Schule als Integrationsmotor - dbb beamtenbund und tarifunion

Transcription

Schule als Integrationsmotor - dbb beamtenbund und tarifunion
6
dbb magazin
Juni 2009 – 60. Jahrgang
Reportage:
Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“
Schule als
Integrationsmotor
Seite 4 >
Interview:
PISA-Koordinator
Prof. Dr. Manfred Prenzel
Seite 32 >
Hintergrund:
Wie sicher ist
die Rente?
dbb > aktuell
Scheidet ein Beamter freiwillig aus dem Dienst aus, um eine
Stelle in der freien Wirtschaft anzutreten, wird er nach der
geltenden Rechtslage bestraft: Der Dienstherr übernimmt für
die zurückgelegten Berufsjahre nur die Kosten für die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Pensionsansprüche gehen verloren. Ein unhaltbarer Zustand,
denn genau so wird mit den Anwartschaften von Beamten
verfahren, die in Folge von Disziplinarmaßnahmen aus dem
öffentlichen Dienst ausscheiden müssen. Verfassungs- und
beamtenrechtlichen Bedenken stehen einer gerechten Lösung
nicht im Weg, aber der Bundesinnenminister will keine Veränderungen.
Offenbar befürchtet Schäuble, die
Mobilität zwischen Staatsdienst und Privatwirtschaft
werde sich zu einer Einbahnstraße weg vom öffentlichen Dienst entwickeln, wenn Versorgungsansprüche
mitgenommen
werden können.
Eine solche Politik
ist kurzsichtig, denn ein
Austausch wird beide Seiten begünstigen und dazu beitragen,
den öffentlichen Dienst konkurrenzfähig und zukunftsfest zu
gestalten. dbb Chef Peter Heesen bezeichnete deshalb die
Mitnahmefähigkeit von Versorgungsbezügen vor dem
Bundestagsinnenausschuss (siehe dazu den Bericht in diesem
Heft) als unverzichtbar. Ausgleichsregelungen erbringen ein
grundsätzliches Plus an Attraktivität, denn sie erleichtern
Quereinsteigern, die zu einem späteren Zeitpunkt ihres Berufslebens in den öffentlichen Dienst wechseln, ihre Entscheidung ebenso wie dem dringend benötigten Nachwuchs. Kreative Kräfte werden den Weg in den öffentlichen Dienst nicht
länger meiden, wenn sie für den Fall eines späteren Wechsels
in die Privatwirtschaft Sanktionen ausschließen können.
Deshalb sollte schnellstens darauf verzichtet werden.
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Impressum:
Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion –
Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin, 030.4081-40, Fax 030.4081-5599.
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Chefredakteur:Dr. Walter Schmitz (sm); Redaktion: Christine Bonath (cri), Jan Brenner (br). Mitarbeiter
dieser Ausgabe: Alexander Schrader (as), Birgit Ulrich (bau), Sandra Elena Brauckmann (seb). Redaktionsschluss am 10. jeden Monats. Namensbeiträge stellen in jedem Falle nur die Meinung des
Verfassers dar.
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Liana, Sven Hoffmann, Phoenixpix, York, Kaarsten, Slawomir Jastrzebski. Bezugsbedingungen: Die
Zeitschrift für Beamte, Angestellte und Arbeiter erscheint zehnmal im Jahr. Für Mitglieder ist der Verkaufspreis durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Der Abonnementpreis für Nichtmitglieder des dbb
beträgt jährlich 32,90 Euro inkl. Porto und Umsatzsteuer. Der Bezugspreis für das Einzelheft 3,90 Euro inkl. Porto und Umsatzsteuer. Bezug durch die Post. Einzelstücke durch den Verlag.
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Nr. 50 (dbb magazin), gültig ab 1. 10. 2008. Druckauflage: 771 050 Exemplare (IVW 2/2008). Vertrieb:
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ISSN 0941-8156
Schwerpunkt: Integrationsmotor Schule
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aktuell
Interview mit PISA-Koordinator
Prof. Dr. Manfred Prenzel
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Föderalismusreform II:
Schuldenbremse nicht ins Grundgesetz 6
Gespräch zum SPD-Wahlprogramm
7
Beamtenbesoldung:
Zurück in Bundeshand
8
Öffentlicher Dienst:
Sichere Leistung auch in Krisenzeiten 9
Privatisierung:
Kein Patentrezept für Kommunen
9
Betriebsrente: Punktemodell erhalten 10
7. Forum Personalvertretungsrecht
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fokus
reportage:
Schule als Integrationsmotor:
Wenn die Worte fehlen
brennpunkt:
DDR-Geschichte im Unterricht
mittagsgespräch:
Rainer Saalfrank, Vorstandssprecher
der VVS Holding
dbb akademie:
Kongressmesse „neueVerwaltung“
die andere meinung:
Heilsamer PISA-Schock
mitgliederservice:
www.dbb-vorsorgewerk.de
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spezial
frauen:
Gerichtsurteil zur Diskriminierung
jugend:
Arbeit an der Basis
t@cker
europa: 9. Europäischer Abend
hintergrund:
Rentenkassen unter Druck –
Wie sicher ist die Rente?
senioren:
Ältere Beschäftigte –
Berufserfahrung länger nutzen
blickpunkt: 100 Jahre Bund
Deutscher Rechtspfleger
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finale
dbb online:
Der dbb im Internet
glosse: Drei sind einer zu viel ...
mitgliedsgewerkschaften
kulisse:
Die wollen nur spielen ...
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> dbb magazin | Juni 2009
editorial
Unverzichtbar
>
interview
4
„Wir
brauchen
eine
Lehrerbildung
auf hohem
wissenschaftlichem
Niveau“
>
dbb magazin
Die PISA-Studien haben die
deutsche Bildungslandschaft
aufgerüttelt. Nach der ersten
war gar von einem „PISASchock“ die Rede. Inzwischen
sind Konsequenzen unterschiedlichster Art gezogen
worden, und Deutschland holt
auf. Sind wir auf dem richtigen
Weg, oder benötigen wir ein
anderes als unser gegliedertes
Schulsystem, Herr Prenzel?
>
Prenzel
Die Ergebnisse aus den bisherigen drei PISA-Runden belegen
tatsächlich große Fortschritte
in Deutschland: Die Schülerinnen und Schüler sind insbesondere in den Naturwissenschaften und in der Mathematik im Durchschnitt besser geworden, die Leistungsstreuung
hat sich etwas verringert, und
die Prozentanteile leistungsschwacher Schülerinnen und
Schüler fallen heute kleiner
aus als vor sechs Jahren. Auch
> dbb magazin | Juni 2009
im internationalen Vergleich
sind die positiven Entwicklungen bemerkenswert. Wir sind
also auf einem guten Weg,
wenn auch noch Herausforderungen bleiben. Eine davon betrifft die nach wie vor großen
Unterschiede zwischen den
Bundesländern. Die Frage der
Schulstruktur bezieht sich auf
einen Faktor, der neben sehr
vielen anderen die Qualität
von Bildung beeinflusst, und
mit Sicherheit nicht der wichtigste ist.
>
dbb magazin
Stichwort Lehramtsstudium/Referendarausbildung:
Welche Wünsche haben Sie
diesbezüglich an die politisch
Verantwortlichen in den Ländern aber auch im Bund?
Prof. Dr. Manfred Prenzel
Allerdings haben bisher nur
wenige Universitäten den Stellenwert der Lehrerbildung erkannt: Eine ausgezeichnete
Lehrerbildung ist die beste Investition, um hervorragend
ausgebildete und motivierte
Studienanfänger begrüßen zu
dürfen. Vor allem brauchen wir
eine Lehrerbildung, die auf einem hohen wissenschaftlichen
Niveau auf die Herausforderungen des Berufsfelds Unterricht und Schule vorbereitet.
Die Referandarausbildung erfolgt bisher meist losgelöst
von der ersten Phase. Hier sind
mehr Abstimmungen erforderlich, aber auch eine Qualitätssicherung, die sicherstellt, dass
junge Lehrkräfte auf dem aktuellen Stand des Wissens
unterrichten.
>
>
Prenzel
Für das Lehramtsstudium tragen heute vor allem die Universitäten Verantwortung.
dbb magazin
Als eine Folge der Föderalismusreform werben reichere
Bundesländer zurzeit massiv
hoch qualifizierte Lehrer aus
anderen Bundesländern ab,
die dem Nachwuchs nur eingeschränkt gute Arbeits- und
Bezahlungsmöglichkeiten
bieten können. Gefährdet
diese Form des Wettbewerbsföderalismus die einheitlichen Bildungsstandards in
Deutschland?
>
Prenzel
Das Abwerben von Lehrkräften aus anderen Bundesländern erscheint mir als eher
harmlose Folge der Föderalismusreform. Die Umsetzung
nationaler Bildungsstandards
hängt doch eher davon ab, ob
wir Anreize für guten Unterricht setzen können. Das
schließt auch Unterstützungskonzepte ein, wenn in
Klassenzimmern und Schulen
wenig erfolgreich gelehrt und
gelernt wird.
>
dbb magazin
Was kann/muss in den Schulen getan beziehungsweise
Foto: IPN
dbb > aktuell
dbb > aktuell
>
Prenzel
Es gibt keinen Zweifel, dass
Kinder, die oder deren Eltern
zugewandert sind, bereits
möglichst früh eine vielseitige, vor allem sprachliche Förderung erfahren sollten. An
den Schulen in Deutschland
müssen wir auch noch besser
verstehen, auf unterschiedliche Lernvoraussetzungen pädagogisch so zu antworten,
dass alle Kinder vergleichbar
große Lernfortschritte machen können. Ich möchte
aber betonen, dass die Umsetzung solcher Prinzipien
schwierig und anspruchsvoll ist. Auch in den benachbarten Staaten mit einer
ähnlichen Zuwanderungs>
situation beobachten wir
ähnliche Probleme wie in
Deutschland.
>
dbb magazin
(K)eine Gewissens-, sondern
eine Grundsatzfrage zum
Schluss: Lehrer üben nach
Auffassung des dbb hoheitliche Aufgaben aus und müssen Beamte sein: Wie ist Ihre
Auffassung zum Beamtenstatus für Lehrer, Herr Prenzel?
>
Die PISA-Studie …
… untersucht in Abständen von drei Jahren Bildungsergebnisse, die in den teilnehmenden Staaten erreicht werden.
Die Studie konzentriert sich dabei auf die drei Kompetenzbereiche Naturwissenschaften, Lesen und Mathematik. 43 Länder nahmen an der ersten PISA-Studie im Jahr 2000 teil, für
die 2009er Auflage haben sich 62 Länder angemeldet.
Zu den Ergebnissen
von PISA zählen auch Befunde hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen
den genannten Kompetenzen und Merkmalen
der sozialen und kulturellen Herkunft sowie des
schulischen Lernumfeldes.
Prenzel
Das ist eine Frage, die politisch vor dem Hintergrund
nationaler Traditionen zu beantworten ist. Hier gibt es sicher viele Gründe, zum Beispiel das Streikverbot, die für
einen Beamtenstatus von
Lehrkräften sprechen. Wenn
Sie nach wissenschaftlicher
Evidenz für diese Auffassung
fragen, dann muss ich als empirischer Bildungsforscher
aber passen.
쮿
Info
Manfred Prenzel,
Jahrgang 1952, beendete sein Studium
der Pädagogik, Psychologie und Soziologie 1976 mit dem Examen zum
Magister Artium. Die Promotion zum
Dr. phil. folgte 1980. Danach war Prenzel als Wissenschaftlicher Assistent an
der LMU München tätig. Dort erfolgte
1987 auch seine Habilitation (Pädagogik und Pädagogische Psychologie). Anschließend war er sechs Jahre lang
als Oberassistent an der LMU München tätig. 1993 wurde
er zum Professor für Pädagogische Psychologie an der
Universität Regensburg berufen. Seit 1997 arbeitet Prenzel
am Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaft (IPN)
als Direktor der Abteilung Erziehungswissenschaft und
C 4-Professor für Pädagogik an der CAU Kiel. Seit 2000 amtiert er darüber hinaus als geschäftsführender Direktor des
Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaft (IPN) an
der Universität Kiel. Zu seinen aktuellen Arbeitsschwerpunkten und Projekten zählen unter anderem die Leitung
des Modellversuchsprogramms „Steigerung der Effizienz
des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts:
SINUS-Transfer Grundschule“ sowie das Nationale Projektmanagement für PISA 2003 und 2006. Prenzel ist Mitglied
der internationalen PISA Science Expert Group der OECD
sowie Mitglied im Deutschen PISA Konsortium 2009.
쮿
Mit dem Schiefen Turm
von Pisa hat der Name
nichts zu tun. Er steht für
„Programme for International Student Assessment“. Es untersucht,
wie gut die jungen Menschen in den teilnehmenden Staaten auf Herausforderungen der Wissensgesellschaft vorbereitet sind. PISA
konzentriert die Erhebungen auf zentrale und grundlegende
Kompetenzen, die für die individuellen Lern- und Lebenschancen ebenso bedeutsam sind wie für die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Weiterentwicklung.
Bei der Untersuchung steht nicht das Wissen um Lehrplaninhalte im Vordergrund, sondern die Fähigkeit, das Wissen in
der Praxis anzuwenden.
PISA ist der zentrale Teil eines umfassenden Indikatorensystems der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD). Dieses Indikatorensystem dient dazu, die Mitgliedstaaten über Stärken und Schwächen ihrer Bildungssysteme zu informieren. Da PISA in Zyklen abläuft, kann
es zur Dauerbeobachtung im Sinne eines Bildungsmonitorings
eingesetzt werden. PISA stellt den Regierungen als Auftraggebern der Studie empirisch fundierte Erkenntnisse zur Verfügung, die ihnen helfen sollen, ihre Bildungssysteme auf der
Basis umfassender und zuverlässiger Daten zu steuern.
Die PISA-Studie wird im Auftrag der OECD (Organisation for
Economic Cooperation and Development) durchgeführt. Sie
wird koordiniert von einem Internationalen Konsortium unter
Leitung des Australian Council for Educational Research (ACER).
Die nationale Projektleitung für die Erhebungen in Deutschland liegt beim Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) in Kiel unter Professor Dr. Manfred Prenzel.
PISA setzt Untersuchungsschwerpunkte. So wird im Jahr 2009
die Lesekompetenz den Schwerpunkt der Studie bilden. Über
neun Millionen Schülerinnen und Schüler wurden bisher befragt.
쮿
Quelle: ipn/oecd
> dbb magazin | Juni 2009
5
interview
verändert werden, damit sie
(auch) stärker als bisher als
Integrationsmotor für Migrantenkinder wirken können?
dbb > aktuell
Schuldenbremse
nicht ins Grundgesetz
dbb und ver.di haben die Landesparlamente
aufgefordert, für den geplanten Schuldenabbau
Regelungen per Grundsatzgesetzgebung zu
treffen. Mit Blick auf die in den kommenden
Wochen anstehenden Beratungen und Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat zur Umsetzung der Föderalismusreform II warnten die
Bundesvorsitzenden Peter Heesen (dbb) und
Frank Bsirske (ver.di) in einem gemeinsamen
Schreiben an alle Landtagspräsidenten vor einer
verfassungsrechtlichen Detailregelung.
nehmen wird.“ Faktisch werde
den Ländern damit jede Möglichkeit genommen, auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen
zu reagieren.
Korrektur wäre
„sauberste Lösung“
Sollte eine spätere Korrektur der
Regelungen notwendig werden,
wäre diese in der Gesetzgebung
vergleichsweise einfach, nicht
Auch auf dem Gewerkschaftstag der GdS am 8. Mai 2009 in Berlin hatte Peter Heesen klargestellt: Detailregelungen zur Schuldenbegrenzung
gehören nicht in das Grundgesetz.
쮿
aber beim Grundgesetz, denn
dafür werde stets eine ZweiDrittel-Mehrheit in zwei Parlamentskammern benötigt. Eine
Revision des vorliegenden Gesetzentwurfs wäre deshalb „die
sauberste Lösung“, so Heesen
und Bsirske. Dies würde zugleich verhindern, dass die Axt
an die Wurzel des Föderalismus
gelegt wird, was mit der beabsichtigten Verfassungsänderung faktisch geschieht.
Eine zuvor bekannt gewordene
Umfrage hatte ergeben, dass
auch eine große Mehrheit der
Bundesbürger eine Schuldenbremse im Grundgesetz ablehnt. Nicht einmal jeder Dritte
hält den Plan der großen Koalition, eine solche Begrenzung
einzuführen, für richtig, berichtete die Nachrichtenagentur
dpa am 18. Mai 2009 unter Berufung auf die noch nicht veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa.
Eine nicht in der Verfassung,
sondern per Gesetz festgelegte
Begrenzung der Schulden würden hingegen 63 Prozent der
Bundesbürger akzeptieren.
Auch eine starre Schuldengrenze stieß auf weitreichende Ablehnung. 58 Prozent der Befragten befürchteten, dass der Staat
dann seine Aufgaben nicht
mehr finanzieren kann.
쮿
Foto: Jan Brenner
föderalismureforms
6
Maßnahmen zu Schuldenabbau
und Schuldenbegrenzung seien
notwendig und richtig, betonten die Chefs der Gewerkschaftsorganisationen. „Wir sehen aber mit großer Sorge, dass
die als künftiges Verfassungsrecht vorgesehenen Detailregelungen der Politik, insbesondere
den Länderparlamenten, notwendige politische Gestaltungsspielräume zur Sicherung einer
guten Zukunft der Menschen
Foto: Friedhelm Windmüller
Föderalismusreform II:
>
Der dbb Bundesvorstand ist am 4. Mai 2009 zu seiner zweiten Frühjahrssitzung im dbb forum berlin zusammengekommen. Auf der umfangreichen Tagesordnung standen unter anderem die Themen Gesundheitsmanagement in der Bundesverwaltung, die besoldungs- und versorgungsrechtliche Entwicklung in Bund und Ländern sowie die weitere Umsetzung des Tarifabschlusses 2009 für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für die Beamten
und Richter der Länder durch entsprechende Landesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetze. Ebenfalls beraten wurden die Vorschläge der Föderalismuskommission II zur Neuschuldenbegrenzung und zur Effizienzsteigerung der Steuerverwaltung. Im Bild von links: Heinz Ossenkamp, Astrid
Hollmann, Klaus Dauderstädt, Frank Stöhr, Dieter Ondracek und Willi Russ. Am Rednerpult dbb Chef Peter Heesen während seines ausführlichen Lageberichts. Nicht im Bild, die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Kirsten Lühmann, die aus terminlichen Gründen erst ab Mittag an der Sitzung teilnehmen konnte.
쮿
> dbb magazin | Juni 2009
dbb > aktuell
Gespräch zum SPD-Wahlprogramm:
Übereinstimmung
und Dissens
Foto: Marco Urban
Bei den allermeisten Themen sei ein hohes
Maß an Übereinstimmung festgestellt worden.
Mit diesem positiven Fazit bewertete der
Zweite Vorsitzende des dbb Frank Stöhr am
28. April 2009 in Berlin ein Gespräch zwischen
dem dbb und der SPD zum sozialdemokratischen Programm für die Bundestagswahl 2009.
>
Anne Schauer, Mitglied des Bundesvorstandes der dbb tarifunion, der
stellvertretende Vorsitzende der dbb tarifunion Helmut Overbeck, die
stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Kirsten Lühmann und der
zweite Vorsitzende des dbb Frank Stöhr trafen sich mit dem Vorsitzenden der SPD Franz Müntefering.
In den Bereichen Tarifautonomie, Mindestlohn, Mitbestimmung, öffentliche Daseinsvorsorge und Familienpolitik zum
Beispiel lägen das SPD-Wahlprogramm und die dbb Positionen dicht beieinander, erklärte
Stöhr. Ein wesentlicher Dissens
bestehe aber weiterhin beim
Thema Bürgersozialversicherung. Stöhr: „Die SPD-Vorschläge greifen die eigenständigen
Versorgungs- und Beihilfesysteme an und würden bei ihrer
Umsetzung eine Aushöhlung
des Beamtenstatus nach sich
ziehen. Das ist für den dbb
nicht akzeptabel.“ Außerdem
wurde vom dbb angeregt, die
Bedeutung eines leistungsfähigen Staates stärker hervorzuheben. Eine verlässliche und
stabile öffentliche Infrastruk-
tur sei gerade in Zeiten der
Wirtschaftskrise ein entscheidender Standortvorteil und ein
stabilisierendes Element für
Deutschland.
Für den dbb hatze neben Frank
Stöhr unter anderen die stellvertretende Bundesvorsitzende Kirsten Lühmann an dem
Gespräch teilgenommen, die
SPD-Delegation wurde von deren Vorsitzendem Franz Müntefering geleitet. Gespräche
mit den anderen im Bundestag
vertretenen Parteien sind geplant. Darüber hinaus wird das
dbb magazin in der Septemberausgabe „Wahlprüfsteine“
veröffentlichen, die insbesondere die Haltung der Parteien
zum öffentlichen Dienst
hinterfragen.
쮿
> dbb magazin | Juni 2009
dbb > aktuell
Beamtenbesoldung:
>
Zurück in
Bundeshand
Info
Bundespräsidentenwahl
Peter Heesen hat als Mitglied der Bundesversammlung am 23.
Mai 2009 erneut an der Bundespräsidentenwahl teilgenommen.
Der dbb Chef, der dem Wahlgremium bereits 2004 angehörte, bewertete seine erneute Berufung als Anerkennung der Bedeutung,
die der gesellschaftlichen Gruppe der im öffentlichen Dienst
Beschäftigten in der deutschen Gesellschaft beigemessen wird.
„Für mich ist das eine klare Geste der Wertschätzung aller Frauen
und Männer in Ministerien, Ämtern und Verwaltungen, die unser
demokratisches Gemeinwesen tagein, tagaus funktionstüchtig
halten“, sagte Heesen. Die 13. Bundesversammlung, deren verfassungsrechtliche Aufgabe es war, nach Ablauf der fünfjährigen
Amtsperiode den Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin
zu wählen, ist am 23. Mai im Berliner Reichstag zusammengetreten. Die Wahl des dbb Bundesvorsitzenden durch den nordrheinwestfälischen Landtag erfolgte auf Vorschlag der CDU-Landtags쮿
fraktion.
Der dbb hat die Absicht von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries begrüßt, die im Rahmen
der Föderalismusreform an die Bundesländer
übertragene Zuständigkeit für die Beamtenbesoldung wieder beim Bund anzusiedeln.
>
Info
Steuerhinterziehung
Der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Dieter Ondracek sieht
die Berliner Politik in der Verantwortung, gegen Steuerhinterziehung im großen Stil wirksamer als bislang vorzugehen. So solle
das Bundesfinanzministerium alles daransetzen, Informationen
über die 52 782 Konten Deutscher bei der Bank UBS zu erhalten,
wie aus einer hausinternen Bestandsaufnahme per 31. Dezember
2007 aller Liechtensteiner Stiftungen, Trusts, Gesellschaften in
Panama und British Virgin Islands bei der USB hervorgeht. Auf diesen Bankkonten deutscher Steuerpflichtiger lägen 70 bis 80 Milliarden Euro. „Dies macht deutlich, dass die Politik in Berlin handeln
muss“, betonte Ondracek. Die amerikanische Steuerverwaltung
habe es schließlich auch geschafft, die Kontendaten amerikanischer Steuerpflichtiger von der USB zu erhalten. Darauf müsse
nun auch das Bundesfinanzministerium für die Konten Deutscher
drängen.
쮿
Foto: Marco Urban
kompakt
8
>
Einer Meinung beim Thema Beamtenbesoldung: Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und dbb Chef Peter Heesen.
Die Befürchtung, dass ein „besoldungstechnischer Flickenteppich“ entsteht, habe sich
bewahrheitet, zitiert die Berliner Zeitung (12. Mai 2009) Brigitte Zypries. Sie trete deshalb
dafür ein, die Besoldungskompetenz wieder dem Bund zu
übertragen.
dbb Chef Peter Heesen wies
darauf hin, dass der Beamtenbund die Aufsplitterung der
Besoldungskompetenz von Anfang an für einen Fehler gehalten habe. Heesen: „Wir haben
inzwischen einen regelrechten
Wettlauf der Länder um die
besten Leute, vor allem in den
Mangelberufen wie Lehrer,
Techniker und IT-Spezialisten.
Gerade in den ärmeren und
strukturschwächeren Ländern
wird der öffentliche Dienst da-
> dbb magazin | Juni 2009
durch geschwächt. Das ist
kontraproduktiv für die flächendeckende Qualitätssicherung im öffentlichen Dienst
und verstößt gegen die Solidarität im Bundesstaat.“
Die Überlegung der Bundesjustizministerin, die Besoldungskompetenz für alle Beamten
wieder beim Bund zusammenzufassen, sei deshalb logisch
und zwangsläufig. Andernfalls
werde der Flickenteppich der
Bezahlung im öffentlichen
Dienst immer größer. „Das ist
schlecht für die Leistungsfähigkeit der Verwaltung,
schlecht für die Beschäftigten
und schlecht für die Bürger, die
überall in Deutschland ein
Recht auf hochwertige Dienstleistungen ihres Staates haben“, betonte Heesen.
쮿
>
Info
10. Berliner Bundestagslauf
Bundestagsvizepräsidentin Gerda Hasselfeldt gab am
6. Mai 2009 vor dem Brandenburger Tor den Startschuss
zum 10. Berliner Bundestagslauf. Traditionell dabei: das
Laufteam des dbb. Mit den Startnummern 1 und 2 gingen
Bundespräsident Horst Köhler und seine Ehefrau Eva Luise
Köhler an den Start. Mit dabei waren außerdem an die
600 Mitglieder und Mitarbeiter des Bundestages, der Fraktionen, der Bundes- und Landesbehörden, der Botschaften
sowie von Gewerkschaften und Verbänden. Das dbb Team
hat sich auch in diesem Jahr wieder wacker geschlagen:
Sieger unter den Gastläufern über 7,2 Kilometer wurde
Thilo Hommel. Andreas Becker belegte Platz 18, Matthias
Macha Platz 21. In der 3,2-Kilometer-Disziplin erreichte
Matthias Warnking Platz 9. In der Frauenwertung belegten
Anne Kraft Platz 7 und Ina Böhlmann Platz 11.
쮿
dbb > aktuell
Öffentlicher Dienst:
Das Motto des 28. Landesgewerkschaftstages „Mit Sicherheit Leistung – der öffentliche
Dienst in Hamburg“ spiegele
Tugenden des öffentlichen
Dienstes und seiner Beschäftigten, die gar nicht hoch genug
geschätzt werden könnten,
sagte die dbb Vize. „Der öffentliche Dienst mit all seinen Facetten von der Verwaltung bis
hinein in die technischen Berufe garantiert Deutschland ein
Maß an Leistungsfähigkeit,
Nachhaltigkeit und Sicherheit,
um das uns andere Länder zu
recht beneiden. Seine Beschäftigten sind nicht nur Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger,
sondern ebenso Partner der
Wirtschaft, die den Standort
Deutschland sichern helfen.“
Lühmann verwies darauf, dass
allein im öffentlichen Dienst
Hamburgs in den vergangenen
Jahren rund 10 000 Stellen
abgebaut oder nicht wieder
besetzt wurden. Nicht nur in
Hamburg müsse eine solche
Personalpolitik „zum Bumerang
werden, wenn jetzt nicht konsequent gegengesteuert wird“.
>
Stellten sich in Hamburg der politischen Diskussion: Prof. Dr. Hans-Jörg
Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg,
die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Kirsten Lühmann und
Moderatorin Anja Reschke vom NDR (von links).
Auch in Anbetracht der demographischen Entwicklung müsse sich der öffentliche Dienst
antizyklisch verhalten und über
Bedarf einstellen, um ein Fundament für seine Zukunftsfähigkeit zu legen.
Zu dem Wettbewerb mit der
Privatwirtschaft komme ein
verschärfter Kampf um Arbeitskräfte zwischen den Gebiets-
körperschaften hinzu, stellte
Lühmann fest und verwies darauf, dass Hamburg um Berliner
Lehrerinnen und Lehrer geworben und die sofortige Verbeamtung angeboten habe. Dies sei
aber der politisch falsche Weg.
Deshalb plädiere sie dafür,
Dienstrecht und Besoldung von
Bund und Ländern wieder zu
vereinheitlichen.
쮿
Privatisierung:
Kein Patentrezept für Kommunen
Der dbb unterstützt
die Einschätzung des
Deutschen Städtetages, dass Privatisierungen kein Patentrezept
für die Kommunen
darstellen.
„Wir begrüßen die Ankündigung der deutschen Städte,
künftig verstärkt darauf verzichten zu wollen“, sagte der
stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Heinz Ossenkamp
am 14. Mai 2009 mit Blick auf
die Hauptversammlung des
Deutschen Städtetages (12. bis
14. Mai 2009) in Bochum. Zwar
seien Privatisierungen nicht
immer falsch, aber eben insgesamt als Patentrezept gescheitert. Die Feststellung von
Städtetagspräsident Christian
Ude, der Ruf „Privat vor Staat“
sei überholt, könne der dbb
nur unterstreichen.
Ossenkamp, der auch Bundesvorsitzender der Fachgewerkschaft für den Kommunal- und
Landesdienst komba ist, sagte,
die Finanzkrise sei inzwischen
„real in den Kommunen angekommen“. Es könne nicht angehen, dass für eine angemessene Bezahlung des Krankenhauspersonals keine zwei
Milliarden Euro vorhanden waren, aber die dreifache Milliardensumme für Banken zur Verfügung gestellt wird. „Das ist
den Menschen kaum zu vermitteln“, so der dbb Vize.
Er mahnte zugleich eine rasche
Lösung für die zwischen Union
und SPD umstrittene Neuregelung bei den Jobcentern an.
Das betreffe 65 000 Beschäftigte und rund sechs Millionen
Leistungsbezieher. „Die Jobcenter brauchen Planungsklarheit und Zielprojektion – im
Interesse der Mitarbeiter und
der Bürger“, so Ossenkamp. Für
dieses Problem müsse eine Lösung möglichst noch vor der
Bundestagswahl gefunden
werden, „damit das schwierige
Thema nicht zum Spielball parteipolitischer Interessen wird“,
sagte der dbb Vize.
쮿
> dbb magazin | Juni 2009
9
kompakt
Der öffentliche Dienst garantiert sichere und
qualitätsvolle Leistung auch in Zeiten der Krise.
Das hob die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Kirsten Lühmann auf dem Landesgewerkschaftstag des dbb Landesbundes Hamburg am 14. Mai 2009 in der Hansestadt hervor.
„Wer gute Leistung bringt, dem stehen – auch
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – gute
berufliche Perspektiven und angemessene Einkommen zu.“
Foto: Pape
Sichere Leistung auch in Krisenzeiten
dbb > aktuell
Betriebsrente:
Punktemodell erhalten
Zum 1. Januar 1967 wurde für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes eine Gesamtversorgung eingeführt, die auch Arbeitnehmern
im öffentlichen Dienst neben der gesetzlichen
Rentenversicherung eine zusätzliche Alters- und
Hinterbliebenenversorgung nach dem Vorbild
der Beamtenversorgung garantiert. Anfang
2002 wurde die Gesamtversorgung durch ein
Betriebsrentensystem, dem Punktemodell, abgelöst. Grund für den Systemwechsel war die
nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts
nicht mehr zu akzeptierende Komplexität der
bis dahin bestehenden Regelungen.
tarifpolitik
10
Darüber hinaus waren verschiedene Berechnungsvorgaben zur Ermittlung der Versorgungsrente, unter anderem zur Halbanrechnung von
Zeiten der Berufstätigkeit
außerhalb des öffentlichen
Dienstes, bemängelt worden.
Mit dem zunehmenden Personalabbau war schließlich
auch die Finanzierungsbasis
für die ausschließlich im Umlagesystem finanzierte Gesamtversorgung ausgehöhlt
worden.
Im Punktemodell werden den
Beschäftigten in jedem Jahr
Versorgungspunkte im Verhältnis ihres Bruttoeinkommens zu einem Vergleichsentgelt und in Abhängigkeit
ihres Lebensalters gutgeschrieben. Im Rentenfall werden die so ermittelten Versorgungspunkte addiert und
durch Multiplikation mit dem
so genannten Messbetrag
von vier Euro in einen Rentenzahlbetrag umgerechnet. Die
Höhe der Zusatzrente aus
den Versorgungspunkten ist
als Betriebsrente unabhängig
von anderen Alterseinkünften, die Finanzierung ist nach
> dbb magazin | Juni 2009
wie vor Sache der Zusatzversorgungskassen.
Bei der größten Einrichtung,
der Versorgungsanstalt des
Bundes und der Länder (VBL),
erfolgt die Finanzierung im Ab-
>
rechnungsverband West nach
wie vor im Umlagesystem: Die
Pflichtversicherten bei der VBL
zahlen einen Eigenanteil von
1,41 Prozent des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts. Die
dort beteiligten Arbeitgeber
tragen 6,45 Prozent. Darüber
hinaus ist bei Zusatzversorgungseinrichtungen in den alten Bundesländern von den Arbeitgebern ein Sanierungsgeld
von durchschnittlich zwei Prozent zur Deckung der Lasten
aus dem geschlossenen System der Gesamtversorgung zu
entrichten. Für den Abrechnungsverband Ost der VBL
werden bereits parallel Beiträge zum Kapitaldeckungsverfahren und zur Umlage eingezahlt. Diese Mischfinanzierung
erfolgt auch in einigen kommunalen Zusatzversorgungskassen.
>
Übergangsrecht
Die im Modell der Gesamtversorgung erworbenen Rentenanwartschaften wurden in
unterschiedlicher Höhe in
Form von Startgutschriften in
das Punktemodell übertragen.
Für die so genannten rentennahen Jahrgänge im Tarifgebiet West (das sind Arbeitnehmer, die am 1. Januar 2002 55
Jahre alt waren) erfolgte die
Übertragung der Anwartschaften unter Anwendung des Leistungsrechts der Gesamtversorgung. Die Übertragung der Anwartschaften der sonstigen
Beschäftigten erfolgte nach
Maßgabe der so genannten
unverfallbaren Anwartschaften nach Betriebsrentenrecht
(§ 18 BetrAVG). Insbesondere
die letzt genannte Regelung
war und ist Gegenstand einer
Vielzahl von Gerichtsverfahren.
Die Betriebsrente ist auch für den öffentlichen Dienst kein Auslaufmodell. Bei der Modernisierung des Punktemodells dürfen Arbeitnehmer deshalb nicht schlechter gestellt werden.
dbb > aktuell
Viele Betroffene sind der Ansicht, ihre Rentenanwartschaften seien durch die Berechnungsvorgaben zu niedrig bewertet worden.
>
Rechtliche Querelen
Im November 2007 hat der
Bundesgerichtshof in einem
solchen Klageverfahren entschieden, dass die Berechnungsvorgabe für die rentenfernen Jahrgänge die Ansprüche von Beschäftigten mit längeren Ausbildungszeiten
außerhalb des öffentlichen
Dienstes unangemessen verkürze und das Übergangsrecht
damit insgesamt für unwirksam erklärt. Die Tarifvertragsparteien sind nun aufgefordert, eine anderweitige Regelung zu treffen.
Dazu hat am 9. März 2009 ein
erstes Tarifgespräch zwischen
Bund, TdL und VKA sowie dbb
tarifunion und ver.di über
mögliche Änderungen zu den
tarifvertraglichen Regelungen
stattgefunden.
Die Arbeitgeber stellen die Berechnungsgrundlagen des
Punktemodells insgesamt in
Frage, weil zweifelhaft sei, ob
das Leistungsniveau auch zukünftig noch in unveränderter
Höhe zugesichert werden könne. Auch haben die Arbeitgeber die zusätzliche Dynamisierungsregelung der Rentenanwartschaften über so genannte Bonuspunkte bei Kapitalerträgen der Zusatzversorgungseinrichtungen kritisiert. Dies
gelte insbesondere für den Abrechnungsverband West der
VBL, bei dem wegen der Umlagefinanzierung bis auf weiteres lediglich fiktive Überschüsse über Bonuspunkte ausgeschüttet werden.
Die Gewerkschaften dagegen
lehnen Leistungsabsenkungen
und zusätzliche finanzielle Lasten der Arbeitnehmer ab, weil
damit die Akzeptanz der Betriebsrente insgesamt gefährdet wäre.
>
Nicht zu Lasten
der Mitarbeiter
Weiter drängen sie auf die
Aufnahme von Verhandlungen hinsichtlich der Vorgabe
des Bundesgerichtshofes zu
den Startgutschriften und im
Hinblick auf andere Kritikpunkte zum Übergangsrecht.
Das betrifft unter anderem
die Nichtberücksichtigung
von Mindestversorgungsansprüchen nach Gesamtversorgungsrecht, die fehlende Dynamisierung der Startgutschriften oder die feste Stichtags-Regelung für die Berechnung der Startgutschrift ohne
Berücksichtigung von Änderungen beim Familienstand.
Die Gespräche sind zunächst
ohne Vereinbarung eines neuen Termins unterbrochen worden. „Insgesamt scheinen die
Arbeitgeber den Gegenstand
der Verhandlungen offensichtlich anders zu verstehen
als die Gewerkschaften“, kommentiert der 1. Vorsitzende
der dbb tarifunion Frank
Stöhr. „Sie haben die Gewerkschaften zu Beginn der Gespräche mit einem umfassenden Prüfbedarf für das Leistungsrecht und die Finanzierung des gesamten Punktemodells konfrontiert. Demnach sollen die Grundlagen
des gesamten Betriebsrentenmodells auf den Prüfstand.“
Das lehnt der dbb ab, denn er
sieht im neuen Punktemodell
nach wie vor einen fairen Ausgleich der Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. „Es bietet ein gutes Versorgungsniveau bei einem
aus Arbeitnehmersicht vertretbaren finanziellen Aufwand“, bekräftigt Stöhr. „Jede
Verschlechterung zu Lasten
der Arbeitnehmerseite gefährdet den Kompromiss und
damit letztlich auch die Akzeptanz in das Betriebsrentensystem überhaupt. Dagegen werden wir uns zur Wehr
쮿
setzen.“
> dbb magazin | Juni 2009
dbb > aktuell
7. Forum Personalvertretungsrecht:
Verwaltung im Wandel
Interessenvertretung
12
Die Personalvertretung als unmittelbarste Form kollegialer
Interessenvertretung im öffentlichen Dienst stehe in den
kommenden Jahren vor wegweisenden Herausforderungen. Diese Grundaussage
stand im Mittelpunkt der Ausführungen von dbb Chef Peter
Heesen. Die Überalterung der
Beschäftigten, der massive
Stellenabbau der letzten Jahre
und die konstanten Geburtenrückgänge in Deutschland
führten zu einer doppelten
Schwierigkeit: Einerseits müssten viele Stellen neu besetzt
> dbb magazin | Juni 2009
werden, andererseits nehme
gleichzeitig das Nachwuchsangebot auf dem Arbeitsmarkt
ab. „Wir geraten in einen viel
härteren Wettbewerb mit der
Privatwirtschaft um die fähigsten jungen Leute. Darauf müssen wir uns vorbereiten“, so
Heesen.
Trotz Wirtschafts- und Finanzkrise müsse ‚über Bedarf‘ eingestellt werden. „Wir müssen
jetzt reagieren, sonst ist die
Handlungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in wichtigen Bereichen – von der Bil-
Fotos: Jan Brenner
Auf dem traditionellen Forum Personalvertretung von dbb und dbb akademie, das unter dem
Motto „Verwaltung im Wandel – Eine gemeinsame Herausforderung“ stand, waren am 27. und
28. April 2009 im dbb forum berlin rund 150 für
die Personalvertretung Verantwortliche zusammengekommen. Sie repräsentierten sowohl
die Arbeitgeber als auch die gewerkschaftlich
organisierte Arbeitnehmerseite.
>
Klares Plädoyer für eine zukunftsfähige Personalentwicklung im öffentlichen Dienst: dbb Chef Peter Heesen.
Diskutierten neue Möglichkeiten
der Personalvertretung: Hans-Ulrich Benra (Bundesvorsitzender
des Verbandes der Beschäftigten
der obersten und oberen Bundesbehörden (VBOB), Anke Schwitzer (Vorsitzende des dbb schleswig-holstein, Moderator Walter
Spieß (Vorsitzender des dbb hessen), MinDir Dr. Reinhard Timmer
(Abteilungsleiter Verwaltungsmodernisierung und Verwaltungsorganisation im Bundesministerium des Innern) und MinDirig‘n Cornelia Peters (Ständige
Vertreterin Abteilungsleiter D im
Bundesministerium des Innern,
von links).
dung, über die innere Sicherheit, bis zur EDV – in wenigen
Jahren nicht mehr garantiert.“
Zu den Fachreferenten der Tagung gehörte unter anderem
der VBOB-Bundesvorsitzende
Hans-Ulrich Benra, der eine
dbb > aktuell
Anke Schwitzer, Vorsitzende
des dbb schleswig-holstein,
berichtete über die gelungene,
eine lückenlose Beteiligung gewährleistende Regelungskombination im Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein
durch Einbindung der Arbeitsgemeinschaft der Personalräte
der obersten Landesbehörden,
der Arbeitsgemeinschaft der
Hauptpersonalräte sowie der
gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen. Trotz Überschneidungen mit dem Aufgabenfeld der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften bestehe keine Konkurrenz zwischen ihnen und den Personalvertretungen.
Als Gesamtmoderator des Forums stellte Walter Spieß, Vorsitzender des dbb hessen, in
der Diskussion die Frage nach
dem Bedarf einer Novellierung
des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Den Stand-
punkt der Gewerkschaften
machte Benra deutlich: Sie
würden eine Verschlechterung
der Beteiligungsrechte im Rahmen einer Novellierung nicht
mittragen. Es gehe vielmehr
darum, die Personalvertretungen zu stärken.
Im zweiten Themenblock überzeugte Michael Westphal, Vorsitzender der dbbj, in seinem
Vortrag „Jugend- und Auszubildendenvertretung – ein Auslaufmodell?“ die Zuhörer vom
Gegenteil. Er legte dar, dass
der öffentliche Dienst qualifizierten Nachwuchs nur gewinnen könne, wenn er überzeugende Anreize dafür biete.
Zum Thema „Weniger und ältere Beschäftigte – Auswirkungen auf die Personalratsarbeit“
forderte Bodo Pfalzgraf, Vorsitzender der DPolG Berlin, die
Personalräte auf, bei der
Dienststelle klare Fakten einzufordern, um Entscheidungen
Demographische Faktoren spielen auch in der Personalvertretung eine Rolle. In der Diskussion:
Prof. Dr. Gabriele Elke (Lehrstuhl
für Arbeits- und Organisationspsychologie der Ruhr-UniversitätBochum), Heinz Pütz (Vorsitzender der dbb Arbeitsgruppe für Behindertenpolitik), Moderatorin
Ute Wiegand-Fleischhacker (Mitglied der Landesleitung des dbb
hessen), Bodo Pfalzgraf (Vorsitzender der DPolG Berlin) und
Michael Westphal (Vorsitzender
der dbb-jugend, von links).
>
Willi Russ, Vorsitzender der dbb akademie und 2. Vorsitzender der dbb
tarifunion: „Die Anforderungen der Zukunft durch aktive Mitbestimmung bewältigen.“
auf einer fundierten Grundlage treffen zu können.
Die Rolle von Führungskräften
und Personalräten bei der
Durchführung eines Gesundheitsmanagements als Faktor
für ein längeres gesundes Arbeiten wurde in der anschließenden Podiumsdiskussion
unter der Leitung von Ute Wiegand-Fleischhacker, Mitglied
der Landesleitung des dbb
hessen, von den Referenten erläutert und vertieft.
Der Vorsitzende der dbb akademie, Willi Russ, betonte abschließend, dass es einer ambitionierten Personalvertretung
und einer partizipationsfreundlichen Dienststellenleitung im
Zusammenschluss gelingen
könne, die Anforderungen der
Zukunft zu bewältigen. Russ appellierte an die Personalratsmitglieder im Plenum, sich „aktiv
einzumischen“ und sagte ihnen
dafür auch weiterhin die Unterstützung des dbb und seiner
Mitgliedsgewerkschaften zu. 쮿
> dbb magazin | Juni 2009
13
Interessenvertretung
Abbildung der Beteiligungsverhältnisse bei ressortübergreifenden Maßnahmen im Personalvertretungsgesetz des Bundes forderte. Es gehe darum,
die informellen Beteiligungsformen zu pflegen, gleichzeitig aber auf eine Formalisierung hinzuarbeiten.
dbb > fokus
14
Schule als Integrationsmotor:
reportage
Fotos: Aussenhofer, Stiftung Mercator
Wenn die Worte fehlen
In Berlin bieten sich sehr unterschiedliche Lernpotenziale. In vielen Stadtteilen leben Kinder, die einen
guten Bildungshintergrund mitbringen und viel Unterstützung der Eltern erfahren. Jedoch sind die Entwicklungen in anderen Bezirken wie etwa dem Wedding gegenläufig. Dort erzielen die Schüler aufgrund
ihrer schlechten sprachlichen Grundkenntnisse auch
ebenso schlechte schulische Ergebnisse. Im Wedding
Aslı hat Schwierigkeiten, in der
Schule. Fast alle Fächer bereiten
ihr Probleme. Denn oft versteht
sie nicht, was die Lehrer an die
Tafel schreiben. Die Texte in ihren Schulbüchern sind gespickt
mit fremden Worten, die das
türkischstämmige Mädchen
noch nie gehört hat. Deshalb
geht sie gern in den Medienhof
in die Prinzenallee im Berliner
Wedding. Hier findet sie Hilfe
bei den Hausaufgaben. Heute
ist Erdkunde dran. „Der Monsun beeinflusst das Wetter in
Indien“, erklärt Aslı ihren Klas-
> dbb magazin | Juni 2009
senkameradinnen und zeichnet
einen Pfeil in ihr Arbeitsblatt,
der die Richtung des indischen
Wetterwindes darstellen soll.
Mit ihr am Tisch sitzen sieben
Schülerinnen und Schüler, dazwischen zwei Studentinnen.
Sie sind Ansprechpartner für jede Frage und jeder, der eine Frage hat, stellt sie auch umgehend und oft gleichzeitig. Die
Jugendlichen sollen sich wohlfühlen und sich trauen, deutsch
zu sprechen.
Etwa 50 Mädchen und Jungen
– von der fünften Klasse Grund-
haben die Stiftung Mercator, die Quartiersmanagements dort und die RAA Berlin unter Leitung von
Herbert Weber gemeinsam die Bildungs- und
Sprachförderung SPRINT ins Leben gerufen. In enger
Zusammenarbeit mit Schulen aller Typen und Lehramtsstudenten aller Fakultäten versucht Weber,
durch gezielte Förderung vor allem Migrantenschüler auf einen Schulabschluss vorzubereiten.
schule bis zur Abschlussklasse
Gymnasium – kommen fast
täglich in den Medienhof im
Berliner Brennpunktkiez Wedding, um zusätzlich zum Schulunterricht mit Lehramtsstudenten zu lernen. Aufgelegt wurde
das Projekt zur Förderung von
Migrantenkindern und zukünftigen Lehrern vor drei Jahren
von der Stiftung Mercator. Initiator der unabhängigen Sprachund Bildungsförderung SPRINT
(SPRache und INTegration) im
Berliner Wedding ist Herbert
Weber, der für den gemeinnüt-
zigen Träger RAA arbeitet: „Wir
versuchen Schüler mit Migrationshintergrund zu unterstützen – sowohl hier im Medienhof als auch an 14 Schulen um
den Medienhof herum.“ Insgesamt helfen rund 62 Lehramtsstudentinnen und -studenten
rund 300 Schülerinnen und
Schülern.
>
Das Prinzip „Deutsch
als Zweitsprache“
Das Projekt hat sich zwei Ziele
gesetzt. Zum einen Schüler mit
Migrationshintergrund zu för-
dbb > fokus
Zugleich versucht das Projekt
Lehramtsstudenten in die Praxis zu bringen. Sie können die
Unterrichtsrealität erfahren
und, über die knapp bemessen Schulpraktika im Lehramtsstudium hinaus, Sicherheit in der Unterrichtsführung
erlangen. Auf den Punkt gebracht: „Jugendliche sollen ihren Sprach- und Bildungsrückstand durch einen Sprint aufholen. Die Frage ist nur, ob die
Hindernisse, die sich ihnen im
Brennpunktkiez in den Weg
stellen, nicht zu hoch sind“,
sagt Weber.
>
Sprache ist der
Schlüssel
Wedding ist der Ortsteil des
Berliner Verwaltungsbezirks
Mitte mit den meisten Migranten. Das beeinflusst auch die
Lernbedingungen an den Schulen. Hinzu kommen die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen viele Kinder
groß werden und deren sprachliche Mängel, die ihnen den Zugang zu weiterführenden Schulen erschweren. Rund 39 Prozent der Berliner Schüler leben
unter Armutsbedingungen.
Eine Grundvoraussetzung, die
sich im Wedding potenziert:
Hier liegt der Anteil an Kindern,
die aus Familien mit großen
wirtschaftlichen Problemen
kommen, bei etwa 70 Prozent.
„Wir haben erlebt, dass Kinder
im fünften, sechsten Schuljahr
das Brandenburger Tor oder
den Alexanderplatz nur aus
dem Geographiebuch kannten.
Dabei wohnen sie im Bezirk
Mitte“, konstatiert Weber.
Diese Entwicklung spiegelt sich
auch in der Zusammensetzung
der Klassen wider. Waren Anfang der 90er Jahre noch etwa
die Hälfte der Schüler auf
weiterführenden Schulen im
Wedding deutscher Herkunft,
so sind es heute nur noch etwa
>
30 Prozent. So kommt es, dass
die Lehrer als einzige sprachliche Vorbilder für die Jugendlichen übrig bleiben. Und gerade die Sprache, betont Weber,
sei für den Bildungserwerb ein
ganz entscheidendes Mittel:
„Die Sprache ist der Schlüssel
zu den Bildungsinhalten.“
Doch zu Hause sprechen die
meisten Schüler mit ihren Eltern in ihrer Muttersprache. Zu
einer gelungenen Integration
gehört allerdings, sich in der
Zielgesellschaft vollkommen
zurechtzufinden und das bedeutet für Weber, nicht nur die
Sprache zu beherrschen, sondern auch kulturelle Kenntnisse
und Umgangsformen zu erlernen. Darüber hinaus sind
Freundeskreise und Netzwerke
nötig, um „sozial eingebunden“
zu sein.
>
>
Hanna Rosshof macht es Spaß, mit Schülern wie Adel über den Geschichtshausaufgaben zu brüten: „Du musst deine eigene Sprache vermitteln, weil die Kinder teiweise nicht verstehen, was in den Schultexten drinsteht.“
Wie lang ist der Nil?
Adel schlägt sein Heft auf. Geschichte steht auf dem Programm. Das alte Ägypten ist
das Thema. Er hat sich an diesem Tag Hanna als Nahhilfelehrerin im Medienhof ausgesucht. Er findet sie nett, sagt er,
„und sie ist gut in Geschichte.“
„Was weißt du über den Nil?“
wiederholt Hanna die Frage„Warum sind die Spanier auf Seefahrt gegangen?“ – „Columbus wollte
einen kürzeren Seeweg nach Indien finden.“ Aslı lässt sich von Herbert
Weber, dem Initiator des Bildungs- und Förderunterrichts SPRINT, die
Entdeckung Amerikas erklären.
stellung. „Er ist in Ägypten. Er
ist der größte Fluss der Welt“,
antwortet Adel und notiert die
Sätze in großen Buchstaben in
seinen Hefter. Die genaue Länge muss er noch herausfinden.
Entschlossen blättert er in seiner Arbeitsmappe. Adel kommt
fast jeden Tag in den Medienhof. Hier bekommt er die Aufmerksamkeit bei den Schularbeiten, die er weder von seinen
Klassenlehrern noch zu Hause
erfährt. „Meine Brüder haben
nicht immer Zeit, mir zu helfen.
Der eine macht gerade eine
Ausbildung, der andere sein Abitur und muss selbst viel lernen.
Die Nachhilfelehrer haben
mehr Zeit für uns.“ Außerdem
sei die Atmosphäre hier ganz
anders als in der Schule. Lockerer, meint Adel: „Man darf laut
reden. Hier traut man sich auch
mehr.“ Aber nicht nur weil Adel
gut in der Schule sein will, besucht er den Medienhof. Denn
neben der Hausaufgabenhilfe
kommen die Kinder auch in den
Genuss eines umfangreichen
Ferienprogramms mit Ausflügen, Computer und Theaterkursen. Dort lernen die Jugendlichen Theaterstücke selbst zu
entwickeln; sie improvisieren
Szenen, die mit ihrem eigenen
Erfahrungshorizont zu tun ha-
> dbb magazin | Juni 2009
15
reportage
dern, die sowohl aufgrund ihrer sozialen als auch ihrer
sprachlichen Herkunft im
deutschen Bildungssystem
benachteiligt sind. Die Grundlage bildet das pädagogische
Konzept „Deutsch als Zweitsprache“ (DAZ), das anders als
gewöhnlicher Fremdsprachenunterricht vor allem auf visuelle Unterrichtshilfen setzt.
Etwa auf Schlüsselbegriffskarten, die zusammen mit den
Schülern im Unterricht erstellt
und auf denen die deutschen
Worte mit einem aussagekräftigen Bild illustriert werden
oder etwa das grammatische
Geschlecht durch eine Farbe
ausgedrückt wird. Aber vor allem setzt das SPRINT-Projekt
auf individuelle Betreuung der
Schüler durch gezielte Sprachund Fachhilfe an Schulen und
im eigenen Förderzentrum.
dbb > fokus
>
reportage
16
Sag es mit den richtigen Worten: Der Unterrichtsansatz „Deutsch als Zweitsprache“ arbeitet mit visuellen
Unterrichtshilfen, die den Jugendlcihen helfen, ihren deutschen Wortschatz zu erweitern und zu verfestigen.
ben. So können sie sich kreativ entwickeln und ihre Energie ablassen. „Das Projekt
SPRINT will Sprachförderung
auch ganzheitlich in die Persönlichkeitsentwicklung einbetten“, erklärt Weber.
Die Probleme mit der Sprache
beginnen bereits ganz früh.
Kinder aus sozial schwachen
Familien werden oft nicht
durch Vorlesen und Zuhören
zum Sprechen angeregt. In
Kindergärten sind die Betreuerinnen und Betreuer
meist nur schlecht bis gar
nicht im Bereich Sprachförderung ausgebildet. Das zeigt
sich spätestens in den Einschulungstests. 70 Prozent aller Schülerinnen und Schüler
im Wedding und anderen Bezirken mit ähnlicher Bevölkerungsstruktur – auch solche
ohne Migrationshintergrund
– haben sprachliche Defizite,
40 Prozent von ihnen massive
Sprachprobleme. Bereits einfache Sätze bereiten ihnen
Schwierigkeiten und oft fehlen ihnen grundlegende Vokabeln wie etwa die deutschen Worte für „Arm“ oder
„Bein“. „Ein Schüler sollte das
Gewicht der Ladung eines
LKW berechnen. Der LKW
wird mit und ohne Ladung
gewogen. Kann man sich
leicht vorstellen“, berichtet
Weber aus seiner Erfahrung
im Förderunterricht. Doch der
Junge wusste noch nicht einmal, was ein LKW ist, geschweige denn, was das Wort
„Ladung“ in diesem Kontext
bedeutet: „Das ist das, was in
der Pistole drin ist“, war die
Antwort. Er hatte die Aufgabenstellung überhaupt nicht
verstanden. „Die Schüler nehmen ihr Wissen aus ihrem
konkreten Alltagsumfeld. In
der Schule wird jedoch vorausgesetzt, dass sie solche
Aufgaben verstehen. Das ist
das zentrale Problem“, erklärt
Weber.
tungs- oder Teilungsunterricht
überhaupt möglich zu machen. Der Grund: Es fehlt an
Geld für ausreichend viele und
umfassend qualifizierte DAZLehrkräfte. Deutsch als Zweitsprache (DAZ) ist noch immer
ein Randbegriff in der Lehreraus- und Fortbildung. Entsprechende Angebote werden zudem nur sehr zaghaft in Anspruch genommen.
>
Sechs bis sieben Stunden verbringen die Schüler an der
Schule, wenn sie Glück haben
auf einer wie der Herbert-Hoo-
Damit sich das ändert, sind Korinna Schulz und Julia Rambow
als SPRINT-Förderlehrerinnen
einmal in der Woche an der
Herbert-Hoover-Schule tätig.
Diese Problematik begleitet
die Schüler durch ihre gesamte Schulzeit hindurch. Denn
oftmals wird die schulische
Förderung nicht ausreichend
umgesetzt. Es gibt zwar in
Berlin ein Kontingent an
Stunden, die zur Sprachförderung erteilt werden sollen.
Diese Deutsch-als-Zweitsprache-Stunden werden aber
sehr häufig zweckentfremdet
genutzt, etwa um Vertre>
> dbb magazin | Juni 2009
Schule kann nicht
alles auffangen
ver-Oberschule, die DAZ als Förderschwerpunkt verfolgt. Das
Ziel ist einfach erklärt Realschulrektor Thomas Schumann:
„Nur mit guten und sehr guten
Deutschkenntnissen überzeugst du im Bewerbungsgespräch.“ Auf dem Schulhof wird
Deutsch gesprochen und im
Deutschunterricht gibt es zusätzliche Teilungsstunden, in
denen die Klassen in kleinen
Gruppen unterrichtet werden.
Zusätzliche Unterstützung bietet die Zusammenarbeit mit
dem Projekt SPRINT. „Die Schule kann nicht alles auffangen. Es
muss zum Unterricht noch etwas dazu kommen, was den
Schülern Gelegenheit gibt, aufzuholen, was sie zu Hause nicht
bekommen“, sagt Schumann.
Das SPRINT-Projekt erscheint
ihm optimal: Ein an den Unterricht anschließendes freiwilliges Angebot für Schüler, eine
Form von Nachhilfe, die die
Schüler individuell auf bestimmte Prüfungsabsichten
vorbereitet. „Das Hauptproblem der Schüler liegt in der
Sprache begründet“, erklärt
Schumann seinen Ansatz. „Sie
verstehen nicht, was sie lesen.
Sie haben keinen Zugang zu
den Bildungsinhalten, weil ihnen die Sprachkenntnisse fehlen.“
Die SPRINT-Förderlehrer und -lehrerinnen sind an 14 Weddinger Schulen
tätig. Im Diesterweg-Gymnasium hilft Studentin Gajane Pascheava (2.
Von links) Schülerinnen der 8. Klasse, wenn es Verständnisprobleme gibt.
dbb > fokus
Rektor Thomas Schumann und seine Assistentin Petra Müller wollen
auf Augenhöhe mit ihren Schülern sein. Die Türe zum Rektorat in der
Herbert-Hoover-Oberschule steht allen offen.
Die angehenden Sonderpädagoginnen helfen den Schülern
nachmittags bei den Hausaufgaben, erarbeiten mit ihnen
Referate, holen nicht verstandenen Unterrichtsstoff nach.
Einmal in der Woche sind sie
zusätzlich als Assistenzlehrer
im Fachunterricht und unterstützen den Lehrer.
Schumann legt Wert auf eine
freie Gestaltung der Unterrichtszusammenarbeit: „Sie
kann eine wirkliche sein, wenn
Schülern im Einzelfall individuelle Hilfen gegeben werden
bis hin zu einer Form von Team-Teaching.“ Ein nicht unerwünschter Nebeneffekt sei,
dass die künftigen Kollegen
auch einmal die Wirklichkeit
erleben, ohne in einer Prüfungssituation zu stecken, ergänzt Schumann. Auch Förderlehrerin Julia freut sich über
den zusätzlichen Praxisschub
>
in ihrer Ausbildung. „Die Stärke des Modells ist, dass jede
Schule für sich eine Form der
Förderidee entwickeln kann,
etwa wie wir in den Unterricht
eingebunden werden.“
>
Zukunftsvision:
Unterrichten im Team
Das Prinzip des Lehrertandems
an der Herbert-Hoover-Oberschule orientiert sich an bereits existierenden Leuchtturmprojekten und an Privatschulmodellen, die zwei Klassenlehrer in den Klassen einsetzen. Doch die Einbindung
des Tandemprinzips in den
Unterricht an der Herbert-Hoover-Oberschule verlief nicht
ganz reibungslos. Zum einen
wurde das Projekt von den
Schülern anfangs nicht als Bereicherung wahrgenommen,
zum anderen war die Situation
für die Fachlehrer ungewohnt,
Erdkundenachhilfe mit Förderunterricht Sascha Dörpner (r.): „Hausaufgaben sollen auch Spaß machen, aber das Lernen hat Priorität.“
Hindernisse stecken gerade in
der zeitlichen Vereinbarkeit
von Studium und Schulunterricht. Oftmals überschneiden
sich Vorlesungstermine mit
den vereinbarten Tandemstunden. Hinzu kommen die Schulferien der Lehrer und die Prüfungsphasen der Studentinnen, die die Zusammenarbeit
erschweren. Erfahrungen die
auch Julia gemacht hat: „Im
Studium müsste einfach Platz
für einen Praxisansatz wie
SPRINT gemacht werden.“
Noch bis Ende 2010 ist das
SPRINT-Projekt durch Stiftungsgelder finanziert. Danach
>
ist ungewiss, ob sich Adel, Aslı
und ihre Freunde noch weiter
im Medienhof zum Hausaufgabenmachen verabreden können und ob Korinna und Julia
dann noch ihre Förderklasse an
der Herbert-Hoover-Schule betreuen dürfen. Immerhin hat
sich die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria
Böhmer, für eine flächendeckende Fortführung von Förderprogrammen wie dem SPRINTProjekt ausgesprochen.
So lange es geht wollen Korinna und Julia auf jeden Fall
weitermachen. Auch an diesem
Mittwochnachmittag schließen
sie die Türe zum Klassenzimmer der Förderklasse in der
Herbert-Hoover-Oberschule
auf. Hausaufgabenhilfe steht
auf dem Programm. Fatma ist
die erste im Klassenraum. Stolz
präsentiert sie eine selbstgetöpferte Vase aus dem Werkunterricht. Doch noch stolzer
ist das türkische Mädchen mit
dem knall-bunten Kopftuch auf
ihre Erdkundezensur: Ein glatte
zwei! Ihre Augen strahlen, als
sie Corinna die Arbeit hinhält.
Noch vor zwei Wochen hatte
die Lehramtsstudentin mit Fatma den Stoff für die Prüfung
gepaukt: „Was wir schaffen ist
Motivation. Es sind punktuelle
Erfolge, wie etwa, wenn sich
der Schüler in der nächsten
Mathestunde melden kann.“
Text: Birgit Ulrich
Fotos: Birgit Ulrich/Stiftung
Mercator
Probleme in Mathe oder Physik? Kein Problem. Physikstudent Julian
Roxlau hilft. Seit 2006 ist er Förderlehrer im Weddinger Medienhof.
17
reportage
>
zu zweit vor einer Klasse zu
stehen. Weber kennt die Problematik aus nunmehr dreijähriger Praxiserfahrung an anderen Weddinger Schulen: „Lehrer sind daran gewöhnt allein
vor der Klasse zu stehen. Für
dieses Modell braucht man
Lehrer, die eine wirkliche Kooperation wollen.“ Gerade an
diesem Punkt sieht auch Rektor Schumann Nachholbedarf,
wenn es darum geht Schülern
mit Migrationshintergrund Zugang zu höherer Bildung zu
verschaffen. „Wir müssen uns
für andere Kooperationsformen öffnen. Der Lehrer als Einzelkämpfer, das ist ein Päckchen, das wir noch zu tragen
haben. Dieses neue Modell
könnte uns zu einem anderen
Verhalten im Unterricht animieren.“
dbb > fokus
DDR-Geschichte im Unterricht:
Schwer
vermittelbar?
brennpunkt
18
Ostalgie hat Hochkonjunktur. DDR-Souvenirs –
vom FDJ-Hemd über die Olympia-Trainingsjacke
bis hin zum Grenzturm-Bausatz – verkaufen sich
nicht nur in Berlin, sondern via Internet weltweit
gut. Filme wie „Good Bye, Lenin“ oder „Sonnenallee“ tun ein Übriges, das Unrechtsregime DDR zu
verklären. Ende vergangenen Jahres hat eine Studie das Geschichtswissen von Schülern in Ost
und West unter die Lupe genommen und gravierende Defizite festgestellt. Ist das Thema DDRGeschichte im Unterricht tatsächlich so schwer
vermittelbar, wie es den Anschein hat? Warum
sind Schüler mehr oder weniger ahnungslos,
wenn es um die jüngste deutsch-deutsche
Geschichte und deren Beurteilung geht?
Erich Honecker war ein Westpolitiker, Willy Brandt eine bekannte DDR-Größe. Die Mauer
wurde von der Bunderepublik
oder von den Alliierten gebaut.
Perestroika war ein russischer
Dichter, und den Menschen im
Osten ging es vor der Wende
besser, weil alle Arbeit hatten.
Das sind einige der Weisheiten,
die Schüler aus Bayern, Berlin,
Brandenburg und NordrheinWestfalen über die untergegangene DDR zum Besten gegeben
haben. Geradezu erschreckend,
so das Ergebnis einer vergleichenden Studie, in der über
5 200 Schülerinen und Schüler
im Alter zwischen 16 und 17
Jahren zu ihrem DDR-Bild befragt worden sind, ist das fehlende Faktenwissen. Die Folge:
Eine differenzierte Beurteilung
ist den meisten gar nicht möglich. Bei bayerischen Schülern
sind die Defizite am geringsten,
obgleich das subjektive Interesse an der DDR nicht zuletzt auf-
> dbb magazin | Juni 2009
grund der räumlichen Distanz
weniger stark ausgeprägt ist als
bei Schülern aus Berlin und
Brandenburg.
>
Fehlendes
Faktenwissen
Immerhin haben zwei Drittel
der Schüler in Bayern und
Nordrhein-Westfalen den Diktaturcharakter des SED-Staates
erkannt, während dort ein Drittel und in Berlin und Brandenburg die absolute Mehrheit der
Schüler die DDR nicht als Diktatur begreifen. Das positive Bild
resultiert im Osten nicht zuletzt
aus den Erzählungen und Berichten aus dem Elternhaus und
die damit einhergehende Reduzierung des Staates auf den Alltags- und Privatbereich, wobei
die vermeintlichen sozialen Vorteile im Vergleich zur damaligen Bundesrepublik West deutlich überbetont werden.
Da das im Unterricht vermittelte Geschichtsbild der Befragten
stark von dem abwich, was ihnen Zuhause erzählt worden
ist, stellten sie die Lernergebnisse der Schule infrage. Eine
ähnliche Sicht- und Verhaltensweise trifft im Westen zwar nur
auf sechs Prozent der Schüler
zu, doch ist es durchaus ein gesamtdeutsches Problem, dass
der grundlegende Unterschied
zwischen Diktatur und Demokratie nicht ausreichend bekannt ist.
Hier liegt ein wichtiger Bildungsauftrag der Schulen, der
stärker als bisher in den Fokus
gerückt werden muss: Je mehr
Fakten über den DDR-Alltag,
den Diktaturcharakter des Staates und die Entstehung der Oppositionsbewegung bis hin zur
„Wir wissen: Demokratie ist
nicht selbstverständlich; sie
musste in einem langen historischen Prozess errungen werden. Demokratie ist stets aufs
Neue Gefahren ausgesetzt.
Dies zeigt die deutsche Geschichte mit zwei Diktaturen
im 20. Jahrhundert. Aktuelle
Gefahren stellen insbesondere
der Rechtsextremismus, der
religiöse Fundamentalismus
und der Linksextremismus dar.
(Aus: Stralsunder Beschlüsse
der KMK vom 6. März 2009)
friedlichen Revolution von 1989
bei den Schülern bekannt sind,
desto eher können sie sich ein
fundiertes Urteil über den Unrechtsstaat bilden, das der Mythenbildung über die „gute, alte Zeit“ entgegenwirkt. Ein Ergebnis der bereits zitierten Studie belegt: Je weniger die Schüler über den SED-Staat wissen,
desto positiver fällt ihre Beurteilung aus.
Bereits in der Primarstufe sollen die Grundlagen der Demokratie behandelt werden, und in der Sekundarstufe I stehen Nationalsozialismus und
DDR-Diktatur auf dem Stundenplan, um den Schülerinnen und Schülern
das notwendige Wissen zur Beurteilung der jüngeren deutschen Geschichte zu vermitteln. Die aktive Begegnung und Auseinandersetzung
mit Zeitzeugen oder historischen Bauwerken gehört dazu.
dbb > fokus
>
Langwierige
Kurssuche
Die Geschichte der DDR wird
in der Regel in der zehnten Klasse behandelt und an den Gymnasien in der zwölften oder
13. Klasse nochmals vertieft –
wenn die Zeit denn reicht, und
nicht aufgrund knapper Stundentafeln und Stundenausfall
der Unterricht dem Lehrplan
notgedrungen hinterherhinkt.
„Wir sind nur bis zur Gründung
der Bundesrepublik gekommen“,
beklagt eine Studentin ihre Wissensdefizite, und ein Kommilitone ergänzt: „Den Nationalsozialismus hatten wir mehrmals, die
DDR gar nicht.“ Dies ist weder
die Regel noch den Lehrern anzulasten, aber es verlangt dennoch eine Neuorientierung der
Schwerpunkte im Geschichtsunterricht der Schulen. Nach einem langwierigen und zähen
Meinungsbildungsprozess hat
die KMK jetzt entsprechende
Konsequenzen gezogen.
Vor der deutschen Wiedervereinigung wurde die Geschichte
der Bundesrepublik im Unterricht sehr selbstkritisch, hingegen die der DDR eher oberflächlich und kursorisch behandelt.
Dafür mögen stärker politische
Aspekte als wissenschaftlichdidaktische Erkenntnisse ausschlaggebend gewesen sein, um
Nach dem Mauerfall überwog
im Unterricht die Vermittlung,
dass die Bundesrepublik im
Gegensatz zur wirtschaftlich
und politisch maroden DDR ein
erfolgreicher Sozialstaat gewesen sei – und ist. Auch dieser Ansatz begünstigte eine objektivkritische Bestandsaufnahme
und Würdigung der staatlichen
Unterschiede nicht. Dies erkannte auch die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK), doch der
Weg zu neuen Sichtweisen der
DDR-Geschichte erwies sich
nach wie vor als steinig.
Bereits ein Jahr nach der
Wiedervereinigung hatte die
KMK einen Entwurf zum Thema
„Darstellung Deutschlands im
Unterricht“ in Auftrag gegeben,
den sie auf ihrer Sitzung Ende
September 1995 jedoch nicht
verabschiedete, sondern lediglich zur Kenntnis nahm. Die Kritiker der 14-seitigen Unterrichtsempfehlung monierten,
dass die DDR nicht objektiv dargestellt und das Recht der Menschen in Ostdeutschland auf ihre Selbstdarstellung nicht ausreichend beachtet worden sei.
Von Propaganda war die Rede
und von einem verordneten
Geschichtsbild. Dennoch setzten
Baden-Württemberg, Bayern,
Sachsen und Nordrhein-Westfalen die Empfehlungen ab Herbst
1996 um – mit (relativem) Erfolg, wie die Schülerumfrage für
Bayern und NRW belegt hat.
>
Demokratische
Schulstruktur
20 Jahre nach dem Mauerfall
und 60 Jahre nach der Grün-
dung beider deutscher Staaten
hat die KMK dieses Doppeljubiläum und die damit einhergehende kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte
zum Anlass genommen, (auch)
eine Reform des Geschichtsunterrichtes in Angriff zu nehmen. Auf ihrer 325. Sitzung am
5. und 6. März 2009 in Stralsund fasste das Gremium unter
der Überschrift „Stärkung der
Demokratieerziehung“ Beschlüsse, die in den Ländern
„nach Möglichkeit“ umgesetzt
werden sollen.
So sollen Nationalsozialismus
und DDR-Diktatur bereits in der
Sekundarstufe I behandelt werden. Unterricht über Entste-
Solidarität und Toleranz niemals
zur Disposition stehen dürfen –
auch nicht in Zeiten eines tief
greifenden gesellschaftlichen
Wandels.
Schon in der Grundschule sollen
die Kinder an die Grundprinzipien der demokratischen Staatsund Gesellschaftsordnung und
die Unterschiede zu diktatorischen Herrschaftsformen herangeführt werden. Für die Schule
bedeute dies: Demokratielernen
geschieht fächerübergreifend
und ist Grundprinzip in allen Bereichen der pädagogischen Arbeit. „Die Schule selbst muss
Handlungsfeld gelebter Demokratie sein, in dem die Würde
des jeweils Anderen großgeschrieben, Toleranz gegenüber
anderen Menschen und Meinungen geübt, für Zivilcourage
eingetreten wird, Regeln eingehalten und Konflikte gewaltfrei
gelöst werden“, heißt es in den
Stralsunder Beschlüssen.
>
Klare Worte fand Bundeskanzlerin Angela Merkel bei
einer Jubiläumsveranstaltung
am 8. Mai 2009 in Berlin, indem sie vor einer Verklärung
des SED-Regimes warnte.
Freundschaften und glückliche Ereignisse zögen sich
durch die Biografien aller
Menschen, die in der DDR gelebt haben. „Aber das ändert
nichts daran, dass die DDR
ein Unrechtsstaat war.“
hung und Funktionsweise demokratischer Institutionen,
über die Entwicklung Deutschlands zu einem sozialen Rechtsstaat sowie über die friedliche
Revolution in der DDR 1989 gehöre, so die Auffassung der
KMK, zur Demokratieerziehung. Basis für die Reform solle
eine „demokratische Schulstruktur“ sein. Die Schüler sollen erfahren und erkennen,
dass demokratische Grundwerte wie Freiheit, Gerechtigkeit,
Demokratie (er-)leben
KMK-Präsident Henry Tesch hat
vorgeschlagen, den Jahrestag
des Mauerfalls, am 9. November
1989 zum deutschlandweiten
Projekttag in den Schulen zu
machen. Ein fächer- und klassenübergreifender Unterricht sei
wichtig, damit sich die Schüler
aktiv mit dem größten friedlichen weltpolitischen Ereignis
des 20. Jahrhunderts, der friedlichen Revolution von 1989 und
dem Tag des Mauerfalls, auseinandersetzen. Nach Vorstellungen Teschs soll dabei nicht das
Lernen unterbrochen, sondern in
besonderer Form fortgesetzt
werden. So könnten Schulklassen Museen und Gedenkstätten
besuchen, Gespräche mit Zeitzeugen führen oder Literaturlesungen veranstalten. „Das Thema Wahrnehmung des Mauerfalls in Ost und West sowie die
Aufarbeitung ist ein wichtiges
Anliegen, das es gilt, an einem
solchen Gedenktag zu behandeln“, erklärte Tesch. – Das wäre
ein guter Anfang, Demokratie zu
(er-)leben.
sm
> dbb magazin | Juni 2009
19
brennpunkt
die Beziehung zwischen West
und Ost nicht durch Systemkritik zu belasten. Die Folge: Nahezu die Hälfte der damaligen
Schüler war beispielsweise der
Meinung, die DDR sei Ausland,
obgleich nach den Lehrplänen
besonderes Augenmerk auf die
Vermittlung der Erkenntnis gelegt werden sollte, dass beide
deutsche Staaten eine Nation
darstellen und eine friedliche
Wiedervereinigung angestrebt
werde.
dbb > fokus
Rainer Saalfrank, Vorstandssprecher der VVS Holding:
Gute Karten…
18. Mai 2009, 12.00 Uhr: Wir sind im Bocca di Bacco in der Berliner Friedrichstraße zum Lunch verabredet. Rainer Saalfrank, unser Gesprächspartner für das Mittagsgespräch des dbb magazins,
wartet bereits auf uns. Pünktlichkeit gehört zum
Geschäft. Anderthalb Stunden hat er Zeit für
uns, eigentlich zu wenig, um zu erklären, was ein
Full-Service Dienstleister für kartengestützte
Kundenbindungssysteme leistet. Saalfrank, eloquent und wortgewandt, schafft nicht nur das in
Rekordzeit, sondern überzeugt uns davon, die
Angebote der VVS Holding intensiv zu nutzen:
Gute Karten – für alle Beteiligten …
mittagsgespräch
20
Am Anfang unseres Gesprächs
steht der Visitenkartentausch.
„Rainer Saalfrank, Sprecher der
Geschäftsführung, Managing
Director, VVS Holding“ prangt
auf der Karte, auf der Rückseite
sind acht Logos eingedruckt.
Sie stehen für die Gesellschaften, die der Holding angehören.
Allen voran „BSW. Der BonusClub“, das Flaggschiff des Zusammenschlusses. „VVS Holding? Was heißt das eigentlich?“, fragen wir. „Vertriebs-,
Verwaltungs- und Service
GmbH“, erklärt Saalfrank und
nimmt beim raschen Blick in
die Speisekarte einen Schluck
San Pellegrino. „Mein Lieblingsgetränk“, erfahren wir beiläufig.
Ein Glas Wein zum Essen gibt es
frühestens abends, außerdem
steht heute Nachmittag noch
ein Vortrag vor großem Publikum an. „Da braucht man Wasser und einen klaren Kopf.“
Doch zurück zur VVS. Die Holding, erläutert Rainer Saalfrank,
hat im Direktvertrieb Autos und
Bücher (an die 600 000 Kinderbücher waren es im letzten
Jahr) im Angebot; außerdem
biete sie alle notwendigen
Dienstleistungen an, die ein
> dbb magazin | Juni 2009
kartengestütztes Kundenbindungssystem benötigt. Das
reicht von der Softwareentwicklung und der Datenerfassung über das Adressmanagement bis hin zur Komplettabwicklung. Saalfrank erläutert
uns die spröde klingende Materie am Beispiel BSW: „Ein Verbraucher wird Club-Mitglied
und erhält bei den Unternehmen, die mit uns entsprechende Verträge abgeschlossen haben, einen Rabatt, der über seine Club-Karte registriert und
abgerechnet wird.“ Einmal im
Jahr erhalten die BSW-Mitglieder eine Auflistung über den erzielten Gesamtbonus, und der
Betrag wird ihnen in Cent und
Euro gutgeschrieben – meistens weit mehr als der Jahresbeitrag von 29 Euro, den jedes
Clubmitglied zu zahlen hat. Mit
ihrem Beitrag finanzieren die
Nutzer das System.
www.bsw.de
„Ich habe im vergangenen Jahr
298 Euro ausgezahlt bekommen“, schmunzelt Saalfrank,
„und es war weder eine Reise
dabei noch eine größere Anschaffung.“ Je konsequenter
die Rabattkarte genutzt wird,
desto höher die Auszahlung.
Viele Geschäfte werben mit
dem Hinweis, „BSW-Mitglied“,
bei anderen muss man eben fragen, denn die Liste der Shops,
Kaufhäuser und sonstigen Anbieter ist lang. „Monatlich schicken unsere Mitarbeiter in Bayreuth allein circa 30 000 Rechnungen an unsere BSW-Partnerfirmen.“ Und stetig kommen
neue Anbieter hinzu: 16 Werber
sind bundesweit
für den Bonusclub unterwegs,
bringen potenziellen Geschäftspartnern die Vorteile des Systems näher: Die Kundenbindung
über die Rabattkarte ist groß,
der gewährte Rabatt eine lohnende Geschäftsinvestition.
Unmittelbar nach dem Fall der
Mauer 1989 expandierte der Bonusclub in den Osten, und die
Zahl der Nutzer und Anbieter erhöhte sich kräftig. „Schauen Sie
sich die Friedrichstraße an“,
Saalfrank blickt aus dem Fenster. „Nebenan, Butter Lindner,
gegenüber das Lafayette. Die
Straße ist fest in BSW-Hand.“
Zurzeit managt der Bonusclub
sechs Millionen Kundenbeziehungen. 1,7 Millionen Clubkar-
ten sind in Umlauf, 800 000
Hauptkarteninhaber gehören
dem BSW an, vorwiegend aus
dem öffentlichen Dienst, denn –
so erzählt Saalfrank rückblickend – dort liegen die Wurzeln
des 1960 gegründeten Traditionsunternehmens. Damals
schlossen sich in Hamburg 23
Zollbeamte zusammen, um gemeinsam preiswert einzukaufen. Nach und nach entstand ein
Netzwerk, ein Hauptgeschäftsführer übernahm die Geschäftsabwicklung, Mitarbeiter kamen
nach und nach hinzu, es entwickelte sich das „Beamtenselbsthilfewerk, kurz: das BSW. „Heute“, erzählt Saalfrank nicht ohne
Stolz, „hat die VVS Holding etwa
400 Mitarbeiter, 240 davon arbeiten in der Zentrale in Bayreuth, 120 dort sind allein für
das BSW zuständig.“
Die Geschäftsabwicklung war
lange Zeit recht aufwändig, lief
über Belege und Rechnungen in
Papierform zwischen dem BSW,
den Verbrauchern und den Anbietern hin und her. Das änderte
sich 1995 mit der Einführung
der Chipkarte, als deren Erfinder
für das Rabattgeschäft BSW gelten kann.
dbb > fokus
Angefangen beim BSW hat Saalfrank 1999 nach einem dreijährigen Zwischenspiel in einem großen Industrieunternehmen als
„Interner Berater/Revisor“. Er
schmunzelt heute selbst über
diese Bezeichnung, aber guter
Rat war damals besonders notwendig. Das Rabattgesetz war
gefallen und der Monopolist
BSW musste sich gegen wachsende Konkurrenz behaupten
und neu positionieren. Eine steile Karriere folgte: Bereits drei
Jahre später avancierte Rainer
Saalfrank zum kaufmännischen
Leiter der VVS Holding, seit 2006
amtiert er als Vorstandssprecher
der Holding und des BSW in Personalunion.
„Sie sehen“, kommentiert der
gebürtige Oberfranke sein Debüt und seinen Werdegang
beim BSW, „wir haben damals
den Fall des Rabattgesetzes
überlebt und uns als relativ kleines Unternehmen mit unserem
Full-Service und einer neuen
Grundphilosophie eine sichere
Marktposition schaffen können.“ Viel größer soll das Unternehmen gar nicht werden, denn
gute Rabatte geben Firmen
nicht an eine unbegrenzte Zahl
von Kunden, sondern nur an eine überschaubare, geschlossene
Benutzergruppe. Ein wenig Exklusivität, BSW-Mitglied zu sein,
gehört eben dazu.
www.dbb-vorteilswelt.de
Am 15. April 2009 ist ein neues,
ehrgeiziges Projekt an den Start
gegangen, das ebenfalls auf das
Know-how und die Serviceleistungen der VVS Holding zurückgreift: die dbb vorteilswelt. Von
den ersten Planungen bis zur Re-
alisierung hat Rainer Saalfrank
sich für dieses Projekt stark gemacht. Exklusiv für dbb Mitglieder werden Dienstleistungen
und günstige Einkaufsmöglichkeiten mit besonders attraktiven Rabatten über das Internet
angeboten. Dem Online-Geschäft, davon ist Saalfrank
überzeugt, gehört die Zukunft –
auch für lebensältere Zielgruppen: „Bedenken Sie, wer heute
in Rente geht, hat 20 Jahre PCErfahrung hinter sich.“
Unmittelbar nach dem Start
der neuen Serviceleistung des
dbb haben sich bereits über
2 500 Nutzer angemeldet – mit
steigender Tendenz. Saalfrank
lehnt sich entspannt zurück:
„Da haben wir was Schickes
hingestellt.“ Unseren Einwand,
dass die Anzahl der beteiligten
Shops relativ klein sei, ist für
ihn kein Kritikpunkt; im Gegenteil: „Wir werden wachsen, und
es ist weit besser, 20 richtig gute Partner zu haben mit tollen
Angeboten und Rabatten als
1 000, die unseren Kunden, also
Ihren Mitgliedern, nicht mehr
bieten als allen anderen auch.“
„Aber“, wollen wir als nächstes
wissen, „macht sich das BSW
mit der neuen dbb vorteilswelt
nicht selber Konkurrenz?
Schließlich ist deren Nutzung
für dbb Mitglieder kostenlos.“
Auch das nicht, meint Saalfrank,
denn es handele sich um zwei
völlig unterschiedliche Geschäftsideen: „Die vorteilswelt
funktioniert nur online bei exklusiven Partnern, das BSW ist
dagegen unschlagbar beim täglichen Einkauf, ob beim Metzger
nebenan, im Versandhandel per
Katalog und Bestellkarte oder
beim Tanken an der Tankstelle.
Das Netz der Partnerfirmen ist
eng, und BSW informiert die
Mitglieder gezielt, nach Postleitzahlen ausgewählt, über neue
Angebote in der Region. „Teure
Werbung vor der Tagesschau“,
so Saalfrank, „können wir uns
nicht leisten, brauchen wir aber
auch nicht. Wir fahren gut damit, auf den Multiplikatoreneffekt zu setzen.“
Wir sind inzwischen beim Espresso angelangt und der nächste Termin wartet schon. „Haben
Sie eigentlich noch Zeit für Hobbys und Ihre Familie“, wollen wir
zum Abschluss wissen. „Wenig
genug“, heißt es prompt. „Gelegentlich versuche ich, mein Golfhandicap zu verbessern, aber
das entspricht in etwa meiner
Wochenarbeitszeit.“ Nach kurzem Nachdenken fügt er hinzu,
dass auch die Familie – Saalfrank hat zwei 13 und 16 Jahre
alte Söhne – oft auf den Vater
verzichten muss, weil er mit
„guten Karten“ im Gepäck kreuz
und quer durch die Republik
reist.
Unsere knapp bemessene Zeit
ist schnell vergangen. Wir bedanken uns artig für das interessante Gespräch und die anschaulichen Ausführungen
und haben fest vor, den BSW
Bonusclub und die dbb vorteilswelt künftig intensiv zu nutzen.
„Keine Ursache“, stellt Rainer
Saalfrank knapp fest. „Ich unterhalte mich gern.“ Er wird
pünktlich seinen nächsten Termin erreichen und engagiert
und locker seinen Vortrag halten. Das Taxi steht schon vor
der Tür.
sm
>
„Da haben wir was Schickes hingestellt.“ – Rainer Saalfrank (rechts) im Gespräch mit dbb Pressesprecher
Dr. Frank Zitka und dbb magazin Chefredakteur Dr. Walter Schmitz (links) beim Lunch im Bocca di Bacco in
Berlin-Mitte.
> dbb magazin | Juni 2009
21
mittagsgespräch
„Da war ich aber noch
nicht dabei“, meint
Rainer Saalfrank
versonnen. „Ich
bin erst 1999
dazugestoßen
– und gerne geblieben.“ Wir erfahren, dass er nach dem
Abitur BWL studiert und nach
dem Examen an in einem UniForschungszentrum für mittelständische Unternehmen tätig
war. Zu seinem damaligen Job
als „Institutsassistent“ gehörten
Übungen und Seminare wie
auch Vorlesungen dazu – eine
gute Vorbereitung für seine heutige Vorstandstätigkeit, die viel
stärker von Kontakten und dem
persönlichen Gespräch mit Geschäftsleuten und Unternehmern geprägt wird als von Aufgaben am Schreibtisch.
dbb > fokus
Kongressmesse „neueVerwaltung“
>
Dienstleistung aus einer Hand
Die zehnte Kongressmesse „neueVerwaltung“
bot vom 5. bis 6. Mai 2009 erneut ein aktuelles
Forum für 1.000 Fach- und Führungskräfte aus
allen Bereichen der öffentlichen Verwaltungen.
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie
setzt ihre eigenen Maßstäbe.
Mit der geforderten Umsetzung
bis zum Ende diesen Jahres gibt
sie der eGovernment-Entwicklung noch einen kräftigen
Schub. Und da steht Deutschland im europäischen Vergleich
gar nicht schlecht dar.
akademie
22
„Eine Verwaltung ohne Digitalisierung und Vernetzung im großen Stil ist gar nicht mehr vorstellbar“, stellte Peter Heesen
als Vorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion in seinem Grußwort klar. „Kontinuierlich und mit voller Kraft müssen
wir deshalb weiter daran arbeiten, einfache, intuitiv zu bedienende, horizontal und vertikal
integrierte Schlüsseldienste zu
etablieren, die einen echten
Mehrwert für Bürger, Verwaltung und Wirtschaft bieten.
Schneller, besser, bequemer,
billiger und sicherer – das ist die
Devise.“
>
Deutschland auf
einem guten Weg
Dass Deutschland sich hier auf
einem guten Weg befindet und
Angebote wie die neue Behör-
>
dennummer 115 angenommen
werden, bestätigte in seinem
Eröffnungsvortrag auch der
Bundesminster des Innern, Dr.
Wolfgang Schäuble. In den ersten Tagen des Pilotbetriebs wurde D 115 insgesamt 100 000
mal angewählt. Und so sieht der
Innenminister die neue Behördenrufnummer geradezu symbolisch für gelebten Föderalismus.
„Bürger und Wirtschaft erwarten
ein durchgängiges Behördenangebot“, so Schäuble. Aber die
Entwicklung im IT-Bereich verlangt allen Beteiligten auch immer mehr ab. Die Gestaltung
und Regulierung des virtuellen
Raums braucht in jedem Fall
Rechtssicherheit und Datenschutz. Dies ist umso wichtiger,
da das Internet als Wirtschaftsfaktor immer bedeutender wird.
Der Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles
Software Engineering, Prof. Dr.
Dieter Rombach, bezeichnete
deshalb in seinem Fachvortrag
die Dienstleistungsrichtlinie als
Segen. „Ohne die EU-DLR wäre es
bei Visionen geblieben.“ Dennoch sieht Prof. Rombach noch
Gute Stimmung auf dem Podium (v. l.): dbb Chef Peter Heesen,
Prof. Dr. Dieter Rombach, Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble ...
> dbb magazin | Juni 2009
Luft für mehr Aktivitäten.
„Deutschland sollte zur Lokomotive im eGovernment werden!“
>
Harmonisierung
von IT-Strukturen
In der Podiumsdiskussion des
ersten Tages, die unter dem
Thema „Dienstleistung aus einer Hand “ stand, wurde deut-
>
Fortsetzung folgt
Der Kongress neueVerwaltung
war wieder einmal reich an
spannenden Erkenntnissen, Berichten und Diskussionen. Mit
einer „Call for Paper-Aktion“
konnte eine Vielzahl von Fachleuten aus der Verwaltung für
einen Vortrag gewonnen werden. Diese Nähe zur Praxis wird
als weiteres Qualitätsmerkmal
des Kongresses mit einem erneuten „Aufruf zu Beiträgen“
auch im kommenden Jahr weiter ausgebaut.
… und am Stand der dbb akademie (v. l.): Peter Heesen,
Staatssekretär Dr. Hans-Bernhard Beus, Willi Russ, Dr. Thomas Kröker.
lich, dass die Harmonisierung
von IT-Strukturen noch längst
nicht realisiert ist. Steigender
Kostendruck und die Vorgaben
der EU-DLR werden nach Ansicht der Diskussionsteilnehmer die Entwicklung aber sinnvoll beschleunigen.
Um Stand und Potenzial der
Dienstleistungsrichtlinie ging
es auch in der Podiumsdiskussion am zweiten Kongresstag.
Verwaltungsabläufe prozesshaft betrachten und dementsprechend gestalten – hier liegt
die Chance der DLR. Genehmigungen werden zukünftig
bundesweit, in einem konkreten Zeitfenster und elektronisch abbildbar erteilt. Dabei
gibt es keinen Sinn, nach individuellen Lösungen in 16
Bundesländern zu suchen. Sinn
gibt aber, im Wettbewerb der
Länder die beste Lösung für alle
zu finden.
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch ein attraktives
Abendprogramm. In Anwesenheit der Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, Prof. Dr. Dagmar Schimpanski, führte der
Kongressveranstalter eine
Tombola zugunsten der Deutschen KinderKrebshilfe e.V.
durch, die durch Aufstockung
von dbb akademie und dbb einen Erlös von 11 000 Euro einbrachte.
Dienstleistung aus einer Hand
– ob und wann wir das Ziel erreichen, darüber gehen die
Meinungen auseinander. Der
Kongress hat in jedem Fall auch
in seinem 10. Veranstaltungsjahr zu einer Standortbestimmung beigetragen. Unser Blick
richtet sich jetzt nach vorn –
vom 18. bis 19. Mai 2010 wird
sich die neueVerwaltung wieder dem Thema eGovernment
annehmen.
쮿
dbb > fokus
Arbeitstagung in München und Berlin:
Personalentwicklung
und Fortbildungskonzepte
Auch für dieses Jahr sind zwei
Arbeitstagungen mit unterschiedlichen Programmen geplant. Speziell für Interessierte
aus Bayern und Baden-Württemberg führen wir am 14. Juli
2009 im Maritim Hotel in München die erste Arbeitstagung
durch. Am 10. September 2009
treffen sich interessierte Teilnehmer wie gewohnt im dbb
forum berlin.
Durch Vorträge und in Foren erhalten Sie Impulse für eine vorausschauende Personalpolitik.
Inhaltliche Schwerpunkte bilden in diesem Jahr die Themen
Personalentwicklungs- und
Fortbildungskonzepte, Führung
und Gesundheitsmanagement.
Referenten beider Tagungen
sind ausgewiesene Fachleute aus verschiedenen Verwaltungsebenen aus Wissenschaft und Privatwirtschaft, die für Ihre Fragen,
Diskussionen und zum Erfahrungsaustausch zur Verfügung stehen.
Die Kosten für die jeweils
eintägigen Veranstaltungen
betragen 150 Euro (inkl. Mittagessen, Kaffeepausen und
Tagungsunterlagen). Die aktuellen Programme finden
Sie auf unserer Homepage
www.dbbakademie.de.
Ihre Ansprechpartnerin (Inhalte) ist: Brigitte Bojanowsky,
Tel.: 0228.8193125,
E-Mail: b.bojanowsky@
dbbakademie.de
Anmelden können Sie sich bei:
Gerlinde Brandt (für die Arbeitstagung in München),
Tel.: 02244.882-288, E-Mail:
[email protected]
und Käthe Kupke (für die
Arbeitstagung in Berlin),
Tel.: 030.40816544, E-Mail:
[email protected].
23
akademie
Mittlerweile ist die Arbeitstagung „Personalentwicklung
und Fortbildungskonzepte“
fester Bestandteil im Terminkalender zahlreicher Führungskräfte, Personalverantwortlicher und Fortbildungsbeauftragter. Schon 2008 hat die dbb
akademie auf Wunsch der Teilnehmer eine zweite Veranstaltung zum gleichen Thema ins
Leben gerufen.
> dbb magazin | Juni 2009
dbb > fokus
Heilsamer PISA-Schock:
Weder Äpfel noch Birnen
die andere meinung
24
Studien sollen vornehmlich
eins bringen: Klarheit. Dazu benötigt man so viele Informationen wie möglich. So geht ein
Mediziner vor, damit er auf die
Diagnose mit der richtigen Therapie reagieren kann. Über beides kann natürlich gestritten
werden, keinesfalls aber darf
dadurch das Leben des Patienten gefährdet werden.
Das hätte an den Schulen leicht
passieren können; durch Stillstand oder Revolution. Dass es
nicht so kam, verdanken wir
der oft bekrittelten Kultusministerkonferenz. Sie einigte
sich auf einen gemeinsamen
Nenner und nicht einmal den
kleinsten. Nationale Bildungsstandards wurden vereinbart,
Qualitätskontrollen, Evaluationen und vieles mehr. Was strittig war, etwa die Ausgestaltung der Schulstruktur, blieb
Ländersache.
Die, je nach politischem Standort, befürchtete oder erhoffte
Revolution aber blieb aus. Jedes Land suchte seinen Weg,
dem gravierendsten Mangel
des deutschen Bildungssystems, dem Zusammenhang
> dbb magazin | Juni 2009
zwischen sozialer Herkunft und
Bildungschancen, zu begegnen.
Es gibt Länder, etwa NordrheinWestfalen, Baden-Württemberg und Bayern, die die Schulstrukturfrage nicht anpacken
wollen. So setzt NRW seine
ganze Hoffnung auf das Konzept der individuellen Förderung der Schüler. Wie aber sieht
ein Erfolg versprechendes Konzept aus? Wie werden die Lehrer darauf vorbereitet? Fragen,
die allenfalls im Prozess beantwortet werden oder durch engagierte Lehrerkollegien, die
sich auf den Weg machen.
Unweigerlich stößt man dabei
an Grenzen. Wer Barrieren abbauen, gar überwinden will,
müsste investieren in kleinere
Klassen und mehr Lehrer. Gebraucht werden zudem Sozialpädagogen und Schulpsychologen. Bildungsverweigerern aber
wird man wohl nicht einmal
mit einer 1:1-Betreuung das
Lernen schmackhaft machen.
Länder wie Hamburg und
Schleswig-Holstein gehen einen anderen Weg. Sie setzen
auf längeres gemeinsames Lernen statt früher Auslese. Sie
wissen die Expertise der IGLUStudien auf ihrer Seite, die den
deutschen Grundschulen sehr
gute Resultate bescheinigen.
Zudem wird im Norden den
Kommunen mehr Verantwortung und Gestaltungsfreiheit
ihrer Schullandschaft eingeräumt.
Doch keines dieser Konzepte,
das müssen Bewahrer wie
Veränderer des gegliederten
Schulsystems eingestehen,
hilft Schülern, die schlicht und
einfach null Bock auf Schule
haben. Die gibt es und nicht zu
wenige. Glücklicherweise gibt
es aber Beispiele, wie man
auch solchen Schülern Schule
und Lernen schmackhafter ma>
Info
Der Autor (Jahrgang
1949) ist politischer Korrespondent bei der Tageszeitung Neue Westfälische, Bielefeld. Gewerkschaftlichen Themen
widmet er seit Jahren
seine besondere Aufmerksamkeit. Seine journalistische Leidenschaft
gilt der Bildungspolitik.
chen kann. Die Hertie-Stiftung
hat sie entdeckt beim Wettbewerb „Starke Schule“, und
Bundespräsident Horst Köhler
hat sie ausgezeichnet. Die Kooperative Gesamtschule Neustadt am Rübenberg (Niedersachsen) verknüpft Schule und
Berufsausbildung, bietet eine
Doppelqualifikation für Hauptschüler an. Am Rübenberg
kann null Bock zum Fremdwort werden.
Lehrer, die Freiraum bekommen für engagierte Pädagogik,
die wagen dürfen, weil Politiker und Kultusbürokratie ihnen
vertrauen, haben mehr bewegt
als alle Grabenkämpfe der letzten Jahrzehnte. Schulen, Lehrer, Eltern und Schüler brauchen Freiraum, statt verordneter Einheitsstrickmuster. Die
Dinge sind in Bewegung geraten. So entwickelt sich derzeit
in Nordrhein-Westfalen politisch völlig unbeabsichtigt ein
spannender Wettbewerb zwischen weiterführenden Schulen, die nach acht Jahren das
Abitur (G 8) anbieten und solchen, an denen dies erst nach
neun Jahren (G 9) möglich ist.
Nicht wenige Eltern, deren
Kind eine Gymnasialempfehlung hat, nutzen die Wahlmöglichkeit. Dabei nehmen sie bewusst in Kauf, dass ihr Kind
dafür auf die Gesamtschule
geht. Von der Politik darf man
erwarten, dass sie diese Entwicklung akzeptiert und nicht
durch administrative Tricks
unterbindet.
Es gibt hervorragende Schulen
und Lehrer in Deutschland. Immer mehr Lehrerzimmer werden Orte guter Ideen und Konzepte. Da breitet sich so etwas
aus wie ansteckende Gesundheit. So gesehen hatte der
PISA-Schock heilende Wirkung.
Die leicht nach oben zeigenden Tendenzen bei PISA und
auch der Augenschein sprechen
dafür.
Bernhard Hänel
Foto: Dr. Walter Schmitz
Deutschlands Schulen sind im Umbruch. Nicht
alle, aber immer mehr. Für den Durchbruch zum
neuen Aufbruch sorgte zweifelsohne die PISAStudie, die dem deutschen Bildungssystem im
internationalen Vergleich Mittelmäßigkeit testierte. Das war ein Schock mit heilsamer Wirkung. Der Expertenstreit über die Ursachen ist
noch lange nicht beendet, dennoch bewegt sich
vieles in den Schulen.
dbb > fokus
Neue Internet-Präsenz
Das dbb vorsorgewerk mit neuem Gesicht: Modern, informativ und top-aktuell präsentiert sich
die neue Internetpräsenz des dbb vorsorgewerk.
Unter der Adresse www.dbb-vorsorgewerk.de
finden dbb Mitglieder und Kunden ab sofort
Nützliches und Wissenswertes rund um die
Themen Vorsorge, Versicherungen und Finanzen.
Bereits auf der Startseite erhält der Online-Nutzer einen
guten Überblick über die breite Angebotspalette der dbb
Serviceeinrichtung.
Unter den Rubriken Altersvorsorge, Gesundheit und Pflege,
Versicherung, Sparen sowie Finanzieren und Konto wird über
das jeweilige Bedarfsfeld informiert. Zu den einzelnen Angeboten finden sich Tarifvarianten und -beschreibungen. Anträge und Publikationen des
dbb vorsorgewerk stehen zum
Download bereit. Von hohem
Nutzwert sind die zu jedem
Angebot beziehungsweise Tarif aufgeführten Mitgliedsvorteile, die exklusiv für die Mitglieder der Einzelgewerkschaften des dbb und deren Angehörige gelten. „Alles neu –
sieht super aus!“, „Echt gelun-
gen“ oder „Gut strukturiert,
einfach, anwenderfreundlich –
Herzlichen Glückwunsch“ lauten die spontanen Reaktionen
von Kunden und Kollegen zur
neuen Webpräsenz. Einige
wünschen sich sogar noch
mehr Informationen wie zum
Beispiel detaillierte Beitragstabellen zu Pflegeversicherung –
Anregungen, die von den Onlineredakteuren des dbb vorsorgewerk gerne aufgegriffen
werden.
Unter www.dbb-vorsorgewerk.de haben dbb Mitglieder
die Möglichkeit, weitere Informationen oder eine individuelle Beratung zum Beispiel für
die Altersvorsorge oder Baufinanzierung einfach und unverbindlich über die integrierten
Online-Formulare anzufordern.
Neue Risikolebenversicherung zu Top-Konditionen
Eine von vielen Nutzern nachgefragte Dienstleistung wird in
Zukunft weiterentwickelt: Die
Möglichkeit, Versicherungsund Finanzprodukte direkt
über das Internet abzuschließen. Bereits im Juni 2009 können die Mitglieder die Auslandsreise-Krankenversicherung (ab einem Jahresbeitrag
von nur 4,68 Euro), die Zahnzusatzversicherung DENT oder
die KfZ-Versicherung der
HUK24 online abschließen.
Neu ist auch die Möglichkeit,
eine Risikolebensversicherung
zu Top-Konditionen über das
>
Info
Informieren Sie sich über die
Top-Konditionen mit den exklusiven Mitgliedsvorteilen
beim Service-Team des dbb
vorsorgewerk. Sie erreichen
es Montag bis Freitag zwischen 8.00 und 18.00 Uhr
unter der Rufnummer: 018052 22-170 (14 Cent/Minute
aus dem deutschen Festnetz). Oder fordern Sie online
Informationen an unter:
www.dbb-vorsorgewerk.de
Newsletter-Anmeldung
Über Neuigkeiten rund um das
Angebot des dbb vorsorgewerk
wie bspw. erweiterte Onlineabschlussmöglichkeiten, neue
Produkte oder verbesserte
Tarife informiert kostenlos per
E-Mail der Newsletter. Er enthält nützliche Tipps rund ums
Versichern, Sparen und Finanzieren. Die Newsletter-Bestellung erfolgt ganz bequem
online. Interessierte tragen
ihre Daten einfach in der Rubrik Service/Newsletter ein.
Nach erfolgreicher Rückbestätigung erhalten sie den Newsletter bereits ab der nächsten
Ausgabe.
as
Tipp: Mitglieder, die den dbb vorsorgewerk-Newsletter bis einschließlich 30. September 2009
abbonnieren, erhalten als Dankeschön ein kostenloses HalbjahresAbonnement der hochwertigen
Zeitschrift BÜCHER.
> dbb magazin | Juni 2009
25
mitgliederservice
www.dbb-vorsorgewerk.de:
dbb vorsorgewerk im Internet
abzuschließen. Haupt- oder
Alleinverdiener einer Familie
können so preiswert ihre
Hinterbliebenen absichern.
Ein 30 Jahre alter Nichtraucher
etwa, der sich zehn Jahre lang
mit einer Summe in Höhe von
120.000 Euro versichert, zahlt
für diesen Schutz nur 5,57 Euro
pro Monat! „Das Onlineangebot bauen wir in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern kontinuierlich aus“,
so Dr. Alexander Schrader, Geschäftsführer des dbb vorsorgewerk mit Sitz in Berlin. „So
wird unsere Website zum zentralen Internetportal für Informationen, Beratungstermine
mit dem Außendienst unserer
Partner und Onlineabschlüsse
für die meisten unserer Angebote – schnell, einfach, preiswert“. „Übrigens“, ergänzt
Schrader, „immer mit der Gewähr, die günstigen dbb Konditionen mit den Beitragsnachlässen beziehungsweise Leistungsvorteilen zu erhalten“.
dbb > spezial
Gerichtsurteil zur Diskriminierung:
Mathematischer Beweis
Zufällig keine Frau in der Führungsebene? Bei der
Beförderung übergangen? Wegen Diskriminierung
erstritt jetzt in Berlin eine Arbeitnehmerin vor dem
Landesarbeitsgericht einen Schadenersatz in Höhe
von 20 000 Euro plus Zahlung des Verdienstausfalls.
frauen
26
Die Frau arbeitete 15 Jahre für
den Musikrechteverwerter
GEMA in Berlin. Nachdem sie erfahren hatte, dass eine Direktorenstelle frei wurde, bewarb sie
sich. Befördert wurde ein männlicher Kollege – ganz ohne Ausschreibung. Da die GEMA-Belegschaft zu zwei Dritteln aus Frauen bestand und dennoch alle
Führungspositionen mit Männern besetzt waren, fühlte sich
die 47-Jährige diskriminiert und
klagte.
kann. Schließlich sei es schon
außergewöhnlich, dass alle 27
Führungspositionen bei einer
Belegschaft, die zu zwei Dritteln
aus Frauen besteht, ausnahmslos von Männern besetzt waren.
Das Landesarbeitsgericht BerlinBrandenburg (Az.: 15 Sa 517/08)
beschritt in seiner Anerkennung
statistischer Daten als Indiz für
eine Diskriminierung in seiner
Beweisaufnahme einen neuen
Weg: Während der so genannte
Quotenbeweis in anderen
Rechtsordnungen – insbesondere im englischen und im USamerikanischen Diskriminierungsrecht – gang und gäbe ist,
hatte sich die Rechtsprechung
hierzulande – abgesehen von
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EUGH)
und des Bundesarbeitsgerichtes
(BAG) zur Ungleichbehandlung
im Entgeltbereich – bisher kaum
über die Verwertbarkeit von Statistiken im Anwendungsbereich
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geäußert.
Aus diesen Gründen sprachen
die Richter der Klägerin nicht
nur Schadenersatz zu, sondern
auch einen Ausgleich ihres Verdienstausfalls auf unbefristete
Zeit: Somit erhält sie monatlich
nun rund 1 400 Euro mehr als
bisher. Dieses Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig,
da das Landesarbeitsgericht die
Revision zugelassen hat.
Im konkreten Fall entschied das
Landesarbeitsgericht, dass eine
Statistik über die Geschlechtsverteilung auf den einzelnen
Hierarchieebenen eines Unternehmens durchaus als Indiz für
eine Geschlechterdiskriminierung herangezogen werden
> dbb magazin | Juni 2009
Hinzu kommt, dass die GEMA
als Arbeitgeber keine Stellenausschreibung oder andere,
schriftlich dokumentierte Kriterien vorlegen konnte, die
Schlussfolgerungen über die bei
der Besetzung von Stellen angewandten Kriterien zuließen.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das hier angewendet wurde, gilt seit 2006
in Deutschland. Es soll unter anderem verhindern, dass jemand
wegen seines Geschlechts im
Berufsleben benachteiligt wird.
Wer meint, er sei benachteiligt,
muss grundsätzlich nur „Tatsachen glaubhaft machen, die
wahrscheinlich erscheinen lassen, dass eine Diskriminierung“
In seiner Urteilsbegründung stützt sich das Gericht
auf das Ergebnis mathematischer Berechnungen.
Damit wurde der so genannte Quotenbeweis in
Deutschland zum ersten Mal bei einer Gleichstellungsfrage angewandt.
vorliegt. Dies ist in diesem Fall
der Klägerin anhand der Statistik gelungen. Es wäre Sache der
GEMA gewesen, zu beweisen,
dass das Geschlecht bei der Beförderung keine Rolle gespielt
hat und dass die betreffende
Mitarbeiterin nicht wegen ihres
Geschlechts benachteiligt wurde. Dass der GEMA dieser Beweis nicht gelang, lag daran,
dass die Stelle nicht offiziell
ausgeschrieben war, und dass
eine sorgfältige Dokumentation der Auswahlentscheidung
fehlte.
In vielen anderen Fällen ist dieses „Glaubhaftmachen“ einer
Diskriminierung weit schwerer
für die Betroffenen, da nicht
immer auf geschlechtergerechte Statistiken Bezug genommen werden kann. „Wir fordern für den öffentlichen
Dienst schon seit längerem die
Erstellung aussagekräftiger geschlechtergerechter Statistiken,
insbesondere bei der dienstlichen Beurteilung“, mahnt die
Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung Helene Wildfeuer, „wenn man genau weiß,
wie zum Beispiel eine Behörde
personell besetzt ist, dann ist es
auch kein Problem, freie Stellen
diskriminierungsfrei zu besetzen, wenn man es will. Darüber
hinaus habe ich die Erfahrung
gemacht, dass vielen Personalchefs erst klar wird, wie diskriminierend die Beurteilungs- und
Beförderungspraxis gegenüber
Frauen ist, wenn sie die entsprechenden Zahlen schwarz auf
weiß vor sich sehen. Insbesondere die diskriminierungsanfällige Teilzeitbeschäftigung fällt
dann ins Auge. Nicht selten, so
Helene Wildfeuer weiter, habe
diese durch statistische Daten
herbeigeführte Erkenntnis bei
den Verantwortlichen zum Umdenken und zu einer Kurskorrektur beigetragen.
Der Schaden für die Arbeitgeber
ist groß, wenn sie wie in dem
geschilderten Fall nicht nur
Schadenersatz, sondern auch
den Verdienstausfall zahlen
müssen. Sie können sich hiervor
schützen, indem sie Stellenausschreibungen neutral formulieren. Vorgaben zu Alter, Geschlecht, Nationalität oder Religion können diskriminierend
sein. Wichtig ist auch, Personalverantwortliche und Führungskräfte so zu schulen, dass sie
Diskriminierungen erkennen.
Bislang ist die nach Inkrafttreten
des AGG befürchtete Klagewelle
vor den Arbeitsgerichten ausgeblieben. So sind von rund 25 000
Fällen, die das Arbeitsgericht
Berlin jährlich verhandelt, nur
35 Verfahren geführt worden,
die einen Bezug zum AGG haben. Dennoch ist in Zukunft mit
einer Zunahme solcher Klagen
zu rechnen, da die neue Rechtslage den Betroffenen oftmals
noch nicht bekannt ist.
seb
dbb > spezial
Arbeit an der Basis
jugend
28
Vom 25. bis 26. April 2009 war
es wieder so weit: Der Bundesjugendausschuss (BJA), das
höchste Entscheidungsgremium der dbb jugend nach
dem Jugendgewerkschaftstag,
hat sich im dbb forum siebengebirge in Königswinter zur
Frühjahrstagung zusammengefunden. Auf der Agenda standen neben der aktuellen Haushaltsdebatte vor allem die neuen Seminarangebote, der dbb
jugend sowie die ersten Vorbereitungen zur kommenden Tarifrunde im Januar.
Gleichzeitig nutzte das Gremium den Anlass, um auf die
schlechte finanzielle Lage von
Beschäftigten im öffentlichen
Dienst hinzuweisen, die ihrem
Dienst in einer so genannten
Hochpreisregion nachkommen.
„Wir dürfen nicht zulassen, dass
junge Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst wegen einer
dienstlichen Versetzung in finanzielle Not geraten. Der Arbeitgeber muss die finanzielle
Mehrbelastung im Vorfeld bedenken und einkalkulieren“,
sagte Michael Westphal am 25.
April. „Das Risiko, dass sich junge Menschen in teuren Städten
und Regionen nicht mehr für
den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber entscheiden, steigt
unaufhörlich und geht vor allem zu Lasten der Sicherheit der
Bürger.“ Der BJA forderte die Arbeitgeber und Dienstherren
auf, für lebenswürdige Arbeits-
t@cker
Bildung ist der Schlüssel zur Integration. Dieser
Meinung ist nicht nur die Bundesbeauftragte für
Integration Maria Böhmer. In den Medien tummeln sich Experten, Pädagogen, Politiker und Betroffene, die in der Verbesserung der Bildungschancen den Schlüssel zur Integration gefunden
haben wollen. Doch wie nutzt man diesen Türöffner richtig und vor allem wo setzt man ihn
an? Diese Frage beantwortet Dr. Wolfgang
Thierse im t@cker-special. Der Vizepräsident
des Bundestages setzt sich für Kinderrechte
ein und sagt euch, was er unter einer gelungenen Integrationspolitik versteht. Ein Beispiel
aus dem Alltag, wie Integration an Schulen
gelebt wird, erzählt die t@cker-story: Das
> dbb magazin | Juni 2009
bedingungen auch finanziell
zu sorgen.
Politische Diskussion
Neben vielen Gastdelegierten
aus den verschiedenen Jugendfachgewerkschaften begrüßte
Westphal am 25. April auch
den Bundestagsabgeordneten
Jürgen Kucharczyk. Getreu seines persönlichen Leitsatzes:
„Wir müssen nicht übereinander, sondern miteinander reden“, stellte sich der Jugendund Sozialpolitiker den kritischen Fragen der jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern. Themen wie die
Ausweitung von Kinderbetreuungseinrichtungen, der Kampf
gegen Jugendgewalt und die
Bankenkrise sorgten für kontroversen Gesprächsstoff. Konsens
herrschte jedoch zum Thema
Jugendpolitik. Insbesondere
wenn es darum ginge, Jugendliche für politisches Engagement
begeistern zu wollen, müsse
man ihnen mehr Offenheit und
Gesprächsbereitschaft signalisieren, sagte Kucharczyk. „Man
muss jungen Leuten die Möglichkeiten geben, sich sehr
schnell selber einbringen zu
können.“ Gleichzeitig lobte er
die Arbeit der dbb jugend und
betonte, wie wichtig ehrenamtliches Engagement für das Funktionieren unserer Gesellschaft
sein: „Das ist der Kitt, der unsere
Gesellschaft zusammenhält.“
Angesichts der positiven Resonanz auf die politische Diskussion kündigte die Bundesjugendleitung an, künftig regelmäßig Gäste aus Politik, Wissenschaft und Jugendarbeit
zum BJA einzuladen.
bau
deutschlandweite Förderprogramm SPRINT fördert gezielt die
Sprachkompetenz von Kindern aus
Migrantenfamilien. Die t@ckerRedaktion hat eine Projektschule im
Berliner Brennpunktbezirk Wedding
besucht, die den Förderunterricht
mit dem Schulunterricht eng verknüpft. Darüber hinaus erfahrt Ihr,
was der Bundesjugendausschuss auf
seiner Frühjahrstagung beschlossen
hat und wie Ihr als dbb Mitglieder
beim Einkaufen künftig ordentlich
sparen könnt. Außerdem versorgt der
t@cker euch mit aktuellen Infos aus
Jugend- und Berufspolitik sowie mit
Neuigkeiten aus den Landesjugendbünden und Jugendfachgewerkschaften.
쮿
dbb > spezial
sich seit 2006 als Präsident der
Europäischen Bewegung
weiterhin energisch für die
Fortentwicklung Europas engagiert.
9. Europäischer Abend:
Europa-Parlament – die
verkannte Volksvertretung?
Am 13. Mai 2009 hat sich der 9. Europäische Abend
im dbb forum berlin mit Rolle und Bedeutung des
Europa-Parlaments beschäftigt. Der Termin lag gut
drei Wochen vor den europäischen Parlamentswahlen, bei denen Anfang Juni EU-weit 375 Millionen
Bürgerinnen und Bürger aufgerufen sind, über die
künftige Zusammensetzung ihrer gemeinsamen
Volksvertretung zu entscheiden.
Von den Begrüßungsworten
des Europa-Abgeordneten und
Europa-Union DeutschlandPräsidiumsmitglieds Rainer
Wieland, der die Themenstellung des neunten, von dbb
beamtenbund und tarifunion,
Europa-Union Deutschland
und der Vertretung der Europäischen Kommission in
Deutschland, gemeinsam veranstalteten Abends skizzierte,
zog sich eine Botschaft wie ein
roter Faden durch die aus
unterschiedlichen Blickwinkeln
angestellten Bewertungen zur
Rolle des Europäischen Parlaments: Wenn diese Volksvertretung „verkannt“ wird – wie
in der Themenstellung der Veranstaltung mit Fragezeichen
prononciert – dann tragen
> dbb magazin | Juni 2009
Der Deutsche Klaus Hänsch
war 1994 bis 1997 Präsident
des Europa-Parlaments ...
>
... der Ire Pat Cox übte dieses
Amt in den Jahren 2002 bis
2004 aus.
nicht zuletzt die Bürger Europas die Schuld. Sie stehen in
der Pflicht, dass das in 30 Jahren europäischer Parlamentsarbeit Erreichte nicht nur bewahrt, sondern auch weiter
entwickelt werden kann.
Rund 300 Teilnehmerinnen
und Teilnehmer waren der Einladung von dbb beamtenbund
und tarifunion, der EuropaUnion Deutschland und der
Vertretung der Europäischen
Kommission in Deutschland
gefolgt. Gleich zwei ehemalige
Präsidenten des Europäischen
Parlaments ließen ihre Visionen von einem modernen
Europa greifbar werden. Ein
Podiumsgespräch vermittelte
– allen kontrovers diskutierten
Ansichten über die vermeintliche Macht oder Ohnmacht
des Europa-Parlaments zum
Trotz – eine einträchtige
Botschaft. Und die lautet:
Am 7. Juni wählen gehen!
„In den vergangenen Jahren
haben zwar mehr Menschen
erkannt, dass es ohne Europa
nicht geht“, konstatierte Rainer Wieland in seiner Begrüßung. Die schützende Kraft der
Europäischen Gemeinschaft
sei gerade in Zeiten der Finanzkrise mehr als deutlich geworden. Dennoch zögerten noch
zu viele, sich klar zu Europa
und seinem Parlament zu bekennen, beklagte der Netzwerker der Europa Union.
Ein Kritikpunkt, den Pat Cox,
2002 bis 2004 Präsident des
Europa-Parlaments, in seiner
Analyse, was bei den bevorstehenden Europa-Wahlen auf
dem Spiel steht, auch auf das
Verhalten der Politiker ausweitete. Im Zuge der Bemühungen den Geist Europas in
die europäischen Wahlen hineinzulegen gehe es nicht
allein darum, die Bürger an die
Wahlurnen zu bringen: Auch
bei den Politikern müsse das
Bewusstsein weiterentwickelt
werden, Angelegenheiten, die
Europa als Ganzes betreffen,
effektiv und ohne nationalstaatliche Eitelkeit zu vertreten. „Viermal im Jahr zu den
Gipfeltreffen senden die
Staatschefs der EU-Nationen
die Botschaft aus, dass sie zusammen Europa sind: Und
kaum sind sie wieder zu Hause, geben sie vor, dass allein
ihre Nation die Welt retten
kann, berichtete der Ire, der
Analysen, warum und Anregungen, wie die Idee Europa den
ihr zustehenden Stellenwert
bei den Wählern erhält, wurden
zuletzt von den Teilnehmern
der Podiumsdiskussion geliefert. Diese rieten unter anderem, zur Steigerung des Bürgerinteresses bei künftigen Parlamentswahlen klare Aussagen
und Forderungen zu formulieren und nicht – wie bisher – auf
flache Parolen zu setzen, die jeder politischen Couleur beigeordnet werden können.
cri
> Analysierten, wie
Foto: Jan Brenner
europa
30
>
Untermauert wurde Pat Cox‘
abschließende Mahnung, das
in Frieden und Freiheit auf dem
europäischen Sektor Erreichte
nicht durch Desinteresse und
nationale Geltungssucht wieder aufs Spiel zu setzen, auch
durch den Vortrag des deutschen Europa-Parlamentariers
Klaus Hänsch. Auch er war in
seiner 30-jährigen Zugehörigkeit zum Europäischen Parlament 1994 bis 1997 als dessen
Präsident tätig. „Linker wie
rechter Nationalismus zerstört
zuerst Europa und dann das eigene Land“, warnte Hänsch und
machte deutlich, dass gerade
eine geringe Wahlbeteiligung
die Kräfte der vermehrt in Aktion tretenden nationalistisch
geprägten Gruppierungen, die
ein weiteres Zusammenwachsen Europas entschieden ablehnen, innerhalb der parlamentarischen Arbeit deutlich stärken
würde.
die Idee Europa wieder mehr Stellenwert bekommt (von
links): Andreas
Mauerer (Stiftung
Wissenschaft und
Politik), Dieter Spöri
(Präsident Netzwerk
Europäische Bewegung Deutschland),
Katja Weber (Moderation), Peter Altmaier (Präsident
Europa-Union
Deutschland) und
Henry Werner
(Burson-Marsteller).
Nachgefragt bei Matthias Petschke, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland:
„Was unterscheidet Sie
von einem Lobbyisten?“
Sie repräsentieren die Europäische Kommission am Sitz
von Bundesregierung,
Bundestag und Bundesrat. Was
unterscheidet Sie von einem Lobbyisten?
?
Petschke: Ein Lobbyist wirbt ja
eher für die Interessen seines
Auftraggebers. Die Kommission
dagegen verfolgt keine Eigeninteressen, sondern ist eine der
europäischen Institutionen. Wir
erklären die Positionen der Kommission und erklären der Kommission die deutschen Positionen und Probleme. Allerdings
nicht nur mit Blick auf Bundesregierung und Parlament. Ein
ganz wichtiger Teil unserer Arbeit ist der Austausch mit der
Öffentlichkeit. Dafür sind wir
viel in ganz Deutschland unterwegs. Wir besuchen Schulen
und Bürgerversammlungen,
sprechen mit Bürgermeistern
ebenso wie mit Vertretern der
Länder, der regionalen Presse
und vielen Organisationen. Und
informieren dann auch die Kommission über die Ergebnisse.
Wie lässt es sich für einen
leitenden Kommissionsbeamten ertragen, dass die
Kommission immer wieder für
europäische Vorhaben kritisiert
wird, die in Wahrheit von nationalen Regierungen angestoßen
wurden?
?
Petschke: Zum einen hat die
Kommission das Initiativmonopol in der Europäischen Union –
und deshalb muss sie auch mit
Kritik an ihren Vorschlägen umgehen. Allerdings gilt auch:
Wenn in Brüssel etwas auf Gipfeln oder im Ministerrat be-
>
schlossen wird, dann sollte es
nicht anschließend auf nationaler Bühne kritisiert werden.
Im Übrigen tun wir im Rahmen
der besseren Rechtsetzung und
mit Folgenabschätzungen viel
dafür, dass vorher klar ist, was
als Auswirkung der neuen Regeln zu erwarten ist. Oft aber
bezieht sich Kritik auch darauf,
dass bei der Umsetzung von
EU-Richtlinien national weit
über die europäischen Mindestanforderungen hinausgegangen wird. Das ist zwar legitim, aber bei Kritik sollte dann
auch nicht Europa zum Sündenbock gemacht werden.
Die Amtszeit der Kommission geht in diesem Jahr zu
Ende. Was waren ihre drei
größten Leistungen, welches
war ihr größter Fehler?
?
Petschke: Zu den großen Leistungen gehören die weltweit
ehrgeizigsten Ziele beim Klimaschutz, die koordinierte
Antwort der EU-Staaten auf
die Wirtschaftskrise und viele
Punkte unter der Überschrift
„Europa der Ergebnisse“. Die
Kommission hat etwa dafür
gesorgt, dass Handynutzer im
Ausland nicht mehr abgezockt
werden, dass der Wettbewerb
auf dem Energiemarkt zunimmt und dass Verbraucher
auch im Internet besser geschützt sind. Manches bei der
Umsetzung der Lissabon-Agenda von 2000 für mehr Wachstum und Beschäftigung hätte
auch auf nationaler Ebene
schneller gehen können.
(die Fragen stellte
Christian Moos)
Info
Matthias Petschke ist seit Mai 2009 der ranghöchste
Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland. Der 1962 im hessischen Lauterbach geborene
Jurist begann seine Laufbahn im Bundeswirtschaftsministerium, wechselte dann in die deutsche Vertretung in Brüssel und absolvierte 1995 die Aufnahmeprüfung in den europäischen Beamtendienst. Ab
1997 war er in der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission tätig. Seit 2004 – bis zur Übernahme seiner jetzigen Position in
Berlin – leitete er in der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen den Bereich öffentliches Beschaffungswesen.
dbb > spezial
Rentenkassen unter Druck:
Wie sicher ist die Rente?
Weltfinanzkrise, eine astronomische Staatsverschuldung, lahmende Konjunkturdaten und damit einhergehende steigende Arbeitslosigkeit sowie ungünstige
demographische Faktoren: Die Rentenkassen sind unter Druck. Weil Bürgerinnen und Bürger im Zuge der Finanzkrise ohnehin verunsichert genug sind, versucht
die Bundesregierung jetzt die Sorgenfalten zu glätten
und bringt eine neue Rentengarantie auf den Weg.
hintergrund
32
Mit ihrem Versprechen sind
Bundeskanzlerin Angela Merkel
und ihr Kabinett weit entfernt
von der Auffassung des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin, der in seiner neuen
Funktion als Bundesbankvorstand polterte, die Rente sei viel
zu hoch, auf jeden Arbeitnehmer komme rechnerisch ein halber Rentner. In 25 bis 35 Jahren
sei das Verhältnis eins zu eins.
Deshalb müsse die Rente auf
das Niveau einer „Grundsicherung“ schrumpfen. Die Bundesregierung sieht das anders und
will die Rente gesichert wissen.
Doch zuvor etwas Historie:
Mit der großen Rentenreform
von 1957 wurde das Rentensystem vom reinen Ansparen von
Beiträgen auf das bis heute gültige Umlagesystem umgebaut:
Statt inflationsanfällige Rücklagen zu bilden, waren anfangs –
je zur Hälfte von den Arbeitgebern und von den Pflichtmitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung – 15 Prozent des
Bruttolohnes als Beitrag zu zahlen, die sofort für Rentenzahlungen verwendet wurden. Dadurch wurde nicht nur eine sofortige Rentenerhöhung ermöglicht, sondern fortan auch eine
dynamische Anpassung der Rentenhöhe an die Bruttolohnentwicklung.
>
Gift für die Kasse
Weil aber keine Rücklagen gebildet werden, setzt ein Umlage-
system die stetige Existenz
nachfolgender Generationen
mit ausreichend versicherungspflichtig tätigen Arbeitnehmern
voraus. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, langsam wachsender
Bruttolöhne und sinkender Erwerbstätigenzahlen sowie längerer Lebenserwartung kommt
das System unter Druck. Genau
diese Negativfaktoren kommen
jetzt geballt zusammen:
Im Zuge der Wirtschaftskrise
rechnen die Wirtschaftsforschungsinstitute in ihren Konjunkturprognosen mit steigender Arbeitslosigkeit, die die Rentenkassen belasten wird. Auch
die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung wird davon betroffen sein. Darüber hinaus werden aufgrund des demographischen Wandels im Verlauf
der kommenden Jahre immer
weniger Arbeitskräfte immer
mehr Rentnern gegenüberstehen. Das alles ist Gift für die
Rentenkassen.
Nach dem Willen der
Bundesregierung
soll sich niemand
Sorgen machen, dass
ihm die Rente durch
die Finger rinnen
könnte.
Rente im Jahr 2010 eine Kürzung von rund zwei Prozent bedeuten könnte. Für die Rentenkasse ergäbe das dagegen eine
Entlastung von rund fünf Milliarden Euro – zum Vergleich: die
Rentenzahlung für einen Monat kostet die Bundesrepublik
derzeit rund 16 Milliarden Euro.
Die Bundesregierung ist allerdings anderer Meinung und
rechnet für 2009 sogar mit einem leichten Plus bei den Löhnen. Auch könnten die Renten
nach Auffassung der Bundesregierung noch leicht steigen,
während die Forscher dafür plädieren, dass die Renten wie die
Löhne sinken müssen.
>
Fest steht: Die Renten müssen
gesichert werden. Zuletzt hat
das der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm neun Monate
vor der Bundestagswahl 1987
versprochen und die Bundesrepublik flächig mit dem Slogan:
Das Bundeskabinett hat dazu die
Schutzklausel in der Rentenanpassung ausgeweitet. Zugleich
bleibe gewährleistet, dass die
nachfolgenden Generationen
nicht übermäßig belastet würden. Die Bundesregierung will
mit der Schutzklausel garantieren, dass auch zurückgehende
Löhne nicht zu sinkenden Renten
führen.
Bundesarbeitsminister Olaf
Scholz betonte: „Wer einzahlt,
muss sicher sein, dass er sich auf
die Rente verlassen kann.“ Das
Zwar versucht die Bundesregierung, die Arbeitslosigkeit über
eine Änderung der Regelungen
für Kurzarbeiter in den Griff zu
bekommen, denn Kurzarbeiter
werden nicht als Arbeitslose geführt. Trotzdem ziehen sie aufgrund ihres geringeren Einkommens die so genannte „Lohnsumme pro Kopf“ nach unten.
Nach Berechnungen des „Handelsblatts“ sinkt dieser Wert im
Jahr 2009 möglicherweise um
bis zu 2,3 Prozent, was bei der
>
> dbb magazin | Juni 2009
Wahlversprechen?
„Denn eins ist sicher: Die Rente“
plakatieren lassen. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz tut es
ihm im Superwahljahr 2009
gleich und verspricht sichere
Renten. In einer Pressemitteilung
der Bundesregierung heißt es dazu, die 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner könnten sicher
sein, dass ihre Renten nicht gekürzt würden – auch nicht
wegen der Wirtschaftskrise.
Die täglichen Hiobsbotschaften im Zuge der Finanzkrise verunsichern
auch Rentnerinnen und Rentner.
dbb > spezial
Der Arbeitsminister geht sogar
nicht davon aus, dass es überhaupt zum Anwendungsfall für
die neue Garantie kommt. Daher koste sie auch nichts. Scholz
verwies aber zugleich darauf,
dass die Regelung andererseits
aber auch keine „Rentensteigerungsgarantie“ sei. Das entsprechende Gesetz soll noch vor der
parlamentarischen Sommerpause endgültig verabschiedet werden.
Damit die Rente auch künftig
der Einkommensentwicklung
folgen kann, will die Bundesregierung die aufgrund der
Schutzklauseln unterbliebenen
Minderungen bei der Rentenanpassung nachholen. Die Verrechnung soll nach geltendem Recht
erfolgen, indem positive Rentenanpassungen ab 2011 solange
halbiert werden, bis der Ausgleichsbedarf abgebaut ist.
Aber auch Arbeitnehmer sollen
nach dem Willen der Bundesregierung durch die Rentengarantie nicht über Gebühr belastet
werden. Bis 2020 soll der Beitragssatz nicht über 20 Prozent,
bis 2030 nicht über 22 Prozent
steigen. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 19,9 Prozent des
Bruttolohns.
Die bereits zugesagten Steigerungen der Renten zum 1. Juli in
Westdeutschland um 2,41 Prozent und im Osten um 3,38 Prozent werden ebenfalls durchgeführt.
Das Problem scheint damit zunächst gelöst. Allerdings steht
die neue Schutzklausel Bemühungen, gegen demographische
Faktoren anzukämpfen, entgegen. Dämpfende Faktoren in der
Rentenformel sollen garantieren, dass die Rente auch bei einer alternden Gesellschaft finanzierbar bleibt. Das ist zum
einen der Riester-Faktor, der
den Anstieg der Renten in dem
Maße mindert, in dem Arbeitnehmer zusätzlich in die private
Altersvorsorge einzahlen. Weiter soll der so genannte „Nachhaltigkeitsfaktor“ die Rentensteigerung dämpfen, wenn die
Anzahl der Rentner im Vergleich
zur Anzahl der Beitragszahler
steigt. Zudem gibt es bereits eine bestehende Schutzklausel,
die besagt, dass nicht allein die
Dämpfungsfaktoren zu einer
Minusrunde bei den Renten
führen dürfen, solange die Löhne steigen. Weil die neue
Schutzklausel diesen Bemühungen entgegenwirkt, drohen
den Rentnern im Umkehrschluss Nullrunden und den
Beitragszahlern zwar keine Beitragssteigerungen, aber auf
lange Sicht wahrscheinlich
auch keine Absenkungen.
>
Beamte im Vorteil?
Wer jetzt als gebeutelter Rentner nicht ohne Neid auf „die
Beamten“ schielt, denen es ja
mit ihren in einem eigenständigen Versorgungssystem angeblich so viel besser geht, irrt:
Aktuelle Berechnungen belegen
nämlich, dass die Pensionäre ihre Bezüge über die Jahre keineswegs stärker steigern konnten
als die Rentner. Markus Grabitz
von den „Stuttgarter Nachrichten“ hat anhand von Zahlen der
Rentenversicherung Bund und
Timing-Problem:
Wer kurz vor der
Rente steht und für
die private Altersvorsorge auf Aktien
gesetzt hat, hat
40 Prozent Wertverlust und mehr zu
beklagen. Jüngere
Menschen, die
privat vorsorgen
wollen, sollten sich
die Chancen der
Aktienmärkte trotzdem nicht entgehen
lassen. Der sicherste Weg dazu sind
staatlich geförderte
Anlageprodukte mit
einer garantierten
Mindestrente wie
zum Beispiel die
Riester-Rente.
>
Info
Aktien besser als Rente?
Kritiker behaupten immer wieder, die Rentenversicherung sei für
die Versicherten ein Nullsummenspiel, wenn nicht gar ein Minusgeschäft. Hätten Rentner ihre Rentenbeiträge in Aktienfonds anlegen
können, wäre wesentlich mehr Rendite drin gewesen. Dieses Argument zieht spätestens seit der Finanzkrise nicht mehr. Gerade rentennahe Jahrgänge haben das zu spüren bekommen, denn ihre privat über viele Jahre hinweg in Wertpapieren angelegten zusätzlichen Altersvorsorgebausteine sind je nach Risikoneigung zum Teil
nur noch weniger als die Hälfte wert. Darüber hinaus relativieren
sich selbst alte Börsenweisheiten wie die, dass der Faktor Zeit bei
der Aktienanlage langfristig stabile Renditen garantiert: Laut einer
Studie des „Handelsblatts“ haben Anleger, die in den vergangenen
zehn Jahren in den Dax investierten, unter Berücksichtigung der Inflation 40 Prozent Verlust gemacht. Auf Sicht von 20 Jahren wären
immerhin mickrige 1,5 Prozent Plus verblieben. Auch der amerikanische Börsenindex S&P liegt derzeit inflationsbereinigt kaum höher
als Anfang der 80er-Jahre. Mit langweiligen Bundesschatzbriefen
dagegen wären es inflationsbereinigt 25 Prozent Plus gewesen. „Angesichts solcher ernüchternder Zahlen wird der eine oder andere ruinierte Börsianer froh sein, dass es noch die staatliche Altersversorgung mit ihren Minirenten gibt“, folgert das Handelsblatt.
des statistischen Bundesamtes
nachgerechnet. Untersucht hat
er die prozentualen Rentensteigerungen von 1960 bis zur geplanten Rentenanpassung
2009 sowie die Steigerungen
der Beamtenpensionen (Bund)
von 1960 bis 2009. Das Ergebnis: Die Beamtenpensionen haben in diesem Zeitraum um
rund 475 Prozent zugelegt, die
Renten um 830 Prozent. „Wenn
man davon ausgeht, dass die
Pensionen in absoluten Zahlen
höher ausfallen als Renten“,
sagt Grabitz, „kommt man zu
dem überraschenden Ergebnis:
Wenn die Entwicklung so anhält, müsste sich das Versorgungsniveau zwischen den beiden Systeme also irgendwann
angeglichen haben.“ Unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den Systemen wie
etwa die unterschiedlichen Besteuerungs- und Versicherungsmodalitäten, sind die Renten im
Betrachtungszeitraum nominal
tatsächlich stärker gestiegen
als die Pensionen. Ob das
wegen der systematischen
Unterschiede aber direkt vergleichbar ist, muss dahingestellt bleiben.
br
>
> dbb magazin | Juni 2009
33
hintergrund
sei eine Frage des Vertrauens. Es
dürften nicht mit unbegründeten Zahlen Ängste geschürt
werden. Seit 1957 habe es nie
Rentenkürzungen gegeben. Und
das sei auch weiterhin nicht zu
erwarten, so Scholz.
dbb > spezial
senioren
34
>
Ehemaligentreffen mit Tradition
Bereits seit mehreren Jahren in Folge lädt der dbb Ehrenvorsitzende Werner Hagedorn seine ehemaligen Kollegen (Kolleginnen sind noch nicht dabei) zu einem Treffen jeweils Ende Mai in das dbb forum sienbengebirge nach Königswinter-Thomasberg ein. Die ehemaligen dbb-, Landesbunds- und Fachgewerkschaftsvorsitzenden informieren sich über die aktuelle Berufs- und Tarifpolitik und haben für ihre Nachfolger in den dbb Entscheidungsgremien bereits so manchen wertvollen Rat geben können. Im Bild von links: Thorolf Schulte
(VBB), Hubertus Grützner (bgv), Johannes Minde (DPVKOM), Erich Steffen (dbb nrw), Werner Hagedorn (dbb),
Hermann Fredersdorf (DSTG), Horst Zies (dbb tarifunion), Erhard Geyer (dbb), Gerd Eßer (dbb), Heinz Berlage
(DPVKOM) und Wolfgang Weiler (VAB).
> dbb magazin | Juni 2009
dbb > spezial
Seltenes Jubiläum:
100 Jahre Bund
Deutscher Rechtspfleger
Der Bund Deutscher Rechtspfleger (BDR) feiert
dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Der
Verband kann auf eine bemerkenswerte und
fast einzigartige Erfolgsgeschichte zurückblicken. Dieser runde Geburtstag wurde am
23. April 2009 in Berlin mit einem Festakt
gefeiert. Bundespräsident Horst Köhler hatte
die Schirmherrschaft übernommen. Das dbb
magazin blickt zurück.
blickpunkt
38
Die Novellierung der Zivilprozessordnung (ZPO) im Jahr
1909 übertrug erstmals die
Kostenfestsetzung und die
Erteilung der Vollstreckungsbefehle in eigener Zuständigkeit auf den damaligen Gerichtsschreiber. Dies stellt den
Beginn des Berufsstandes des
Rechtspflegers dar. Zur Wahrnehmung der berufspolitischen Interessen wurde am
19. September 1909 in Nürnberg der „Bund Deutscher
Justizsekretäre“ gegründet,
der seit 1932 unter dem noch
heute verwendeten Namen
„Bund Deutscher Rechtspfleger“ firmiert.
Mit der „kleinen Justizreform“ aus dem Jahr 1920
wurden erstmals richterliche
Geschäfte zur selbstständigen Erledigung auf den Gerichtsschreiber übertragen
und damit in die Zuständigkeit des Rechtspflegers gelegt, ohne dass der richterliche Charakter der Aufgaben
verloren gegangen wäre. Der
Gerichtsschreiber verabschiedete sich damit aus dem Status der richterlichen Hilfskraft.
Bereits drei Jahre später wurde die Funktionsbezeichnung
> dbb magazin | Juni 2009
der Gerichtsschreiber den
neuen Aufgaben angepasst
und der „Rechtspfleger“
durch die „preußische Entlastungsverfügung“ vom 28.
Mai 1923 eingeführt. Die früheren Amtsbezeichnungen
waren „Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle“ und „Gerichtsschreiber“ – übrigens in
früheren Zeiten häufig der
einzige Lese- und Schreibkundige am Gericht, dessen Erwähnung bis in das 8./9.
Jahrhundert zurückgeht.
Da sich die Übertragungen
bewährten und zudem die
Veränderungen der Gesellschaft, die wachsende Bevölkerungszahl und die Wandlung sozialer Strukturen die
Notwendigkeit der weiteren
Entlastung der Richter erforderten, wurden mit dem ersten Rechtspflegergesetz von
1957 zahlreiche Rechtsgebiete und weitere Einzelaufgaben auf den Rechtspfleger
übertragen. Dazu gehört vor
allem die freiwillige Gerichtsbarkeit, unter der man die
vorsorgende Gerichtsbarkeit
– ohne Streitigkeiten zwischen Parteien oder zwischen
Staat und Bürger – versteht:
Mit dem Rechtspflegergesetz
wurde die gerichtsverfassungsmäßige Stellung des
Rechtspflegers als sachlich
unabhängiges Organ der
Rechtspflege gesetzlich festgelegt. Der Rechtspfleger
wurde zur zweiten Säule der
dritten Gewalt.
In der DDR wurde der Rechtspfleger 1953 abgeschafft und
mit der Wiedervereinigung
1990 erneut eingeführt. Gerade hier leisteten viele
Rechtspfleger aus den alten
Bundesländern erhebliche
Aufbauarbeit, mit deren Hilfe
es möglich war, binnen kurzer
Zeit die Justiz in den neuen
Ländern nach westlichem
Vorbild in Schwung zu bringen.
>
Breites Aufgabenspektrum
Nach einem dreijährigen Studium übt der Rechtspfleger
einen verantwortungsvollen,
interessanten und abwechslungsreichen Beruf aus. Der
Rechtspfleger ist heute in keiner Abteilung des Gerichts
mehr wegzudenken: In den
Staatsanwaltschaften werden die verhängten Strafen
vollstreckt. Im Zivilgericht
und im Familiengericht ist
der Rechtspfleger unter anderem zuständig für die Antragsaufnahme rechtssuchender Bürger und die Kostenfestsetzung. Er entscheidet über die angefallenen Gebühren der Rechtsanwälte.
Rechtspfleger führen ferner
Zwangsversteigerungen von
Grundstücken, Häusern und
Eigentumswohnungen durch.
Sie arbeiten in der Zwangsvollstreckung und entscheiden dort zum Beispiel über
Pfändungen und Räumungsschutzanträge. Bei den Insolvenzgerichten leiten sie das
gesamte Verfahren nach der
Eröffnung.
In den Grundbuch- und Registergerichten entscheiden sie
über die Eintragungen. In den
Nachlassgerichten führen sie
die Verfahren, einschließlich
Erbenermittlung und Erteilung des Erbscheins.
Rechtspfleger in den Vormundschaftsgerichten – die
künftig Betreuungsgerichte
heißen – sind zuständig für
die Genehmigung von Verträgen, aber auch für die Kontrolle der Abrechnungen der
Betreuer.
dbb > spezial
So wird nahezu jeder Bürger
irgendwann in seinem Leben
mit einem Rechtspfleger zu
tun haben.
Weitere Aufgabenübertragungen sind seit dem Jahr
2004 in den Bundesländern
möglich. Der Bund Deutscher
Rechtspfleger setzt sich für
deren Umsetzung ein, damit
weitere verantwortungsvolle
Tätigkeiten kostengünstig
und zuverlässig von den
Rechtspflegern erledigt werden können.
>
Rechtspfleger arbeiten aber
auch in den Ministerien und in
der Verwaltung der Gerichte
als Geschäftsleiter und sind
Neue Perspektiven
Auch europaweit positioniert
sich der Verband durch die
Europäische Union der
Rechtspfleger und macht die
Vorteile des deutschen
Rechtspflegers in anderen europäischen Ländern bekannt.
Ferner setzt sich der Bund
Deutscher Rechtspfleger für
eine gesetzliche Statusregelung für den Rechtspfleger
ein.
Ziel des BDR waren seit seiner
Gründung vor 100 Jahren
nicht nur standespolitische
Verbesserungen, sondern
stets auch die Gestaltung des
Rechtes und die Verbesserung
der Rechtspflege. Auch die
Fortbildung war immer ein
wichtiges Anliegen, das sich
in der eigenen rechtswissenschaftlichen Zeitschrift „Der
Deutsche Rechtspfleger“ manifestiert.
Die derzeitige Wirtschaftsund Finanzkrise wird auch die
Rechtspfleger stark fordern.
Umso wichtiger ist es deshalb, für eine ausreichende
Personalausstattung und eine effektive Gewinnung
hochqualifizierten Nachwuchses Sorge zu tragen. Der
Rechtspfleger steht in
Deutschland durch die Wahrnehmung seiner Aufgaben im
Zentrum der menschlichen,
sozialen und wirtschaftlich
wichtigen Bereiche und ist
deshalb gesellschaftspolitisch
äußerst bedeutsam.
Lediglich das Ansehen und
der Bekanntheitsgrad entsprechen dem noch nicht. Ziel
des Bundes Deutscher
Rechtspfleger ist es deshalb
auch, ihm die soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Anerkennung zu verschaffen, die er verdient.
Claudia Kammermeier
39
blickpunkt
dort unter anderem mit Aufgaben der Personal- und
Haushaltsführung betraut.
> dbb magazin | Juni 2009
dbb > finale
www.dbb.de
Der dbb im Internet:
Auf Mausklick Service
Digitale Medien haben unser Leben in den vergangenen zehn Jahren verändert wie kaum eine
andere Erfindung zuvor. Davon ist auch die Arbeit der Gewerkschaften berührt, denn neben
den klassischen Mitgliederzeitschriften ist das
Internet längst zur schnellen Drehscheibe für
die Verbreitung von Nachrichten und Servicedienstleistungen geworden. Die Internetpräsenz des dbb beamtenbund und tarifunion informiert nicht nur umfassend, sondern sorgt
auch für Mehrwert.
online
40
„Das ,e‘ für electronic ist im Tagesgeschäft von Verwaltung,
Wirtschaft und Privatpersonen
eine Selbstverständlichkeit:
Steuererklärungen werden per
Mausklick eingebracht, Amtsgänge auf dem Datenhighway
erledigt: Die öffentliche Verwaltung muss sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen und immer
mehr Schlüsseldienstleitungen
anbieten, die einen echten
Mehrwert für die Bürger bedeuten“, sagte dbb Chef Peter
Heesen auf der Eröffnung des
10. Fachkongresses „neue verwaltung“ am 5. Mai 2009 in
Leipzig. Hinter diesen hohen
Anforderungen steht auch für
die Spitzenorganisation der
Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes dbb nicht zurück: Die Internetseiten
www.dbb.de tragen diesem
Anspruch Rechnung und vermitteln Mitgliedern und politisch Interessierten nicht nur
aktuelle Nachrichten aus der
Arbeit des dbb und seiner
Fachgewerkschaften.
Darüber hinaus erhalten Nutzer schnellen Zugriff auf die
Angebote aller 43 Fachgewerkschaften und 16 Landesbünde
des dbb.
> dbb magazin | Juni 2009
>
Den dbb per
Mausklick im Griff
Eine praktische Navigationsleiste auf der linken Seite der
Homepage bündelt die wichtigsten Programmpunkte des
dbb Internetangebots, der
Menüpunkt „dbb“ macht die
ganze Vielfalt des dbb und
seine Organisationsstruktur
mit einem Klick greifbar: Informationen zu den Mitgliedern der dbb Bundesleitung
rund um dbb Chef Peter Heesen mit Biographien und politischen Schwerpunkten ihrer
Arbeit, direkte Links zu den
Fachgewerkschaften und Landesbünden, zur dbb bundesfrauenvertretung, zur dbb jugend und nicht zuletzt zur
dbb tarifunion. Insgesamt finden Arbeitnehmer und Beamte dort speziell auf ihre Zielgruppe zugeschnittene berufs- und landesspezifische Informationen. Informationen
über die Gremien des dbb bis
hin zur Satzung runden die
Selbstdarstellung ab. Wer direkte Ansprechpartner innerhalb der dbb Bundesgeschäftsstelle sucht, wird im
Organigramm fündig. So können fachbezogene Fragen
zum öffentlichen Dienst di-
rekt telefonisch mit der zuständigen Fachabteilung erörtert werden.
>
Themenvielfalt
Der öffentliche Dienst und seine Berufspolitik sind vielfältig
und kompliziert. Auch hier
bringt die dbb Seite mit fundiertem Fachwissen Licht ins
Dunkel. In medias res geht es
mit dem unscheinbaren Link
„themen“, hinter dem sich eine
Fülle von Fachinformationen
rund um den öffentlichen
Dienst in Deutschland eröffnet. „A-Z“ bietet ein umfassendes Online-Lexikon mit allen
wesentlichen Begriffen aus
dem gesamten öffentlichen
Dienst, teils mit mehreren Seiten langen Artikeln zu Themen
von „A-Besoldung“ bis „Zulagen“.
Gesonderte Rubriken für aktuelle, den gesamten öffentlichen
Dienst betreffende Gesetzesvorhaben wie Dienstrechtsreform und Mitbestimmung vertiefen die Wissensbasis, stets
ergänzt um Downloadmöglichkeiten für aktuelle, thematisch
passende Broschüren und Publikationen des dbb.
Überdies wird jede Hauptseite
von vier Bildbuttons flankiert,
die als weiterführende Links zu
thematisch verwandten Services und Angeboten des dbb
fungieren.
Umfangreiche Materialien zur
Statistik in Form der dbb Broschüre „Zahlen Daten Fakten“,
Infos zu laufenden Einkommensrunden oder zu Fachthemen wie Mitbestimmung,
Rechtsprechung, Personalver-
dbb > finale
tretung oder Europawahlen
werden so verfügbar gemacht,
ohne lange suchen zu müssen.
Da der dbb auch auf europäischer Ebene Berufspolitik
macht, kann der Internetnutzer über die dbb Seite auf das
gesamte Betätigungsspektrum
im Europäischen Raum zugreifen, angefangen von der Europa-Organisation des dbb CESI
bis hin zu umfangreichen Linksammlungen zum öffentlicher
Dienst in Europa, praktisch gebündelt unter der Rubrik „dbb
in europa“.
Umfassende
Information
Die Rubrik „aktuell“ bietet
schnelle Information zu brandaktuellen Themen: Hier finden
Internetnutzer tagesaktuelle
Berichterstattung zu politischen Themen. Wer wissen
will, was der dbb gerade für
seine Mitglieder tut, ist hier
richtig. Neben den aktuellen
Meldungen hält die Seite auch
in Nachrichtenarchiv mit den
wichtigsten Meldungen aus
sieben Jahren Interessenpolitik
bereit. Eine Suchfunktion ermöglicht es, schnell die passende Meldung zu einem Fachbegriff zu finden. Dass viele
Meldungen mit weiterführenden Links, etwa zu den ent-
>
Informationsvielfalt rund um den öffentlichen Dienst und seine Beschäftigten: www.dbb.de
sprechenden Gesetzentwürfen
oder anderen Hintergrundmaterialien versehen sind, macht
diese tagesaktuelle Wissensbasis noch attraktiver.
Auf die gute alte Zeitung wird
auch im Digitalzeitalter nicht
verzichtet. Trotzdem finden
Interessierte unter dem Link
„magazine“ stets die wichtigsten Artikel aus der jeweils aktuellen Ausgabe unserer Mit-
gliederzeitschrift „dbb magazin“, darunter immer das Interview mit einem Spitzenpolitiker. Außerdem können hier alle
dbb magazin Ausgaben seit
2005 als E-Paper im PDF-Format heruntergeladen werden.
In der Rubrik „presse“ finden
Journalisten direkt den richtigen Ansprechpartner für ihre
tägliche Arbeit. Eine Tagesaktuelle Presseschau bündelt
morgens die wichtigsten Meldungen der überregionalen Tageszeitung zu den Themen dbb
und öffentlicher Dienst als informative Linksammlung. Wer
sich für den öffentlichen Sektor
in Deutschland interessiert,
kann sich somit die zeitraubende Zeitungsauswertung sparen, wir haben das schon für
sie erledigt.
Hier können Interessenten
übrigens auch kostenlos und
unverbindlich den E-MailNewsletter des dbb abonnieren.
>
Unser Service,
Ihr Mehrwert
Dass der dbb das Thema Mitgliederservice groß schreibt, ist
kein Geheimnis, sondern Teil
>
Das dbb forum berlin ist nicht nur Bürogebäude, sondern zugleich modernes Tagungszentrum und Begegnungsstätte.
seiner Mitgliedernähe. Einen
Eindruck davon erhalten
Internetnutzer unter der Rubrik „service“, die nicht nur
exklusive Angebote bereithält, sondern darüber hinaus
die Schnittstelle zwischen
Mitglied und dbb ist:
Hier gibt es alles, was dbb
Mitgliedern echten Mehrwert liefert. Rechtsberatungs- und Rechtschutzangebote der dbb Dienstleistungszentren, Seminare,
Workshops und Bildungsreisen und der dbb akademie,
vergünstigte Versicherungsund Vorsorgeleistungen über
das dbb vorsorgewerk, das
breite Angebot des dbb verlags sowie das neue Internetportal dbb vorteilswelt, in
dem dbb Mitglieder satte
Prozente auf die Waren und
Angebote renommierter Online-Shops erhalten.
Außerdem stellen sich hier
das dbb forum berlin und das
dbb forum siebengebirge als
moderne Tagungsstätten vor
und informieren über Räumlichkeiten und technische
Möglichkeiten.
br
> dbb magazin | Juni 2009
41
online
>
dbb > finale
Glosse:
Drei sind einer
zu viel …
Müller-WohlfahrtLüdenscheidMeyer-Schmitz
glosse/mitgliedsgewerkschaften
42
>
DPhV
Sechsjährige Grundschule
kein Erfolgsmodell
Die sechsjährige Grundschule
ist nach Einschätzung des Deutschen Philologenverbandes
(DPhV) „kein Erfolgsmodell“.
Der DPhV-Bundesvorsitzende
Heinz-Peter Meidinger beklagte
>
Heinz-Peter Meidinger,
Bundesvorsitzender des DPhV
am 1. Mai 2009 „weniger Bildungsgerechtigkeit und geringere Leistungen bei längerer
Grundschulzeit“. Er wandte sich
gegen Versuche, eine Neuinterpretation der Grunddaten der
Elementstudie durch Prof. Baumert in einen Beweis für die an-
> dbb magazin | Juni 2009
gebliche Überlegenheit der
sechsjährigen Grundschule umzudeuten. „An den empirischen
Kerndaten der Elementstudie,
wonach die Schüler der grundständigen Gymnasien in Berlin
am Ende der 6. Klasse einen
Leistungsvorsprung von bis zu
zwei Lernjahren vor den Schülern haben, die die letzte Jahrgangsstufe der sechsjährigen
Grundschulen besuchen, ändert sich dadurch gar nichts.“
Der Versuch, diese Ergebnisse
zu relativieren, überzeuge insbesondere Eltern nicht, die ihren Kindern ein gymnasiales
Bildungsangebot ab der 5. Klasse ermöglichen wollen.
쮿
>
VBE
Alle Kinder zusammen
lernen lassen
Für das gemeinsame Lernen
von behinderten und nichtbehinderten Kindern setzt sich
der Verband Bildung und Erziehung (VBE) ein. Zum Interna-
…zumindest im deutschen Namensrecht. Und das eigentlich
schon seit 1993. Jetzt hat das
Bundesverfassungsgericht endgültig Schluss gemacht mit den
fantasievollen Namensketten.
Vorbei also mit Hadschi Halef
Omar Ben Hatschi Abul Abbas
Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah. Der Mann heißt entweder
Halef Omar-Abbas oder gar
nicht. Vorbei auch mit Kombinationen wie Müller-Wohlfahrt-Lüdenscheid-Meyer. Wo
kämen wir hin, wenn solche
Auswüchse Schule machten
und beispielsweise einem
Nachgeborenen die Kette der
Eheschließungen und -scheidungen seiner Eltern und Vorfahren anhängen würde, die
sich zudem später durch eigenes Zutun beliebig verlängern
ließe? Undenkbar! Schließlich
sollen Namen nicht nur der
Selbstverwirklichung dienen,
sondern praktisch sein – denn
>
Udo Beckmann,
Bundesvorsitzender des VBE
tionalen Aktionstag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai 2009
sagte VBE-Bundesvorsitzender
Udo Beckmann: „Die Länder
müssen endlich ihre Hausaufgaben machen und die erforderlichen personellen, sächlichen und räumlichen Bedingungen an allgemeinen Schu>
den Leerzeichen auf Formularen
sind schließlich enge Grenzen
gesetzt. Und außerdem sollen
Namen Identifikationskraft entwickeln und nicht die Herkunft
verschleiern.
Was jetzt noch fehlt, ist eine Einschränkung der oft weit hergeholten Vornamen, die in Kombination mit so manchen althergebrachten Nachnahmen den
Kindern schwere Hypotheken
auflegen können. Welches Mädchen mag sich schon gerne als
Trixibelle Meyer durchs Leben
schlagen? Und auch in der gebotenen Kürze liegt nicht immer
die Würze. „Gestatten, mein Name ist Bond, James Bond.“ Das
klingt wie Musik und führt bei
vielen Filmfans zur Gänsehaut.
„Gestatten, mein Name ist
Wurst, Hans Wurst.“ Das ist
zwar erlaubt, klingt aber ganz
schön verboten. Schwierig,
schwierig, die Sache mit den
Namen…
sm
len für eine gemeinsame
Unterrichtung von behinderten und nichtbehinderten Kindern schaffen. Die Umsetzung
der von Deutschland unterzeichneten UN-Behindertenkonvention liegt nach der Föderalismusreform vor allem in
der Verantwortung der Länder.
Als „Riesenproblem“ für mehr
Integration an allgemeinen
Schulen bezeichnet Beckmann
den Lehrermangel. „Für gemeinsamen Unterricht brauchen Schulen eine deutlich
bessere Lehrerausstattung und
vor allem Sonderpädagogen,
die den spezifischen Bedürfnissen von Menschen mit Beeinträchtigungen gerecht werden können.“
쮿
Sonderermittlungsgruppe gefordert
Der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), Dieter Ondracek, hat im Kampf gegen Steuerhinterziehung die Einrichtung
einer bundesweit tätigen Sonderermittlungsgruppe gefordert. In
einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Ausgabe
vom 9. Mai 2009) sagte Ondracek: „Wir brauchen eine Truppe von
rund 100 Sonderermittlern, die gezielt und intensiv Auslandstransfers beobachtet und dann hinterfragt.“ Da die Steuerverwaltung in die Hoheit der Bundesländer falle, müssten dafür zunächst die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden.
쮿
dbb > finale
GdS
GdS-Gewerkschaftstag
Klaus Dauderstädt erneut
Bundesvorsitzender
Auf dem 7. ordentlichen Gewerkschaftstag der Gewerkschaft der Sozialversicherung
(GdS) ist Klaus Dauderstädt, der
seit 1999 an der Spitze der GdS
steht, mit mehr als 95 Prozent
der Delegiertenstimmen erneut
zum Bundesvorsitzenden gewählt worden.
sam streiten. Der alte und neue
GdS-Chef warnte zugleich davor, den Sozialstaat weiter umzukrempeln. dbb Chef Peter
Heesen beglückwünschte Dauderstädt. Die GdS sei mehr
denn je eine „gewerkschaftliche Institution und eine wichtige Stimme“, die auch im dbb
und darüber hinaus gehört
werde.
쮿
>
Landesgewerkschaftstag des
dbb hamburg
Klaus Dauderstädt,
Bundesvorsitzender der GdS
Als stellvertretende Bundesvorsitzende gewählt wurden Elke
Janßen, Maik Wagner und Thomas Wehner. Komplettiert wird
der neue Bundesvorstand durch
die Beisitzer Marko Bösing und
Stefan Burkötter, Mathias Findeisen, Georg Grimme, Steffen
Hensel, Hermann Josef Kramer,
Ines Prell, Uwe Primus, Andrea
Rutz-Lorenz und Siegfried
Zeiher. Geborene Bundesvorstandsmitglieder sind weiterhin die stellvertretenden
Bundesgeschäftsführer Siglinde
Hasse und Wilfried Macke sowie Bundesjugendleiter Florian
Birkholz.
Der Gewerkschaftstag stellte
die Weichen für die Amtsperiode 2009 bis 2014 und brachte
das Grundsatzprogramm der
GdS in eine aktuelle Fassung.
Zur öffentlichen Veranstaltung
am 8. Mai empfingen die rund
400 Delegierten führende Vertreter aus Politik und Sozialversicherung. Klaus Dauderstädt
sagte, das Selbstverständnis
der Sozialversicherung als
„Mittler zwischen Sozialstaat
und Bürger“ müsse bewahrt
werden. Für eine „zukunftsorientierte und interessengerechte Sozialversicherung“
müssten alle Partner gemein-
Auf seinem 28. Landesgewerkschaftstag hat der dbb hamburg am 14. Mai 2009 Rudolf
Klüver für weitere vier Jahre
zum Landesvorsitzenden gewählt. Er erhielt 92,2 Prozent
der Stimmen, teilte der dbb
hamburg mit. Klüver, der seit
2005 an der Spitze des dbb
hamburg steht, wertete das Ergebnis als „großen Vertrauensbeweis“ und gute Basis für die
gewerkschaftliche Arbeit der
BSBD gegen Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen
Der Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD) lehnt
die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen durch die Bundesrepublik ab. „Amerikanische Gefangene gehören in Amerika vor ein Gericht. Werden sie wegen erwiesener Schuld verurteilt, müssen sie
auch in den USA inhaftiert werden“, sagte Anton Bachl, Bundesvorsitzender des BSBD, am 8. Mai 2009. Bachl vertrat die Auffassung, dass
Bitten, die auf politischer Ebene vorgetragen werden, keine Grundlage für ein rechtsstaatlich geregeltes Verfahren sein können.
쮿
dbb hamburg
Rudolf Klüver bleibt
Landesvorsitzender
>
>
zung für die im öffentlichen Sektor Beschäftigten machte auch
der Erste Bürgermeister der
Freien und Hansestadt Hamburg, Ole von Beust, deutlich. Er
versicherte, weitere Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst
werde es nicht geben. Am Vortag hatte der Haushaltausschuss der Hamburger Bürgerschaft das Besoldungs- und Versorgungsgesetz 2009/2010 verabschiedet und damit den Weg
frei gemacht, das Tarifergebnis
vom März 2009 zeit- und inhaltsgleich auf die Beamtinnen
und Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in Hamburg zu übertragen.
쮿
>
DPolG
Ja zu verschärftem
Waffenrecht
>
Rudolf Klüver, Vorsitzender
des dbb hamburg
nächsten Jahre. Bei der öffentlichen Veranstaltung des Landesgewerkschaftstages wies der
alte und neue Vorsitzende vor
den 200 Delegierten und zahlreichen Gästen aus Politik und
Wirtschaft darauf hin, dass in
wirtschaftlich schwierigen Zeiten der öffentliche Dienst mehr
denn je gefragt sei. Mit Blick auf
das Motto des Gewerkschaftstages „Mit Sicherheit Leistung –
der öffentliche Dienst in Hamburg“ sagte Klüver, Politik und
Bürger der Stadt „können sich
auf ihren öffentlichen Dienst
verlassen – er ist die Grundlage
für ein gut funktionierendes
Staatswesen“. Seine Wertschät-
Die Einigung der großen Koalition auf eine Verschärfung des
Waffenrechts wird von der Deutschen Polizeigewerkschaft
(DPolG) begrüßt. Damit würden
notwendige Schlüsse aus dem
Amoklauf von Winnenden gezogen. „Um jedoch verdachtsunabhängige Kontrollen in Wohnungen von Waffenbesitzern
>
>
Rainer Wendt,
Bundesvorsitzender der DPolG
durchführen zu können, brauchen wir mehr Personal bei Polizei und Ordnungsämtern“,
sagte DPolG-Bundesvorsitzender Rainer Wendt am 7. Mai
2009. „Jede noch so gute Absicht einer Kontrollverstärkung
kann nur funktionieren, wenn
die Sicherheitsbehörden dies
auch leisten können. Vor dem
Hintergrund von über 10 000 in
den Ländern weggefallenen Polizeistellen in den vergangenen
zehn Jahren sehen wir eher
schwarz, dass dies gelingen
kann.“ Positiv sieht die DPolG
die geplante Einführung eines
nationalen Waffenregisters.
Wendt: „Wir fordern aber darüber hinaus die europäische
Harmonisierung. Die Gefahr
des Waffenmissbrauchs existiert europaweit, deshalb brauchen wir eine europäische Antwort auf das Problem.“
쮿
Digitalfunk verzögert sich
Mit „großer Enttäuschung“ hat die Bundesleitung der Deutschen
Polizeigewerkschaft (DPolG) die Nachricht zur Kenntnis genommen,
dass der Start für den Digitalfunk um zwei Jahre verschoben wird.
Statt zum Jahresende 2010 wird es frühestens im Jahre 2012 zu einer
flächendeckenden Ausstattung mit einem digitalen Funknetz kommen. „Eigentlich könnte man nur noch lachen, aber wir sind auch
verzweifelt. Die Polizei braucht den digitalen Funk dringend für Abhörsicherheit und bessere Erreichbarkeit. Seit mehr als zehn Jahren
werden wir vertröstet, aber es kann doch nicht sein, dass den Verantwortlichen erst jetzt auffällt, dass noch Sendemasten fehlen.”
쮿
> dbb magazin | Juni 2009
43
mitgliedsgewerkschaften
>
dbb > finale
>
>
Der Deutsche Gerichtsvollzieher Bund hat am 8. Mai 2009 sein
hundertjähriges Bestehen gefeiert. Schirmherrin des Festakts in
Berlin war Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Zu der Veranstaltung, auf der an die bewegte Geschichte des Gerichtsvollzieher Bundes erinnert wurde, begrüßte der DGVB-Vorsitzende Walter Gietmann auch dbb Chef Peter Heesen, der die Glückwünsche
der Dachorganisation zum Jubiläum überbrachte. Die Arbeit der
Gerichtsvollzieher, so Heesen, „gehört zu den wesentlichen Säulen
unseres Rechtsstaates“.
쮿
DPVKOM
Längere Arbeitszeit
kontraproduktiv
Die Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM) hat Pläne
von Postchef Frank Appel abgelehnt, die Arbeitszeit der rund
80 000 Briefzusteller ohne
Lohnausgleich zu verlängern.
„Viele Briefträger sind jetzt
schon überlastet. Mehr geht
einfach nicht“, sagte der
DPVKOM-Bundesvorsitzende
Volker Geyer am 5. Mai 2009.
Eine längere Arbeitszeit sei an-
mitgliedsgewerkschaften
44
>
Volker Geyer, Bundesvorsitzender der DPVKOM
gesichts der Belastung der Zusteller völlig kontraproduktiv.
Noch im Herbst vergangenen
Jahres habe das Unternehmen
1 000 zusätzliche Zusteller eingestellt, weil die Personaldecke
in diesem Bereich viel zu dünn
ist, so Geyer. Wird die Arbeitszeit
nun erhöht, sei Personalabbau
vorprogrammiert. „Es ist schon
eine Unverfrorenheit vom Arbeitgeber, den Beschäftigten offen mit der Entlassung zu drohen, falls sie nicht zu Mehrarbeit
ohne Lohnausgleich bereit sind.
Das hat wenig mit Respekt und
Wertschätzung gegenüber den
Mitarbeitern zu tun.“
쮿
>
VBOB
Auszubildende brauchen
Perspektiven
Der Verband der Beschäftigten
der obersten und oberen
Bundesbehörden (VBOB) hält es
für dringend erforderlich, Nachwuchskräften im Anschluss an
ihre Berufsausbildung in den
Bundesbehörden wenigstens
> dbb magazin | Juni 2009
Gerichtsvollzieher feiern 100.
>
Hans Ulrich Benra,
Bundesvorsitzender des VBOB
über längerfristige Zeitverträge
eine Chance auf Weiterbeschäftigung zu bieten. „Die Auswirkungen des demographischen
Wandels werden sich in den
kommenden Jahren deutlich zeigen. Bereits 2020 liegt das
Durchschnittsalter in den Verwaltungen des Bundes deutlich
über dem 55. Lebensjahr“,
machte VBOB-Chef Hans Ulrich
Benra am 28. April 2009 auf
dem 7. Forum für Personalvertretungsrecht des dbb in Berlin
deutlich. Auch in Krisenzeiten
sei es zur Sicherung von Beschäftigung unerlässlich, sich
personalwirtschaftlich klug zu
verhalten, so Benra. Durch antizyklische Einstellungspolitik
könnte sich der öffentliche
Dienst im Bund vorbildlich zeigen: Das gilt in besonderem Maße im Rahmen der großen Projekte zur Verwaltungsmodernisierung, wie zum Beispiel beim
Auf- und Ausbau von Kompetenz- und Dienstleistungszentren.“
쮿
>
BBB
>
Rolf Habermann,
Vorsitzender des Bayerischen
Beamtenbundes BBB
zu machen. Damit werde „endlich der Giftzahn der Ungleichbehandlung gezogen“, freute
sich Habermann. Insbesondere
wegen der Ungleichbehandlung mit anderen Beschäftigtengruppen des öffentlichen
Dienstes hätten sich die bayerischen Beamtinnen und Beamten nie mit der 42-StundenWoche abfinden können – umso mehr, weil sie bereits seit
1994, bei Einführung der 40Stunden-Woche, eine höhere
Wochenarbeitszeit als ihre Kolleginnen und Kollegen aus
dem Tarifbereich und fast allen
anderen Bundesländern sowie
dem Bund hatten.
쮿
>
BBW
42-Stunden-Woche
zurückgenommen
Übertragung ist
„positives Signal“
„Wir sind sehr erleichtert, dass
die seit Jahren bestehende Gerechtigkeitslücke geschlossen
wird. Das war längst überfällig.“ Mit diesen Worten reagierte der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes
(BBB), Rolf Habermann, am 23.
April 2009 auf die Ankündigung der Landesregierung, die
2004 eingeführte 42-StundenWoche für die bayerischen Beamtinnen und Beamten
„schnellstmöglich rückgängig“
Als „positives Signal in wirtschaftlich angespannten Zeiten“ hat der Vorsitzende des
BBW Beamtenbund Tarifunion,
>
Volker Stich, die Ankündigung
der Landesregierung bewertet,
das Ergebnis der Verhandlungen
zum TV-L zeit- und inhaltsgleich
auf den Beamten- und Versorgungsbereich zu übertragen. Mit
dieser Entscheidung nehme Baden-Württemberg im Ländervergleich bei der Besoldungsanpassung einen der vorderen Plätze
ein, sagte der BBW-Chef am 22.
April 2009. Nur sieben Länder
(Bayern, Hamburg, Rheinland-
>
Volker Stich, Vorsitzender
des BBW Beamtenbund
Tarifunion Baden-Württemberg
Pfalz, das Saarland, Sachsen,
Schleswig-Holstein und Thüringen) hätten inzwischen die Einszu-eins-Übernahme des Tarifergebnisses beschlossen, resümierte Stich. Die Mehrzahl der Länder
machten mehr oder weniger gravierende Abstriche: „So halbieren
die Länder Nordrhein-Westfalen,
Niedersachsen, MecklenburgVorpommern und Brandenburg
den monatlichen Sockelbetrag,
Berlin nimmt überhaupt keine
Anpassung vor und einige Länder
haben sich noch gar nicht festgelegt.“
쮿
„Dreierpaket“ für Thüringer Beamte
Ein „Dreierpaket“ aus Verlängerung der Lebensarbeitszeit bei
gleichzeitiger Rückkehr zur 40-Stunden-Woche und einer Verlängerung der Altersteilzeit-Regelung schlägt der tbb beamtenbund
und tarifunion thüringen vor. Damit solle die bei vielen nach der
Wende verbeamteten Landesbeschäftigten zwischen Pensionierung und dem tatsächlichen Erreichen des Rentenalters klaffende
Versorgungslücke geschlossen werden. „Unsere Argumente sind
schlüssig. Wir sind zuversichtlich, bei der Landesregierung auf offene Ohren zu stoßen“, sagte der stellvertretende tbb-Vorsitzende
Burkhard Zamboni am 28. April 2009.
쮿
dbb > finale
>
>
Unterstützung für personellen Neubeginn
in Konzernspitze
dbb mecklenburgvorpommern
Mit Zustimmung haben die Bahn-Gewerkschaften im
dbb zur Kenntnis genommen, dass der neue Bahnchef
Rüdiger Grube aus der Aufklärung des Datenskandals
auch personelle Konsequenzen im Konzernvorstand zieht.
Grube hatte angekündigt, dass vier Bahnvorstände gehen
müssen.
Keine weiteren
Stellenstreichungen!
Der dbb mecklenburg-vorpommern hat die Landesregierung
vor den Folgen eines weiteren
drastischen Stellenabbaus in
der Landesverwaltung gewarnt. „Schon jetzt sind in Teilbereichen Aufgaben wegen
mangelnder Personalausstattung aufgrund hoher Altersabgänge nicht zu bewältigen“,
sagte dbb Landeschef Dietmar
Knecht am 6. Mai 2009 in
46
mitgliedsgewerkschaften
>
Dietmar Knecht,
Vorsitzender des
dbb mecklenburg-vorpommern
Schwerin. Zuvor waren Pläne
bekannt geworden, nach denen bis 2020 etwa jede achte
Stelle im Landesdienst gestrichen werden soll. „Statt ein
Streichkonzert zu dirigieren,
sollte Finanzministerin Heike
Polzin alle Beteiligten an einen
Tisch holen“, forderte Knecht.
Er appellierte an die Landesregierung, in den kommenden
Jahren die Nachwuchsgewinnung für den öffentlichen
Dienst stärker ins Blickfeld zu
rücken. Schon jetzt seien kaum
noch unter 40-Jährige im Landesdienst tätig.
쮿
>
>
Als einen „Affront“ gegenüber
Beamten und Versorgungsempfängern des Landes und
seiner Kommunen hat der Vorsitzende des dbb niedersachsen, Friedhelm Schäfer, Pläne
bezeichnet, wonach eine von
> dbb magazin | Juni 2009
„Es ist gut und richtig, dass dieser Filz beseitigt wird“, sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, am 13. Mai 2009,
nachdem der Abschlussbericht vorgelegt worden war und
die Sonderermittler Herta Däubler-Gmelin und Gerhart
Baum ihre Bewertungen abgegeben hatten. „Ein Neubeginn wäre mit dem bisherigen ‚System Mehdorn‘ nicht
möglich gewesen.“
Friedhelm Schäfer,
Vorsitzender des
dbb niedersachsen
den Werten des Tarifabschlusses nach unten abweichende
Besoldungs- und Versorgungsanpassung für das Jahr 2009
vorgesehen ist.
Schäfer schrieb am 6. Mai
2009 an die Mitglieder des
niedersächsischen Landtages
zum entsprechenden Gesetzentwurf: „Stoppen Sie das einseitige Sparen zu Lasten der
beamteten Beschäftigten dieses Landes und seiner Kommunen und deren Versorgungsempfängern.“ Diese hätten in
den vergangenen Jahren weit
überproportional zum bisherigen Sanierungserfolg des Landeshaushalts beigetragen.
쮿
>
dbb sachsen-anhalt
Tarifergebnis wird weitgehend übertragen
Der Landesvorsitzende des dbb
sachsen-anhalt, Maik Wagner,
begrüßt, dass die Landesregierung Wort halten und das Ta-
Als Konsequenz aus der massenhaften Bespitzelung von
Bahn-Mitarbeitern plädierte auch der Vorsitzende der Verkehrsgewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, für einen
personellen Neuanfang im Vorstand der DB. Hommel, der
auch Mitglied im Aufsichtsrat der Bahn ist, sagte am 13.
Mai 2009 im rbb Inforadio: „Hier geht es um die Verantwortung des Organs Vorstand, der sein Unternehmen so zu
führen hat, dass es zu keinen Rechtsverstößen kommt.“ 쮿
der allgemeinen Einkommensentwicklung und den Einkommen im Tarifbereich nicht abgekoppelt werden dürfen, hat
das Kabinett weitgehend erfüllt. Dass die Landesregierung, anders als in anderen
Bundesländern, eine Diskussion über die Höhe des Sockelbetrages nicht zugelassen hat,
findet angesichts der Streichung der Sonderzahlung für
Beamte und Versorgungsempfänger unsere ungeteilte Zustimmung“. Eine Eins-zu-einsÜbertragung des Tarifergebnisses auf die Beamten müsse
aber auch die Einmalzahlung
in Höhe von 40 Euro für die
Monate Januar und Februar
2009 beinhalten, so Wagner. 쮿
>
dbb niedersachsen
Abweichende Anpassung
wäre Affront
GDL und GDBA
>
Maik Wagner,
Vorsitzender des
dbb sachsen-anhalt
rifergebnis vom 1. März 2009
weitgehend auf die Landesund Kommunalbeamten sowie
Versorgungsempfänger übertragen will. „Unsere Forderung, dass die Beamten von
BDR
100-jähriges Jubiläum
Der Bund Deutscher Rechtspfleger (BDR) hat am 23. April
2009 in Berlin sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Zu den
prominenten Gästen der Festveranstaltung unter Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler zählte der
>
Hinrich Clausen,
Bundesvorsitzender des BDR
parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach aus dem
Justizministerium, der den historischen Weg des BDR nachzeichnete. Bundeskanzlerin
Angela Merkel skizzierte in ihrem Grußwort die bemerkenswerte Entwicklung des Rechtspfleger-Berufes: „Er ist aus unserer heutigen Justizlandschaft
nicht mehr wegzudenken.“
Heute findet man Rechtspfleger in allen Abteilungen der
Gerichte. Der BDR setzt sich
für die Umsetzung weiterer
Aufgabenübertragungen
ebenso ein wie für die Gewinnung hochqualifizierten Nachwuchses. Auf dem europäischen Parkett engagiert sich
der BDR in der Europäischen
Union der Rechtspfleger.
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dbb > finale
Die wollen
nur spielen...
Beim Überholen – verwechselte ein eiliger Brummifahrer auf der A 1 offenbar
rechts und links. In einer 80erZone fuhr er mit seinem Lkw
sehr dicht auf den Pkw einer Familie aus Emsdetten auf, hupte
ohne Unterlass und setzte
schließlich zum Überholen an –
auf dem Seitenstreifen, rechts
vorbei. Als der Lkw sich auf
gleicher Höhe mit dem Pkw
befand, zog der schimpfende
Fahrer plötzlich nach links und
drängte den Pkw auf die Überholspur. Zum Glück konnte der
23-jährige Pkw-Fahrer, der mit
Frau und kleiner Tochter unter>
wegs war, ausweichen, sodass
ein Zusammenstoß um Haaresbreite vermieden wurde. Gegen
den Lkw-Fahrer aus Südeuropa
wurde Strafanzeige erstattet.
> Beim Einsatz – überholt
wurden Drogenfahnder des Polizeipräsidiums Südhessen, die
mit einem zivilen Fahrzeug in
Roßdorf unterwegs waren. Der
Übeltäter: ein Windhund, der
eine Leine nachschleifte und
mit hoher Geschwindigkeit
nicht nur überholte, sondern
„ordnungswidrig“ eine rote
Ampel missachtete und den
Fußgängerverkehr behinderte.
Mehr aus Sorge um das Tier als
auf Ahndung bedacht, nahmen
die Beamten die Verfolgung
auf. Mehrere Kilometer weiter
gelang es mit einem beherzten
Griff aus der Beifahrertüre die
Leine zu ergreifen und den Hund
zu stoppen. Über die Hundemarke konnte die Besitzerin ausfindig gemacht werden, die den
Hund bereits vermisste. Der
Ausreißer hatte sich offenbar
durch die nachgezogene Hundeleine immer mehr in Panik gerannt und war fünf Kilometer
gelaufen. Frauchen freute sich,
und die Sache mit der roten Ampel wurde vernachlässigt.
Beim Finanzamt – hatte
ein Rheinland-Pfälzer Pech. Die
von ihm als außergewöhnliche
Belastung geltend gemachten
Aufwendungen für ein Toupet in
Höhe von 850 Euro blieben unberücksichtigt. Seine Klage gegen diesen Bescheid wies nun
auch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zurück. Die Anschaffung eines künstlichen Haarteils
könne nur geltend gemacht
werden, wenn ein Amts- oder
Vertrauensarzt bescheinige,
dass der Kauf aus medizinischen
Gründen erforderlich gewesen
sei. Ein solches Attest konnte der
knapp 70-Jährige jedoch nicht
vorlegen.
>
Beim Einsatz – soll die
Kluft der Bundespolizistinnen
funktional bis in die Dessous
sein. Seit Mitte letzten Jahres
>
Beim Renovieren –
kann so einiges danebengehen.
Das musste ein 68-jähriger
Gronauer erfahren, der im
Traufbereich seines dreistöckigen Hauses die Farbe erneuern
wollte. Nachdem er ein vorschriftsmäßiges Gerüst aufgebaut hatte, löste er mit einem
Heißluftföhn die alte Farbe ab.
Plötzlich brach Feuer aus. Die
sofort alarmierte Gronauer
Feuerwehr erschien nach nur
zwei Minuten und konnte den
Dachbrand löschen. Die Brandnester fanden die Feuerwehrleute im Traufkasten: mehrere
alte Vogelnester und jede Menge getrockneter Vogelkot. Beides brannte wie Zunder. Der
Sachschaden beläuft sich auf
8 000 Euro.
>
> dbb magazin | Juni 2009
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kulisse
Beim Roboterfußball –
spielt Deutschland (auch) seit
Jahren ganz vorne mit. Die
NimbRos des Instituts für Informatik der Uni Bonn konnten ihren Weltmeistertitel beim Robo-Cup German Open 2009 mit
8:2 erfolgreich gegen die
Darmstadt Driblers verteidigen.
Deutscher Meister im Wettbewerb der „Serviceroboter“, die
sich im Haus nützlich machen,
wurde das Team der Hochschule Bonn-RheinSieg. Diese Roboter müssen sich in einer Wohnung, die immer wieder verändert wird, eigenständig orientieren und selbstständig navigieren. Für die Weltmeisterschaft in dieser Disziplin, die im
Juli in Graz/Österreich stattfindet, haben sich 23 Teams angemeldet.
>
halten die Kleiderkammern
Einsatz-BHs bereit, die ohne
Metall- und Plastikteile gearbeitet sind. Während sonst eine von einer Kugel getroffene
Polizistin durch die Schutzweste hindurch durch Metall- oder
Kunststoffteile ihres normalen
BHs verletzt werden kann, ist
diese Gefahr durch die neuen
Polizei-Dessous minimiert. Die
Polizistinnen können unter vier
Modellen wählen, auf denen
immer der Schriftzug „Polizei“
prangt. Ihre britischen Kolleginnen wollen nachziehen. „Wenn
es etwas gibt, das Frauen besseren Schutz gewährt, dann
sollten wir schauen, ob wir das
auftreiben können“, sagte dazu
eine ranghohe Polizistin den Tageszeitungen „The Daily Telegraph“ und „Daily Mail“.

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