht rung der Tätigkeit von Rating-Agenturen. werden. Damit muss nicht zwangsläufig eine Diese Bemühungen beiderseits des Atlantiks höhere Volatilität einhergehen, da die Rating- sind zu begrüßen und sollten daher von politi- ¾nderungen und damit auch die Marktreak- scher Seite auch weiterhin unterstützt werden. als investitionswürdig 57 Reformprozess in den USA wie auch in der EU im Gange