Rede Mechtild Maurer

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Rede Mechtild Maurer
Rede zum Verhaltenskodex
auf dem 9. Tourismusgipfel am 6.12.2005 von Mechtild Maurer, Geschäftsführerin von
ECPAT Deutschland e.V.
Ihre Majestät, sehr geehrte Damen und Herren,
Als Herr Verheugen heute fragte, wie stellen wir uns die Zukunft des Tourismus vor und
eindringlich für eine bessere Nachhaltigkeit im Tourismus warb, freute ich mich, dass ich nun
einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit hier präsentieren darf. Einen Beitrag, der Qualität,
Innovation und Verantwortung vereint. Ich möchte Ihnen nun den Verhaltenskodex zum
Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung im Tourismus erläutern, der anschließend vom
BTW unterzeichnet wird.
Schutz vor sexueller Ausbeutung im Tourismus bedeutet die Kinder in den Mittelpunkt
unserer Überlegungen zu stellen.
Zumal es sich dabei um ein Thema handelt, das Ihnen eher selten bei ihrer alltäglichen
Arbeit begegnen dürfte.
Wir sagen zwar immer, die Kinder sind unser Allerliebstes – doch in Wahrheit lassen wir die
Kinder oft allein. Deshalb sind viel zu viele Kinder Gewalt und insbesondere der sexuellen
Gewalt ausgesetzt - sowohl hier in der alltäglichen Umgebung aber auch massiv in den
beliebten Feriendestinationen durch Reisende – Touristen und Geschäftsreisende.
Aufgrund des wirtschaftlichen Ungleichgewichtes ist es für sie leicht, an die Kinder
heranzukommen.
Es sind keine Einzelfälle, wenn ich Ihnen von Kindern berichte, die durch Deutsche, durch
Europäer sexuell misshandelt wurden. Opfer werden Kinder jeglichen Alters. Opfer sind
sieben-, achtjährigen Mädchen, denen Touristen Gegenstände in die Scheide einführten,
was zu schweren Verletzungen führte. Opfer sind zehnjährige Jungen, die ihren
Afterschließmuskel nicht mehr kontrollieren können, weil Pädokriminelle, die sich selbst
Pädophile (die Liebe zum Kind) nennen, sich Befriedigung verschafft haben.
Sie können mir glauben, die Liste solcher Verbrechen lässt sich unendlich fortsetzen.
Und dies kann geschehen, weil die Zivilgesellschaft – und das sind wir alle - wegschaut. Die
Täter müssen immer noch an vielen Orten kein Aufdeckungsrisiko befürchten. Sie
verstecken sich in der Anonymität.
Dies wollten engagierte Vertreterinnen und Vertreter der Reisebranche - zunächst in
Schweden und dann europaweit – zusammen mit ECPAT ändern. Sie entwickelten
gemeinsam den Code of Conduct for the Protection of Children from Sexual Exploitation in
Travel and Tourism – auf Deutsch den Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder vor sexueller
Ausbeutung im Tourismus.
Hier liegt das Mandat von ECPAT. ECPAT und insbesondere die Arbeit von ECPAT wird in
Deutschland von einem breit gefächerten gesellschaftlichen Bündnis getragen von Kirchen
und großen Hilfsorganisationen sowie von Fach- und Beratungsstellen.
Ziel ist dabei mit dem internationalen Netzwerk die Bekämpfung von Kinderprostitution,
Kinderhandel und Kinderpornographie. ECPAT arbeitet dabei mit dem privaten Sektor wie
den Internetprovidern oder der Reisebranche zusammen. Dies beruht auf der Einsicht, dass
solch globale Probleme nicht nur allein von Polizei und Staat oder von
Kinderrechtsorganisationen erfolgreich bekämpft werden können.
In nur kurzer Zeit konnte der Code weltweit viele Mitstreiter finden. Denn er hat sich als
wirksames Instrument bewährt. Ein Instrument, das Taten an Kindern verhindert und von
Kunden und Kundinnen positiv aufgenommen und gerne unterstützt wird.
Der Verhaltenskodex wurde von Tourismusunternehmen in fast allen Mitteleuropäischen
Ländern unterzeichnet. Auch viele Unternehmen in den Destinationen gehören dazu. Es gibt
schon Unternehmen, bei denen eine Buchung nur dann gültig wird, wenn der Kunde
bestätigt, dass er zur Kenntnis genommen hat, dass der Code of Conduct gilt.
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In diesem Jahr wurde bereits in Japan der Code of Conduct unterzeichnet, im letzten Jahr in
den USA.
Die bisherigen Unterzeichner des Code of Conduct haben auch ein weltweites
Steuerungsinstrument, das International Steeeringcommittee, geschaffen, damit die
Einheitlichkeit des Verhaltenskodex sowie seine Überprüfung gewährleistet werden kann.
Der DRV, der bereits vor vier Jahren den Code unterzeichnet hat, engagiert sich mittlerweile
mit einem Sitz in diesem Internationalen Steeringkommittee des Code of Conduct für die
Einhaltung und Evaluierung der Umsetzung der Kriterien.
Mit dem BTW unterschreibt nun der bisher größte Industrieverband den Code of Conduct
und damit wird die Deutsche Tourismuswirtschaft einen herausragenden Platz beim Schutz
der Kinder vor sexueller Gewalt im Tourismus einnehmen.
Wenn der BTW heute den Code of Conduct unterzeichnet, dann bedeutet dies:
1 Die Einführung einer Firmenphilosophie (Leitbild), welche sich eindeutig gegen die
kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern ausspricht.
2 Die Mitarbeitenden bzw. Beschäftigten im Herkunftsland und im Zielland werden
sensibilisiert. Sie sollen adäquat reagieren können.
3 Die Aufnahme von Klauseln in die Verträge mit den Leistungsträgern. Und zwar von
Klauseln, die deutlich machen, dass Kinderprostitution abgelehnt wird.
4 Informationen für die Kundinnen und Kunden über die kommerzielle sexuelle Ausbeutung
von Kindern z.B. mit dem Faltblatt „Kleine Seelen – große Gefahr“ oder anderen geeigneten
Mitteln. Dieses Faltblatt wird bereits von einer Reihe von Reiseveranstaltern und Reisebüros
an die Kunden verteilt. Dieses Faltblatt wurde gemeinsam vom DRV und ECPAT entwickelt.
5 Die Zusammenarbeit mit den Destinationen.
6 Die jährliche Berichterstattung über die durchgeführten Maßnahmen.
Sozial verantwortliche Reise- und Tourismusunternehmen können durch die Anwendung des
Code of Conduct präventiv dazu beitragen, die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen
einzudämmen.
Daher begrüßen sowohl das UN-Kinderhilfswerk UNICEF als auch Tourismusverbände wie
die Welttourismusorganisation (WTO/OMT) oder die Tour Operator's Initiative, TOI den Code
of Conduct und befürworten dessen Etablierung.
Die Umsetzung der sechs Kriterien bedarf klarer Schritte.
Doch in allen Teilen der Welt gibt es bereits viele Good Practise, auf die zurückgegriffen
werden kann.
So beteiligt sich in einem der brasilianischen Bundesstaaten auch eine Bank - die Banco del
Nordeste am Verhaltenskodex. Sie vergibt Kredite an Hoteliers für den Bau oder für die
Renovierung von Hotels nur noch dann, wenn die Kreditnehmer den Code unterzeichnen.
Der Direktor der Bank erkennt darin sogar eine doppelte Win-Win-Situation. Damit half der
Code of Conduct nicht nur ein ethisches Anliegen der Bank zu vermitteln, sondern er brachte
auch einen finanziellen Vorteil. Die Code unterzeichnenden Hoteliers haben sich als sehr
zuverlässig erwiesen.
Wichtig ist natürlich, dass der Code bei den Menschen vor Ort ankommt. Dazu tragen die
Klauseln in den Verträgen mit den Leistungsträgern bei. So hat die Accor-Hotelkette in
Thailand ein intensives Schulungsprogramm für alle ihre Angestellten entwickelt, auch für
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diejenigen, die im Zimmerservice arbeiten. Ich konnte mir selbst in Thailand einen Eindruck
von der erfolgreichen Arbeit verschaffen. Und dass diese Maßnahmen bei der Bevölkerung
ankommen, zeigt die Bitte einer jungen Zimmerfrau. Sie bat einige Wochen nach dem
Training die Schulungsleiterin von Accor um Hilfe beim Code of Conduct, damit das kleine
Guesthouse ihrer Eltern und Onkel im Norden von Thailand auch ein „Child sex free house“
werde. Ihre Kinder sollen doch endlich geschützter aufwachsen können.
Die Unterzeichnung des Verhaltenskodex durch den BTW ist Chance und Herausforderung
zugleich. Denn es bedarf einer seriösen Umsetzung der sechs Kriterien. Die ersten Schritte
dafür sind getan. Im Januar wird eine gemeinsame Arbeitsgruppe beim BTW einen
Jahresplan erstellen. ECPAT unterstützt gerne auch jedes einzelne Unternehmen bei der
Umsetzung.
Ich bin mir sicher, dass es gelingen wird, wichtige und wirksame Maßnahmen zum Schutz
der Kinder vor sexueller Ausbeutung im Tourismus in den nächsten zwölf Monaten
durchzuführen, die den Kindern zu einer lebenswerten Zukunft verhelfen und die auch in den
Nachhaltigkeitsberichten der Unternehmen positiv vermerkt werden können.
Damit profitieren sowohl die Kinder als auch die Unternehmen vom Verhaltenskodex zum
Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung und dadurch letztendlich wir als
Zivilgesellschaft.
Herzlich bedanken möchte ich mich bei ihrer Majestät, die unablässig für das Wohlergehen
der Kinder eintritt und die Verbreitung des Code of Conduct von Schweden über die gesamte
Erde begleitet hat und begleitet.
Meinen herzlichen Dank gilt auch dem Präsidenten des BTW, Herrn Läpple, der mit seinem
Engagement diese Beteiligung heute möglich macht und nun für den BTW den Code of
Conduct unterzeichnen wird.
Lassen Sie mich in mit dem leicht abgewandelten Ausspruch von Herrn Verheugen enden.
Wir suchten die Partnerschaft und besiegeln sie heute mit dem BTW – für Zukunft für die
Kinder.
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