Ulrich M. - ein Mann ohne Eigenschaften Oder die Hand, die eine
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Ulrich M. - ein Mann ohne Eigenschaften Oder die Hand, die eine
Ulrich M. - ein Mann ohne Eigenschaften Oder die Hand, die eine Hand zeichnet, die sie zeichnet Karl Corino Es gibt Menschen, die immer nur wissen werden, was sein könnte, während die andren wie Detektive wissen, was ist. Die etwas Bewegliches bergen, wo die andren fest sind. Eine Ahnung von anders sein können. Ein richtungsloscs Gefühl ohne Neigung und Abneigung zwischen den Erhebungen und Gewohnheiten der Welt. Ein Heimweh, aber ohne Heimat. Robert Musil, 1924 (unveröffentlicht) ”Der Mann ohne Eigenschaften, das sind doch Sie selbst!?” sagte der Wiener Buchhändler Martin Flinker zu einem Kunden, der ihn seit Herbst 1933 öfter inmitten seiner Bücher aufgesucht hatte. ”Etwas breit und sehr gemessen und ruhig. Von sehr gepflegtem, aber leicht altmodischem Äußeren. Und am Gilet hing ... eine Uhrkette, die in einseitigem, steilem Bogen von der Westentasche zu einem hochgelegenen Knopf führte, wie sie Ingenieure tragen.” So der Eindruck prima vista. ”Erst schaute er mich ruhig und prüfend an und ich wußte nicht recht, wen ich vor mir hatte. Sah er aus wie ein Arzt, ein Kaufmann, ein Maler oder ein Diplomat oder wie ein Industrieller? Ich schaute fragend zurück, und da sagte er nur kurz: Musil. Denn er war selbstbewußt und wußte, was mir dieser Name bedeuten mußte.” Im Wien der dreißiger Jahre war die enge Verwandtschaft von Autor und Held des ”Mannes ohne Eigenschaften” für alle, die beide kannten, kein Geheimnis. Das begann schon bei der Abfolge der Berufe, die beide absolvierten: Offizier, Ingenieur, Mathematiker. Musil selbst hatte von 1892 bis 1897 Kadettenanstalten in Eisenstadt und Mährisch-Weißkirchen, dann kurze Zeit die Technische Militärakademie in Wien besucht, ehe er von 1898 bis 1901 ein Studium des Maschinenbaus hinter sich brachte, sein Einjährigen-Freiwilligen-Jahr beim Militär absolvierte, bis er dann 1903/1908 an der Universität Berlin inskribiert war, als Hörer der Philosophie und Experimentalpsychologie, mit den Nebenfächern Mathematik und Physik. Daß Romanhelden häufig Fleisch vom Fleisch ihrer Autoren sind, ist seit Grimmelshausens ”Simplizissismus”, Goethes ”Werther”, Kellers ”Grünem Heinrich”, seit den Romanen Kafkas, Thomas Manns und Hermanns Brochs, 1 seit Benns Ronne-Novellen ein offenes Geheimnis. In Musils Fall kann man sogar- von der etymologischen Bedeutung des Vornamens Ulrich, Herr des Hauses, einmal abgesehen - vermuten, dieser Rufname der poetischen Figur sei aus dem bürgerlichen Nachnamen des Autors herausgelöst. Wenn Musil seinen für manche etwas schwierigen tschechischen Familiennamen buchstabieren mußte, dann wurde das u durch ”Ulrich” gegen Hör- und Schreibfehler abgesichert. Daß in dem ohnehin hochsymbolischen slawischen Wort mit der Bedeutung ”er mußte” auch noch ein höchst brauchbarer Name für seinen Protagonisten steckte, mag ein Fund gewesen sein, den Musil nur zu gerne aufgegriffen hat. Die Augenzeugen aus den 30er und frühen 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts bezeugen übereinstimmend, Musil sei von einer ungewöhnlichen Aura umgeben gewesen. ”Selten bin ich einem Menschen begegnet, dessen Bedeutung man derart spürte, noch bevor sie sich irgendwie im Gespräch bekundete”, schrieb der Zürcher Pfarrer Robert Lejeune über den Emigranten. ”Sooft Robert Musil bei uns war, bildete er ungesucht den Mittelpunkt des kleineren oder größeren Kreises von Menschen, die sich bei uns eingefunden hatten .... Etwas von echter Vornehmheit trat einem in Musil entgegen: wie sich in früheren Zeiten wahre Noblesse schon auf Grund von Herkunft und Rang zu äußern vermochte, so machte sich hier die Vornehmheit des ’Geistesfürsten’ ... ganz von selbst geltend .... Auch Musils hohe Intelligenz wurde einem sofort bewußt.” Welchen Beruf er ausübte, mußte man dazu nicht wissen. ”Er ist ein Mann ohne Eigenschaften”, platzt Ulrichs Jugendfreund Walter in einem Gespräch mit seiner Frau Clarisse plötzlich los. ”Das gibt es heute in Millionen” behauptete Walter. ”Das ist der Menschenschlag, den die Gegenwart hervorgebracht hat! ... Sieh ihn dir an! Wofür würdest du ihn halten? Sieht er aus wie ein Arzt, wie ein Kaufmann, ein Maler oder ein Diplomat ... sieht er vielleicht wie ein Mathematiker aus?! ” ”Das weiß ich nicht; ich weiß doch nicht, wie ein Mathematiker aussehen soll!” ”Da sagst du etwas, das sehr richtig ist! Ein Mathematiker sieht nach gar nichts aus; das heißt, er wird so allgemein intelligent aussehen, daß es keinen einzigen bestimmten Inhalt hat! . . . Du kannst keinen Beruf aus seiner Erscheinung erraten, und doch sieht er auch nicht wie ein Mann aus, der keinen Beruf hat. Und nun überleg dir einmal, wie er ist: Er weiß immer, was er zu tun hat; er kann einer Frau in die Augen schaun; er kann in jedem Augenblick tüchtig über alles nachdenken; er kann boxen. Er ist begabt, willenskräftig, vorurteilslos, mutig, ausdauernd, draufgängerisch, besonnen - ich will das gar 2 nicht im einzelnen prüfen, er mag alle diese Eigenschaften haben: denn er hat sie doch nicht! Sie haben das aus ihm gemacht, was er ist, und seinen Weg bestimmt, und sie gehören doch nicht zu ihm. Wenn er zornig ist, lacht etwas in ihm. Wenn er traurig ist, bereitet er etwas vor. Wenn er von etwas gerührt wird, lehnt er es ab. Jede schlechte Handlung wird ihm in irgendeiner Beziehung gut erscheinen. Immer wird für ihn erst ein möglicher Zusammenhang entscheiden, wofür er eine Sache hält. Nichts ist für ihn fest. Alles ist verwandlungsfähig, Teil in einem Ganzen, in unzähligen Ganzen, die vermutlich zu einem Oberganzen gehören, das er aber nicht im geringsten kennt.” Ein hochkomplexer Charakter, dieser Mann ohne Eigenschaften, voller Ambivalenzen und Gespaltenheiten, ein Mann mit vielen positiven Qualitäten, aber nicht mit sich identisch, ohne Identifikation mit seinen Dispositionen und Verhaltensweisen. Kein Zweifel, daß in dieser Form moderner ’Nervosität’, wie sie etwa auch Alfred Adler beschrieben hat, ein hohes Maß an Übereinstimmung mit Musils eigenem Charakter gegeben ist. Mag manches an seiner privaten Existenz nicht ganz so glänzend gewesen sein - er konnte nicht ”in jedem Augenblick tüchtig über alles nachdenken” und schreiben; er hatte mitumer schwere Arbeitskrisen; er boxte, wohl wegen seiner etwas kurzen Arme, ”ohne Inspiration” und spielte wahrscheinlich besser Tennis, war ein gewandterer Florettfechter denn Faustkämpfer -, der Typus jedenfalls war Autor und Held gemein. In Notizen pro domo ließ Robert Musil denn auch keinen Zweifel an der Wesensverwandtschaft: von produzierendem Subjekt und produziertem Sujet: ”lch bin der Mann o.[hne] E.[igenschaften,] man merkt es mir bloß nicht an. Ich habe alle guten konventionellen Gefühle, weiß mich natürlich auch zu benehmen, aber die innere Identifikation fehlt.” Die Identifikation Ulrichs mit seinen Eigenschaften sollte sich in der Begegnung mit seiner ”vergessenen Schwester” Agathe ereignen, mit einer Schwester, die für ihn zunächst in einer frühen, bald durch den Tod des Gatten beendeten Ehe verschollen war, sich dann in einer zweiten Verbindung der formenden Hand eines Pädagogen (Hagauer) anvertraut hatte. Erst durch das Wiedersehen mit Ulrich am Sarg des Vaters begriff Agathe jedoch, wie unerträglich ihr das Leben an der Seite jenes braven Mannes geworden war. Der Komplex ”Zwillingsschwester” war Musil um die Mitte der zwanziger Jahre so wichtig, daß er sogar den Titel seines Romans gebildet hatte. Die Entwürfe aus jener Zeit dokumentieren, daß die Schwester-Thematik damals, logischerweise, viel früher einsetzte, schon nach ca. 50 Schreibmaschinenseiten, und daß die Arbeit bis 1930 auf eine gewaltige Verschiebung und 3 Aufschiebung (eine Verlängerung der Vorlust, um es mit Freud zu sagen?) hinauslief. Denn nun sollte das Treffen der Geschwister erst nach rund 1000 Druckseiten stattfinden. Es gibt eine aufschlußreiche Erinnerung des Psychoanalytikers und späteren Kindertherapeuten Rene A. Spitz, aus der hervorgeht, wie eng das Romankonzept mit Musils eigener Lebensproblematik, mit dem ”Kult” für seine frühverstorbene Schwester Elsa († 1876) und seiner Ehe mit Martha, einer geborenen Heimann, einer verwitweten Alexander, einer geschiedenen Marcovaldi, zusammenhing. Ende 1932 lebten sowohl Musil als auch Spitz in Berlin, und Musil war gerade im Begriff, die Fortsetzung seines Romans, die ersten 38 Kapitel des zweiten Bandes zu veröffentlichen. ”Und mitten im Gespräch”, so Spitz, ”stellte er mir die Frage: was ich denn wohl meine, womit der zweite Band anfangen würde. Keine leichte Frage ... Ich hatte an jenem Abend ihm meine Einwände . . . gegen seine Darstellung des Heiden im ersten Bande gesagt. Ich meinte, daß selbst ein Mann ohne Eigenschaften einen Anfang haben muß, aus welchem sich sein So-Sein versteht. Musil antwortete, daß er dies aus Gründen der Struktur des Romanes nicht habe darstellen wollen; daß jedoch im zweiten Bande manches darüber zu finden sein würde. ... Ich antwortete ihm, daß ich einen Menschen immer nur als ein Ganzes zu sehen vermag. Daß für mich als Psychoanalytiker gewisse Indizien, Obertöne in der Darstellung, mir einen ganz bestimmten Eindruck über die Personlichkeit dieses Menschen nahegelegt hatten - Eindrücke freilich, die der Durchschnittsleser kaum erfaßt haben würde. Wir waren, nach einem Abendessen in einem nahen Restaurant, nunmehr schon auf der Straße, und als ich in weiteren Sätzen Musil darlegte, wie ich diese Persönlichkeit sähe, blieb er wie vom Donner gerührt stehen, und fuhr mich an: ’Wer hat Ihnen das gesagt?! Woher wissen Sie d a s ?’ Sie wissen wahrscheinlich, daß Musil ein verletzlicher, verschlossener und mißtrauischer Mensch war. Er hatte den Verdacht gefaßt, daß irgend jemand eine Indiskretion begangen habe, und ich muß ihm im Einzelnen darstellen, ...was mir meine Ansicht aufgedrängt hatte. Musil war von den Gedankengängen, die ich ihm darlegte, sehr betroffen, und erklärte sich überzeugt, er gab mir Recht, er sagte mir sogar, daß genau das, was ich vorausgesagt hatte, in den ersten Kapiteln des zweiten Bandes sich abspielen würde. ... Aber meine Rekonstruktion der Jugend seines Heiden und meine Voraussage, wie der zweite Band beginnen dürfte, und die dabei angewendete Methodik hatten ihn tief beeindruckt. Wir gingen noch eine Stunde und länger zwischen seiner und meiner Wohnung hin und her, diese Frage diskutierend, endeten bei einer Flasche Wein in meiner Wohnung, und 4 er erzählte mir manches darüber, in welcher Beziehung das, was ihn in meinen Ideen beeindruckt hatte, zu seinem eigenen Erleben stünde.” Obwohl Spitz in manchem heiklen Punkt gegenüber dem toten Freund später die Diskretion wahrte, ließ er keinen Zweifel daran, daß mit der Schwester-Thematik eines von Musils wesentlichen Lebensproblemen berührt war, das bis in seine Ehe hineinreichte. Es scheint, als habe bei Musil und seinen Heiden, von den ”Verwirrungen des Zöglings Törleß” an, eine massive Identitätsstörung vorgelegen. Ein solches Phanomen führt, wie Erik H. Erikson erläutert hat, oft zu hochsymbiotischen Geschwisterbeziehungen. Aufgrund eines frühen Identitätshungers neigten die Patienten dazu, sich an einen Bruder oder eine Schwester in einer Art anzuschließen, die an das Verhalten von Zwillingen erinnere, außer daß es hier sozusagen um jemanden gehe, der versuche, ”einen Nicht-Zwilling als Zwilling zu behandeln”. Sie schienen sich der totalen Identifizierung mit einem Geschwister so zu unterziehen, als lieferten sie ihre eigene Identität der ihres Bruders oder ihrer Schwester aus, in der Hoffnung, ”durch irgendeinen Akt der Verschmelzung eine größere und bessere zu erwerben”. Zeitweise hätten sie Erfolg, aber die Enttäuschung, die dem Zusammenbruch der künstlichen Zwillingsschaft folgen müsse, sei um so traumatischer. Vielleicht haben wir hier eine Erklärung oder zumindest Teilerklärung, weshalb Musil in der rund zwanzigjährigen Arbeit an seinem großen Roman nicht jenen Wendepunkt erreichte, an dem die Geschwisterliebe, nach dem Inzest in einer mittelmeerischen Landschaft, scheitem und in einen ”Totalabsturz” übergehen sollte. Alle Linien sollten nach den ursprünglichen Planen in den Ersten Weltkrieg münden, die private Katastrophe sollte mit der allgemeinen zusammenfallen. Obwohl aus der Mitte der zwanziger Jahre sehr eindrucksvolle, weit entwickelte Entwurfe über die sogenannte ”Reise ins Paradies” vorlagen, sah sich Musil bis zu seinem Tod nicht imstande, jene Konzepte ins Reine zu schreiben und in den Gang der Handlung einzubauen. Er beließ es sozusagen bei Probehandlungen und sträubte sich, die Geschwister (wie das ganze alte Europa) scheitem zu lassen - so, als hatte er in verrücktem Aberglauben gefürchtet, das Desaster Ulrichs und Agathes auf der symbolischen Ebene konne auf das Verhältnis von Robert und Martha Musil übergreifen. Wenn Musil behauptete, er liebe keine Romane, in denen der Held sein Geld verliere oder sonstwie vom Schicksal geschlagen werde - wie sollte er dann mit einem Roman zurandekommen, in dem das glänzende Europa von 1914 zugrundeging und die Lieblingsfiguren des Autors mit in den Abgrund 5 gerissen würden! Es gab bei Musil und in seinem Roman offenbar von vornherein zwei widerstreitende Tendenzen: Zum einen wollte er die Geschichte des letzten Vorkriegsjahres vom August 1913 bis August 1914 erzählen, den seltsamen Wettlauf der österreichischen und der deutschen Patrioten um die würdige Zelebration des 70jährigen bzw. 35jährigen Regierungsjubilaums der Kaiser Franz Joseph und Wilhelm II. im Jahre 1918, genannt ”Die Parallelaktion”; zum anderen wollte er einen ”aus der Vergangenheit entwickelten Gegenwartsroman” schreiben, der sich nicht in einer ironischen Reproduktion versunkener feudaler Verhältnisse erschöpfen sollte (was Musil Joseph Roths ”Radetzkymarsch ” vorwarf - ”ein hübsch geschriebener Kasernenroman!”). ”Gegenwartsroman”- das hieß für ihn auch, den Fortschritt der Wissenschaften einzubeziehen. Da Wissenschaft ein prinzipiell unabschließbarer Prozeß ist, hatte der scientifische Ehrgeiz Robert Musils eine Tendenz, die Haut der Erzählung fortwährend zu durchlöchern, und seine WissenschaftlerFreunde aus den dreißiger Jahren, die ihn im Rahmen des Wiener MusilFonds nach Kräften unterstützten, reagierten auf Musils bohrende Fragen nach dem Fortschritt in ihren Fächern mit heimlichem Zweifel, ob solche Neugier nicht am Ende die Fertigstellung des Buchs verhindern werde. Eine prophetische Sorge! ”Menschen[,] welche Sinn für das Wirkliche haben, haben auch Eigenschaften, das ist das Ganze!” lautet eine weitere Notiz Musils. Solche Sätze zeigen, daß die Problematik der Eigenschaftslosigkeit auch eng mit der des Wirklichkeits- und des Möglichkeitssinns zusammenhing. Nicht umsonst ist das erste programmatische Kapitel, das als Nr. 4 gleich hinter dem Eingangsportal des Buches steht, der Polarität dieser beiden Sinne gewidmet. ”Wenn es aber Wirklichkeitssinn gibt, und niemand wird bezweifeln, daß er seine Daseinsberechtigung hat, dann muß es auch etwas geben, das man Möglichkeitssinn nennen kann. Wer ihn besitzt, sagt beispielsweise nicht: Hier ist dies oder das geschehen, wird geschehen, muß geschehen; sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müßte geschehn; und wenn man ihm von irgend etwas erklärt, daß es so sei, wie es sei, dann denkt er: Nun, es konnte wahrscheinlich auch anders sein. So ließe sich der Möglichkeitssinn geradezu als die Fahigkeit definieren, alles, was ebensogut sein konnte, zu denken und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist. Man sieht, daß die Folgen solcher schöpferischen Anlage bemerkenswert sein können, und bedauerlicherweise lassen sie nicht selten das, was die Menschen bewundern, falsch erscheinen und das, was sie verbieten, als erlaubt oder wohl auch beides als gleichgültig. Solche Möglichkeitsmenschen leben, wie man 6 sagt, in einem feineren Gespinst, in einem Gespinst von Dunst, Einbildung, Träumerei und Konjunktiven; Kindern, die diesen Hang haben, treibt man ihn nachdrücklich aus und nennt solche Menschen vor ihnen Phantasten, Träumer, Schwächlinge und Besserwisser oder Krittler ... Das Mögliche umfaßt jedoch nicht nur die Träume nervenschwacher Personen, sondern auch die noch nicht erwachten Absichten Gottes. Ein mögliches Erlebnis oder eine mögliche Wahrheit sind nicht gleich wirklichem Erlebnis und wirklicher Wahrheit weniger dem Werte des Wirklichseins, sondern sie haben, wenigstens nach Ansiche ihrer Anhänger, etwas sehr Gottliches in sich, ein Feuer, einen Flug, einen Bauwillen und bewußten Utopismus, der die Wirklichkeit nicht scheut, wohl aber als Aufgabe und Erfindung behandelt.” Es wäre kurzsichtig anzunehmen, daß dieses Prinzip nicht auch Auswirkungen auf das Schreiben Musils gehabt hätte. Es durchherrschte seinen Alltag (”Warum sagen Sie ’natürlich’? Es ist gar nicht natürlich, sondern es gäbe viele Alternativen!” pflegte er mitunter die Phrasen seiner Gesprächspartner zu monieren), und es prägte seinen Stil, in dem nicht von ungefähr der Konjunktiv eine besonders wichtige Rolle spielt. Nicht zuletzt ist es aber auch am fortwährenden Umbau des Romans beteiligt, von seinen Anfängen zu Beginn der zwanziger Jahre (”Der Spion”, ”Der Erlöser”) bis zu seinem fragmentarischen Ende, jenem Kapitel ”Atemzüge eines Sommertags”, an dem Musil in den letzten Wochen vor seinem Tod, im Genfer Exil, arbeitete. Die unzähligen, sich fortwährend ändernden Kapitelaufstellungen über den Fortgang des Romans, ja, die Weigerung, sich gegenüber den Lesern, die ab Dezember 1932 ein vollkommen unabgeschlossenes Buch in der Hand hatten, wie gegenüber einem potentiellen Verleger auf eine unumstößliche Folge von Kapiteln festzulegen, sind ein Symptom jenes Möglichkeitsdenkens und jener dauernden schöpferischen Ekstase, die Thomas, einer der ”Schwärmer ” am Schluß von Musils gleichnamigem Drama beschwört. Es gebe scheinbar gefühllose Verstandesmenschen, die in Wirklichkeit Träumer seien. ”Sie wandern, sehn zu, was die Leute machen, die sich in der Welt zu Hause fühlen. Und tragen etwas in sich, das die nicht spüren. Ein Sinken in jedem Augenblick durch alles hindurch ins Bodenlose. Ohne unterzugehn. Der Schöpfungszustand.” Alles Fixierte ist solchen ”second makers under Jove”, diesen Handlangern und Konkurrenten Gottes in statu creationis, ein Graus. Die erstarrte Lava der Schrift soll immer wieder verflüssigt und mit dem Glutkern im Innern verschmolzen werden. Der Vulkan nimmt sozusagen die erkaltenden Massen wieder in sich zurück - um sie erneut auszuwerfen und so fort. Ter7 mine sind einer solchen Spezies von Produzenten etwas Widernatürliches - und für die Drucker sind die Autoren dieses Schlags ein Graus. Wenn man sich die über und über korrigierten Fahnen zu den geplanten Fortsetzungskapiteln des ”Mannes ohne Eigenschaften” von 1938 betrachtet, dann versteht man Musils Satz gegenüber einem jungen Freund, der ihn inmitten dieser sozusagen rauchenden Bürstenabzüge brüten sah: ”lch bin nicht so einer! lch bessere nicht aus, ich stoße um!” Und obwohl Musil mit seiner jüdischen Frau letztlich durch den Einmarsch Hitlers in Wien (Marz 1938) aus Österreich vertrieben wurde - heimlich war er dem Führer dafür vielleicht sogar dankbar. Denn die eigene Flucht wie die seines damaligen Verlegers Gottfried Bermann-Fischer ”erlaubte” ihm, die bereits gesetzten Druckfahnenkapitel erneut als Rohmaterial zu behandeln und sie in den Jahren des Exils um- und umzuarbeiten. Seine Bilanz, kurz bevor er über dem Manuskript starb, er sei nicht weitergekommen, aber tiefer! Man kann sich die Verzweiflung Musils, der nicht gern, ”wiewohl leidenschaftlich” schrieb, nur zu gut vorstellen, wenn er in Zürich oder Genf die Augen von seinen Papieren hob und feststellen mußte, daß sich die Welt immer weiter drehte und sich immer weiter von jenem Punkt entfernte, den er ansteuerte oder ansteuern wollte. Die Monarchien der Mittelmächte, einst, August 1914, in den I. Weltkrieg mehr oder minder hineingestolpert, waren mittlerweile durch Demokratien ersetzt und diese wiederum durch Nationalsozialismus und Austrofaschismus zerschlagen worden. Die Formen der Politik und der Gesellschaft wälzten sich unaufhaltsam um, das Zeitalter des Individualismus schien durch einen neuartigen Kollektivismus abgelöst, der II. Weltkrieg war durch Hitler kaltblütig und mit machiavellistischen Tricks (’Überfall’ auf den Sender Gleiwitz) vom Zaune gebrochen worden. Musil tröstete sich mit dem Gedanken, seine Probleme seien so oft überholt worden, daß sie eine gewisse Beständigkeit erlangt hatten; aber die Integration der laufenden Ereignisse in seine historische Kulisse erwies sich als immer schwieriger. Angesichts schwindender Kräfte und schwindsüchtiger finanzieller Mittel erwog Musil Mitte Januar 1942, den ”Mann ohne Eigenschaften” abzubrechen, ”irgendwie abzuschließen” und an sein jähes Ende ”ein Nachwort, Schlußwort, Ulrichs” zu setzen. ”Der gealterte Ulrich von heute, der den zweiten Krieg miterlebt und auf Grund dieser Erfahrungen seine Geschichte, und mein Buch, epilogisiert... . Es ermöglicht auch, die Geschichte und ihren Wert für die gegenwärtige Wirklichkeit und Zukunft zu betrachten. Ins Lot zu rücken: die romantische oder gar Pirandellosche Ironie des: die Figur über den Autor. Die 8 Geschichte der Personen, geschichtlich betrachtet.” Dies erinnert in der Tat an das berühmte Eschersche Bild von der Hand, die eine Hand zeichnet, die sie zeichnet, - ein circulus artificiosus, der als Text über den Entwurf freilich nicht hinauskam. Schon während der Arbeit stellte Musil fest, die Geschichte seines Romans laufe darauf hinaus, daß die Geschichte, die darin erzählt werden sollte, nicht erzählt wurde. Und einem Freund vertraute er an, er würde am liebsten mitten im Satz mit einem Komma aufhören. Dies gelang ihm nicht - er beendete das Kapitel ”Aternzüge”, über dessen Korrekturblättern er starb, mit einem Punkt. Der Zusammenbruch eines großen Erzählers Marcel Reich-Ranicki Robert Musils ”Der Mann ohne Eigenschaften” ist ein Werk, das zwar immer wieder respektvoll erwähnt und bisweilen ausgiebig gelobt, doch nicht gelesen wird. Ein Roman, so berühmt wie unbekannt. Liegt das am Werk selber? Nicht nur. Der gigantische Roman stellt außergewöhnliche Ansprüche an die Geduld und die Konzentrationsfähigkeit der Leser. Der Roman - das läßt sich nicht verschweigen - gleicht einer Wüste mit schönen Oasen. Die Wanderung von einer Oase zur nächsten ist bisweilen qualvoll. Wer nicht Masochist ist, der muß früher oder später kapitulieren. Was also tun? Diese Frage stellte ich am 6. November 1980, dem hundertsten Geburtstag Musils, in der ”Frankfurter Allgemeinen Zeitung” . Nun ja, Musil ist schon ein schwieriger Schriftsteller. Nur wurde der Zugang zu seinem Hauptwerk noch zusätzlich erschwert. Wo sind die Missetäter zu finden? Wir sollten uns - meinte ich damals - nicht damit abfinden, daß es den Roman nur in der 1978 erschienenen und nach Ansicht vieler Spezialisten von Adolf Frisé mustergültig betreuten Neuausgabe gibt. Die Edition umfaßt 2172 Seiten und mag für die Wissenschaft von großer Bedeutung sein. Doch könne sie, schrieb ich, dem Roman schwerlich neue Leser gewinnen. Es sei aber durchaus möglich, Musils Hauptwerk aus seiner Verbannung in die Oberseminare zu erlösen. Nur müsse man den Mut haben, die wichtigsten Episoden und Szenen auszuwählen und in einem Band von etwa vierhundert bis fünfhundert Seiten zusammenzustellen. Dies, glaubte ich, sei der einzige Weg, das riesige Fragment vom Musealen zu befreien. Der Artikel endete mit einem Aufruf ”Rettet den ’Mann ohne 9 Eigenschaften’!”. Neun deutsche Schriftsteller - Romanciers und Essayisten - wurden gebeten, sich zu dieser Frage und dem Vorschlag zu äußern: Manfred Bieler, Horst Bienek, Günter Blocker; Hermann Burger, Peter Hartling, Walter Jens, Wolfgang Koeppen, Siegfried Lenz und Golo Mann. Wolfgang Koeppen vergleicht den Roman mit einem erschreckenden Gebirge und spricht von ”langweiligen Strecken”. Aber eine gekürzte Ausgabe oder eine Auswahl sei kein guter Weg, sei eine ”Verletzung der Dichtung”. Günter Blocker spricht zwar von einem ”Zettelwerk, in das der mächtige Torso ausläuft”, hält aber das Buch für einen Lebensbegleiter, den man ”per Querschnitt oder in Gestalt einer Blütenlese” nicht haben könne. Etwas wirr ist die Antwort von Walter Jens: Ein ”auf Lesbarkeit getrimmter ’Mann ohne Eigenschaften’ ” sei ”eine Schreckensgestalt”. Er protestiert energisch gegen ein ”Lesebuch”, um am Ende eben doch ein Lesebuch, eine rigoros gekürzte Ausgabe, zu empfehlen, nämlich eine mit einem verbindenden Text versehene Collage des zentralen erotischen Handlungsstrangs -Titel: ”Ulrich und Agathe”. Siegfried Lenz berichtet, er habe vor einem Vierteljahrhundert nach der Lektüre von etwa einem Drittel der damals erhältlichen Ausgabe, Umfang rund 1 600 Seiten, ”schlechten Gewissens” kapituliert, sei aber auf jeden Fall, also ohne das Ganze zu kennen, gegen das vorgeschlagene Lesebuch. Horst Bienek gibt zu, den Roman nicht bis zum Ende gelesen zu haben und vermutet, daß dies außer einigen ”BerufsMusilianern” niemandem gelungen sei. Doch von einer gekürzten Ausgabe will auch er nichts hören. Peter Hartling möchte den ”Mann ohne Eigenschaften” auf die 1952 erschienenen Teile, rund 1 040 Seiten, reduzieren. Manfred Bieler schlägt eine Kompromißlösung vor: Man solle den Roman nicht kürzen, sondern eine Ausgabe von rund 800 Seiten veranstalten - das erste Buch und einen Teil des zweiten. Hermann Burger meint ebenfalls, das Großfragment dürfe man nicht kürzen, befürwortet aber eine Taschenbuchausgabe mit zehn bis fünfzehn Banden. Ganz anders als diese acht Autoren urteilt Golo Mann: Er ist überzeugt, Musil sei für die Leser einstweilen ”ein großer Name, ein Mythos, an den man glaubt, ohne Genaueres zu wissen”. Er hat keine Bedenken gegen eine gekürzte Ausgabe oder gegen die Präsentation einzelner Stücke. Der ”Mann ohne Eigenschaften” sei ein ”gewaltiger Steinbruch” und ”gerade ein solches Werk” eigne sich für Auszüge. Und schließlich habe ich den Rowohlt-Verlag, bei dem eine eventuelle gekürzte Ausgabe erscheinen würde, um eine Stellungnahme zu den verschiedenen Vorschlägen gebeten. Der Verlag, der noch nie eine Anfrage der 10 ”Frankfurter Allgemeinen Zeitung” unbeantwortet gelassen hatte, hielt es in diesem Fall für richtig, sich in Schweigen zu hüllen. Warum wohl? Fürchtete man etwa die Musil-Experten? Kurz und gut, es hat sich nichts geändert: Der ”Mann ohne Eigenschaften”, erwähnt und gelobt, wenn auch immer seltener, bleibt für das Publikum unzugänglich. Nur ältere Zeitgenossen beteuern, das Buch zu kennen, und rühmen es sofort. Aber ein Gesprach mit ihnen ergibt nichts, denn ihre Lektüre liegt dreißig oder vierzig Jahre zurück - wenn nicht noch länger. Es stellt sich heraus, daß die Zahl der Bewunderer des Musilschen Romans um ein Vielfaches die Zahl seiner Leser übersteigt. Und die strengen Damen und Herren, die das Thema Musil an sich gerissen haben, zeichnen sich nicht unbedingt durch Toleranz aus: Wenn es um ihren Meister geht, dulden sie keine Kritik und keinen Spaß. In einem Bericht über eine Tagung der Internationalen Robert-Musil-Gesellschaft, die im Juni 2001 in Saarbrücken stattfand, schreibt der Germanist Wolfgang Schneider, es sei in letzter Zeit ”auffallend ruhig” um Musil geworden. Doch für die Musil-Experten sei nach wie vor nur eins umstritten: ”lst Musil der größte Autor der Welt, der größte des deutschen Sprachraums - oder nur der größte Österreichs?” Auch eine andere Frage ist in dieser Gesellschaft sehr beliebt: Entspricht der Rang Musils dem von Marcel Proust und James Joyce, von Franz Kafka und Thomas Mann? Oder ist es nicht eher so, daß er sie, bei Lichte besehen, allesamt übertrifft? Denn diese Experten lieben es, über Musil kniend zu sprechen, was der kritischen Betrachtung des Gegenstands nicht gerade förderlich ist. Als sich ein amerikanischer Wissenschaftler auf dieser Tagung in Saarbrücken erlaubte, auf gewisse Fragwürdigkeiten in Musils Werk aufmerksam zu machen, war man schweigend empört: Niemand ist auch nur mit einem Sätzchen auf seine Darlegungen eingegangen. Zu den wichtigsten Publikationen über Musil gehört Eckhard Heftrichs 1986 erschienene Monographie. Der vor allem als Thomas-Mann-Forscher bekannte Germanist untersuchte sein Thema mit frischem Blick. Er erinnerte, daß vielen Interpreten zufolge der ”Mann ohne Eigenschaften” schon von seiner Konzeption her unvollendet bleiben mußte: Doch sahen die meisten darin ”eher ein Zeichen für die überragende Stellung dieses Autors in der Literatur unseres Jahrhunderts.” So wird Musils größte Not in seine größte Tugend umgedeutet. Da Heftrich natürlich wußte, daß diese These für die Musil-Forscher nicht akzeptabel war, hat er vorsichtshalber gewarnt: ”Man sollte doch nicht so weit gehen, einen Zweifel an solcher Verklärung als Un11 verständnis oder gar als Sakrileg abzutun.” Und: ”Skepsis muß auch Musil gegenüber erlaubt sein.” In der Tat möchten manche Musil-Interpreten das ”methodische Zweifeln an allem”, das zumindest seit Descartes nicht in Frage gestellt wird, für Musil außer Kraft setzen. Heftrichs Überlegungen wurden von ihnen konsequent ignoriert, wenn nicht als Skandal empfunden. Zu den vielen Musil gewidmeten Tagungen, Symposien und Colloquien hat man Heftrich nicht eingeladen. Inka Mülder-Bach Der Roman soll auf den Krieg zulaufen, das steht von Anfang an fest, aber er soll erzählen, dass der Ausbruch dieses Krieges nicht notwendig war. Und er möchte auch jetzt nicht Kausalitäten nachträglich gewissermaßen einführen, sondern: Wie kann man erzählen, dass etwas auch anders möglich gewesen wäre? Es gibt ja diese eine Stelle, wo Ulrich sich überlegt, wie die Weltgeschichte läuft, und da kommt eben dieser Satz: ”Es liegt im Verlauf der Weltgeschichte ein gewisses Sich-Verlaufen”, und dann gibt es dafür Bilder. Ein Bild ist das Stille-Post-Spiel: Der Wachtmeister sagt, man soll durchgeben: ”Kompanie anhalten”, und wenn man beim Fünfzigsten angekommen ist, der diesen Befehl ”Kompanie anhalten” durchgegeben hat, dann kommt dabei raus: ”Alle erschießen”. Das ist Musils Beispiel. Und was da zwischendurch passiert, also wie diese Abweichungen, wie diese Variation passiert, das ist nicht rekonstruierbar, jedenfalls hat es keine Intentionalität, es gibt kein Subjekt, das diese Geschichte determiniert, und die Geschichte hat kein Ziel. Der Mann ohne Eigenschaften—Ungedrehte Filme Volker SCHLÖNDORFF Es fängt im Grunde mit einer ganz konkreten Episode an, die man sogar sehr gut verfilmen könnte: Ein Mann auf der Straße kommt in einen Handel mit ein paar Rabauken, die wollen ihm vielleicht nur die Brieftasche stehlen oder haben ihn beleidigt; er haut, die hauen ihn zurück; er liegt in der Gosse, eine Kutsche kommt vorbei, schöne Frau steigt aus, rettet ihn, bringt ihn nach Hause, fährt weg, bevor er sie um ihre Adresse hat fragen können; und während er am nächsten Tag noch seine Wunden pflegt, klopft es an die Tür, unbekannte Frau erscheint Film beginnt: In derselben Nacht noch wurde sie 12 seine Geliebte. Dann hörts aber auch schon auf. Walter FANTA Meine Verpflanzung des Mann ohne Eigenschaften in die Gegenwart, in einen Spielfilm zeigt unsere heutige Gesellschaft am Vorabend eines Krieges, in den Europa durch die USA gezogen wird—genauso wie Österreich-Ungarn durch das Deutsche Reich in den Ersten Weltkrieg gezogen worden ist, obwohl es natürlich auch umgekehrt erscheinen mag, aber die diplomatiegeschichtlichen Forschungen zeigen doch, dass sozusagen die Entscheidung über Krieg und Frieden nicht in Wien, sondern in Berlin lagen im Jahr 1914. Es ist tatsächlich ein Politthriller, es ist kein Actionfilm. Es spielt aber mit Motiven des Actionfilms, wenn es um die Befreiung Moosbruggers geht etwa, aus der Anstalt, und um den Tod Moosbruggers—weil der kommt ja ums Leben auch in dem Film. Dann werden also Actionfilmmomente zitiert. Das wäre so eine Art Hineinschneiden von fremden Materialien in den Film, weil der Film an sich eines nicht ist: Obwohl er kein Actionfilm ist, ist er auch kein Essayfilm. Es ist also nicht von mir versucht worden, den Essayismus, der in dem Roman stattfindet, irgendwie umzusetzen. Alexander KLUGE Wenn man den Roman von Musil je verfilmen wollte, dann kann ich mir das nur vorstellen, indem man zunächst einmal eine Reihe von Kurzfilmen entwickelt, die einzelne Momentaufnahmen wiedergeben. Eigentlich so ähnlich wie die Zauberflöte von Mozart, ein Flohmarkt von Nummern mit lauter Unfug und mit lauter ganz herrlichen Schmuckstücken. Es heißt, es ist eine verrückte Oper, eine Klamottensammlung, also ein Flohmarkt des Geistes, und gleichzeitig ist jede einzelne Szene in sich autonom und hat das Potential für ein Schmuckstück, für ein Kristall. 13 Inhalt CD1 1 2 3 4 5-6 7-8 9-12 13-15 16 17 18 19-20 21-22 23-26 27 28-30 31-33 34-37 38 (17 Stunden, 47 Minuten) Band I Erster Teil. Eine Art Einleitung 1. Woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht 2. Haus und Wohnung des Mannes ohne Eigenschaften 3. Auch ein Mann ohne Eigenschaften hat einen Vater mit Eigenschaften 4. Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muß es auch Möglichkeitssinn geben 5. Ulrich 6. Leona oder eine perspektivische Verschiebung 7. In einem Zustand von Schwäche zieht sich Ulrich eine neue Geliebte zu 8. Kakanien 9. Erster von drei Versuchen, ein bedeutender Mann zu werden 10. Der zweite Versuch. Ansätze zu einer Moral des Mannes ohne Eigenschaften 11. Der wichtigste Versuch 12. Die Dame, deren Liebe Ulrich nach einem Gespräch über Sport und Mystik gewonnen hat 13. Ein geniales Rennpferd reift die Erkenntnis, ein Mann ohne Eigenschaften zu sein 14. Jugendfreunde 15. Geistiger Umsturz 16. Eine geheimnisvolle Zeitkrankheit 17. Wirkung eines Mannes ohne Eigenschaften auf einen Mann mit Eigenschaften 18. Moosbrugger 19. Briefliche Ermahnung und Gelegenheit, Eigenschaften zu erwerben. Konkurrenz zweier Thronbesteigungen 14 CD1 Band I Zweiter Teil. Seinesgleichen geschieht 39-40 20. Berührung der Wirklichkeit. Ungeachtet des Fehlens von Eigenschaften benimmt sich Ulrich tatkräftig und feurig 41-42 21. Die wahre Erfindung der Parallelaktion durch Graf Leinsdorf 43-44 22. Die Parallelaktion steht in Gestalt einer einflußreichen Dame von unbeschreiblicher geistiger Anmut bereit, Ulrich zu verschlingen 45 23. Erste Einmischung eines großen Mannes 46-47 24. Besitz und Bildung; Diotimas Freundschaft mit Graf Leinsdorf und das Amt, berühmte Gaste in Einheit mit der Seele zu bringen 48-49 25. Leiden einer verheirateten Seele 50-51 26. Die Vereinigung von Seele und Wirtschaft. Der Mann, der das kann, will den Barockzauber alter österreichischcr Kultur genießen. Der Parallelaktion wird dadurch eine Idee geboren 52 27. Wesen und Inhalt einer großen Idee 53 28. Ein Kapitel, das jeder überschlagen kann, der von der Beschäftigung mit Gedanken keine besondere Meinung hat 54 29. Erklärung und Unterbrechungen eines normalen Bewußtseinszustandes 55 30. Ulrich hört Stimmen 56 31. Wem gibst du recht? 57-58 32. Die vergessene, überaus wichtige Geschichte mit der Gattin eines Majors 59 33. Bruch mit Bonadea 60-62 34. Ein heißer Strahl und erkaltete Wände 63 35. Direktor Leo Fischel und das Prinzip des unzureichenden Grundes 64 36. Dank des genannten Prinzips besteht die Parallelaktion greifbar, ehe man weiß, was sie ist 65-66 37. Ein Publizist bereitet Graf Leinsdorf durch die Erfindung ” Österreichisches Jahr ” große Unannehmlichkeiten; Se. Erlaucht verlangt heftig nach Ulrich 15 CD1 38. Clarisse und ihre Dämonen 39. Ein Mann ohne Eigenschaften besteht aus Eigenschaften ohne Mann 40. Ein Mann mit allen Eigenschaften, aber sie sind ihm gleichgültig. Ein Fürst des Geistes wird verhaftet, und die Parallelaktion erhält ihren Ehrensekretär 77 41. Rachel und Diotima 78-81 42. Die große Sitzung 82-83 43. Erste Begegnung Ulrichs mit dem großen Mann. In der Weltgeschichte geschieht nichts Unvernünftiges, aber Diotima stellt die Behauptung auf, das wahre Österreich sei die ganze Welt 84-85 44. Fortgang und Schluß der großen Sitzung. Ulrich findet an Rachel Wohlgefallen. Rachel an Soliman. Die Parallelaktion erhält eine feste Organisation 86-87 45. Schweigende Begegnung zweier Berggipfel 88 46. Ideale und Moral sind das beste Mittel, um das große Loch zu füllen, das man Seele nennt 89 47. Was alle getrennt sind, ist Arnheim in einer Person 90-91 48. Die drei Ursachen von Arnheims Berühmtheit und das Geheimnis des Ganzen 92-93 49. Beginnende Gegensätze zwischen alter und neuer Diplomatie 94-95 50. Weitere Entwicklung. Sektionschef Tuzzi beschließt, sich über die Person Arnheims Klarheit zu verschaffen 96-97 51. Das Haus Fischel 98-99 52. Sektionschef Tuzzi stellt eine Lücke im Betrieb seines Ministeriums fest 100 53. Man führt Moosbrugger in ein neues Gefängnis 101-103 54. Ulrich zeigt sich im Gespräch mit Walter und Clarisse reaktionär 104 55. Soliman und Arnheim 105-106 56. Lebhafte Arbeit in den Ausschüssen der Parallelaktion. Clarisse schreibt an Se. Erlaucht und schlägt ein Nietzsche-Jahr vor 107-108 57. Großer Aufschwung. Diotima macht sonderbare Erfahrungen mit dem Wesen großer Ideen 67-68 69 70-76 16 CD1 109 110-112 113-114 115 116-120 121-125 126-127 128 129-130 131-133 134-135 136-137 138-139 140-141 142-144 145-148 149 150 151 152-153 154 Band I Zweiter Teil. Seinesgleichen geschieht 58. Die Parallelaktion erregt Bedenken. In der Geschichte der Menschheit gibt es aber kein freiwilliges Zurück 59. Moosbrugger denkt nach 60. Ausflug ins logisch-sittliche Reich 61. Das Ideal der drei Abhandlungen oder die Utopie des exakten Lebens 62. Auch die Erde, namentlich aber Ulrich, huldigt der Utopie des Essayismus 63. Bonadea hat eine Vision 64. General Stumm von Bordwehr besucht Diotima 65. Aus den Gesprachen Arnheirns und Diotimas 66. Zwischen Ulrich und Arnheim ist einiges nicht in Ordnung 67. Diotima und Ulrich 68. Eine Abschweifung: Müssen Menschen mit ihrem Körper übereinstimmen? 69. Diotima und Ulrich. Fortsetzung 70. Clarisse besucht Ulrich, um ihm eine Geschichte zu erzählen 71. Der Ausschuß zur Fassung eines leitenden Beschlusses in bezug auf das Siebzigjährige Regierungsjubiläum Sr. Majestät beginnt zu tagen 72. Das in den Bart Lächeln der Wissenschaft oder Erste ausführliche Begegnung mit dem Bösen 73. Leo Fischels Tochter Gerda 74. Das 4. Jahrhundert v. Chr. gegen das Jahr 1797. Ulrich erhält abermals einen Brief seines Vaters 75. General Stumm von Bordwehr betrachtet Besuche bei Diotima als eine schöne Abwechslung in den dienstlichen Obliegenheiten 76. Graf Leinsdorf zeigt sich zurückhaltend 77. Arnheim als Freund der Journalisten 78. Verwandlungen Diotimas 17 CD2 1-2 3-5 6-7 8-9 10-12 13-15 16-21 22-28 29-30 31-32 33-34 35-36 37-40 41 42 43-44 45-46 47 48-52 53-56 57-59 (17 Stunden, 53 Minuten) Band I Zweiter Teil. Seinesgleichen geschieht 79. Soliman liebt 80. Man lernt General Stumm kennen, der überraschend auf dem Konzil erscheint 81. Graf Leinsdorf äußert sich über Realpolitik. Ulrich gründet Vereine 82. Clarisse verlangt ein Ulrich-Jahr 83. Seinesgleichen geschieht oder warum erfindet man nicht Geschichte? 84. Behauptung, daß auch das gewöhnliche Leben von utopischer Natur ist 85. General Stumms Bemühung, Ordnung in den Zivilverstand zu bringen 86. Der Königskaufmann und die Interessenfusion Seele Geschäft. Auch: Alle Wege zum Geist gehen von der Seele aus, aber keiner führt zurück 87. Moosbrugger tanzt 88. Die Verbindung mit großen Dingen 89. Man muß mit seiner Zeit gehn 90. Die Entthronung der Ideokratie 91. Spekulationen in Geist à la baisse und à la hausse 92. Aus den Lebensregeln reicher Leute 93. Dem Zivilverstand ist auch auf dem Weg der Körperkultur schwer beizukommen 94. Diotimas Nächte 95. Der Großschriftsteller, Rückansicht 96. Der Großschriftsteller, Vorderansicht 97. Clarissens geheimnisvolle Kräfte und Aufgaben 98. Aus einem Staat, der an einem Sprachfehler zugrundegegangen ist 99. Von der Halbklugheit und ihrer fruchtbaren anderen Hälfte; von der Ähnlichkeit zweier Zeitalter, von dem liebenswerten Wesen Tante Janes und dem Unfug, den man neue Zeit nennt 18 CD2 60-62 63-69 70-72 73-75 76-77 78-79 80-82 83-85 86-88 89-91 92-93 94-96 97-100 101-107 108-112 113-115 116-122 123-124 125-129 130-133 134-137 138-142 143-145 146 Band I Zweiter Teil. Seinesgleichen geschieht 100. General Stumm dringt in die Staatsbibliothek ein und sammelt Erfahrungen über Bibliothekare, Bibliotheksdiener und geistige Ordnung 101. Die feindlichen Verwandten 102. Kampf und Liebe im Hause Fischel 103. Die Versuchung 104. Rachel und Soliman auf dem Kriegspfad 105. Hohe Liebende haben nichts zu lachen 106. Glaubt der modeme Mensch an Gott oder an den Chef der Weltfirma? Arnheims Unentschlossenheit 107. Graf Leinsdorf erzielt einen unerwarteten politischen Erfolg 108. Die unerlösten Nationen und General Stumms Gedanken über die Wortgruppe Erlösen 109. Bonadea, Kakanien; Systeme des Glücks & Gleichgewichts 110. Moosbruggers Auflösung und Aufbewahrung 111. Es gibt für Juristen keine halbverrückten Menschen 112. Arnheim versetzt seinen Vater Samuel unter die Götter und faßt den Beschluß, sich Ulrichs zu bemächtigen. Soliman möchte über seinen königlichen Vater Näheres erfahren 113. Ulrich unterhält sich mit Hans Sepp und Gerda in der Mischsprache des Grenzgebiets zwischen Ober- und Untervernunft 114. Die Verhältnisse spitzen sich zu. Arnheim ist sehr huldvoll zu General Stumm. Diotima trifft Anstalten, sich ins Grenzenlose zu begeben. Ulrich phantasiert von der Möglichkeit, so zu leben, wie man liest 115. Die Spitze deiner Brust ist wie ein Mohnblatt 116. Die beiden Bäume des Lebens und die Forderung eines Generalsekretariats der Genauigkeit und Seele 117. Rachels schwarzer Tag 118. So töte ihn doch! 119. Kontermnine und Verführung 120. Die Parallelaktion erregt Aufruhr 121. Die Aussprache 122. Heimweg 123. Die Umkehrung 19 Band II/1 Dritter Teil. Ins Tausendjährige Reich (Die Verbrecher) 1. Die vergessene Schwester 2. Vertrauen 3. Morgen in einem Trauerhaus 4. Ich hatt’ einen Kamaraden 5. Sie tun . Unrecht 6. Der alte Herr bekommt endlich Ruhe 7. Ein Brief von Clarisse trifft ein 8. Familie zu zweien 9. Agathe, wenn sie nicht mit Ulrich sprechen kann 10. Weiterer Verlauf des Ausflugs auf die Schwedenschanze. Die Moral des nächsten Schritts 11. Heilige Gespräche. Beginn 12. Heilige Gespräche. Wechselvoller Fortgang 13. Ulrich kehrt zurück und wird durch den General von allem unterrichtet, was er versäumt hat 14. Neues bei Walter und Clarisse. Ein Schausteller und seine Zuschauer 15. Das Testament 16. Wiedersehen mit Diotimas diplomatischem Gatten 17. Diotima hat ihre Lektüre gewechselt 18. Schwierigkeiten eines Moralisten beim Schreiben eines Briefes 19. Vorwärts zu Moorbrugger 20. Graf Leinsdorf zweifelt an Besitz und Bildung 21. Wirf alles, was du hast, ins Feuer, bis zu den Schuhen 22. Von der Koniatowski’schen Kritik des Danielli’schen Satzes zum Sündenfall. Vom Sündenfall zum Gefühlsrätsel der Schwester 23. Bonadea oder der Rückfall 24. Agathe ist wirklich da 25. Die Siamesischen Zwillinge 26. Frühling im Gemüsegarten 27. Agathe wird alsbald durch General Stumm für die Gesellschaft entdeckt 28. Zu viel Heiterkeit 29. Professor Hagauer greift zur Feder 30. Ulrich und Agathe suchen nachträglich einen Grund 31. Agathe möchte Selbstmord begehn und macht eine Herrenbekanntschaft 32. Der General bring Ulrich und Clarisse inzwischen ins Irrenhaus 33. Die Irren begrüssen Clarisse 34. Ein großes Ereignis ist im Entstehen. Graf Leinsdorf und der Inn 35. Ein großes Ereignis ist im Entstehen. Regierungsrat Meseritscher 36. Ein großes Ereignis ist im Entstehen. Wobei man Bekannte trifft 37. Der Vergleich 38. Ein großes Ereignis ist im Entstehen. Aber man hat es nicht gemerkt 20 Druckfahnenkapitel aus dem Nachlaß Zwanzig 1937/38 in Druck gegebene, in den Korrekturfahnen indes weiterbearbeitete und wieder zurückgezogene Kapitel, die Band Il/l von 1932/33 fortsetzen, aber noch nicht abschließen sollten 39 Nach der Begegnung 40 Der Tugut 41 Die Geschwister am nächsten Morgen 42 Auf der Himmelsleiter in eine fremde Wohnung 43 Der Tugut und der Tunichtgut. Aber auch Agathe 44 Eine gewaltige Aussprache 45 Beginn einer Reihe wundersamer Erlebnisse 46 Mondstrahlen bei Tage 47 Wandel unter Menschen 48 Liebe macht blind. Oder Schwierigkeiten, wo sie nicht gesucht werden 49 General von Stumm läßt eine Bombe fallen. Weltfriedenskongreß 50 Agathe fmdet Ulrichs Tagebuch 51 Große Veränderungen 52 Agathe stößt zu ihrem Mißvergnügen auf einen geschichtlichen Abriß der Gefühlspsychologie 53 Die Referate D und L 54 Naı̈ve Beschreibung, wie sich ein Gefühl bildet 55 Fühlen und Verhalten. Die Unsicherheit des Gefühls 56 Der Tugut singt 57 Die Wirklichkeit und die Ekstase 58 Ulrich und die zwei Welten des Gefühls 21