1. September 2013 Die fotografischen Arbeiten von Natalie Czech

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1. September 2013 Die fotografischen Arbeiten von Natalie Czech
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Natalie Czech
I cannot repeat what I hear
13. Juli – 1. September 2013
Die fotografischen Arbeiten von Natalie Czech (*1976, lebt in Berlin) bewegen sich zwischen konkreter
Poesie und konzeptueller Fotografie. Sie thematisiert die Verhältnisse und Wechselwirkungen zwischen
Bild und Text, Poesie und bildender Kunst und sucht nach dem lyrischen Potenzial in unterschiedlichen
Medien. In ihrer Ausstellung im Kunstverein Hamburg werden nun erstmals die zwei neuen Werkserien
„Poems by Repetition“ (Gedichte durch Wiederholung) sowie „Voyelles“ (Vokale) präsentiert.
„Poems by Repetition“ bezieht sich auf Gertrude Steins Theatertext „Saints and Singing“ (1922), in dem
diese sich ausführlich dem Wesen und Zweck der Wiederholung widmete. Am Ende des Textes, in dem
sie sich ausdrücklich für die Wiederholung ausspricht, offeriert sie verschiedene Möglichkeiten des Umgangs und bezieht sich vor allem auf eine dynamische, prozessuale und rhythmisierende Darstellungsform von Erzählung. Gleichzeitig beinhaltet die Wiederholung des scheinbar Selben hier auch eine
klangliche Komponente, ähnlich des Refrains eines Songs oder eines Echos.
Vor diesem Hintergrund wählte Natalie Czech existierende Gedichte aus, die selbst bereits von einem
rhetorischen Stilmittel der Wiederholung gekennzeichnet sind, von Aram Saroyan, Hart Crane, Allen
Ginsberg oder Gertrude Stein. Diese Gedichte werden erst durch die wiederholte Abbildung des jeweils
selben abfotografierten Textmaterials und die Aneinanderreihung zu einer Gruppe vollständig sicht- und
lesbar. Czech greift bei den Motiven auf unterschiedliche Medien wie Magazine, Plattencover, Bücher,
iPad-Ausgaben oder Kindle-Reader zurück. Dabei weisen die akribisch recherchierten und von ihr ausgewählten Textfragmente (z.B. eine Filmkritik, die Anleitung zum Erlernen eines Tanzschritts oder ein
Essay über die Bedeutung des grafischen Designs des Plattencovers bei der Vermarktung von Musik)
sowohl einen inhaltlichen Bezug zu dem jeweiligen Gedicht als auch zur Musik auf.
Das mehrmalige Fotografieren derselben Texte wiederum produziert stilistische Variationen wie z.B.
durch minimale Verschiebungen in Ausschnitt und Perspektive, veränderte Belichtungszeiten oder die
Gegenüberstellungen unterschiedlicher Auflösungen. Außerdem entstehen Aufnahmen zu verschiedenen
Tageszeiten, wodurch in den Fotografien ähnliche Techniken der Wiederholung zum Einsatz kommen,
wie sie bereits von den jeweiligen Autoren beim Schreiben angewandt wurden. Es ist das komplexe
Zusammenspiel zwischen Sinngehalt, Wiederholung und Variation, welches sich in diesen fotografischen Arbeiten abbildet und zu einer „Allegorie des Schreibens“ führt.
Es ist das Schreiben mit visuellen Techniken, wobei das Endprodukt – die Fotografie – die textliche
Ebene erst erzeugt und nicht einfach abbildet. Und so ließe sich im Umkehrschluss das Gedicht „Why I
Am Not a Painter“ von Frank O’Hara auch auf Natalie Czech übertragen und würde in das Statement
münden: „Why I Am Not a Writer“. Denn am Ende unterscheiden sich Künstler und Autor nicht durch
den kreativen Prozess, sondern einzig durch die Wahl ihrer Medien.
Die zweite neue Arbeit „Voyelles“ geht zurück auf das gleichnamige Sonnet von Arthur Rimbaud aus dem
Jahr 1871 sowie auf seine „Lettres des Voyant“ (Briefe des Sehers) und dem darin enthaltenen Satz „Ich
ist ein Anderer“. In „Voyelles“ weist er jedem Vokal eine bestimmte Farbe zu und versucht dadurch die
Verbindung zwischen Ton und Farbe herzustellen. Es ist in dieser Hinsicht sicherlich eines der bekanntesten Gedichte, das sich mit dem Thema der Synästhesie auseinandersetzt. Natalie Czech geht der Frage
nach, wie eine Fotografie aussehen könnte, die eine solche Sinnesverschmelzung hervorrufen würde oder
ob dieses Phänomen (letztlich) nur sprachlich wiedergegeben werden kann. Dafür hat sie 10 AutorInnen
(Erica Baum, Julien Bismuth, Christian Bök, Federica Bueti, Övül Durmusoglu, Jean-Pascal Flavien, John
Holten, Barry Schwabsky, Paul Stephens und Judith Vrancken) eingeladen, sich selbst einen Brief im Namen der Künstlerin zu schreiben. Darin beschreiben sie ein fiktives Foto, welches für sie den Moment von
Synästhesie beinhaltet. Die Beschreibungen sind inhaltlich vollkommen willkürlich, konzentrieren sich
allerdings immer auf eine von Rimbaud vorgegebene Farbe und den damit verbundenen Vokal. Auch
wenn alle Briefe scheinbar von der gleichen Autorin verfasst sind, werden die verschiedenen Personen
dahinter ebenso erkennbar wie auch die unterschiedlichen Vorstellungen, die sie von der Auftraggeberin
haben. Am Ende produziert Natalie Czech das „synästhetische Foto“, in dem sie die einzelnen Briefe vor
einem farbigen Hintergrund fotografiert. Gleichzeitig werden diese Briefe dadurch zu ihren eigenen fotografischen Arbeiten, was die zahlreichen Fragen nach der Autorschaft in dieser Arbeit um einen zusätzlichen Aspekt erweitert.
Im Rahmen der Ausstellung erscheint im November 2013 in Kooperation mit dem Kunstverein Braunschweig bei Spector Books ein Künstlerbuch.
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