Verlaufsstudie über 12 Monate zur Corpus Callosum Atrophie bei
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Verlaufsstudie über 12 Monate zur Corpus Callosum Atrophie bei
Ruhr-Universität Bochum PD Dr. med. M.R.H.Haupts Dienstort: Augustahospital Anholt GmbH Abt. Klinik für Neurologie Verlaufsstudie über 12 Monate zur Corpus Callosum Atrophie bei Multiple Sklerose-Patienten Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Mirko Arp aus Lübeck 2010 Dekan: Prof. Dr. med. K. Überla Referent: PD Dr. med. M. R. H. Haupts Koreferent: PD Dr. med. C. Schneider-Gold Tag der Mündlichen Prüfung: 30.6.2011 Abstract Arp Mirko Verlaufsstudie über 12 Monate zur Corpus-Callosum Atrophie bei Multiple Sklerose-Patienten Problem: Im Verlauf der Erkrankung der Multiplen Sklerose (MS) kommt es zu strukturellen Veränderungen des Gehirns im Sinne einer Atrophie. In dieser Arbeit untersuchten wir im Speziellen die cerebrale Struktur des Corpus Callosums (CC). In Form einer Verlaufsuntersuchung über 12 Monate wurden anhand einer kernspintomographischen Bildgebung des Gehirns die Fläche des CC und dessen Veränderung innerhalb eines Jahres bestimmt. Ein besonderes Augenmerk widmeten wir der Frühphase der MS und schlossen insofern bevorzugt neu diagnostizierte Patienten in die Studie ein. Weiter wurde eine mögliche Atrophie auf Zusammenhänge mit klinischen Parametern wie dem Expanded Disabilitiy Status Score (EDSS) und auf die Einnahme von immunmodulatorischen Medikamenten, speziell Interferonen, geprüft. Methode: Es wurden 47 MS-Patienten (38 Frauen/9 Männer) sowie 9 Kontrollpersonen (6 Frauen, 3 Männer) untersucht. Bei 22 Patienten ist bei Einschluss in diese Studie die Erstdiagnose einer MS gestellt worden. Als Diagnosekriterium galt hierbei die aktuelle, 2005 modifizierte McDonald Richtlinie. Der Behinderungsgrad der Patienten wurde anhand des EDSS-Scores erfasst. Das mittlere Alter des Kollektivs betrug 35,9 Jahre. In einem Abstand von 12 Monaten (+-4Wochen) wurden Kernspintomographien des Kraniums durchgeführt mit begleitender klinischen Untersuchung. Mittels einer midsagittalen Schichtaufnahme der MRT wurde die Fläche des CC über eine manuelle Methodik ausgemessen. Die gemessenen Ergebnisse wurden zur Validierung der Messmethode in Stichproben mit den Ergebnissen einer semi-automatisierten Methode des Fraunhofer-Mevis-Instituts verglichen. Weiter verglichen wir die Ergebnisse mit den Daten zweier Dissertationen, welche bereits die o.g. Methode verwandten. Ergebnis: Die durchschnittliche Corpus-Callosum Atrophie (CCA) unseres Normalkollektivs lag bei 2,01% (0,13 cm²) und unterschied sich damit signifikant von dem der MS-Gruppe (p<0,001). Die durchschnittliche Atrophie aller erkrankten Patienten betrug 7,15 % (0,39 cm²). Eine Analyse der einzelnen Subgruppen zeigte, dass der absolute Atrophiewert in der Gruppe der erstdiagnostizierten Patienten mit einem Mittelwert von 7,23 % (0,43 cm²) am höchsten war. Es wurden weiter zwei Gruppen gebildet, wobei der Cut-Off Wert bei 12- Monaten Erkrankungsdauer festgelegt wurde und es zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen (p=0,003). Im Vergleich der Atrophierate mit der erhaltenen Therapie zeigt sich, dass die Atrophie bei Patienten ohne medikamentöse Therapie mit im Mittel 0,49 cm² (8,39 %) am höchsten war. Im Vergleich dieser Gruppe mit dem Patientenkollektiv, welches eine immunmodulatorische Therapie erhielt, zeigten sich signifikant verschieden Ergebnisse in Bezug auf eine Atrophie (p=0,013). Es lies sich kein statischer Zusammenhang zwischen der Veränderung des EDSS-Wertes und der Atrophie nachweisen Diskussion: Die vorliegende Studie zeigt, dass es in einem Zeitintervall von 12 Monaten bei MS-Patienten zu strukturellen Veränderungen im Sinne einer Atrophie des Corpus Callosums kommt. Die Balkenatrophie war vor allem in frühen Phasen der schubförmigen Verlaufsform der Erkrankung ausgeprägt; sie übersteigt bisher bekannte Ausmaße der Ganzhirn-Atrophie bei MS. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied im Vergleich der erstdiagnostizierten Patienten zu den bereits länger erkrankten Patienten. Nicht immunmodulatorisch behandelte Patienten zeigten eine höhere CCA als Patienten, die eine solche Therapie erhielten. Hinweise auf eine Pseudoatrophie des Balkens durch Interferon-Therapie konnten nicht gefunden werden. Es zeigte sich im Gegenteil ein eher protektiver Effekt einer Interferontherapie. . Meinen Eltern Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .........................................................................................................................................5 1.1. Allgemeines und Formen der MS .............................................................................................5 1.2. Symptomatik der MS ................................................................................................................6 1.3. Diagnostik der MS ....................................................................................................................6 1.4. Pathologische Aspekte der MS .................................................................................................9 1.5. Hirnatrophie bei MS und aktuelle Studienlage.......................................................................11 1.5.1. Allgemeines zur Hirnatrophie bei MS .............................................................................11 1.5.2. Atrophie als Marker der Krankheitsprogression und verschiedene Untersuchungsmethoden............................................................................................................12 1.5.3. Ganzhirnvolumenmessungen ...........................................................................................13 1.5.4. Studien mit Unterscheidung von weißer und grauer Substanz ........................................14 1.5.5. Ursachen der Atrophie weißer und grauer Substanz........................................................15 1.5.7. Atrophie und klinische Parameter....................................................................................17 1.6. Corpus Callosum-Atrophie und Studien mit besonderer Beachtung des Corpus Callosum...17 1.7. Medikamentöse Therapie der MS...........................................................................................20 1.7.1. Kortikoide ........................................................................................................................21 1.7.2. Betainterferon ..................................................................................................................22 2. Fragestellung und Zielsetzung der Studie......................................................................................26 3. Material und Methoden..................................................................................................................27 3.1. Patienten..................................................................................................................................27 3.2. Kontrollgruppe ........................................................................................................................28 3.3. Apparative Ausstattung / Magnetresonanztomograph............................................................29 3.4. Voruntersuchung der Patienten...............................................................................................31 3.5. Vorbereitung und Auswertung der MRT-Aufnahmen............................................................31 3.6. Statistische Analyse der erhobenen Daten..............................................................................33 4. Ergebnisse ......................................................................................................................................34 4.1. Ausgangswerte der CC-Fläche im Vergleich der einzelnen Untergruppen............................34 4.2. CC-Atrophie nach 12 Monaten ...............................................................................................35 4.3. Einfluss der Dauer der Erkrankung auf die Atrophierate ......................................................37 4.4. Klinische Parameter (EDSS-Score) und Atrophie.................................................................38 4.5. Medikamente und deren Einfluss auf die Atrophie ................................................................39 4.6. Vergleich der Atrophie mit radiologischen Markern..............................................................44 4.7. Einfluss des Alters der Patienten auf die Atrophierate ...........................................................45 4.8. Corpus-Callosum Atrophie im geschlechtspezifischen Vergleich .........................................46 5. Diskussion......................................................................................................................................47 5.1. Diskussion der Ergebnisse und Einschränkungen der Methodik............................................47 5.2. Zusammenfassung...................................................................................................................56 5.3. Ausblick ..................................................................................................................................57 6. Literaturverzeichnis .......................................................................................................................59 7. Anhang ...........................................................................................................................................76 A1: EDSS-Leistungsskala..............................................................................................................76 1 Abkürzungsverzeichnis BPF Brain Parenchymal Fraction CC Corpus Callosum CIS Clinically Isolated Syndrome (Suggestive of Multiple Sclerosis) CT Computertomographie DMAs Disease Modifying Agents EDSS Expanded Disability Status Scale, FLAIR Fluid Attenuated Inversion Recovery, Gd Gadolinium GM Grey Matter GMF Grey Matter Fraction IFN Interferon IVMP Intravenös appliziertes Methylprednisolon NAA N-Acetylaspartat MRT Magnetresonanztomographie MS Multiple Sklerose NAWM Normal Appearing White Matter PPMS Primär progressiver Verlauf der MS RRMS Schubförmiger Verlauf der MS SABRE Semi-Automatic Brain Region Extraction SD Standard Deviation (Standardabweichung) SIENA Structural Image Evaluation using Normalization of Atrophy SPMS Sekundär progressiv verlaufende MS WMF White Matter Fraction ZNS Zentrales Nervensystem 2 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Charakteristika der unterschiedlichen MRT-Sequenzen ..................................................30 Tabelle 2: Subtypenanalyse der CC-Fläche [cm²] zum Zeitpunkt T1 ................................................34 Tabelle 3: Subtypenanalyse im 12-Monatsverlauf ............................................................................35 Tabelle 4: Medikation der Patienten ..................................................................................................39 3 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Corpus Callosum-Atrophie bei einer von Fläche 2,69cm2 ..........................................20 Abbildung 2: Ansicht innerhalb des Programms ...............................................................................32 Abbildung 3: CC-Atrophie in cm² nach MS-Form ............................................................................36 Abbildung 5: Zusammenhang von Dauer der MS-Erkrankung zur CC-Atrophie .............................37 Abbildung 7: CCA bei unterschiedlicher Medikation .......................................................................40 Abbildung 8: CCA im Vergleich nicht medikamentös und medikamentös behandelter Patienten 41 Abbildung 9: Vergleich Interferontherapie (n=25) zu keine Interferontherapie (n=13) ...................42 Abbildung 10: Vergleich der CCA nach unterschiedlicher Dauer der Interferon-Therapie..............43 Abbildung 11: CCA im Altersvergleich ............................................................................................45 Abbildung 12: CCA im geschlechtsspezifischen Vergleich..............................................................46 4 1. Einleitung 1.1. Allgemeines und Formen der MS “A peculiar disease state.” Robert Carswell, 1838 Bereits 1838 beschrieb Carswell (Carswell R., 1838) als einer der ersten das Krankheitsbild, welches heute als Multiple Sklerose (MS) bekannt ist. Seinen Namen erhielt dieses „eigenartige Krankheitbild“ 1868 durch Charcot , der schon zu dieser Zeit in einer Vorlesung detailliert die Symptomatik einer MS beschrieb und bereits erste pathologisch-histologische Erkenntnisse wie beispielsweise Myelinverlust als ätiologischen Faktor erarbeitete. Mit ihm begann die wissenschaftliche Betrachtung dieser Erkrankung. Heute ist die Multiple Sklerose (MS) die häufigste chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems, mit einer Inzidenz in Deutschland von ca. 6 pro 100000 Einwohner. Es handelt sich um eine multifaktoriell bedingte Erkrankung des Zentralnervensystems mit Beteiligung genetischer und umweltbedingter Einflüsse, deren chronisch entzündlicher Charakter sich durch Demyelinisierung, Schädigung der Bluthirnschranke sowie Schäden der Axone zeigt. Klinisch zeigt die MS bei über 80% der Patienten einen schubförmigen Verlauf. Bei ca. 10-15% der Patienten entwickelt sich ein primär chronisch progredienter Verlauf der Erkrankung (Thompson et al., 1997). Der schubförmige Verlauf definiert sich durch klare Schübe mit vollständiger Remission oder verbleibenden Residuen, wobei in den Intervallen zwischen den jeweiligen Schüben keine Krankheitsprogression zu verzeichnen ist (Lublin and Reingold, 1996). Zur aktuellen Definition eines Schubes sei auf die Deutschen Gesellschaft für Neurologie (www.dgn.org) verwiesen: „ Neue oder eine Reaktivierung bereits zuvor aufgetretener klinischer Ausfälle und Symptome, die subjektiv berichtet oder durch die Untersuchung objektiviert werden können und • mindestens 24 Stunden anhalten, • mit einem Zeitintervall von 30 Tagen zum Beginn vorausgegangener Schübe auftreten und • nicht durch Änderungen der Körpertemperatur (Uhthoff-Phänomen) oder im Rahmen von Infektionen erklärbar sind“ Hiervon abzugrenzen ist der primär chronisch-progrediente Verlauf (PPMS), der 5 durch eine kontinuierliche Verschlechterung von Krankheitsbeginn an gekennzeichnet ist. Allerdings sind Plateaus und geringfügige Verbesserungen möglich. Schließlich ist noch die sekundär chronisch-progrediente MS (SPMS) zu nennen, die durch einen initial schubförmigen Verlauf mit einer sich anschließenden Phase der progressiven Verschlechterung mit oder ohne gelegentliche Schübe definiert ist. Dieser Verlauf ist nach einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von 10-15 Jahren etwa bei 30-40% der Patienten zu erwarten (Weinshenker et al., 1989). Nach 20 Jahren beträgt die Wahrscheinlichkeit sogar bis zu 90% (Trojano et al., 2003). 1.2. Symptomatik der MS Die Multiple Sklerose zeichnet sich durch eine hohe Variabilität der Symptomatik aus. Nach Charcot wurde eine Trias aus Intentionstremor, Nystagmus und skandierender Sprache benannt, welche allerdings mittlerweile um wesentliche Symptome erweitert werden muss. Als häufigste Symptome findet man bei der schubförmigen MS heute Sensibilitätsstörungen, Schmerzen und ein positives Lhermitte-Zeichen (Rumpf und Extremitäten-Parästhesien bei Hyperflexion des Kopfes). Weitere häufig vorzufindende Optikusneuritis und eine Diplopie Symptome sind eine unilaterale Finden sich initial Miktionsbeschwerden, Gliedmaßenschwäche oder eine Darmmitbeteiligung, kann dies auf einen eher ungünstigem Verlauf hinweisen. Es sei erwähnt, dass es durch das potentiell ubiquitäre Auftreten im ZNS, zu zahlreichen und breit gefächerten Symptomen kommen kann. 1.3. Diagnostik der MS Im Zentrum der Diagnosestellung steht die zeitliche und räumliche Dissemination von entzündlichen Prozessen im ZNS. Die Diagnose der MS stützte sich lange Zeit auf die Kriterien nach Poser (Poser et al., 1983). Allerdings gab es durch die zunehmende technische Möglichkeit der Magnetresonanztomographie (MRT) die Bestrebung, diese in die Diagnosefindung mit ein zu beziehen, was im Jahre 2001 durch die Einführung der McDonald Kriterien realisiert wurde (McDonald et al., 6 2001). Diese wiederum wurden nochmalig 2005 revidiert (Polman et al., 2005) und stellen somit den momentanen Stand der Diagnosestellung dar. Im Vordergrund dieser nun geltenden Richtlinie steht die Tatsache, dass zum Nachweis der zeitlichen und örtlichen Dissemination der MS nun auch die Kernspintomographie dienen kann. Die Magnetresonanztomographie ist eine sehr sensitive Methode zur Aufdeckung und Darstellung von pathologischen Befunden in unterschiedlichen Geweben des menschlichen Körpers. Bei entzündlichen Prozessen des ZNS ist sie die Methode der Wahl. Das grundlegende Prinzip der MRT besteht in der Messung von Protonen, die bei einer bestimmten Frequenz (Larmorfrequenz) angeregt werden. Die Wasserstoffatome besitzen die physikalische Eigenschaft, sich in einem stationären Magnetfeld geordnet auszurichten. Durch das Aussenden eines Radiofrequenzimpulses mit Larmorfrequenz wird diese Ausrichtung verändert, und nach Beendigung des Impulses kehren die Wasserstoffatome in ihre Ausgangsposition zurück (Relaxation). Während der Relaxation kann ein schwaches elektromagnetisches Signal mittels Empfängerspulen im MRT gemessen, digitalisiert und letztlich zu einem Bild verarbeitet werden. Die Relaxationszeit richtet sich nach der Struktur des zu untersuchenden Gewebes. Bei entsprechender Berücksichtigung wird eine notwendige Kontrastierung ermöglicht, durch die eine Darstellung von unterschiedlichen Strukturen realisierbar wird. Die Relaxationszeit der Protonen wird in zwei unterschiedliche Prozesse unterteilt. So gibt es zum einen die longitudinale Relaxation, welche die Rückkehr der ausgelenkten Protonen zum stationären Magnetfeld beschreibt und als mathematische Konstante mit T1 bezeichnet wird. Demgegenüber steht die transversale Relaxation, welche auf der Interaktion der Protonen untereinander beruht und als T2-Konstante bezeichnet wird. Für das Verstehen der MS-Diagnostik ist die Unterscheidung der verschieden gewichteten MRT-Untersuchungen und deren pathologisch-histologischen Korrelate von zentraler Bedeutung. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass in einer T2-gewichteten MRT-Aufnahme die MS-Läsion durch eine hohe Signalintensität (hyperintens) abgebildet wird. Es lassen 7 sich sowohl akute als auch chronische Läsionen darstellen. So kommen v.a. aktive Herde mit entzündlichem Ödem als auch de- und remyelinisierende Herde zur Darstellung. Ein Problem stellen hierbei oftmals Läsionen dar, die relativ liquornah gelegen sind. Eine besondere Sensitivität für derartige Läsionen besitzt die FLAIR-Sequenz (Fluid Attenuated Inversion Recovery). Hierbei wird durch Kombination einer selektiven Signalunterdrückung des Liquors mit einer T2-gewichteten MRT-Aufnahme eine höhere Sensitivität in den Grenzbereichen zu den Ventrikeln erzielt. Die T1-gewichtete Untersuchung dient der Darstellung von „black holes“, welche Zeichen eines irreversiblen Gewebeschadens in Form von Axondegeneration, Gliose oder Atrophie sind. Kombiniert man die T1-gewichtete Untersuchung mit einer Kontrastmittelgabe von Gadolinium, so reichert sich dieses in aktiven Herden mit entzündlicher zellulärer Aktivität an und stellt sich, durch eine verkürzte T1Relaxationszeit bedingt, als hyperintenses Signal dar. Die MRT hat sich bei der Diagnostik der MS durchgesetzt, da sowohl Läsionen als auch Atrophie dargestellt werden können und damit eine Untersuchung in vivo ohne wesentliche Gesundheitsgefährdung möglich ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch die Anwendung von Gadolinium als Kontrastmittel die erforderte zeitliche Dissemination nachgewiesen werden kann, da sich so akute Entzündungen im Sinne einer Bluthirnschrankenstörung im ZNS abbilden lassen. Außerdem dient die MRT dem Ausschluss anderer neurologischer Erkrankungen (Charil et al., 2006). Die revidierten McDonald Kriterien ermöglichen eine Diagnosestellung auch bereits bei Auftreten erster klinischer Symptome und entsprechender neuer Läsionen im MRT schon nach bereits 31 Tagen als Zeichen der zeitlichen Dissemination. Es sei an dieser Stelle auf das sog. Clinically Isolated Syndrome ( CIS ) hingewiesen, welches momentan noch nicht klar definiert ist und daher begrifflich unterschiedlich verwendet wird. Beim CIS sind die McDonald-Kriterien aufgrund fehlender zeitlicher Dissemination formal nicht erfüllt, aber aufgrund eines monosymptomatischen Bildes und einer Läsionslast im MRT besteht ein hinreichender Verdacht auf eine MS. 8 Der EDSS-Score (Expanded Disability Status Scale) ist die am weitesten verbreitete Skala zur Bewertung eines neurologischen Defizits bei MS-Patienten und dient als standardisierte neurologische Untersuchung, anhand derer 8 Funktionssysteme bewertet werden: • • • • • • • • Pyramidenbahn Kleinhirn Hirnstamm Sensorium Blase und Mastdarm Sehfunktionen Kognition/Emotion andere (z.B. epileptische Anfälle) (Kurzke, J.F., 1983). Als Einschränkung des EDSS ist zu bemerken, dass der EDSS-Wert geprägt ist von einer Betonung der motorischen Fähigkeiten und von einem Defizit in Bezug auf die kognitiven Fähigkeiten des Patienten. (Hobart et al., 2000). Zudem ist die fehlende Linearität dieser Skala zu beachten (siehe Anhang 1). 1.4. Pathologische Aspekte der MS Die pathologischen Charakteristika der MS wie beispielsweise eine axonale Schädigung wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls von Charcot beschrieben. Merkmale sind fokale, scharf begrenzte Entmarkungsherde, die mit Entzündung, astrozytärer Gliose und variabler Axondestruktion assoziiert sind (Lassmann et al., 1998). Diese Läsionen sind im gesamten Zentralnervensystem zu finden, wobei sich Prädilektionsstellen, wie Sehnerv, Rückenmark, Kleinhirn und die periventrikuläre weiße Substanz zeigen. Die MS-Läsion ist aber aus pathologischer Sicht bis zum heutigen Tage noch nicht vollständig verstanden. Nach traditioneller Sichtweise wird die MS als Autoimmunerkrankung der T-Zellen, die reaktiv gegen die Myelinbestandteile des ZNS gerichtet sind, angesehen. Auf diese Weise wird hiernach weiter ein Entzündungsprozess induziert, der zu einer sekundären Makrophagen-Rekrutierung mit daraus resultierender Myelindestruktion 9 führt (Martin and McFarland, 1996). Lassmann konnte diese Theorie durch serologische Methoden unterstützen, indem gezeigt werden konnte, dass CD4-positive T-Helferzellen vom TH1-Typ eine entscheidende Rolle bei der Krankheitsinduktion spielen (Lassmann H., 1998). Allerdings ist im Zuge von Untersuchungen am Tiermodell die Meinung zugunsten einer vielschichtigeren Pathologie bzw. Immunpathogenese revidiert worden. So zeigte sich, dass neben den TH 1-spezifischen Helferzellen weitere Zelltypen, wie z.B. CD8 positive zytotoxische T-Zellen wichtige Komponenten des entzündlichen Infiltrats der MS-Läsion sind (Scotet et al., 1999; Babbe et al., 2000). Diese T-Zellen wiederum werden in weiteren Studien auch in Zusammenhang mit einer axonalen Schädigung gebracht (Rivera-Quinones et al., 1998 und Medana et al., 2001). Es zeigte sich eine gewisse Dissoziation zwischen aktiver Entmarkung und axonaler Schädigung, woraufhin eine Hypothese formuliert wurde, die eine Destruktion von Myelinscheiden und Axonen durch unterschiedliche Mediatoren und zumindest teilweise unterschiedlicher Pathogenese nahe legt (Bitsch et al., 2000). In neueren Studien sind weitere wichtige Aspekte zum Verständnis der Pathologie der MS hinzugekommen. Es wird auch eine Beteiligung der B-Zellen als Mitauslöser von MS-Schüben diskutiert (Bar-Or et al., 2010). Die Studiengruppe um Tzartos fand eine erhöhte Expression von IL-17 produzierenden CD4 und CD8 positiven TZellen bei MS-Patienten (Tzartos et al., 2008). Das Molekül IL-17, ein proinflammatorisches Zytokin, scheint ein weiterer Faktor in der Entstehung der MS zu sein und wird von einigen Autoren auch als möglicher therapeutischer Ansatz diskutiert (Gold R., 2008). Ebenfalls sei erwähnt, dass ein großer Teil der MS-Erkrankungen in neuropathologischen Studien eine Beteiligung von Antikörpern und Komplementfaktoren aufweist, somit keiner alleinigen T-Zell-Pathogenese entspricht (Lucchinetti et al., 2000). Auch kam in der Forschung eine gewisse Tendenz auf neben der Myelinschädigung, die axonale Schädigung genauer zu untersuchen, um einen besseren Einblick in die Pathomechanismen der MS zu erlangen. Im Zentrum dieser wissenschaftlichen Bestrebungen steht die Arbeit von Trapp et al., welche nachwies, dass sich bei MS aus initial nicht geschädigten Axonen durch Demyelinisierung und entzündlichem Milieu sekundär axonale Transsektionen und nachfolgend axonaler Verlust 10 entwickeln (Trapp et al., 1998). Diese Feststellung ist vereinbar mit histopathologischen Studien, nach denen die MS in vier unterschiedliche Formen von Immunpathologien eingeteilt werden kann. Ein Aspekt hierbei ist der verschiede Anteil von Myelin- und Axonschädigungen (Luccinetti et al., 2000). Man geht nun vielmehr davon aus, dass der axonalen Schädigung eine zentrale Rolle vor allem auch in der Entstehung von neurologischen Dysfunktionen zukommt (Bjartmar and Trapp, 2003). 1.5. Hirnatrophie bei MS und aktuelle Studienlage 1.5.1. Allgemeines zur Hirnatrophie bei MS Die Hirnatrophie im Allgemeinen , als auch die Corpus Callosum-Atrophie (CCA) im Speziellen ist schon seit Mitte der 1990er Jahre ins Zentrum des Interesses bei der MS-Forschung gerückt (Losseff et al., 1996; Simon et al., 1999). Man versprach sich durch die Atrophierate Aussagen über die Progredienz der Erkrankung machen zu können. Zunächst einmal muss der Begriff der Atrophie genauer untersucht werden. In einem Artikel von Zivadinov et al. wird untersucht, welche Faktoren bei der Atrophie bzw. dem Verlust von Hirnvolumen mit zu berücksichtigen sind (Zivadinov et al., 2008). Zum einen ist die Auswirkung und das Ausmaß eines Ödems, als Ausdruck eines inflammatorischen Prozesses, zu berücksichtigen und zum anderen Gewebeverluste wie z.B. bei der MS in Form von Myelin- oder Axonverlusten. Ebenfalls müssen Prozesse wie Gewebezunahme durch Regeneration oder Remyelinisierung einkalkuliert werden. Wichtig ist es hierbei auch, einen möglichen Einfluss von DMAs (Disease Modifying Agents) und Kortikoiden mit in Betracht zu ziehen. Es wird deutlich, dass es sich bei der Atrophie um ein vielschichtiges, multifaktoriell bedingtes Geschehen handelt. 11 1.5.2. Atrophie als Marker der Krankheitsprogression und verschiedene Untersuchungsmethoden Eine Vielzahl an unterschiedlichen Studien zur Rolle der Atrophie zeigten teilweise sehr unterschiedliche Ergebnisse. Im Folgenden soll ein Überblick über die wichtigsten Studien und Erkenntnisse geliefert werden. In der letzten Dekade hat man zur Messung der Atrophie verschiedene Methoden gewählt, welche sich unter anderem nach dem Grad der Automatisierung einteilen lassen. Man unterscheidet manuelle, semimanuelle und vollautomatische Messmethoden. Als erstes sei die manuelle Messung genannt, da sie auch in dieser Arbeit angewandt wird und sich für bestimmte Strukturen wie das Corpus Callosum und den dritten Ventrikel in zahlreichen Studien bewährt hat. Semiautomatische Messungen beruhen prinzipiell auf manuell positionierten Landmarken, die danach automatisch vermessen werden. Beispiel ist die SABRE – Methode (Semi-Automatic Brain Region Extraction), welche sich durch hohe Reproduzierbarkeit und Genauigkeit auszeichnet (Carone et al., 2006). Abschließend sind die vollautomatisierten Messungen zu nennen, wie z.B. SIENA (Structural Image Evaluation using Normalization of Atrophy) (Stevenson et al., 2002). Unabhängig von der Art der Messung ist zunächst einmal die Frage zu klären, warum die Atrophieforschung sich gegenüber anderen MS-spezifischen radiologischen Markern wie beispielsweise der T2-Läsionslast durchgesetzt hat. Ein Grund hierfür verbirgt sich hinter dem von Barkhof geprägten Begriff des „clinico-radiological paradox“. Dieser beschreibt, dass sich lediglich eine niedrige Korrelation zwischen der Läsionslast eines Patienten in der MRT und seiner klinischen Entwicklung nachweisen lässt (Barkhof F., 2002). In weiteren Studien wurde gezeigt, dass die Atrophierate der fokalen Läsionslast als Indikator für den Progress der Erkrankung überlegen ist (Coombs et al., 2004; Fillipi et al., 2004; Fisher et al., 2002). Studien von Minneboo und Bemel zeigten, dass die Hirnatrophie der beste Marker für ein Fortschreiten des Grades der Behinderung zu sein scheint (Minneboo et al., 12 2007; Bemel et al., 2003). Die Korrelation der T2-Läsionslast mit der Ganzhirnatrophie ist bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt. Allerdings gibt es Anzeichen, dass es zumindest ein partielles Abweichen im Verlauf der Erkrankung dieser beider Parameter zueinander gibt (Anderson et al., 2006; Fisniku et al., 2008). 1.5.3. Ganzhirnvolumenmessungen Generell stellt sich zunächst die Frage nach dem Ausmaß einer Hirnatrophie und inwieweit sie einer MS zuzuschreiben ist. Ein weiterer hierbei stark diskutierter Punkt ist der Zeitpunkt des Auftretens einer Atrophie und der weitere Verlauf einer einmal eingesetzten Atrophie. Es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass die Atrophie ein frühes, wenn nicht sogar präklinisches Geschehen ist (Chard et al., 2002; Rudick et al., 1999; Tiberio et al., 2005; Ge et al., 2000). So untersuchte man Patienten mit einem Clinically Isolated Syndrome (CIS) und es zeigte sich, dass bei denjenigen Patienten, die später eine MS entwickelten eine stärkere Zunahme der Ventrikelverbreiterung, als Zeichen des Substanzverlustes, nachweisbar war als bei Patienten, die nicht erkrankten (Brex et al., 2000). Bestätigung fand dies durch eine weitere Studie, ebenfalls mit CIS-Patienten, in der das Kollektiv, welches später eine manifeste MS entwickelte ebenfalls einer ausgeprägteren Abnahme des Hirnvolumens unterlag (Filippi et al., 2004). Generell lässt sich sagen, dass die Hirnatrophierate bei Patienten, sogar in der Frühpase der Erkrankung, mit einer konstant fortschreitenden Behinderung größer ist als bei Patienten, bei denen dies nicht der Fall ist (Minneboo et al., 2008; Ingle et al., 2002; Rudick et al., 1999). Insofern scheint in diesen Fällen ein Zusammenhang zwischen Atrophie und Klinik dokumentiert, der sich aber nicht unmittelbar auf andere MS-Verlaufsformen projizieren lässt. Bei Ganzhirnvolumenmessungen kam es in vielen Studien zu recht unterschiedlichen Atrophieraten. So zeigten sich z.B. Unterschiede in den verschiedenen Subtypen der MS: In Longitudinalstudien bei RRMS zeigten sich jährliche Atrophieraten zwischen - 13 0,6% und -1,5% (Ge et al., 2000, Rovaris et al., 2000; Frank et al., 2004, Tiberio et al., 2005; Lin et al., 2003). Bei SPMS fand man Atrophieraten von bis zu -2% per annum (Ge et al., 2000) und bei PPMS zwischen -1,0 und -1,3% pro Jahr (Ingle et al., 2002 und Stevenson et al., 2000). Der jährliche Volumenverlust von gesunden Kontrollpersonen liegt etwa bei 0,07%0,3% (Coffey et al., 1992, Pfefferbaum et al., 1994; Rovaris et al., 2000). Es existieren verschiedene Verfahren zur Messung der Atrophie. Das Verfahren von Dalton stellt eine weitere Möglichkeit der Messung dar. Es wird indirekt über Ventrikelvergrößerung der Grad der Hirnatrophie objektiviert. Man fand bei allen Formen der MS Ventrikelvergrößerungen, wobei die größten Veränderungen bei SPMS zu finden waren (Dalton et al., 2004 und 2006). Rudick et al. berichteten von einer Korrelation zwischen Ganzhirnatrophie und Corpus Callosum-Atrophie (Rudick et al., 2000). 1.5.4. Studien mit Unterscheidung von weißer und grauer Substanz Im Mittelpunkt vieler aktueller Studien steht die Frage, ob es zu einem unterschiedlichen Ausmaß an Atrophie der grauen bzw. der weißen Substanz kommt. Es lässt sich prinzipiell festhalten, dass die Hirnatrophie im Verlaufe der MS das Ergebnis eines Gewebeverlusts beider Substanzarten in unabhängiger Zeitfolge zu sein scheint (Chard et al., 2004 und Tedeschi et al., 2009). In 2007 wurde durch die Arbeitsgruppe um Audoin gezeigt, dass bei 24 Patienten mit CIS ab einem Jahr nach der ersten klinischen Symptomatik bereits Atrophie der weißen Substanz nachzuweisen war, welche in einer Untersuchung nach 12 Monaten weiter voranschreitet (Audoin et al., 2007). Auch Traboulsee und Mitarbeiter kamen bei einer Untersuchung mit CIS Patienten zu vergleichbaren Ergebnissen (Traboulsee et al., 2002). Chard et al. beobachteten in ihrer Studie, dass eine Atrophie der weißen Substanz nach zwei Jahren Erkrankungsdauer nachweisbar ist, sich danach aber weniger ausgeprägt entwickelt als die der grauen Substanz (Chard et al., 2004). Es scheint demnach auch die graue Substanz in den Krankheitsprozess der MS involviert zu sein. Allerdings sind fokale Läsionen der GM im konventionellem MRT nicht nachweisbar (Geurts et al., 2005), weshalb Fisher et al. eine 14 Quantifizierung pathologischer grauer Substanz zum momentanen Zeitpunkt nur über eine Atrophiemessung für möglich erachten (Fisher et al., 2008). In einer derartigen Messung von Dalton et al. aus dem Jahre 2004 zeigte sich die Atrophie in der Frühphase der Erkrankung nicht primär in der weißen Substanz, sondern vielmehr auch in der grauen Substanz. Man fand bei 58 CIS-Patienten, die drei Jahre später eine definitive MS entwickelten eine höhere Atrophierate der grauen als der weißen Substanz (Dalton et al., 2004). Tiberio und Mitarbeiter untersuchten in einer Longitudinal-Studie 21 RRMSPatienten, die im Durchschnitt 2,1 Jahre erkrankt waren. Nach 12 bzw. 24 Monaten wiesen sie eine steigende Atrophierate der grauen Substanz, nicht aber der weißen Substanz nach (Tiberio et al., 2005). Zu vergleichbaren Ergebnissen kam es in der Arbeit von Tedeschi et al. (Tedeschi et al., 2009). In einer auf zwei Jahre angelegten Studie zeigte sich eine Zunahme der Atrophierate der grauen Substanz, wohingegen die der weißen relativ konstant blieb. Es bleibt zu erwähnen, dass es sich in dieser Arbeit um ein nicht selektioniertes Patientenkollektiv handelte mit einer durchschnittlichen MS-Erkrankungsdauer von 9,2 Jahren. Fisher et al. beobachteten, dass in späteren Phasen der MS und mit zunehmender klinischer Symptomatik die Atrophie der grauen Substanz zunimmt, wohingegen zu Beginn der Erkrankung sowohl graue als auch weiße betroffen seien (Fisher et al., 2008). Man interpretierte diese Erkenntnisse dahingehend, dass mit dem Fortschreiten der Erkrankung die Atrophie der grauen Substanz von zunehmender klinischer Relevanz zu sein scheint. 1.5.5. Ursachen der Atrophie weißer und grauer Substanz Zur Ursache der Atrophie der weißen Substanz gibt es unterschiedliche Theorien. Es wird oftmals vermutet, dass die Atrophie primär ein Ausdruck des Axonverlustes ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Großteil der Literatur zu diesem Themenkomplex aus der Pathologie kommt und insofern eine gewisse Verzerrung mit Schwerpunkt auf spätere Phasen der Erkrankung vorliegen könnte. Allerdings gehen einige Autoren davon aus, dass sich das Ausmaß der axonalen Schädigung 15 zumindest abschätzen lässt an dem Maße der Hirnatrophie (Fisher et al., 2002 und Rudick et al., 2000). Die Ursache wiederum für den Untergang der Axone wird verschieden diskutiert. Simon (Simon J.H., 2006) formuliert zunächst allgemein, dass nach einer primären Schädigung des Axons durch die MS unterschiedliche, sich verstärkende Mechanismen zu strukturellen und funktionellen Veränderungen führen. Diese Mechanismen könnten zum einen durch eine fokale Schädigung (T2-Läsion) in der Bildgebung sichtbar werden oder zum anderen durch diffuse Prozesse begründet sein und dann als normal erscheinendes Gewebe im MRT nicht zur Abbildung kommen (NAWM= Normal Appearing White Matter). Solche diffusen Pathologien werden am häufigsten im Sinne einer Wallerschen Degeneration interpretiert. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass nach einer primär distalen Schädigung des Axons sich eine sekundäre Degeneration proximaler Segmente anschließt. Andere Erklärungsansätze stellen eine mögliche retrograde oder anterogradtransneurale Degeneration dar (Perry et al., 1999 und Coleman and Perry, 2002). Ähnlich vielschichtig erscheint die Pathologie der Atrophie der grauen Substanz. Es zeigten sich besonders die tiefen GM (Grey Matter)-Regionen wie Thalamus und Nucleus caudatus als bevorzugte Manifestationsorte einer frühen Atrophie der grauen Substanz (Bermel et al., 2003 und Taylor et al., 2004). Es stellte sich heraus, dass Atrophien in diesen Arealen zu einem hohen Anteil einem Verlust von Axonfasern zuzuschreiben sind (Cifelli et al., 2002). Zudem zeigten verschiedene Studien allerdings auch Atrophie kortikaler Strukturen, welche damit auch zur GM-Atrophie beitragen. Sailer et al. zeigten, dass bereits früh im Krankheitsverlauf im frontalen und temporalen Kortex fokale Ausdünnungen nachzuweisen sind. Außerdem konnte im weiteren Krankheitsverlauf eine zunehmende Ausdünnung des motorischen Kortex dargestellt werden (Sailer et al., 2003). Zu ähnlichen Ergebnissen mit neokortikalen Ausdünnungen bei RRMS- und PPMS– Patienten bereits in den frühesten Krankheitsphasen kam De Stefano (De Stefano et al., 2003). Die Ursache der kortikalen Atrophie der grauen Substanz ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht geklärt. Ob es sich dabei um fokale Pathologien oder diffuse Prozesse 16 handelt kann nicht in ausreichendem Maße nachvollzogen werden. Weiter werden auch hier axonale Degenerationsprozesse als mögliche Ursache diskutiert (Dalton et al., 2004). Auch eine Apoptose innerhalb von Läsionen der grauen Substanz wird diskutiert (Peterson et al., 2001). 1.5.7. Atrophie und klinische Parameter In einer Vielzahl von Arbeiten wird versucht die Atrophie und deren Einfluss auf klinische Verlaufsparameter wie den EDSS-Score zu untersuchen. Losseff et al. zeigten eine signifikante Korrelation zwischen der Abnahme des Hirnvolumens und der Zunahme der Behinderung auf (Losseff et al., 1996). Fisher et al. fanden in ihrer auf acht Jahre angelegten Verlaufsstudie eine signifikante Atrophieprogression des Hirns mit Korrelation zur EDSS-Veränderung bei schubförmig-erkrankten MS-Patienten (Fisher et al., 2002). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Zivadinov (Zivadinov et al., 2001) und Minneboo (Minneboo et al., 2008). Andere Studien konnten eine solche Korrelation nicht nachweisen (Tiberio et al., 2005; Tedeschi et al., 2009; Ge et al., 2000, Fox et al., 2000). In mehreren weiteren Arbeiten fand sich eine stärkere Korrelation zwischen der Atrophie grauer Substanz und dem EDSS als zu der Atrophie weißer Substanz (Pirko et al., 2007; Carone et al., 2006; Sanflipo et al., 2006). 1.6. Corpus Callosum-Atrophie und Studien mit besonderer Beachtung des Corpus Callosum Das Corpus Callosum bildet das Dach des dritten und der seitlichen Ventrikel und besteht aus 2x108 Axonen und ist damit das größte zusammenhängende Faserbündel weißer Substanz des Gehirns. Zur Funktion dieser Kommissur zählt die interhemisphärische Kommunikation zwischen sowohl subkortikalen als auch kortikalen Strukturen. Außerdem dient es dem Transfer auditiver, sensorischer und motorischer Informationen zwischen den beiden Hemisphären und ist damit von zentraler Bedeutung für die kognitive Leistungsfähigkeit des Menschen (Hines et al., 17 1992). Die Fläche des Corpus Callosum ist zwischen der dritten und siebenten Lebensdekade normalerweise resistent gegenüber einer Atrophie in Folge von Alterungsprozessen (Sullivan et al., 2001 und Mitchell et al., 2003). Allerdings wurde schon früh gezeigt, dass es bei MS-Patienten oftmals zu einer Atrophie dieser Struktur kommt (Barnard and Triggs, 1974 und Dietemann et al., 1988). Das Corpus Callosum stellt eine bevorzugte Region dar, um vor allem eine relativ frühe Atrophie mit Verlust von weißer Substanz als auch eine Veränderung in kurzen Intervallen anzuzeigen (Audoin et al., 2007; Simon et al., 2001, Pelletier et al., 2001). Eine Veränderung der Fläche gilt als ein ähnlich guter Marker für Hirnatrophie wie die Ventrikelverbreiterung der Seitenventrikel und des dritten Ventrikels (Simon et al., 1999). Pagani et al zeigten, dass bei unterschiedlichen MS-Formen unterschiedliche Strukturen in die Atrophie involviert sind. Das Corpus Callosum sei demnach klassischerweise mit der schubförmig verlaufenden MS assoziiert (Pagani et al., 2005). Mitchell berichtet von einer mittleren Corpus Callosum-Fläche beim Gesunden von 6,27 cm² bei einer Altersspanne von 14 bis 68 Jahren (Mitchell et al., 2003). Die durchschnittliche CC-Fläche bei MS-Patienten lag zwischen 5,05 cm² und 5,5 cm² (Martola et al., 2007 und Simon et al., 1999). Die Fläche war in sämtlichen Studien signifikant kleiner als die von gesunden Kontrollpersonen. Pelletier et al. berichteten in einer auf fünf Jahre mit 30 Patienten angelegten Studie über eine Atrophie sowohl in frühen Phasen als auch bei weiter fortgeschrittener schubförmiger MS (Pelletier et al., 2001). Zu vergleichbaren Ergebnissen kamen Simon et al., die in einer auf zwei Jahre angelegten Studie sowohl signifikante CC-Atrophie als auch signifikante Verbreiterungen der Seitenventrikel und des dritten Ventrikels nachwiesen (Simon et al., 1999). Das Patientenkollektiv dieser Studie zeigte einen EDSS-Score von 1-3,5. Die jährliche CC-Atrophie der RRMS-Patienten lag durchschnittlich bei 4,9%. Es wurde eine MRT-Sequenz mit 5mm Schichtdicke zur Auswertung verwendet. Martola et al. konnten in einer Kohortenbeobachtung von Patienten mit gesicherter 18 RRMS über neun Jahre eine jährliche Atrophie von ca. 1,8% nachweisen. Diese jährliche Abnahme zeigte sich über vier Dekaden der Krankheitsdauer konstant (Martola et al., 2007). Auffällig ist, dass in einer Studie (Ranjeva et al., 2003) bei 46 Patienten mit einem CIS keine Corpus Callosum-Atrophie nachzuweisen war. Allerdings zeigten die Balken eine eingeschränkte „Magnetization Transfer Ratio“ sowie eine erhöhte Cholinanreicherung. Beides gilt als als Zeichen für einen diffusen pathologischen Prozess. Ranjeva et al. formulierten daraus die These, dass in den frühesten Phasen der Erkrankung diffuse Gewebeschäden als Myelin-assozierte Pathologien die axonale Schädigung im Sinne einer Atrophie überragen. Auch Audoin kommt zu diesem Schluss, nachdem er in seiner auf zwei Jahre angelegten Studie mit CIS-Patienten zunächst nach drei und sechs Monaten keine statistisch signifikante CC-Atrophie gegenüber einer Kontrollgruppe nachweisen konnte, aber dies sehr wohl nach 12 und 24 Monaten möglich war (Audoin et al., 2007). Diese Atrophie zeigte sich nach 12 und 24 Monaten signifikant im Bereich des anterioren und posterioren Corpus, nicht aber im Splenium und Genu. In späteren Phasen der frühen schubförmigen MS kommt es dann vor allem durch einen dominierenden axonalen Verlust zu einer Corpus Callosum-Atrophie, welche im Verlauf der Erkrankung weiter voranschreitet (Simon et al., 1999 und Oh et al., 2004). In einer Autopsie-Studie zeigte sich eine relative Axonreduzierung des Corpus Callosum bei MS-Patienten um durchschnittlich über 50% im Vergleich zum Normalkollektiv (Evangelou et al., 2000). Dies stützt die These von Simon, nach der vor allem der spätere Verlauf der Erkrankung durch ansteigenden Verlust von Axonen gekennzeichnet ist (Simon J.H., 2006). Ein weiterer wichtiger Untersuchungsaspekt ist eine mögliche Korrelation von klinischen Parametern und der CC-Atrophie. Pelletier et al. berichteten von einer gleichbleibend bestehenden Assoziation zwischen CC-Atrophie und EDSS-Wert in einer auf fünf Jahre angelegten Studie mit RRMS Patienten (Pelletier et al., 2001). Ebenso fanden Schreiber et al. eine Korrelation zwischen CC-Atrophie und EDSS- 19 Wert (Schreiber et al., 2001). Demgegenüber konnten Barkhof et al. eine solche Korrelation nicht nachweisen (Barkhof et al., 1998). In einer anderen Studie konnte über eine leichte Korrelation zu Beginn der Untersuchung berichtet werden. In der Folgeuntersuchung zeigte sich im Vergleich der Corpus-Callosum-Atrophierate mit der EDSS-Wertveränderung allerdings keine signifikante Korrelation (Simon et al., 1999). Zu vergleichbaren Ergebnissen kamen auch Martola et al. (Martola et al., 2007). Abbildung 1: Corpus Callosum-Atrophie bei einer Fläche von 2,69cm2 1.7. Medikamentöse Therapie der MS 20 1.7.1. Kortikoide An dieser Stelle sei die Rolle von Kortikosteroiden erwähnt, welche sich seit den 1950er Jahren etabliert haben und in der Therapie des akuten Schubes als allgemein anerkanntes Therapeutikum gelten. Glukokortikoide zeichnen sich durch ihre entzündungshemmende, anti-ödematöse und immunsuppressive Wirkung aus. Außerdem fördern sie die Regeneration einer Blut-Hirn-Schrankenstörung im akuten Schub, was durch Abklingen von Gadolinium-Anreicherungen bereits innerhalb der ersten 24 Stunden in der Bildgebung (MRT) zu erkennen ist. Klinisch zeigt sich der therapeutische Erfolg in der Rückläufigkeit der Schubsymptome. Die intravenöse Pulstherapie mit hochdosiertem Methylprednisolon hat sich in Studien (Beck et al., 1993) gegenüber einer niedrigeren oralen Gabe als signifikant überlegen gezeigt. Es findet therapeutische Anwendung zum einen im akuten Schub einer RRMS und zum anderen bei progressiven Formen der MS. Zivadinov et al. untersuchten 88 RRMS-Patienten im Rahmen einer randomisierten, kontrollierten, einseitig-blinden Studie, um den Effekt dieses Therapieregimes in Bezug auf Hirnatrophie und klinisch-pathologischen Verlauf zu beurteilen (Zivadinov et al., 2001). Die Patienten erhielten in unterschiedlichen Abständen eine Pulstherapie oder nur schubgebunden IVMP (i.v. Methylprednisolon). Es zeigte sich nach fünf Jahren ein klarer Vorteil der Pulstherapie hinsichtlich der Entwicklung von Hirnatrophie und klinisch-pathologischem Verlauf Es kam zudem zu einer geringgradigeren Ausbildung von hypointensen Läsionen im MRT („black holes“), die als Ausdruck einer strukturellen Schädigung gelten. Allerdings zeigten sich in verschiedenen anderen Studien davon abweichende Ergebnisse bezüglich einer Hirnatrophie und der Therapie mit Methylprednisolon. Einige Arbeiten zeigten, dass eine längerfristige Einnahme sogar eine Hirnatrophie bewirken kann (Bentson et al., 1978; Gordon et al., 1980). Auch Rao et al. berichten über eine vorübergehende Abnahme des Hirnvolumens nach IVMP bei RRMS (Rao et al., 2002). Wiederum andere Arbeiten konnten diesen Zusammenhang nicht nachweisen (Hoogervorst et al. 2002 und Fox et al., 2005). Ein Erklärungsansatz für die bezüglich des Hirnvolumens unterschiedlichen Ergebnisse bietet die Tatsache, dass in der Studie von Rao et al. das Patientengut eine wesentlich höhere inflammatorische Last im Sinne von Gd-anreichernden 21 Herden zu verzeichnen hatte. Diese Diskrepanz könnte bezüglich der Hirnvolumenmessungen von entscheidender Bedeutung sein, da dadurch die Wirkung im Sinne eines anti-ödematösen Effektes von IVMP erhöht ist (Fox et al., 2005). Fox et al. untersuchten 10 Patienten, die eine kurzfristige IVMP-Gabe erhielten und verglichen die BPF (Brain Parenchymal Fraction) sowie das Hirnvolumen nach achtWochen mit den Ergebnissen zu Studienbeginn. Es zeigte sich, dass es zu keiner Abnahme des Hirnvolumens kam, sich allerdings eine Abnahme der BPF nachweisen ließ, welche je nach individueller Krankheitsdauer variierte. Bei Patienten im Frühstadium der Erkrankung beobachtete man keine signifikanten Veränderungen der BPF, wohingegen bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung, meist SPMS, schon nach einer Woche eine Abnahme der BPF zu verzeichnen war. Fox interpretiert dieses Ergebnis dahingehend, dass durch die IVMP die bei RRMSPatienten noch vorhandenen kompensatorischen Gewebereparatursysteme den antiinflammatorischen bzw. anti-ödematösen Effekt kompensieren und eben diese Kompensation bei SPMS-Patienten nicht mehr vorhanden ist, was dieser These zufolge zu einer Abnahme der BPF geführt hat. Diese Ergebnisse legen eine unterschiedliche Betrachtung von RRMS und SPMS bezüglich IVMP und Atrophie aufgrund unterschiedlicher pathologischer Prozesse nahe. 1.7.2. Betainterferon Im Allgemeinen spricht man dabei von vier in Deutschland zugelassenen ßInterferonen, die ihre Wirksamkeit bei der schubförmigen MS unter Beweis stellen konnten. Zum einen sind dies die ß-1a-Präperate Avonex® und Rebif® und zum anderen das ß1b-Interferon Betaferon® und dessen „bioidentical“ Extavia®. Auf ß-Interferon 1b soll im Folgenden kurz eingegangen werden. Wie bei den ß1aPräperaten handelt es sich hierbei um ein gentechnisch (rekombinant) hergestelltes Medikament. In drei groß angelegten, multizentrischen, doppelt-blinden und 22 randomisierten Studien (The IFN-ß MS Study Group, 1993; Jacobs et al, 1996 und PRISMS, 1998) konnte ein positiver Effekt in Bezug auf den Krankheitsverlauf der RRMS demonstriert werden. So konnte die Schubrate durch ß1a- und ß1b-IFN reduziert werden (ca. 30%) und das Auftreten von neuen Läsionen im MRI um ca.70% vermindert werden. Zwei ß1a-IFN-Studien haben zudem noch eine signifikante Reduktion des Grades der Behinderung nachweisen können (Jacobs et al., 1996 und PRISMS 4, 2001). Weitere aus einem heterogenen Patientenkollektiv bestehende Studien konnten die Effektivität der Präparate bestätigen (Portacio et al., 2006). Allerdings dürfen diese Ergebnisse nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein hoher Anteil der Patienten (ca.65%) mindestens einen weiteren Schub in einem 2-JahresIntervall erlitten hat. Außerdem stellte sich heraus, dass es Prognosefaktoren für die Wirksamkeit der Interferone gibt. So besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf Ansprechen der IFN-Therapie bei hoher Schubrate, hohem Alter zu Therapiebeginn und langer Krankheitsdauer. In anderen Studien beobachtete man eine komplette Schubfreiheit bei Patienten, die in den zwei Jahren vor Therapiebeginn eine niedrige Schubrate aufwiesen (Roullet et al., 2003). Diese Ergebnisse fanden in einer späteren Studie von Villoslada keine Bestätigung (Villoslada et al., 2004). In Vergleichsstudien zwischen Rebif® und Avonex® (EVIDENCE) und Betaferon® und Avonex® (INCOMIN) stellte sich heraus, dass ein größerer protektiver Effekt bezüglich der Läsionslast und der Schubrate von dem jeweils wöchentlich mehrfach applizierten Interferon ausging (Durelli et al., 2002 und Panitch et al., 2002). In der INCOMIN-Studie zeigte sich das Behandlungsregime mit Betaferon® (Applikation jeden 2.Tag) gegenüber dem mit Avonex® (Applikation einmal pro Woche) überlegen. Bezüglich der Beurteilung des Erfolgs anhand des EDSS-Scores konnten Portacio et al. keine signifikanten Unterschiede nachweisen. Lediglich die Schubrate und radiologische Parameter zeigten Bindung zu dem Effekt der Therapie. Es zeigt sich hierdurch die Schwierigkeit, den Erfolg einer Interferon-Therapie zu 23 beurteilen, da dieser schwer objektivierbar ist. Dies wiederum mag als ein Charakteristikum einer so heterogenen Erkrankung wie der MS zu beurteilen sein. Die Wirkung von Interferon-ß1b bei RRMS-Patienten auf den Grad der Hirnatrophie beschrieben Frank et al. (Frank et al., 2004). Man beobachtete 30 Probanden über einen Zeitraum von sechs Monaten und einer darauf folgenden Therapie über 22 bis 36 Monate. Zum einen reduzierte die Behandlung die Gd-anreichernden Herde als auch das Volumen der Läsionen in der weißen Substanz, zum anderen wurde vor allem zwischen dem zweiten und dritten Jahr die Atrophierate des Hirns reduziert. Bei Patienten mit SPMS (sekundär progressiv verlaufende MS) war ein solcher Erfolg allerdings nicht zu verzeichnen. Filippi et al. berichten im Rahmen der ETOMS-Studie von einer Abnahme der Atrophierate bei mono- und polysymptomatischen CIS-Patienten unter IFN-ß1aTherapie, bezogen auf ein Zweijahresintervall (Filippi et al., 2004). Molyneux untersuchte SPMS- Patienten unter Interferon-ß1b-Therapie und verglich sie mit einer Placebo-Gruppe in Bezug auf die Hirnatrophie (Molyneux et al., 2000). Es zeigte sich, dass zunächst einmal die Reduktion des Hirnvolumens in beiden Gruppen signifikant und progressiv war. Die durchschnittliche Atrophierate lag bei ca. 2,9-3,9% nach 36 Monaten. In einer weiteren Analyse der Subgruppen stellte sich heraus, dass Patienten, die zu Beginn der Studie keine kontrastmittelanreichernden Herde aufwiesen, eine größere Reduktion des Volumens in der Placebo-Gruppe zeigten (Placebo: 5,1% zu IFN-ß1b: 1,8%). Demgegenüber zeigte die Gruppe, die initial Gd-Herde aufwiesen, eine größere Volumenabnahme, wenn sie IFN-ß1b bekamen (Placebo: 2,6% zu IFN-ß1b: 3,7%). Molyneux interpretiert diese Ergebnisse insofern, als dass sich die zwar verzögernde, aber nicht aufhaltende Wirkung von IFN-ß zeigt und die Volumenunterschiede zwischen den Gd-Subgruppen dem antiinflammatorischen und anti-ödematösen Effekt zuzuschreiben seien. Analog hierzu kamen Zivadinov et al. zu dem Ergebnis, dass es kurzfristig durch DMAs (Disease Modifying Agents) zu einer Pseudoatrophie kommen kann, aber langfristig die Hirnatrophie verzögert wird (Zivadinov et al., 2008). Unter der oben genannten Pseudoatrophie versteht Zivadinov eine Atrophie, die nicht mit dem 24 Untergang bestimmter Zellreihen assoziiert ist. Als mögliche Ursache wird ein intrazellulärer Wasserverlust durch DMAs diskutiert. Auch Mikol et al. sehen diesen Effekt am ehesten als Ausdruck einer anti-ödematösen Wirkung bei Inflammation von Interferonen bei MS-Patienten (Mikol et al., 2008). Die Problematik, die sich unter diesem Aspekt herauskristallisiert, ist die schwierige Differenzierung von gewünschten protektiven Effekten und möglichen Medikamentennebenwirkungen. 25 2. Fragestellung und Zielsetzung der Studie Das Thema dieser Studie ist die zerebrale Struktur des Corpus Callosum und dessen Veränderung im Verlauf einer Erkrankung mit MS. Es soll untersucht werden, inwiefern sich in einem fest definierten zeitlichen Intervall von 12 Monaten individuelle Zeichen einer Atrophie manifestieren. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf Patienten gelegt, die am Anfang der Erkrankung stehen. Es soll untersucht werden, inwieweit es zu unterschiedlich ausgeprägter Atrophie des Balkens bei unterschiedlichen Verlaufsformen kommt. Hierbei steht insbesondere der Vergleich erstdiagnostizierter Patienten mit bereits länger erkrankten Patienten im Focus unseres Interesses. Des Weiteren soll geprüft werden, ob es einen Einfluss von Medikamenten, insbesondere von ß-Interferonen, auf die Atrophie gibt. Dieser soll im Vergleich mit nicht medikamentös behandelten Patienten herausgearbeitet werden. Weiter wird ein möglicher Einfluss der Dauer der medikamentösen Therapie auf die Atrophie untersucht. Es wird zu beiden Zeitpunkten eine Magnetresonanztomographie des Kraniums durchgeführt und sowohl der EDSS-Score als klinischer Parameter, als auch die T2Läsionslast und Gadolinium Anreicherungen im MRT als radiologisches Korrelat erfasst. Die erfassten radiologischen Parameter werden mit den strukturellen Veränderungen verglichen und untersucht, ob es statistische Zusammenhänge gibt. Abschließend werden die Ergebnisse auf etwaige Einflüsse des Geschlechts und des Alters auf die Atrophie des Balkens geprüft. 26 3. Material und Methoden 3.1. Patienten In dem Untersuchungszeitraum von Juni 2004 bis zum Juni 2008 wurden 47 Patienten mit entweder der Erstmanifestation einer MS, eines CIS oder einer bereits vordiagnostizierten MS in unsere Studie eingeschlossen. Hierbei handelte es sich um Patienten der neurologischen Abteilung des Knappschaftskrankenhauses Bochum-Langendreer. Alle Studienteilnehmer wurden vor Beginn mittels eines Aufklärungsbogens mit Einwilligungserklärung und eines persönlichen Gesprächs über Inhalt der Studie aufgeklärt und stimmten freiwillig zu, an dieser teilzunehmen. Die vorliegende Studie wurde der Ethikkommission vorgelegt und akzeptiert. Es handelte es sich um 38 weibliche und 9 männliche Patienten. Der jüngste Patient war 18, der älteste 57 Jahre alt. Das mittlere Alter des Kollektivs betrug 35,94 Jahre (SD: 10,74). Bei 22 Patienten wurde bei Einschluss in diese Studie die Erstdiagnose einer MS gestellt. Als Diagnosekriterium galt hierbei die aktuelle, 2005 modifizierte McDonald Richtlinie. Vier Patienten mit einem isolierten klinischen Symptom (CIS) wurden in die Studie eingeschlossen. Außerdem bildeten weitere 15 Patienten mit einer bekannten schubförmigen MS sowie sechs Patienten mit einer SPMS das weitere Patientengut. Die mittlere Erkrankungsdauer aller Patienten lag bei 24,4 Monaten (SD: 38,1). Zum Zwecke der statistischen Bearbeitung wurden zwei Gruppen gebildet und dadurch Patienten bis 12 Monaten Erkrankungsdauer (n=31) mit denen über 12 Monaten (n=16) verglichen. Der Median des EDSS-Scores bei Eintritt in die Studie betrug 2,5. Das Minimum lag bei 1 und das Maximum bei 6,5 (SD: 1,5). Von den 47 Patienten wurden im 12 Monats Verlauf 34 Patienten mit einer immunmodulatorischen Medikation behandelt. 13 Patienten erhielten keine solche Therapie. Es wurden verschiedene Subgruppen gebildet und die Patienten mit 27 Interferontherapie mit denen ohne medikamentöse Therapie verglichen. Bei diesen 25 Patienten erfolgte eine weitere Aufteilung in zwei Gruppen nach der Dauer der Medikation bei Studieneintritt, wobei der Cut-off- Wert bei 3 Monaten lag. Sieben Patienten wurden zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung mit Kortikoiden behandelt und lediglich zwei zum zweiten Untersuchungszeitpunkt. Jeder Patient erhielt in einem Abstand von 12 Monaten ± 4 Wochen zwei StandardSequenzen eine 1,5-T-MRT. Die Patienten sind zu beiden Zeitpunkten vom Doktoranden klinisch-neurologisch untersucht worden. 3.2. Kontrollgruppe Da in zwei vorangegangenen Dissertationen (Habel,L., Ruhr-Universität Bochum 2007; Shanib,H., Ruhr-Universität Bochum 2010) schon bereits größere Kontrollgruppen untersucht wurden, um den Unterschied zwischen gesunden Individuen und MS-Patienten herauszuarbeiten, beschränkten wir die Untersuchung dieses Aspektes auf eine relativ kleine Gruppe. In den früheren Studien zeigte sich bei den Kontrollpersonen eine relativ konstante CC-Fläche im Verlauf der Untersuchung. Es wurde zum einen eine Kontrollgruppe aus 5 gesunde Patienten (4 Frauen, 1Mann) kernspintomographisch untersucht. Alle Personen litten zum Untersuchungszeitpunkt nicht an einer neurologischen Erkrankung. Die Familienanamnese bezüglich neurologischer Erkrankungen insbesondere der MS war negativ. Keine der Personen bekam eine Kortikoid oder immunmodulatorisch wirkende Medikation. Das Alter dieser Gruppe rangierte zwischen 23 und 33 Jahre (MW: 28,6). Weiter untersuchten wir 4 Kontrollpersonen mit nicht-entzündlichen neurologischen Erkrankungen (Migräne, Anfallsabklärung). Es erfolgte zum Untersuchungszeitpunkt ebenfalls keine Kortikoid- oder Interferontherapie und die Familienanamnese bezüglich der MS war leer. Das Alter dieser Gruppe lag zwischen 34 und 64 (MW: 48,3). Von sieben dieser neun Kontrollpersonen konnte ein 12-Monatsverlauf dokumentiert werden. 28 3.3. Apparative Ausstattung / Magnetresonanztomograph Die Untersuchung wurde mit einem Kernspintomographen der Feldstärke 1,5 Tesla (Magnetom Avanto Fa. Siemens Erlangen) durchgeführt. Der Patient wurde mit dem Kopf zuerst in Rückenlage in der Kopfspule (FA Siemens Erlangen) gelagert und mittels seitlicher Fixierungshilfe fixiert. Die Transversalschichten wurden parallel an der AC – PC Linie des Corpus Callosum ausgerichtet. Die sagittal angeordnete Serie wurde in 90° Richtung zu den Transversalschichten auf das Corpus Callosum zentriert. Falls Kontrastmittel in der Diagnostik gegeben wurde, erfolgte die Applikation mittels Injektor (FA Medrad) über ein Schlauchsystem mit einem Flow von 2 ml/sec und einer Nachinjektion von 20 ml NaCl 0,9%. Die KM-Dosierung betrugt 0,1mmol/kg Körpergewicht. Dies entspricht 0,2 ml/kg KG Gadolinium. 29 Tabelle 1: Charakteristika der unterschiedlichen MRT-Sequenzen T1 SE mit Doppel echo MT+KM 0,2ml/kgKG FLAIR T2 TSE MPRAGE Multihance TR / ms 2800 820 9000 3860 1160 TE / ms 14 / 82 14 99 115 4,19 Flipwinkel 150° 70° 150° 170° 15° Schichtdicke/mm 5 5 5 2 1 Distance Factor 0,3 0,2 0,3 0,2 50% Matrix 200 x 256 171 x 256 156 x 256 310 x 448 200 x 256 Field of View/ mm 230 250 250 230 250 2 1 2 Ver- Ver- schachtelt schachtelt Anzahl Messungen der 2 Excitation Order Phasencodier- Verschachtelt interleaved 1 interleaved R→L L→R A→P A→P MagnetisationTransfer - + - - Kontrastmittel - 5 min delay - - - Orientierung transversal transversal transversal sagittal sagittal Schichten 19 19 19 14 160 Dauer / min 2.36 4.43 4.50 2.47 4.45 Richtung AP - 30 3.4. Voruntersuchung der Patienten Die in die Studie eingeschlossenen Patienten wurden zum Zeitpunkt des Eintritts in die Studie von Neurologen des Knappschaftskrankenhauses Bochum-Langendreer untersucht und der Grad der Behinderung anhand des EDSS-Scores ermittelt. Zudem untersuchte der Doktorand die Patienten. Es wurde außerdem die zu diesem Zeitpunkt verabreichte medikamentöse Therapie, mit besonderem Augenmerk auf eine Einnahme von Steroiden und Interferonen, festgehalten. Im Rahmen des meist stationären Aufenthalts der Patienten erfolgte nun eine MRT-Bildgebung. Hierbei wurden die Aufnahmen in Bezug auf Anzahl von T2- und kontrastmittelanreichernden Herden befundet und zudem vom Doktoranden ausgewertet. 3.5. Vorbereitung und Auswertung der MRT-Aufnahmen Ziel der Studie war der Vergleich von diagnostischen MRT-Aufnahmen des Corpus Callosum im 12-Monatsabstand. Mittels einer planimetrischen Messung der Querschnittsfläche dieser Struktur (Planibo) wurde die atrophische Veränderung objektiviert. Zu diesem Zwecke wurden die Aufnahmen zunächst einmal auf zwei Arten gesichert. Es gab zum einen die Möglichkeit auf DICOM-Bilder zurückzugreifen und zum anderen wurden teilweise Folien-Aufnahmen mittels eines hochauflösenden Scanners in ein digitalisiertes Format wie Bitmap bzw. TIF überführt und damit bearbeitbar gemacht. Die midsagittale Corpus Callosum-Schicht wurde aus T2-gewichteten sagittalen Serien mit 2mm Schichtdicke ausgewählt. Dabei wurde anhand von anatomischen Strukturen, wie beispielsweise der Lage des Halsmarks und des Verlauf der venösen Gefäße oberhalb des Corpus Callosums und des Grades der Verstreichung der Hirnfurchen, die mediane Schnittebene ausgewählt und dann in das Programm ImageJ 1.36b (Wayne Rasband, National Institute of Health, USA; http://rsb.info.nih.gov/ij/ ) integriert und hiermit weiter verarbeitet. So wurden die Aufnahmen vergrößert und dann das Corpus Callosum manuell umfahren. Mittels der integrierten Funktion „Threshold“ konnte ein kontrastierender Effekt erzeugt werden. Dieser Bereich wurde nun mittels der Funktion „Analyze – 31 Measure" berechnet. Abbildung 2: Ansicht innerhalb des Programms Die Messergebnisse in Quadratzentimetern wurden mit Hilfe einer Umwandlung des Zentimeter-Maßstabes in dem MRT- Bild in einen Pixelwert realisiert. Dies gewährte eine präzise Messung der dargestellten Fläche des Corpus Callosums. Diese Art der planimetrischen Ausmessung hatte sich bereits bei zwei Dissertationen (s.o.) bewährt. Aus diesem Grunde wurden zehn in diesen Studien bereits integrierte Aufnahmen erneut vom Doktoranden ausgemessen und die Ergebnisse mit denen der genannten Dissertation verglichen. Es zeigte eine hoch-signifikante Korrelation mit p<0,0001 und =0,97. Als zweiter Validierungsprozess diente ein Vergleich der planimetrisch gemessenen Ergebnisse mit einer semiautomatischen Messmethode von Fraunhofer-MeVis (Center for medical Diagnostic Systems and Visualization, Bremen). Bei dieser Methode handelt es sich um eine Struktur-Segmentierung mittels eines sog. „live wire Algorithmus“. Dieser wurde bereits 1992 erstmalig durch eine Arbeitsgruppe um Udupa als „adaptive Grenz-Findung“ beschrieben (Udupa et al., 1992). 32 Es wurden 13 MRT-Aufnahmen mittels beider Methoden ausgemessen. Es zeigte sich eine hoch signifikante Korrelation von r=0,98 und p= <0,01 unserer planimetrischen Messung mit dieser semiautomatischen Methode. Die mittlere Messdifferenz lag bei 0,05 cm² (Spannbreite von – 0,10- 0,11 cm²). 3.6. Statistische Analyse der erhobenen Daten Für die statistische Datenanalyse wurde ein Auswertungsbogen in Excel (Microsoft®) verfasst und mit dem Programm SPSS 17.0 ausgewertet. Ein p-Wert von < 0,05 wurde als signifikant angesehen. Gruppenvergleiche wurden mittels t-Tests auf statistische Zusammenhänge untersucht. 33 4. Ergebnisse 4.1. Ausgangswerte der CC-Fläche im Vergleich der einzelnen Untergruppen Bezüglich der absoluten Fläche des Balken zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung ergab sich eine mittlere Fläche von 5,61 cm² (SD:1,25 cm²). Das Minimum lag bei 2,69 cm² und das Maximum bei 7,71 cm². Vergleicht man diese Werte nun in Bezug auf die MS-Form, so zeigte sich der niedrigste Wert bei SPMS-Patienten und der höchste Wert in der Gruppe der erstdiagnostizierten Patienten. In der ZNS-gesunden Kontrollgruppe ergab sich ein Mittelwert von 6,36 cm² (SD: 0,04 cm²). Die CCAugangswerte waren zwischen den einzelnen Subgruppen nicht signifikant verteilt (Kruskal-Wallis Test p=0,087). Tabelle 2: Subtypenanalyse der CC-Fläche [cm²] zum Zeitpunkt T1 Mittelwert Anzahl Min. Max. SD CIS 5,81cm² 4 4,57cm² 6,79cm² 1,14cm² Erstdiagnose 6,11cm² 22 2,99cm² 7,71cm² 1,18cm² Schubförmig 5,45cm² 15 3,64cm² 7,21cm² 0,96cm² SPMS 4,02cm² 6 2,69cm² 5,63cm² 0,97cm² Kontrollgruppe 6,36cm² 9 5,73cm² 6,91cm² 0,47cm² 34 4.2. CC-Atrophie nach 12 Monaten Es ließ sich nachweisen, dass die Querschnittfläche des Corpus Callosum bei den untersuchten Patienten im 12 Monats-Verlauf kontinuierlich abnimmt. Im Mittel aller erkrankten untersuchten Patienten lag die Atrophie bei 0,39 cm² (SD:0.17 cm²). Prozentual ergab sich ein Mittelwert von 7,15%. Die CC-Atrophiewerte waren zwischen den Gruppen signifikant verteilt (Kruskal-Wallis Test p=<0,001). Untergliedert in die entsprechenden Subgruppen ergab sich folgendes Bild: Tabelle 3: Subtypenanalyse im 12-Monatsverlauf Anzahl Abnahme % Min./Max. SD 4 0,38cm² 6,69% 0,26cm²/0,48cm² 0,09cm² Erstdiagnose 22 0,43cm² 7,23% 0,15cm²/0,93cm² 0,16cm² Schubförmig 15 0,32cm² 6,17% 0,09cm²/0,62cm² 0,17cm² SPMS 6 0,39cm² 9,64% 0,06cm²/0,65cm² 0,24cm² Kontrollgruppe 7 0,13cm² 2,01% 0,02cm²/0,33cm² 0,10cm² CIS Im einem Vergleich der Atrophie über 12 Monate bei allen an MS bzw. CIS erkrankten Personen mit der Gruppe der Kontrollpersonen, so ergab sich ein hoch signifikanter Unterschied (t-Test p< 0,001). Bei genauerer Analyse der einzelnen Subgruppen (siehe Tabelle 3) zeigte sich, dass der absolute Atrophiewert in cm² in der Gruppe der Erstdiagnostizierten mit einem Mittelwert von 0,43 cm² (SD:0,16cm²) am höchsten war. Im Vergleich hierzu lag der Wert in der Gruppe der schubförmigen MS bei 0,32 cm². Berechnet man den prozentualen Anteil der Atrophie an der Gesamtfläche, so ergibt sich ein Unterschied von 7,23 % zu 6,17 %. Zur besseren Anschaulichkeit fassten wir die Erstdiagnostizierten und die CIS Patienten zu einer Gruppe zusammen und verglichen sie ausschließlich mit den schubförmig MS-Erkrankten. Es ergab sich eine Atrophierate von im Mittel 0,42 cm² bzw. 7,15 % in eben jener Gruppe. Der Vergleich der beiden Gruppen mittels t-Test ergab allerdings keine statistische Signifikanz (p=0,06). 35 Abbildung 3: CC-Atrophie in cm² nach MS-Form 36 4.3. Einfluss der Dauer der Erkrankung auf die Atrophierate Weiter untersuchten wir den Einfluss der Dauer der Erkrankung auf die Veränderung der Fläche des Corpus Callosum. Hierbei bestand die Gruppe der neu diagnostizierten MS-Patienten aus 22 Patienten und bildete damit das mit Abstand größte Kollektiv. Im Mittel lag die Erkrankungsdauer bei 24,4 Monaten. Es wurden weiter zwei Gruppen gebildet, wobei der Cut-Off Wert bei 12 Monaten Erkrankungsdauer lag, und es zeigte sich, dass die Atrophierate in Gruppe 1 (n=31), also bis zu 12 Monaten Erkrankungsdauer, im Mittel 0,44 cm² per annum aufwies, im Vergleich dazu der Mittelwert in der zweiten Gruppe (n=16) bei 0,29 cm² lag. Es zeigte sich in einem gepaarten t-Test ein statistischer Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen bezüglich der Atrophie, welcher mit p=0,003 signifikant ausfiel. Abbildung 4: Zusammenhang von Dauer der MS-Erkrankung und CC-Atrophie (p=0,003) 37 4.4. Klinische Parameter (EDSS-Score) und Atrophie Der EDSS–Score wurde bei jedem Patienten zu beiden Zeitpunkten bestimmt. Die Patienten traten der Studie mit einem EDSS-Score von im Mittel 2,5 (SD:1,5) bei. Zunächst sind die Ergebnisse der Flächenausmessung zum Zeitpunkt T1 mit dem entsprechenden EDSS- Score untersucht worden und es zeigte sich ein Zusammenhang (r=-0,53), welcher mit p<0,001 signifikant ausfiel. Ein vergleichbares Ergebnis ergab sich aus den nach 12 Monaten (T2) erhobenen Werten (r=-0,455, p=0,001). Die Veränderung des EDSS-Wertes nach 12 Monaten unterlag großen Schwankungen. So kam es bei vereinzelten Patienten zu einer Erniedrigung des EDSS-Wertes von maximal einem Punkt und bei anderen wiederum zu Anstiegen von bis zu 3,5 Punkten. Der Mittelwert lag bei einer Zunahme von 0,44 Punkten (SD:1,0). Bei einem Vergleich der EDSS-Wert-Veränderung mit der Atrophierate innerhalb der untersuchten 12 Monate ließ sich kein statistisch signifikanter Zusammenhang finden (r=0043, p=0,78). 38 4.5. Medikamente und deren Einfluss auf die Atrophie Von den an dieser Studie teilnehmenden 47 Patienten erhielten 34 (72,3%) eine immunmodulatorische medikamentöse Therapie. Bei 25 Patienten bestand diese in der Applikation entweder eines ß-Interferon 1a oder 1b. Tabelle 4: Medikation der Patienten Häufigkeit Prozent keine Med. 13 27,7 ß-Interferon 1a 13 27,7 ß-Interferon 1b 12 25,5 Copaxone 3 6,4 Azathioprin 2 4,3 Mitoxantron 4 8,5 39 Vergleicht man die Atrophierate mit der erhaltenen Therapie, fiel auf, dass die Atrophie bei Patienten ohne medikamentöse Therapie mit im Mittel 0,49 cm² (8,39 %) am höchsten ist. Am niedrigsten mit 0,26 cm² (4,42%) war die Atrophie in der Gruppe der mit Glatiramerazetat (Copaxone) behandelten Patienten, die allerdings nur aus n=3 bestand. Die beiden Interferone 1a und 1b zeigten bei fast identischer Fallzahl (n=12 zu n=13) vergleichbare Atrophiewerte von im Mittel 0,37cm² zu 0,38 cm² (6,65% zu 6,93%). Abbildung 5: CCA bei unterschiedlicher Medikation 40 In der statistischen Analyse zeigte sich bei Vergleich der Gruppe der nicht immunmodulatorisch behandelten Patienten zu der Gesamtheit der behandelten Patienten ein signifikanter Unterschied in der Atrophierate (t-Test p=0,013). Abbildung 6: CCA im Vergleich nicht medikamentös und medikamentös behandelter Patienten (p= 0,013) 41 Vergleicht man die Gruppe der mit Interferonpräperaten behandelten Patienten mit denen ohne medikamentöse Therapie (s. Abb.7) zeigte sich ein signifikanter Unterschied (t-Test p<0,05). Abbildung 7: Vergleich Interferontherapie (n=25) zu Pat. ohne Interferontherapie (n=13) In einem Vergleich der erstdiagnostizierten Patienten (inklusive CIS) welche mit Interferon behandelt wurden (n=11) und denen ohne medikamentöse Therapie (n=13) ergibt sich kein statistisch signifikanter Unterschied zu der CC-Atrophie (Pearson-Test: p>0,227). 42 Des Weiteren wurden aus den 25 Patienten, welche ein Interferon ß erhielten zwei Untergruppen gebildet, aufgeteilt nach der Dauer der Interferon-Therapie. Der CutOff-Wert ist bei drei Monaten gesetzt worden. Bei zwei Patienten war der zeitliche Verlauf nicht eruierbar. Im Vergleich der 23 verbleibenden Patienten (s. Abb. 10) zeigt sich keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Atrophierate (t-Test: p= 0,938). Abbildung 8: Vergleich der CCA nach unterschiedlicher Dauer der InterferonTherapie (p=0,94) Es wurden acht Patienten zum ersten Untersuchungszeitpunkt mit Steroiden behandelt. Diese Patienten wiesen eine mittlere Atrophie von 0,46cm² auf (SD:0,11 cm²) und diese lag höher als in der Gruppe, der nicht mit Steroiden behandelten Patienten (0,39 cm²; SD:1,75 cm²). Im statistischen Vergleich der beiden Gruppen zeigte sich kein signifikanter Unterschied (p>0,22). 43 4.6. Vergleich der Atrophie mit radiologischen Markern Es ließ sich zum ersten Untersuchungszeitpunkt bei 43 von den insgesamt 47 Patienten eine quantitative Aussage über die T2-Läsionen machen. Die mittlere Läsionslast zum ersten Untersuchungszeitpunkt lag bei 14,6 und zum zweiten Zeitpunkt bei 16,09. Das Minimum lag zu beiden Zeitpunkten bei 0 und das Maximum bei 83 bzw. 85. Bei der Analyse der Veränderung der Läsionslast nach 12-Monaten zeigte sich, dass eine mittlere Veränderung von +1,5 Herden zu verzeichnen war (SD:5,05). Bei dem Vergleich der T2-Läsionen und der Fläche des Balken war ein statistisch signifikanter Zusammenhang zu beiden Zeitpunkten von r=-0,567; p=<0,001 bzw. von r=-0,598; p=<0,001 nachweisbar. Auch bei diesem radiologischen Marker wurde die Veränderung über 12 Monaten ermittelt und mit der Atrophierate korreliert, wobei sich auch hierbei kein signifikanter Zusammenhang ergab (r= 0,145; p=0,345). Die Analyse der Anzahl der kontrastmittelanreichernden Herde ergab für den Zeitpunkt T1, dass bei der Mehrzahl der Patienten (n=37) solche nicht nachzuweisen waren. Bei sechs Patienten wurde ein kontrastmittelaufnehmender Herd gefunden und bei weiteren vier Patienten mehr als einer. Vergleichbare Zahlen sind zum zweiten Untersuchungszeitpunkt erfasst worden (siehe Tabelle 5). Es ließ sich kein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich der jeweiligen Fläche des Corpus Callosum weder zu T1 (p>0,5) noch zu T2 (p>0,9) nachweisen. 44 4.7. Einfluss des Alters der Patienten auf die Atrophierate Bei den 47 Patienten, die in diese Studie eingeschlossen wurden, ergab sich ein durchschnittliches Alter von 35,94 Jahren (SD:10,74). Bei dem Einfluss des Alters auf die Atrophierate wurde eine Aufteilung in zwei nahezu gleichgroße Subgruppen vorgenommen. Eine Gruppe bestand aus den Patienten bis zum 35. Lebensjahr (22 Patienten), die zweite aus jenen über 35 Jahren (25 Patienten). Verglich man nun die beiden Gruppen bezüglich der Atrophie über 12 Monate, so ließen sich kein statistisch signifikanten Unterschiede erkennen, wie ein t-Test aufzeigte (p=0,88). Abbildung 9: CCA im Altersvergleich (p=0,20) 45 4.8. Corpus-Callosum Atrophie im geschlechtspezifischen Vergleich Es wurde ein Einfluss des Geschlechts auf den Verlauf der Atrophie untersucht, wobei eine Verteilung von neun männlichen Patienten zu 38 weiblichen Patientinnen vorlag. Im Vergleich lag die Atrophierate in cm² bei männlichem Geschlecht mit 0,46 cm² (SD:0,16 cm²) zu 0,37 cm² (SD:0,17 cm²) bei weiblichem Geschlecht höher. Die mittlere Atrophierate in Prozent betrug 8,04% (SD:3,83%) bei den männlichen Patienten und 6,94% (SD:3,25cm²) bei den weiblichen Patienten. Ein t-Test für unabhängige Variablen zwischen den beiden Gruppen zeigte keine Korrelation zwischen dem Geschlecht und der CCA (p=0,20). Abbildung 10: CCA im geschlechtsspezifischen Vergleich 46 5. Diskussion 5.1. Diskussion der Ergebnisse und Einschränkungen der Methodik Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass es zu messbaren strukturellen Veränderungen am Corpus Callosum im Verlauf der MS–Erkrankung kommt. Im Vergleich zu nicht erkrankten Personen ist sowohl die Ausgangsfläche erniedrigt als auch eine signifikant höhere Atrophie im 12-Monats-Verlauf zu verzeichnen. Es ergab sich in dieser Studie eine durchschnittliche Ausgangsfläche des Balkens in der MS-Gruppe von 5,61 cm² (SD: 1,25 cm²). Martola (Martola et al., 2007) maßen eine durchschnittliche CC-Fläche von 5,05 cm². Barkhof (Barkhof et al., 1998) eine von 5,3 cm² und Simon (Simon et al., 1999) von 5,50 cm². Ein Erklärungsansatz für den niedrigeren Wert in der Studie Martolas stellt das bereits länger erkrankte Patientenkollektiv dar unter der Annahme, dass im Verlauf der MS das CC fortschreitend atrophiert. Es zeigt sich, dass unser Patientenkollektiv eher im Einklang mit den Ausgangswerten der beiden anderen genannten Studien zu sehen ist. In der Kontrollgruppe zeigte sich eine mittlere Fläche bei Eintritt in die Studie von 6,36cm² (SD:0,47 cm²). Insofern ist dieses Ergebnis unseres relativ kleinen Normalkollektivs durchaus vergleichbar mit dem einer Studie von Mitchell, in welcher von einer mittleren Corpus Callosum-Fläche beim Gesunden von 6,27 cm² berichtet wurde (Mitchell et al., 2003). Bezüglich der Atrophie in der MS-Gruppe ergab sich mit durchschnittlich 0,39cm² (7,15%) per anno ein Wert, der Parallelen zu anderen Studien aufweist. Simon et al. verzeichneten in einem RRMS-Kollektiv eine durchschnittliche jährlich CC-Atrophie von 4,9 % bei 5mm Schichtdicke (Simon et al., 1999). Martola et al. berichteten von einer jährlichen CC-Atrophie von 1,8 % (Martola et al., 2007). Hierbei ist zu beachten ist, dass es sich um eine neunjährige Longitudinalstudie handelte, in der die Atrophien aller Patienten gemittelt wurden und kein tatsächlicher 12-Monats-Verlauf erfasst wurde. Dieser relativ niedrige Wert kann als Anzeichen für das unterschiedliche Ausmaß der CC-Atrophie in verschiedenen Stadien der Erkrankung interpretiert werden. 47 Diese Vermutung wird weiter unterstützt durch die Tatsache, dass in der hier vorgelegten Studie vornehmlich erstdiagnostizierte Patienten untersucht wurden und sich dabei höhere Raten an CCA zeigten. Insofern könnte insbesondere die frühe Phase der Erkrankung durch eine erhöhte Atrophierate gekennzeichnet sein. Die durchschnittliche CCA unseres Normalkollektivs lag bei 0,13 cm² bzw. 2,01% und lag damit relativ hoch, aber unterscheidet sich dennoch signifikant von dem der MSGruppe (p<0,001). Der im Vergleich zu anderen Studien (s.o.) relativ hohe Wert der Atrophie erklärt sich durch eine hohe Atrophie einer Kontrollperson, die bei der geringen Anzahl an Probanden eine Verzerrung des Ergebnisses verursachte. Tendenziell bestätigt sich damit die Annahme von Sullivan und Mitchell, dass in der Lebensperiode zwischen der dritten und siebenten Lebensdekade bei Normalpersonen das Corpus Callosum nicht oder nur minimal atrophiert (Sullivan et al., 2001; Mitchell et al., 2003). Im nun Folgenden soll auf die Analyse der einzelnen Subgruppen des Patientenkollektivs eingegangen werden. Dabei stellte sich heraus, dass die CC-Atrophie in der Gruppe der erstdiagnostizierten Patienten mit 0,44 cm² (SD:0,16 cm²) und 7,23 % am höchsten war. Insgesamt wurde bei 22 eingeschlossenen Patienten eine MS zum Zeitpunkt T1 neu diagnostiziert. Weiter wurden zwei Gruppen gebildet, wobei die eine Gruppe aus Patienten mit bis zu vor 12 Monaten diagnostizierter MS und die zweite Gruppe aus Patienten mit einer länger als 12 Monaten bestehenden MS. Die CC-Atrophie zeigte sich in ersterer Gruppe mit einer mittleren Atrophie von 0,44cm² signifikant höher als die 0,29cm² in der zweiten Gruppe (p<0,003). Diese Ergebnisse finden in anderen Studien Bestätigung, die ebenfalls in frühen Phasen der MS eine höhere CCA nachwiesen (Pelletier et al. 2001 und Audoin et al., 2007). In Audoins Studie wurden ausschließlich CIS-Patienten eingeschlossen, bei denen 12 Monate später erstmalig eine CCA nachweisbar war. Diese Erkenntnisse legen die Vermutung nahe, dass bereits vor der eigentlichen Diagnosestellung einer MS eine CC-Atrophie beginnt. Da in dieser Studie, mit Ausnahme von vier CIS-Patienten, bei allen eine MS diagnostiziert war, kann dieser Zusammenhang nur eingeschränkt beurteilt werden. 48 Allgemein ist, unter Annahme der Richtigkeit dieser These, zu beachten, dass der Zeitpunkt der Diagnosestellung nicht unbedingt dem Zeitpunkt der beginnenden Atrophie gleichzusetzen ist. Wenn das Corpus Callosum als eine Struktur weißer Substanz angesehen wird, dann ergibt sich aus diesem Ergebnis eine gewisse Diskrepanz zu anderen Studien, in denen im Rahmen von Ganzhirnmessungen nachgewiesen wurde, dass es zu Beginn der Erkrankung vor allem zu Atrophien der grauen Substanz kommt und die weiße Substanz weitestgehend konstant bleibt (Tiberio et al., 2005, Tedeschi et al., 2009). Es ist von großer Bedeutung die verschieden Studiendesigns genauer zu betrachten. Dabei zeigt sich, dass z.B. in der Studie von Tedeschi mittels einer vollautomatisierten Methode das gesamte Volumen der weißen Substanz erfasst wurde. Dabei ist eine stärkere Atrophie außerhalb des CC denkbar, welche diese Werte erklären könnte. Das Patientengut bzw. dessen Erkrankungsdauer ist mit einer mittleren Erkrankungsdauer von 9,2 Jahren angegeben. In unserer Studie lag selbige bei 24,3 Monaten und bietet insofern nur begrenzte Vergleichsmöglichkeiten. In einer weiteren Studie (Chard DT et al., 2004) wurden nur Patienten mit einer Erkrankungsdauer unter 3 Jahren (MW:1,9 Jahre) eingeschlossen und man untersuchte diese dreimalig in einem Abstand von sechs Monaten. Insofern bietet sie weitaus mehr Möglichkeit zum Vergleich. Man kam zu dem Ergebnis, dass zwar die Atrophie der weißen Substanz initial überwog, sich allerdings im weiteren Verlauf der Untersuchungen die Atrophierate konstant verhielt, dagegen die graue Substanz stärkeren Veränderungen im weiteren Verlauf der Erkrankung unterlegen war. Auch die Studien von Traboulsee und Ge (Traboulsee et al., 2002; Ge et al., 2001) verzeichneten in einem Kollektiv mit CIS bzw. RRMS-Patienten eine höhere Atrophie der weißen Substanz. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Diskussion um die bevorzugten Atrophieregionen keine eindeutigen Ergebnisse zulässt, da die Pathophysiologie in noch nicht hinreichendem Maße geklärt zu sein scheint. Es ist zu dieser Studie zunächst einmal darauf zu verweisen, dass das Corpus Callosum nur eine einzige Struktur weißer Substanz repräsentiert und daher sich die Ergebnisse mit denen aus Ganzhirnmessungen nicht ohne weiteres vergleichen 49 lassen. Zum anderen sind die Faktoren die bei Ganzhirnmessungen einkalkuliert werden müssen weit gestreut. So ist zum einen die Frage nach Ödemen im Rahmen einer Inflammation zu klären, da diese zum einen bei Patienten mit einer hohen aktiven Läsionslast den Anteil der weißen Substanz erhöhen und sich durchaus auch wieder zurückbilden können und dadurch zeitlich unterschiedliche Ergebnisse liefern. Das Corpus Callosum selbst, welches laut einer Arbeit von Barkhoff (Barkhoff et al., 1998) eher weniger von aktiven Läsionen betroffen ist, wäre insofern relativ resistent gegenüber solchen Schwankungen. Außerdem ist der Einfluss von Kortikoiden und immunmodulatorischen Medikamenten (DMAs) auf diesen Effekt zu diskutieren. In neueren Studien, welche den kurzzeitigen Effekt einer MethylprednisolonTherapie untersuchten, kam man zu unterschiedlichen Ergebnissen (Rao et al., 2002, Hoogervorst et al., 2002). In unserer Arbeit zeigte sich, dass die sieben Patienten, welche bei Eintritt in die Studie IVMP erhielten, keine signifikanten Atrophieunterschiede im Vergleich zu dem Restkollektiv aufwiesen. Die Aussagekraft dieser Ergebnisse ist aber sicher eingeschränkt zu sehen, da eine 12 Monats-Follow-Up Studie sicherlich nicht das ideale Studiendesign ist, um die kurzzeitigen Einflüsse der Kortikoide zu belegen. Eine kürzere Intervalldauer zwischen den Untersuchungen und eine MRT-Untersuchung vor Medikamenteneinnahme wären hierfür weitaus besser geeignet. Ein weiterer wesentlicher Aspekt dieser Arbeit liegt in der Untersuchung einer möglichen Korrelation zwischen EDSS-Wert und CCA. Zunächst wurden die Ergebnisse der Flächenausmessung mit dem EDSS-Score korreliert. Es zeigte sich ein klarer statischer Zusammenhang (p<0,001 und r=-0,53). Vergleicht man die Werte nach zwölf Monaten miteinander, so zeigt sich auch hier eine eindeutige Korrelation (p=0,001 und r=-0,455). Vergleichbare Ergebnisse lieferten andere Studien, wie beispielsweise von Pelletier er al., die in einer auf mehrere Jahre angelegten Studie eine gleich bleibende Assoziation dieser beiden Parameter fanden (Pelletier et al., 2001). Auch Fischer et al. kamen in ihrer Arbeit zu ähnlichen Ergebnissen (Fisher et al, 2002). In einer auf acht Jahre angelegten Studie fand sich über den gesamten Zeitraum hinweg eine signifikante Korrelation zwischen Ganzhirnatrophie und 50 EDSS-Score. Martola (Martola et al., 2007) sowie Simon (Simon et al., 1999) fanden eine Korrelation zwischen Klinik und Atrophie zu Beginn der Studie, konnten aber die EDSS-Wert-Veränderung mit der Atrophierate nicht signifikant korrelieren. Dies ist exakt das Ergebnis der hier vorgelegten Arbeit, denn auch hier zeigte sich bei einer Analyse der EDSS–Wert-Veränderung über 12 Monate und der Atrophie in cm², dass sich hieraus kein statistisch signifikanter Zusammenhang nachweisen lässt (p=0,83, r=0,036). Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass es sich bei dem EDSSWert um einen nicht linearen Parameter handelt, der durch die Betonung der motorischen Defizite eine klinische Beurteilung nur eingeschränkt zulässt (Hobart et al., 2000). Es wird eine potentielle spinale Mitbeteiligung besser erfasst als eine zerebrale Beteiligung. Insofern wäre eine größere Miterfassung der kognitiven Fähigkeiten in einem Score wünschenswert. Dafür spricht auch eine Studie von Amato et al., die eine Korrelation zwischen einer Abnahme der kognitiven Fähigkeiten und einer Hirnatrophie bei MS-Patienten aufzeigten (Amato et al., 2004). Erste Ansätze boten Studien, die eine stärkere Korrelation zwischen dem MSFC (MS Functional Composite)-Wert und der Atrophie (Rudick et al., 1997, Kalkers et al., 2001) aufzeigten. Es handelt sich hierbei um einen aus verschiedenen Funktionstests bestehenden Score, welcher neben der Funktion der Arme und Beine auch die Aufmerksamkeit und Konzentration des Patienten erfasst. In einer Arbeit aus dem Jahre 2010 fand sich bei MS-Patienten mit in der MRT nachgewiesener Schädigung des Corpus Callosums ein erniedrigter MSFC-Score (Ozturk et al., 2010). Hierbei zeigte sich insbesondere eine Einschränkung der Aufmerksamkeit und Konzentration, welche sich durch erniedrigte Werte im PASAT (Paced Serial Auditory Addition Test) Test widerspiegelte. Ein weiterer Aspekt ist eine mögliche Zeitverzögerung bei der Betrachtung dieser beiden Parameter. Fisher et al. halten eine zeitliche Diskrepanz zwischen dem Auftreten einer Gewebsverletzung und dem Sichtbarwerden im MRT in Form von Atrophie für einen möglichen Erklärungsansatz (Fisher et al., 2007). In diese Verzögerung müssen ebenso Kompensationsmechanismen des Gehirns, 51 welche v.a. zu Beginn der Erkrankung, wenn noch ausreichend Kapazität und Funktion erhalten sind, um entstandene Schäden zu reparieren, einkalkuliert werden. Diesen Umstand zeigen Studien auf, in denen im späteren Verlauf der Erkrankung bei SPMS-Patienten der EDSS-Wert stärker mit der Atrophie korreliert als bei RRMS-Patienten (Ge et al., 2000; Fisher et al., 2000). Zudem ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass neuere Studien Korrelationen zwischen der GM-Fraktion bzw. deren Atrophie und dem EDSS fanden, sich dies bei der weißen Substanz allerdings nicht nachweisen lies (Pirko et al., 2007, Sanflipo et al., 2006, Carone et al., 2006). Fisniku et al. sehen daher die GMF als den besseren Prediktor für den klinischen Verlauf an (Fisniku et al., 2008). Weiter sollen im Folgenden die Einflüsse von Medikamenten mit immunmodulatorischer Wirkung auf den Verlauf der MS-Erkrankung bzw. der Balkenatrophie diskutiert werden. Einige Autoren zeigten, dass es im Rahmen einer kurzzeitigen Wirkung von DMAs zu einer sog. Pseudoatrophie kommen kann, wohingegen die längerfristige Wirkung noch nicht eindeutig geklärt ist (Zivadinov et al., 2007). Die Ergebnisse dieser Studie weichen insofern davon ab, als dass die Gruppe, welche keine DMAs erhielt, die höchste Atrophie mit im Mittel 0,49 cm² bzw. 8,39 % zu verzeichnen hatte. Die Gruppe der mit Interferon behandelten Patienten lag im Mittel bei 0,37cm² bzw. 0,38 cm² und 6,65% bzw. 6,93%. Vergleicht man weiter die Gruppe der Patienten, die keine Therapie erhielten mit denen die eine Interferon- Therapie erhielten, so zeigt sich ein zufallsverschiedener Unterschied bezüglich der Atrophie (p<0,05) zugunsten der medikamentös behandelten Gruppe. Betrachtet man allerdings nur die neu diagnostizierten Patienten und vergleicht nun erneut die beiden unterschiedlichen Gruppen, so ist hierbei kein statistisch signifikanter Unterschied nachweisbar (p>0,227). Der beschriebene positive Einfluss der Interferontherapie ist insofern zu relativieren, da hierbei Patienten mitberücksichtigt wurden, die bereits länger erkrankt gewesen waren und deren Atrophie evtl. nicht mehr so ausgeprägt war. Allerdings findet sich in unseren Ergebnissen auch kein eindeutiger Ansatz, der für eine Pseudoatrophie des Balkens bei Interferontherapie spricht. In der weiteren Aufschlüsselung der Ergebnisse nach Dauer der Interferon-Einnahme zeigte sich kein signifikanter 52 Unterschied (p>0,94) der beiden gebildeten Gruppen (<3Monate und >3Monate Interferontherapie). Damit zeigt die regionale Analyse des CC eine andere Charakteristik hinsichtlich IFN-Pseudoatrophie als globale Hirnvolumenmessungen der Literatur. Abschließend sei erwähnt, dass der genaue Wirkmechanismus der Betainterferone bis zum heutigen Tage noch nicht in Gänze geklärt ist und weitere Studien folgen müssen um ein tiefer gehendes Verständnis zu erlangen Exemplarisch sei in diesem Rahmen eine diskutierte abgeschwächte Wirkung der Interferone durch neutralisierende Antikörper (NAbs), die bei einigen Patienten nachgewiesen wurden, erwähnt (Smardella et al., 2009). Solche möglichen Effekte konnten in dieser Arbeit nicht differenziert werden. Wir finden in der hier vorliegenden Arbeit keine Korrelation zwischen der Veränderung der T2-Herd-Zahl und der CC-Atrophie im Verlauf der 12 Monate, sehr wohl aber zu Beginn der Studie, wenn man die Ausgangswerte der Fläche mit denen der Herdzahl korreliert. Obwohl T2-Läsionen keine MS-spezifischen Pathologien sind, haben viele Autoren in ihren Studien Korrelationen aufzeigen können. Tedeschi et al. fanden eine signifikante Korrelation zwischen der Läsionslast und sowohl weißer als auch, und noch stärker, grauer Substanz (Tedeschi et al., 2005). Dies passt zu Ergebnissen von Sailer et al., die eine signifikante Korrelation zwischen T2-Last und kortikaler Ausdünnung fanden (Sailer et al., 2003). Tedeschi et al. untersuchten ein Kollektiv von 267 MS-Patienten in einer Longitudinalstudie über 2 Jahre und formulierten als Ergebnis, dass eine Zunahme von T2-Läsionen mit einer höheren Ganzhirnatrophie korreliert (Tedeschi et al., 2009). In einer Verlaufsstudie über 14 Jahre mit CIS-Patienten zeigte sich, dass frühe Veränderungen der T2-Läsionslast (Jahr 1-5) positiv prädiktiv für eine nachfolgende Atrophie in Jahr 14 waren (Chard et al., 2003). In zwei Longitudinalstudien ergaben sich sogar Korrelationen zwischen einer T2Läsionslastveränderung und der Atrophie (Simon et al., 1999 und Rovaris et al., 2001). Fisher interpretiert diese bestehenden Korrelation dahingehend als dass hier 53 möglicherweise die Entwicklung einer fokalen Gewebsverletzung zur Atrophie dokumentiert wird (Fisher et al., 2007). Allerdings wird an gleicher Stelle auch wiederum die Einschränkung gemacht, dass in den meisten Studien die Ganzhirnatrophie stärker mit klinisch neurologischen Parametern korreliert als mit der Läsionslast. Erklärungsansätze hierfür bieten andere Arbeiten (Filippi et al., 2004), in denen sich zeigte, dass gemessene NAA-Level (N-Acetylaspartat) der weißen Substanz als Zeichen der neuronalen Dysfunktion nicht mit der Anzahl der T2-Läsionen korrelieren. Man interpretierte das Ergebnis dahingehend, als dass auch schon in den frühesten, wenn nicht sogar subklinischen Phasen der MS bereits axonale diffuse Schädigungen vorliegen, die nicht durch die konventionelle MRT objektiviert werden können. Insofern würde dies eine eingeschränkte Korrelation zwischen T2-Läsionen und Atrophie erklären können. In einem anderen Ansatz kam Thrower in einer Studie mit CIS-Patienten zu dem Schluss, dass die durch MRT gemessene Aktivität in Form von T2-Läsionen höher ist als die klinische Aktivität in Form von Schüben (Thrower B.W., 2007). Er machte die Beobachtung, dass es im Mittel erst bei einer Zunahme von fünf bis zehn Läsionen zu einem klinischen Schub kommt. Bezüglich des Alters der Patienten und einem Einfluss auf die Balkenatrophie konnte kein signifikanter Zusammenhang gezeigt werden (p>0,87). Es wurde in anderen Studien gezeigt, dass je jünger die Patienten bei Erkrankungsbeginn waren, desto ausgeprägter war die Atrophie (Tedeshi et al., 2005). Hierzu wurden von uns nun nur die neu erkrankten Personen untersucht und diese bezüglich der Atrophie verglichen. Es ergaben sich zwei Gruppen aus jeweils 13 Patienten und es zeigte sich, dass kein signifikanter Zusammenhang nachweisbar war (p>0,98). Auch konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Geschlecht und der Balkenatrophie gezeigt werden (p>0,19). Neuere Studien beschreiben eine gewisse geschlechtspezifische unterschiedliche Entwicklung im Laufe der MS. So zeigte sich in einer Studie mit 763 MS-Patienten in verschiedenen Stadien der Erkrankung, dass bei Frauen die Atrophie der weißen Substanz im Vordergrund steht und bei Männern die Atrophie der grauen Substanz überwiegt (Antulov et al., 2009). 54 Die Autoren diskutieren als Erklärungsansatz einen möglichen Einfluss der Sexualhormone auf reparative Vorgänge im ZNS. 55 5.2. Zusammenfassung Die vorliegende Studie zeigt, dass es in einem definierten Zeitintervall von 12 Monaten bei MS-Patienten zu strukturellen Veränderungen im Sinne einer Atrophie des Corpus Callosum kommt. Dieser Substanzverlust zeigt signifikante Unterschiede zu den Ergebnissen gesunder Probanden. Die Balkenatrophie war vor allem in frühen Phasen der schubförmigen Verlaufsform der Erkrankung ausgeprägt. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied im Vergleich der erstdiagnostizierten Patienten zu den bereits länger erkrankten Patienten. Durch diese nachgewiesene CC-Atrophie wird eine Mitbeteiligung der weißen Substanz an einer frühphasischen Atrophie dokumentiert. Nicht medikamentös mit DMAs behandelte Patienten zeigten eine höhere CCA als medikamentös behandelte Patienten. Es zeigte sich in dieser Studie ein eher protektiver Effekt einer Interferontherapie in einem 12-Monats-Intervall. Hinweise auf eine mögliche Pseudoatrophie durch Interferon fanden sich nicht. T2-Läsionen und EDSS Wert zeigten gewisse Korrelationen mit der Atrophie. Allerdings ließ sich ein im Verlauf statistisch signifikanter Zusammenhang zur Atrophie nicht nachweisen. Hierbei sind die diskutierten Einschränkungen (s.o.) bezüglich der Sensitivität dieser Parameter von entscheidender Bedeutung. Parameter wie Alter und Geschlecht zeigten eine geringe Vorhersagekraft in Bezug auf die CCA. Atrophiemessungen des Corpus Callosums zeigen eine unterschiedliche Charakteristik bei MS-Patienten als Messungen die Hirnatrophie im Allgemeinen. Die planimetrische Messmethode des Corpus Callosums stellt, auch in Analogie zu vorherigen Studien und Dissertationen (s.o.), eine gut reproduzierbare und valide Dokumentationsmöglichkeit der Atrophie bei MS dar. 56 5.3. Ausblick Neuere Studien suggerieren, dass zukünftig auch eine Subtypenanalyse der MS mittels Lokalisation der Atrophie möglich erscheint und hierbei auch das CC eine entscheidende anatomische Struktur darstellt (Sampat et al., 2010). Die in dieser Arbeit verwendete Methode bietet insofern eine Option zur Quantifizierung. Allerdings wird es zukünftig weiterer Untersuchungen bedürfen, welche die genaue Beteiligung von grauer bzw. weißer Substanz an der Atrophie des Hirns und speziell auch des CC untersuchen. Weiter wird es von Bedeutung sein, die pathologische Ursache der CCA zu analysieren, um den Einfluss von direkten Demyelinisierungsprozessen, diffusen Pathologien und sekundär retrograden Schädigungen als Auslöser der Atrophie differenzieren zu können. Durch Studien wie diese lassen sich Hinweise auf mögliche Faktoren liefern die eine solche Atrophie beeinflussen, aber durch weitere Aufschlüsselung des eigentlichen Prozesses hinter der Atrophie, ließen sich zielgerichtete Studiendesigns erarbeiten, welche in Kombination mit einer noch größeren Patientenzahl, genauere Einblicke in die verschiedenen Verläufe der MS geben könnten. In diesem Zusammenhang ist auch die Therapie mit DMAs zu diskutieren und darauf hinzuweisen, dass durch z.T. nicht geklärte Wirkmechanismen ein relativ breiter Interpretationsspielraum bezüglich einer Atrophie besteht, welcher nur durch tiefer greifendes Verständnis der Prozesse eingeengt werden kann. Auch dieser Aspekt zeigt die Notwendigkeit weitergehender Aufklärung der zu Grunde liegenden pathologischen Abläufe. Beispielsweise sind diffuse Veränderungen, die eine große Rolle bei der MS zu spielen scheinen, in der konventionellen Bildgebung meist nicht nachweisbar. 57 Deshalb müssen diese dargestellt werden und Untersuchungsmethoden gefunden werden, die diese Prozesse quantifizieren können. Es zeigten sich zu diesem Aspekt neue Messverfahren mit 3 Tesla MRT-Geräten, welche sog. „advanced quantitative measures“ durchführen können, als viel versprechende Ansätze, die bisher nicht erfassten Schäden zu dokumentieren. Insbesondere neue Pulssequenzen (FSE 3D) der T2-Relaxometrie, welche die transverse Relaxation aufzeichnet, haben in einer Pilotstudie aus dem Jahre 2010 gezeigt, dass okkulte Gewebeschädigung in NAWM dargestellt werden kann (Neema et al., 2010). Diese Schädigung ist durch eine T2 Prolongation charakterisiert. Ein weiterer Ansatz für folgende Arbeiten sollte sein, einen noch geigneteren klinischen Verlaufsparameter als den EDSS-Score zu finden, um bessere klinischradiologische Korrelationen darstellen zu können. Neuere Wertungssysteme wie der MSFC zeigen hierbei viel versprechende Ansätze, welche weiter verfolgt werden sollten. Zusammenfassend zeigte sich in der hier vorliegenden Arbeit, dass die MS eine vielschichtige Erkrankung ist, und auch zukünftig weitere Studien folgen müssen, um über ein tieferes Verständnis der MS neue Therapieansätze finden zu können. Insofern ist der bereits 1838 von Carswell geäußerten Vermutung, es handele sich um eine „eigenartige“ Erkrankung zuzustimmen. Auch 170 Jahre und viele Studien später zeigt sich die MS als eine schwer zu erfassenden Erkrankung. 58 6. Literaturverzeichnis Amato, M. P., Bartolozzi, M. L., Zipoli, V., Portaccio, E., Mortilla, M., Guidi, L., Siracusa, G., Sorbi, S., Federico, A., De Stefano, N. (2004). 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Grad 1) keine Behinderung, minime Abnormität in mehr als einem FS (mehr als ein Grad 1) minimale Behinderung in einem FS (ein FS Grad 2, andere 0 oder 1) minimale Behinderung in zwei FS (zwei FS Grad 2, andere 0 oder 1) mäßiggradige Behinderung in einem FS (ein FS Grad 3, andere 0 oder 1) oder leichte Behinderung in drei oder vier FS (3 oder 4 FS Grad 2, andere 0 oder 1), voll gehfähig voll gehfähig, aber mit mäßiger Behinderung in einem FS (Grad 3) und ein oder zwei FS Grad 2; oder zwei FS Grad 3; oder fünf Grad 2 (andere 0 oder 1) gehfähig ohne Hilfe und Rast für mindestens 500 m. Aktiv während ca. 12 Stunden pro Tag trotz relativ schwerer Behinderung (ein FS Grad 4, übrige 0 oder 1) gehfähig ohne Hilfe und Rast für mindestens 300 m. Ganztägig arbeitsfähig. Gewisse Einschränkung der Aktivität, benötigt minimale Hilfe, relativ schwere Behinderung (ein FS Grad 4, übrige 0 oder 1) gehfähig ohne Hilfe und Rast für etwa 200 m. Behinderung schwer genug, um tägliche Aktivität zu beeinträchtigen (z.B. ganztägig zu arbeiten ohne besondere Vorkehrungen). (Ein FS Grad 5, übrige 0 oder 1; oder Kombination niedrigerer Grade, die aber über die Stufe 4.0 geltenden Angaben hinausgehen) gehfähig ohne Hilfe und Rast für etwa 100 m. Behinderung schwer genug, um normale tägliche Aktivität zu verunmöglichen (FS Äquivalente wie Stufe 5.0) bedarf intermittierend, oder auf einer Seite konstant, der Unterstützung (Krücke, Stock, Schiene), um etwa 100 m ohne Rast zu gehen. (FS Äquivalente: Kombinationen von mehr als zwei FS Grad 3 plus) benätigt konstant beidseits Hilfsmittel (Krücke, Stock, Schiene), um etwa 20 m ohne Rast zu gehen (FS Äquivalente wie 6.0) unfähig, selbst mit Hilfe, mehr als 5 m zu gehen. Weitgehend an Rollstuhl gebunden. Bewegt den Rollstuhl selbst und transferiert ohne Hilfe(FS Äquivalente Kombinationen von mehr als zwei FS Grad 4 plus, selten Pyramidenbahn Grad 5 allein) unfähig, mehr als ein paar Schritte zu tun. an den Rollstuhl gebunden. Benötigt Hilfe für Transfer. Bewegt Rollstuhl selbst, aber vermag nicht den ganzen Tag im Rollstuhl zu verbringen. Benötigt eventuell motorisierten Rollstuhl (FS Äquivalente wie 7.0) Weitgehend an Bett oder Rollstuhl gebunden; pflegt sich weitgehend selbständig. Meist guter Gebrauch der Arme (FS Äquivalente Kombinationen meist von Grad 76 8.5 9.0 9.5 10 - 4 plus in mehreren Systemen) Weitgehend ans Bett gebunden, auch während des Tages. Einiger nützlicher Gebrauch der Arme, einige Selbstpflege möglich (FS Äquivalente wie 8.0) Hilfloser Patient im Bett. Kann essen und kommunizieren (FS Äquivalente sind Kombinationen, meist Grad 4 plus) Gänzlich hilfloser Patient. Unfähig zu essen, zu schlucken oder zu kommunizieren (FS Äquivalente sind Kombinationen von fast lauter Grad 4 plus) Tod infolge MS 77 Danksagung: Ich danke PD Dr. med. Haupts für die freundliche Überlassung der Arbeit und die langfristige Beratung und Unterstützung bei dieser Studie. Seine Ideen und auch seine Geduld waren von größter Bedeutung. Ich danke für Ihren Einsatz. Des Weiteren möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Neurologischen Klinik des Knappschaftkrankenhauses Bochum-Langendreer, insbesondere Prof. Dr. med. Schlegel und seinem Sekretariat, danken für das Ermöglichen der Datenerhebung und Untersuchungen. Den Mitarbeitern des Frauenhofer-Mevis Instituts in Bremen, speziell Herrn Dr. Ing. Horst Hahn für die erhobenen Ausmessungen. Meinen Kommilitoninnen Manuela Kenkel und Hind Shanib für die Unterstützung bei der Datenerhebung. Sowie Nora Ockenfels und Björn Burkert für die allgemeine Unterstützung. LEBENSLAUF Persönliche Daten: Name: Mirko Arp Geburtdatum/-ort: 20.1.1977 in Lübeck Familienstand: ledig Schulbildung: 1983-1987: Besuch der Hochtorgrundschule Neustadt in Holstein 1987-1997: Besuch des Kreisgymnasiums Neustadt in Holstein 1997: Abitur 1997-1998: Zivildienst im Seniorenheim in Münster/Westfalen Studium: WS 1999-SS 2000: Politikwissenschaften an der Westfälischen WilhelmsUniversität zu Münster 2000 -2003: Ausbildung zum Krankenpfleger am Universitätsklinikum Münster (staatliche Prüfung am 22.8.2003 erfolgreich bestanden) 2003-2009: Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum August 2005: Ärztliche Vorprüfung erfolgreich absolviert November 2009: Staatsexamen und Beendigung des Medizinstudiums 2008/2009: Praktisches Jahr : Western Isles Hospital Stornoway, University of Aberdeen Chirurgie (Prof. Sim) Knappschaftskrankenhaus Bochum, Abteilung für Chirurgie (Prof. Viehbahn) Knappschaftskrankenhaus Bochum, Abteilung für Innere Medizin (Prof. Schmiegel) Kantonsspital St.Gallen, Klinik für Neurochirurgie (Prof. Hildebrandt) Berufliche Tätigkeit Seit Februar 2010 Universitätsmedizin Mannheim, Assistenzarzt in der Abteilung für Neurochirurgie (Prof. Schmieder) Veröffentlichungen 2007: Shanib,H, Arp, M, Kenkel,M., Habel,L., Krauss, M.,Ahle,G., Schlegel,U., Zentrale Hirnatrophie bei schubförmiger Multiple Sklerose: früh und ausgeprägt. Aktuelle Neurologie, 34, suppl. 1, S. 52 2009: Shanib, H, Arp, M., Schlegel,U., Haupts,M. Frühe Balkenatrophie bei MS: Vergleich Spontanverlauf – Immunprophylaxe. Poster 684. 82.tagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), 2009 in Nürnberg. Arp, M., Shanib, H., Ahle,G., Hahn, H.K., Haupts,M. Pseudoatrophy or atrophy? Central brain decrease in early multiple sclerosis. P 367. Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS) 2009 in Düsseldorf Haupts, M., Shanib, H., Arp,M., Calabrese, P. Interferontherapie bei Multipler Sklerose: Zentrale Hirnveränderungen, Läsionslast und Kognition, Der Nervenarzt 80, S.8-9.