Partido Popular - Friedrich-Ebert

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Partido Popular - Friedrich-Ebert
FES MADRID / KURZBERICHT
Andalusien bleibt sozialistisch
Achtungserfolg für die PSOE
Gegenwind für Partido Popular
Rückenwind für Izquierda Unida
LOTHAR WITTE
März 2012
Bei den Regionalwahlen in Andalusien und Asturien wurde der politische Durchmarsch der konservativen
Partido Popular gestoppt. In Andalusien wurde die Partido Popular zwar erstmals stärkste Partei, die
PSOE wird jedoch voraussichtlich mit Unterstützung der linken Izquierda Unida weiterhin die Regierung
stellen. In Asturien wurde die PSOE stärkste Partei, die Regierungsbildung ist noch ungewiss.
Für die auf nationaler Ebene regierende Partido Popular bedeutete dieses überraschende Ergebnis einen
ersten Warnschuss, dass ihre wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Reformen auf stärkere
Gegenwehr treffen könnten. Der für den 29. März ausgerufene Generalstreik wird der nächste Test.
Da in den kommenden drei Jahren keine wichtigen Wahltermine mehr anstehen und die Partido Popular
im Nationalparlament über eine komfortable absolute Mehrheit verfügt, wird die Partei ihre wirtschaftsund gesellschaftspolitischen Vorstellungen dennoch ohne Rücksicht auf kurzfristige politische Verluste
umsetzen können.
Lothar Witte | Andalusien bleibt sozialistisch
Am 25. März 2012 fanden in zwei traditionell von linken Parteien
regierten spanischen Autonomieregionen, in Andalusien und in
Asturien, Regionalwahlen statt. Es waren die ersten Wahlen seit
der Übernahme der nationalen Regierungsverantwortung durch
die konservative Partido Popular, PP, die sich in den Wahlen vom
20. November 2011 mit 44,7 % gegen die vorher regierende
PSOE, die nur auf 28,7 % gekommen war, durchgesetzt hatte.
Die Regionalwahlen in Andalusien fanden turnusmäßig statt,
während die Wahlen in Asturien nötig wurden, weil nach den
letzten Regionalwahlen im Mai 2011 keine handlungsfähige
Regierung entstanden war.
In Andalusien hat die PP ein Ergebnis von 40,6 % erzielt,
gegenüber 39,5 % für die PSOE und 11,3 % für das linke
Bündnis Izquierda Unida. Die PP ist damit zum ersten Mal bei
einer andalusischen Regionalwahl die stärkste Partei, hat aber
die angestrebte absolute Mehrheit der Sitze verfehlt: Die PP
erreichte 50 Sitze, die PSOE 47, Izquierda Unida 12. Die PSOE,
welche die Region 30 Jahre lang meist mit absoluter Mehrheit
regiert hatte, hat damit ihr Wahlziel erreicht, sich mit Unterstützung der Izquierda Unida an der Macht zu halten.
In Asturien ist es der PSOE gelungen, mit 32 % der Stimmen und
16 Abgeordneten stärkste Partei zu werden. Auf den folgenden
Plätzen landeten zwei Parteien aus dem rechten Spektrum, die
PP mit 21.5 % und 10 Abgeordneten sowie mit 24,8 % und 13
Abgeordneten das Foro Asturiano Ciudadanos, FAC, das erst vor
einem Jahr vom früheren PP-Politiker Francisco Álvarez-Cascos
(daher: FAC) gegründet worden war. Izquierda Unida erreichte
13,8 % (5 Abgeordnete), die in der Mitte des politischen Spektrums verortete UPyD 3,7 % (1 Abgeordneter). Rechnerisch ergibt
sich eine Mehrheit der beiden rechten Parteien, da diese jedoch
miteinander im Clinch liegen, könnte auch eine von der PSOE
geführte Minderheitsregierung zu Stande kommen.
Andalusien: Die letzte Bastion der PSOE hält Stand
Die Regionalwahlen in Andalusien und Asturien bildeten
sozusagen den vierten Gang des spanischen Wahlmenus der
vergangenen 15 Monate, nach der Regionalwahl in Katalonien im
November 2010, den flächendeckenden Kommunalwahlen sowie
Regionalwahlen in den meisten Autonomieregionen im Mai 2011,
und den Wahlen zum Nationalparlament am 20. November 2011.
Bislang war jeder Gang den konservativen Parteien deutlich
besser bekommen als den spanischen Sozialisten, die fast
ausnahmslos Niederlagen hinnehmen mussten und zu Beginn
des Jahres 2012 nur noch in zwei von 17 Autonomieregionen die
Regierung stellten, in Andalusien und im Baskenland, und auch
auf kommunaler Ebene nur noch in zwei der 15 größten Städte,
in Zaragoza und Vigo, am Ruder waren.
Vor diesem Hintergrund spielten die Wahlen in Andalusien für die
Sozialisten eine besonders wichtige Rolle. Andalusien ist die
größte und bevölkerungsreichste Region des Landes, sie stellt
etwa ein Viertel aller Mitglieder der PSOE, und von hier aus
begannen Mitte der 70er Jahre Felipe González und Alfonso
Guerra ihren lang anhaltenden Siegeszug, der die PSOE auf
nationaler Ebene von 1982 bis 1996 und in Andalusien sogar von
1982 bis 2012 an die Macht bringen sollte. Nach dem Verlust der
anderen regionalen Bastionen war Andalusien zudem die letzte
Möglichkeit, der Politik der PP eine praktische Alternative
entgegen zu setzen und dabei zu zeigen, wie es auch bei hoher
Arbeitslosigkeit (über 30%) und fiskalischen Engpässen gelingen
kann, einen funktionierenden Sozialstaat aufrecht zu erhalten.
Alle Umfragen liessen vor der Wahl darauf schliessen, dass die
PSOE klare Verluste würde hinnehmen müssen, während alle
anderen Parteien zulegen würden. Die meisten Institute prognostizierten eine deutliche absolute Mehrheit für die PP, nur ein
einziges Institut sah die Möglichkeit, dass PSOE und Izquierda
Unida gemeinsam mehr Sitze einnehmen könnten als die PP.
Auch interne Umfragen der PSOE deuteten auf einen Abstand
von mindestens fünf Prozentpunkten zur PP hin. Entsprechend
warnten ausser der PP alle Parteien davor, dass eine absolute
Mehrheit der PP in Andalusien bedeuten würde, dass die Partei
endgültig freie Hand für die Umsetzung ihres wirtschafts- und
sozialpolitischen Austeritätsprogrammes und eines gesellschaftlichen Restaurationskurses erhalten würde.
Wahrscheinlich haben diese Warnungen Wirkung gezeigt. Zwar
hat die PSOE gegenüber der letzten andalusischen Regionalwahl
neun Prozentpunkte verloren (von 48,4 % auf 39,5 %), blieb aber
über dem bislang schlechtesten Ergebnis des Jahres 1994.
Darüber hinaus konnte die Partei den Abstand zur PP gegenüber
den Kommunalwahlen vom Mai 2011 (ca. sieben Prozentpunkte)
und gegenüber den nationalen Wahlen vom November 2011 (ca.
neun Prozentpunkte) auf nun etwa einen Prozentpunkt verringern. Weder die schlechte Bilanz der letzten Jahre der ZapateroRegierung noch die negativen Begleiterscheinungen einer in
Andalusien seit drei Jahrzehnten andauernden politischen
Monokultur reichten aus, die PSOE abzuwählen.
Entscheidend für die Regierungsoption der PSOE ist aber das
außergewöhnlich gute Ergebnis für Izquierda Unida, die ihren
Stimmenanteil deutlich erhöhen und die Zahl ihrer Abgeordneten
verdoppeln konnte und daher die nötigen Mehrheiten für einen
Pakt mit der PSOE beisteuern könnte – und dies, den Aussagen
vor der Wahl folgend, wohl auch tun wird. Und auch wenn sich
am Wahlabend alle Parteien als Sieger fühlen wollten - die PP
wurde zum ersten Mal stärkste Partei, die PSOE bleibt an der
Regierung -, nur Izquierda Unida konnte wirklich zufrieden sein.
Lothar Witte | Andalusien bleibt sozialistisch
Aber nachdem die spanischen Sozialisten bei drei Wahlgängen
hintereinander schwere Verluste erlitten hatten, war das Aufatmen darüber, dass sie in Andalusien weiter regieren und in
Asturien zumindest die stärkste Partei stellen wird, weit über die
Grenzen dieser Regionen hinaus hörbar. Damit hat es die PSOE
gerade noch einmal geschafft, auf einen neuen Tiefpunkt ihrer
jüngeren Geschichte abzurutschen, und die Möglichkeiten, der
PP demnächst wieder "auf Augenhöhe" entgegen zu treten,
bleiben gewahrt.
Über den Tag hinaus: Was bedeutet das Ergebnis?
Dennoch: Auch wenn die PP ihr Wahlziel in Andalusien nicht
erreicht hat, geniesst sie eine in den vergangenen 35 Jahren der
spanischen Demokratie noch nie dagewesene Machtfülle und
verfügt damit über eine ausserordentlich gute Ausgangsposition
für die Umsetzung ihrer wirtschafts- und gesellschaftspolitischen
Vorstellungen. Und bereits vor dem 25. März hatten Politiker der
PP regelmäßig darauf hingewiesen, dass eine komfortable
absolute Mehrheit im Nationalparlament, resultierend aus einer
nur wenige Wochen zurück liegenden Wahl, die Politik der PP
umfassend legitimiere.
Die beiden wichtigsten Gewerkschaftsdachverbände, CCOO und
UGT, haben für den 29. März zu einem eintägigen Generalstreik
aufgerufen, um diese Reform - die von der Bevölkerung mehrheitlich für ungeeignet gehalten wird, das Problem der Arbeitslosigkeit zu lösen - zu stoppen oder zumindest abzumildern. Es ist erst
das sechste Mal, dass die spanischen Gewerkschaften aus
Protest gegen die Regierungspolitik zu einem Generalstreik
aufrufen, und während die bisherigen Regierungschefs González,
Aznar und Zapatero dieser Herausforderung erst begegnen
mussten, nachdem sie bereits mehrere Jahre regiert hatten, sind
seit dem Amtsantritt von Mariano Rajoy noch nicht einmal 100
Tage vergangen. Nicht nur aus diesem Grunde ist der Streikaufruf umstritten, denn die Chancen, dass die Regierung
wesentliche Teile der Reform zurück nimmt, sind sehr gering, da
sie nicht nur den Vorteil einer absoluten Mehrheit geniesst,
sondern auch die Unterstützung der katalanischen Nationalisten
der Convergència i Unió, CiU. Aber mit einer erfolgreichen
Mobilisierung könnten die Gewerkschaften zumindest zeigen,
dass mit ihnen als gesellschaftlicher Gegenmacht weiter zu
rechnen ist, und die Wahlerfolge der linken Partien dürften ihnen
dabei Rückenwind geben.
Aber nachdem es mit dem Regierungswechsel in Andalusien
nicht geklappt hat, wird die PP nun zumindest nicht behaupten
können, dass die bislang vorgestellten bzw. angedeuteten
Reformvorhaben der Regierung durch diese Wahl erneut
abgesegnet worden seien. Ganz im Gegenteil, der deutliche
Vorsprung des linken Lagers in Andalusien und die guten
Ergebnisse von PSOE und Izquierda Unida in Asturien sind ein
Zeichen dafür, dass die bereits in Angriff genommene Arbeitsmarktreform sowie die geplanten Einsparungen im Sozialbereich
auf keinen so breiten gesellschaftlichen Konsens stoßen dürften,
wie gelegentlich behauptet.
Dass es Einsparungen im Sozialbereich geben wird, ist ein offenes Geheimnis, auch wenn der Haushalt noch nicht vorgelegt
wurde. Für das Jahr 2012 wird ein Haushaltsdefizit von 5,3 % des
BIP angestrebt, nach 8,5 % im Jahre 2011. Das Defizit der Autonomieregionen, bei denen die Kompetenz für das Gesundheitsund das Bildungswesen liegt und die hierfür etwa 70 % ihres
Haushalts aufwenden, soll dabei 1,5 % des jeweiligen regionalen
BIP nicht übersteigen. Wie schwer dieses Ziel zu erreichen sein
wird, zeigt ein Rückblick auf das Jahr 2011: Lediglich in der
Region Madrid wurde diese Grenze mit 1,13 % respektiert, während das Defizit in den besonders wichtigen, bevölkerungsreichen
und wirtschaftsstarken Regionen Katalonien und Valencia bei
3,72 % bzw. 3,83 % lag.
Erklärtes Ziel der Arbeitsmarktreform ist dabei zwar, die Arbeitgeber durch Flexibilisierungen des Arbeitsmarktes dazu zu
bewegen, vermehrt Einstellungen vorzunehmen, um so die
Arbeitslosigkeit, die in diesem Jahr wahrscheinlich von derzeit 5,3
Millionen auf fast 6 Millionen ansteigen wird, zu reduzieren. Die
vorgeschlagene Flexibilisierung zielt aber eindeutig und einseitig
auf eine Senkung der Arbeitskosten, sei es durch Entlassungen
oder Lohnkürzungen. Zukünftig gelten Umsatzeinbußen über
neun aufeinander folgende Monate als ausreichender Kündigungsgrund, gleichzeitig werden die Abfindungszahlungen für
ungerechtfertigte Kündigungen gesenkt. Die Arbeitgeber werden
übertarifliche Gehälter einseitig kürzen können, sofern dies der
Produktivitätssteigerung dient. Und Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene sollen Vorrang vor tarifverhandlichen Einigungen auf
regionaler oder sektoraler Ebene erhalten, bislang war das
Gegenteil der Fall.
Derzeit ist eine Vielfalt von Ansätzen im Gespräch, die Ausgaben
der Autonomieregionen zu reduzieren, die Palette reicht von
Gehaltskürzungen und längeren Arbeitszeiten im öffentlichen
Dienst bis zur Schliessung ganzer Arbeitseinheiten. Im Gesundheitssystem hat das von der konservativ-liberalen Regionalpartei
CiU regierte Katalonien kürzlich eine Rezeptgebühr eingeführt,
weitere Regionen könnten folgen. Einige Regionen haben in den
letzten Jahren bereits begonnen, das Problem durch Kürzungen
der Leistungen zu lösen, wobei erneut Katalonien die Avantgarde
darstellt. Andere Regionen, v.a. die seit langem von der PP
regierten Regionen Madrid und Valencia, haben auf die stärkere
Beteiligung des Privatsektors gesetzt, insbesondere im
Krankenhausbereich, in der Erwartung, dass der Privatsektor
effizienter arbeite als der öffentliche.
Lothar Witte | Andalusien bleibt sozialistisch
Verglichen mit vielen anderen europäischen Ländern sind
staatliche Strukturen im spanischen Gesundheits- und
Bildungswesen aber weiterhin stark verbreitet. Daher wäre es
keine Überraschung, würde die jetzige Regierung ihre flächendeckende Mehrheit nutzen, die Rolle des Privatsektors im
Gesundheits- und Bildungswesen weiter zu forcieren. Dagegen
werden sich aber nicht nur die Gewerkschaften stellen, sondern
nun in Andalusien auch die Regierung der bevölkerungsreichsten
Region des Landes.
Da in den kommenden drei Jahren jedoch keine wichtigen
Wahltermine mehr anstehen und die Partido Popular im Nationalparlament über eine klare absolute Mehrheit verfügt, könnte die
Partei ihre wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen
ohne Rücksicht auf kurzfristige politische Verluste umsetzen.
Aber nach den Wahlergebnissen des 25. März besteht zumindest
die Möglichkeit, dass es darüber zu gesellschaftlichen Auseinandersetzungen kommen wird, die eventuell sogar dazu führen
könnten, die Reformprojekte zu modifizieren und auf eine breitere
gesellschaftliche Grundlage zu stellen – und das wäre dann
auch gut so.
Lothar Witte ist der Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Spanien.
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