Ö1-Hautnah, Roman Gerold: Wer hat die Kokosnuss geklaut? Als
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Ö1-Hautnah, Roman Gerold: Wer hat die Kokosnuss geklaut? Als
Ö1-Hautnah, Roman Gerold: Wer hat die Kokosnuss geklaut? Als sich Schlag zwölf herausstellt, dass die Erde doch eine Scheibe ist, geht alles sehr schnell. Eine Speisesaaltür, die der Wind zuwirft, sorgt für einen Urknall. Schon rast der, der eben noch am Rand der Welt stand, im reclamgelben Fiat Suada auf und davon. Auf dem Rücksitz: eine Kokosnuss. Dann zwingt eine Panne den Flüchtenden, im Motel einer gewissen Anna Koluth Unterschlupf zu suchen. Sie setzt ihn an den Seziertisch. Er hält zum ersten Mal ein Skalpell in der Hand. So kommt es im Keller der Dadaistin zum Märchenerzählen. Soweit die Ausgangssituation, wenn Roman Gerold unter dem Titel Wer hat die Kokosnuss geklaut? Einblicke in seinen Erzählkosmos gibt. Ausgehend von der titelgebenden Frage lässt der Protagonist sein Leben Revue passieren: Angefangen damit, wie er in der Musikschule des steirischen Nests Aflenz Kurort mit John Cages nur aus Stille bestehendem Stück 4'33'' das goldene Leistungsabzeichen errang, über zähe Verhandlungen vor dem strengen Gericht für Schöpfungsgeschichten, bis zu jenem Tag, an dem er für einen Nieser lang Ingeborg Bachmanns Gedicht Böhmen liegt am Meer verstand. Die Biografie des Erzählers stellt sich indes als Kriminalfall heraus. Anna Koluth ermittelt, als ob sie selbst keine Geheimnisse hätte. In Wer hat die Kokosnuss geklaut? treffen erfundene Erlebnisberichte auf Bekenntnisse von Computerspiel-Endgegnern, literaturwissenschaftliche Aprilscherze auf dadaistische Tagelieder, der Bildungskanon auf die Popkultur, Dichtung auf Wahrheit. Versammelt sind dabei nicht nur Texte, sondern auch Songs und Instrumentalmusik von Roman Gerold. Münchhausiaden, die im Stile von (bilderlosen) Diavorträgen präsentiert werden, belegt der Autor bisweilen mit angeblich in fernen Weltgegenden aufgeschnappten Field Recordings. Aber auch Liebeslieder, am Synthesizer vorgetragen, spielen eine nicht unwesentliche Rolle. Der „postmoderne Schelmenroman“ Gerold sieht eine Verwandtschaft seiner Texte etwa mit der Fantastik Paul Scheerbarts, den Mythen H.C. Artmanns oder der Science-Fiction Stanisław Lems. Gemein ist allen seinen in Versprosa aufgeschriebenen Erzählungen jedenfalls die Affinität zum Märchenhaften, Surrealen, Absurden, Kafkaesken, aber auch die Lust am Sandkastenspiel mit Wörtern, Zitaten und Bildungsversatzstücken. Wenn die einzelnen Bausteine von Wer hat die Kokosnuss geklaut? durch die übergestülpte Rahmenhandlung zu Indizien eines Kriminalfalls erklärt werden, dann mit dem Ziel, den „Tod des Autors“ (Roland Barthes) anhand von tausendundein Wiedergeburten diesmal aber wirklich aufzuklären. Roman Gerold, geboren 1983 in Bruck/Mur, studierte Medienkunst und Germanistik in Salzburg. Er lebt als Kulturjournalist und Musiker in Wien. Wer hat die Kokosnuss geklaut? Lesung mit Musik Roman Gerold: Stimme / Klavier / Synthesizer