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„Jede Möglichkeit, sein Netzwerk zu erweitern, hilft später beim Berufseinstieg.“ Sebastian Grünwald Creative Director bei Reality Twist 2001 Abitur (Altötting) 2002—2007 Studium MuK (M.A.) Spiel eingeflossen ist, ob alles funktioniert und natürlich, ob es Spaß macht. Kurz: Meine Aufgabe für den Rest des Tages ist es, sicherzustellen, dass alles in die richtige Richtung läuft und der Vision des fertigen Produkts gerecht wird. seit 2010 bei Reality Twist in MUC Umfangreiche Berufserfahrung im Bildungsbereich u. Informatik (Freelancer/ Lehrbeauftragter/ Praktikant), z.B. AdventureTreff.de, Braingame Publishing GmbH, Ghostthinker GmbH, IMB, Uni Augsburg Reality Twist ist ein „Full-Service-Provider“ in drei Bereichen. Was genau versteht man darunter? In der Spieleentwicklung gibt es viele Aspekte, von denen wir prinzipiell alle abdecken können. Wir machen sowohl klassische Entwicklung wie auch Vertrieb und Marketing. Das Kerngeschäft bei uns Herr Grünwald, Sie sind Creative Director bei ist aber natürlich die Erstellung von Proder Reality Twist GmbH in München. Wür- dukten. Hier unterscheiden wir zwischen den Sie kurz beschreiben, wie Ihr Arbeitsalltag unseren eigenen Projekten, die wir ohne aussieht? Partner bewerkstelligen und selbst verBei uns beginnt jeder Arbeitstag mit ei- markten, klassische Auftragsarbeiten für nem gemeinsamen Frühstück. Uns liegt Spiele-Publisher und der komplette Beviel daran, eine gemütliche, kreative reich „Serious-Games“ und „Special InteAtmosphäre aufzubauen. Danach gibt es rest“. Letzteres ist für uns sozusagen ein das sog. „Daily Standup“ – hier bringen Steckenpferd geworden. Von den Plattsich alle Mitarbeiter auf den neuesten formen her bedienen wir alles: Egal ob Stand, berichten, was sie Tags zuvor ge- PC, Mac, Mobil, Internet oder Konsole. macht haben und nehmen sich eigenverantwortlich neue Aufgaben für ihr jeweiliges Projekt. Wenn bestimmte Aufgaben Können Sie uns ein paar Projektbeispiele nennen? Werden alle digital umgesetzt? nicht rechtzeitig fertig wurden, bespreWir haben zum Beispiel mit „Vincent chen wir zu diesem Zeitpunkt auch geMirano – Lernabenteuer Deutsch“ ein meinschaftlich einen Lösungsansatz. Adventurespiel für das Goethe-Institut Für den Rest des Tages entwickele ich entwickelt, welches Ausländer spielegemeinsam mit den anderen Abteilunrisch dabei unterstützen soll, Deutsch zu gen wie Grafik, Programmierung oder Sound das kreative Konzept jedes Spiels. lernen. Mit „daWindci“ haben wir ein Ich halte also quasi die Fäden der einzel- Geschicklichkeitsspiel veröffentlicht, das vom Studio Mimimi Productions entwinen Disziplinen zusammen und treffe Entscheidungen, wohin die Reise gehen ckelt wurde und in dem man den Wind spielt und damit einen Ballon steuert. Es soll. Außerdem übernehme ich auch konkrete Design-Aufgaben, die vom Le- gewann vor einiger Zeit den Apple Design Award. Aktuell produzieren wir geveldesign bis zu Dialogentwicklung reimeinsam mit der „Gesellschaft zur chen können. Daneben besteht meine Rettung Schiffbrüchiger“ eine SchiffssiAufnahme vor allen Dingen darin, den mulation zum Thema „Seenotrettung“, Stand des Projekts zu überwachen. Ich welches demnächst bei unserem Partner prüfe, ob der kreative Input der verrondomedia erscheinen wird. schiedenen Abteilungen korrekt in das Nicht alle Spiele bei uns sind rein digital – manche sind Mischformen. Beispielsweise verbinden wir auch Spiel-Elemente mit realem Inventar oder Ausstellungen. „Alternate-Reality-Game“ oder „Live-Action-Game“ sind hier die bekannten „Buzzwords“. Da meine Masterarbeit genau um das Thema ging, sind das auch meine absoluten Lieblingsprojekte. Welche Tipps haben Sie für die Studenten zum Berufseinstieg? Frühzeitig Leute aus der Branche kennenlernen ist mein Haupttipp. Jede Möglichkeit, sein Netzwerk zu erweitern, hilft später beim Berufseinstieg. Gerade die Games-Branche ist hier sehr offen. Es gibt viele Infoveranstaltungen, Stammtische und Themenabende, die von Verbänden und Vereinen organisiert werden. Wer journalistisch tätig ist, und einen Blog betreibt, kann bei PresseTerminen teilnehmen und so schon mal ein wenig „reinschnuppern“. Sobald man mitbekommt, dass irgendwo eine Stelle gesucht wird, heißt es zupacken. Auf Gesuche reagieren ist schließlich immer leichter als Initiativbewerbungen. Und da die Games-Branche überschaubar ist, werden viele Stellen innerhalb der „eigenen Familie“ verteilt und gar nicht erst ausgeschrieben. Je schneller man Teil davon ist, desto leichter. Sie haben mit einem Informatikstudium angefan- zu arbeiten, ist in der Branche vermutlich gen. Wie ergab sich der Wechsel zu MuK? Fehl am Platz. Ehrlich gesagt: Mir war Informatik einfach zu tröge. Ich wollte mit Inhalten und Botschaften arbeiten und nicht nur mit der Informationsverarbeitung. Außerdem hat man mir gesagt, dass nur Informatiker mit abgebrochenem Studium wahre Informatiker sind. ;-) Erzählen Sie uns von Ihrem Bewerbungsverfahren bei Reality Twist. Wie bereits angedeutet ist die GamesEntwicklung in den meisten Fällen recht locker. Ich hab diese Art auch bei der Bewerbung übernommen. Da man in der Entwicklung viel Zeit zusammen verbringt –auch mal die ein oder andere Nacht— muss es vor allen Dingen auch mit der Chemie stimmen. Meine Bewerbung war daher eine auf E-Mail auf „du“ mit einem Einzeiler und ein paar Projektbeispielen im Anhang. Diese Direktheit hat auch die Geschäftsleitung verblüfft und mich eingeladen. Wir haben uns sofort verstanden und ein paar Wochen später ging’s los. Meine Erfahrung ist, dass sich ein kleines bisschen Frechheit in der Regel auszahlt und immer besser funktioniert, als sich anzubiedern. Natürlich lässt sich das nicht pauschalisieren. Große Spieleriesen ticken da natürlich anders und haben die klassischeren Modelle des Human-RessourceManagements übernommen –da hätte ich mit meiner leicht rebellischen Einstellung vermutlich weniger Chancen. Und Spieleverlage, die sogenannten Publisher, sind natürlich auch nochmal ein anderes Blatt. Aber Kreativschmieden wie unsere stehen in der Regel auf kreative Bewerbungen. Gibt es bei Ihnen den „typischen“ Agenturalltag – viel Arbeit, wenig Geld, kein 9to5-job...? Wir arbeiten projektbasiert. Das heißt, wir haben sehr schöne, kreative aber eben auch recht stressige Phasen. Da wir es meist mit externen Kunden zu tun haben, ist der Vergleich zum Agenturalltag nicht allzu weit hergeholt. Wer jeden Tag pünktlich zu Hause sein möchte und keine Bereitschaft hat, auch mal am Wochenende Was war bisher Ihr interessantester Auftrag / Ihr wichtigstes Projekt? Ich muss aber dazu sagen, dass wir bei Reality Twist äußerst humane Arbeitszeiten haben und sich die Überstunden auf ein Minimum reduzieren. Hier lohnt es sich, vorher die projektplanerischen Fähigkeiten der Firma genau anzusehen – gerade bei schlechter Projektplanung bedeutet das häufig unnötigen Stress für die Mitarbeiter. Ganz ohne geht es aber gerade am Ende von Projekten, wo jeder noch die letzten paar Prozent aus dem Produkt heraushohlen will, aber eben selbst bei bester Planung nur selten. Jeder Auftrag bei uns ist anders und für sich gesehen interessant. Man hat es jedes Mal mit neuen Kunden, einem neuen Themenfeld und einer neuen Herausforderung zu tun. Für mich ist das ohnehin der größte Pluspunkt an meiner Arbeit. Es wird nie langweilig. Was haben Ihre Kollegen größtenteils studiert? Vielen Dank für das Interview! Am meisten Spaß gemacht hat mir vermutlich das Projekt „missio for life“, das wir für „missio München“ entwickelt haben. Hierbei handelt es sich um einen mobilen Lernparcours, der von Schule zu Schule tourt und den Klassen spielerisch die harte Lebenswirklichkeit von JugendliWie reagiert Reality Twist auf das Thema Fami- chen in den Philippinen und in Indien verlienfreundlichkeit? mittelt. Die Herausforderung, ComputerDas Thema hat uns auch intern lange Zeit spiel-Elemente mit sehr komplexen Inhalsehr bewegt. Die Games-Branche galt we- ten und einer „haptischen“ Ausstellung zu gen der uneinheitlichen Arbeitszeiten und kombinieren, begeistert mich und wir werden in diesem Feld sicherlich weiter den sehr geringen Margen als nicht allzu machen. familienfreundlich. Ich kenne Fälle, wo Nachwuchs und Elternteilzeit die Insolvenz der Firma bedeutete. Vor allen DinWelchen Rat möchten Sie Augsburger Studenten gen bei den kleineren Independents, die mit auf den Weg geben? von der Hand in den Mund leben, ist das Die Suche nach dem ersten, passenden ein echtes Problem. Bei Reality Twist war Job kann nervig sein – da will ich niemanuns von Anfang an klar, dass eine Firma den was vormachen. Und: Wer nach dem nur eine Überlebenschance hat, wenn sie Patentrezept für die Bewerbung sucht, es nachhaltig angeht und vorsorgt. Mittwird wahnsinnig: Jeder Betrieb, jedes Feld lerweile haben wir den ersten Nachwuchs und jeder Mensch ist anders. Es ist wichim Team und der zweite ist auch schon tig, sich nicht zu stressen und einen ruhiunterwegs. Wenn man sich ein wenig orgen Kopf zu bewahren. Der richtige Job ist ganisiert, funktioniert das blendend. Also: meist eine Frage des Timings, keine Frage Spiele-Entwicklung und Familie geht tatvon massenhaften oder perfekten Bewersächlich. bungen: Augen auf, Bedarf erkennen, raus ins Feld und mit Leuten reden. Wenn es Hatten Sie während des Studiums einen Traum- mal länger dauert hat das nur selten was beruf? damit zu tun, dass man nicht gut genug ist, sondern dass man einfach noch nicht Ja, ziemlich genau das, was ich jetzt main die richtigen Leute gelaufen ist. che. Wir sind ziemlich interdisziplinär aufgestellt. Einige von uns sind Filmschaffende, andere Informatiker oder sogar ausgebildeter Konditor. Der größte Teil des Teams kommt von spiel-orientierten Studiengängen, beispielsweise der Mediadesign Hochschule in München.