Das visuelle Erkennungssystem des Frosches
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Das visuelle Erkennungssystem des Frosches
Seminar: Unterwasserbildverarbeitung Sommersemester 2002 Leitung: Tim W. Nattkemper Tanja Kämpfe Ausarbeitung zum Thema: Das visuelle Erkennungssystem des Frosches Bearbeitet von : Sebastian König Sebastian Knake Markus Schultz 20. September 2002 Was sind Amphibien? Die Amphibien, oft auch einfach nur Lurche genannt, sind die ursprünglichste Klasse der Landwirbeltiere mit über 4500 Arten. Der Name der Amphibien kommt aus dem griechischen und bedeutet übersetzt „doppellebig“. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Frosch. Er beginnt sein Leben als eine Kaulquappe im Wasser und setzt es dann nach einer Verwandlung, auch Metamorphose genannt, an Land fort. Die Amphibien kehren oft nur zur Fortpflanzung wieder ins Wasser zurück. Die Amphibien sind in 3 Ordnungen eingeteilt. Es sind die Blindwühlen, die Schwanzlurche und die Froschlurche. Die Froschlurche umfassen die „echten Frösche“, die Baumfrösche, die Ruderfrösche, die Kröten und noch einige andere Arten. Alle Amphibien besitzen eine drüsenreiche ( Schleim- und Eiweißdrüsen ) und oftmals feuchte und nackte Haut. Sie atmen mit Hilfe von Kiemen wenn sie noch im Wasser leben und durch die Lunge oder einfach nur die Haut, wenn das Leben an Land fortgesetzt wird. Das Zentralorgan ist ein dreikammeriges Herz in dem es zu einer Vermischung von sauerstoffarmen und sauerstoffreichen Blut kommt. Die Körpertemperatur ist von der Umgebungstemperatur abhängig. Die Entwicklung läuft nach dem Ablegen der Eier von dem Ei über die Larve zu dem ausgewachsenen Tier (Adultus). Das in dieser Ausarbeitung behandelte Amphibium ist der echte Frosch (Ranidae), der zur weltweit verbreiteten Ordnung der Froschlurche gehört. Er legt seine Eier im Wasser ab, aus denen dann die Kaulquappen schlüpfen. Die Kaulquappen entwickeln sich im Wasser weiter bis sie dieses Stadium verlassen, indem sie ihre Schwänze abwerfen und das Wasser verlassen. Von nun an lebt der Frosch meist in feuchten Gegenden in der Nähe von Gewässern. Bei uns ist der grüne Grasfrosch häufig zu finden, der bis zu 10 cm lang werden kann. Fig. 1 Grasfrosch (bis 10 cm) Fig. 2 Moofrosch (6 bis 7 cm) Fig. 3 Rotaugenfrosch Das Auge des Frosches Der Frosch hat zwei Augen die seitlich am Kopf angeordnet sind, wie es in Fig. 3 gut zu erkennen ist. Diese Anordnung hat einen bedeutenden Einfluss auf das Sichtfeld des Frosches, auf das aber später noch ausführlich eingegangen wird Die Augen benutzt der Frosch ausschließlich zum Fangen von Beutetieren und zum Flüchten vor Feinden, Beobachten kann der Frosch mit seinen Augen nicht. Die Steuerung der Augen geschieht fast ausschließlich durch Körperbewegungen. Das soll heißen, dass der Frosch seinen ganzen Körper nach rechts drehen muss, um nach rechts schauen zu können. Das Auge kann nur noch Ausgleichsbewegungen durchführen. Auch kann der Frosch nur Bewegungen und Größen wahrnehmen. Er kann also seine Feinde und auch Beute nicht wirklich erkennen, er sieht nur eine bestimmte Größe die sich in seinem Sichtfeld bewegt. Mit Hilfe von Größe und Bewegung schließt der Frosch dann auf Feind oder Beute. Nun zum genauen Aufbau des Auges. Der Frosch besitzt ein für Wirbeltiere typisches Linsenauge, wie es in Fig. 4 dargestellt ist. Es hat eine bewegliche und in der Größe veränderliche Linse aber allerdings keine, wie es für Linsenaugen typisch ist, Fovea. Fovea wird der Bereich der Netzhaut genannt, auf der ein Bild mit der größten Schärfe dargestellt wird. Auch ist der Frosch kurzsichtig und kann somit nur in einem Bereich von ca. 15 cm vor seinen Augen scharf sehen. Das hat den Vorteil, dass der Frosch Objekte im Hintergrund nur verschwommen erkennen kann und alles im Vordergrund klar sehen kann. Weitere Daten des Froschauges, auf die später noch genauer eingegangen wird sind: Sehschärfewinkel von 7’, ein Gesichtsfeld von 330° bis 360° und eine Verschmelzungsschärfe von 48 Bilder pro Sekunde. Der Frosch schließt seine Augen gleichzeitig alle 0,5 bis 5 Minuten. Fig. 4 Linsenauge der Wirbeltiere Die Retina im Auge des Frosches Unter Retina versteht man die Netzhaut des Auges. Sie befindet sich auf der der Linse gegenüber liegenden Seite des Auges. Die von der Umwelt ausgehenden Lichtreize werden auf eine flächige Anordnung von neuralen Elementen, die eben genannte Retina, abgebildet. Diese Retina hat zwei wichtige Funktionen. Die erste ist die Photorezeption. Hierzu gibt es zwei Typen von Photorezeptorzellen. Einmal die Zapfen, die für das Form- und Farbsehen bei Tageslicht verantwortlich sind. Zum anderen die weitaus öfter vorkommenden Stäbchen, die für das Sehvermögen bei geringer Helligkeit wichtig sind. Die zweite wichtige Funktion besteht in der Verarbeitung der aufgenommenen visuellen Informationen. Hierzu verfügt die Retina neben Rezeptorzellen über eine komplexe Maschinerie von Interneuronen. Diese Interneuronen erhalten und verarbeiten Informationen aus einem bestimmten Teil des visuellen Feldes. Entsprechend reagiert jedes Neuron auf die Beleuchtung eines ganz spezifischen Teils der Retina mit einer Veränderung seiner Aktivität. Dieser Teil der Retina ist das rezeptive Feld des jeweiligen Neurons. Diese Neuronen sind die Ganglienzellen, die Bipolarzellen, die Horizontalzellen und die Amakrinzellen (Fig. 5). Sie stellen also quasi den Computer dar, der die Lichtreize der Retina verarbeitet und welche dann durch den Sehnerv in den visuellen Cortex des Gehirns weitergeleitet werden. Es gibt fünf Hauptklassen von Neuronen. Die erste Klasse sind die Randdetektoren, die die Gesamtheit und Schärfe eines Raumes ausmachen können. Die zweite Klasse, die Konvexitätsdetektoren, erkennen runde Objekte, wie zum Beispiel bei Beutetieren den Kopf von Würmern. Die dritte Klasse bilden die Wechseldetektoren, welche den Wechsel der Lichtintensität erkennen. Die Dimmdetektoren könne ein Dimmen des Lichtes und die Umgebungsdetektoren die Stärke des Umgebungslichtes ausmachen. Fig. 5 Querschnitt durch die Retina Das Sehvermögen des Frosches Sehschärfe Sehschärfe ist die Fähigkeit, zwei nahe beieinander liegende Punkte als getrennt wahrzunehmen. Man kann diese Sehschärfe berechnen, indem man den Abstand der Punkte untereinander mit dem Abstand beider Punkte zum Auge in Verbindung bringt (siehe Darstellung Fig. 6). Durch die unten angeführte Rechnung bekommt man einen Winkel, den man für einen objektiven Vergleich zwischen Tieren gebraucht. Fig. 6 Der Mensch hat z.B. einen Sehschärfewinkel von etwa 1’ (eine Minute). Das heißt, dass er zwei Punkte, die 1,5 mm (d) entfernt voneinander liegen, aus einer Distanz (E) von 5 m noch unterscheiden kann. Je kleiner der Winkel ist, desto schärfer sieht das Lebewesen. Der Frosch reiht sich bei einer Liste mit ausgewählten Tieren wie folgt ein: Linsenaugen • • • • • • Wanderfalke: 0.4' Mensch (Fovea): 0.4-1' Katze: 5' Frosch: 7' Elefant: 10.3' Ratte: 40' Komplexaugen • • • • • • Honigbiene: 60' Einsiedlerkrebs: 270' Taufliege: 540' Garnele: 780' Fig. 7 Man sieht, dass der Frosch eine sehr viel geringere Sehschärfe besitzt als beispielsweise der Mensch. Sein Auflösungsvermögen ist also geringer. Das heißt nichts anderes als dass der Frosch kurzsichtig ist. Er kann also Dinge in kurzer Distanz scharf sehen. Dinge, die weiter weg sind, kann er nicht mehr erkennen. Für Linsenaugen hat der Frosch ein durchschnittliches Auflösungsvermögen. Bewegungssehen Eine zweite wichtige Komponente Des Sehvermögens ist das Bewegungssehen. Es wird untersucht, wie schnell die Bewegung ist, die ein Auge noch wahrnehmen kann. Diese „zeitliche Auflösung“ wird mit Hilfe der Flimmerverschmelzungsfrequenz (FVF) gemessen. In Fig. 8 kann man sehen wie sie gemessen wird. Die Fliege sitzt in einem feststehenden Zylinder, um den sich ein weiterer drehbarer Zylinder schließt. Dieser bewegliche Zylinder ist gestreift bemalt und zwar in einem genormten Abstand schwarz und weiß. Der innere Zylinder ist durchsichtig. Jetzt wird der äußere Zylinder in Bewegung gesetzt. Die Fliege reagiert darauf. Der Zylinder wird nun immer schneller gedreht, bis die Fliege nicht mehr auf ihn reagiert. An diesem Punkt ist für sie statt abwechselnd schwarz und weiß nur noch ein kontinuierlicher Grauton zu sehen. Dieser Punkt ist die (FVF) Fig. 8 Die Unterschiede bei den Tieren liegen in der unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeit der Photorezeptoren. In der Retina gibt es bekanntlich Zapfen und Stäbchen. Stäbchen haben eine lange Latenzzeit (Reaktionszeit auf einen Reiz), Zapfen eine kurze. Es kommt also auf die Verteilung von Zapfen und Stäbchen an. Linsenaugen • • • • • • Frosch: 8 Hz Gecko: 25 Hz Schwertfisch: 42 Hz Schildkröte: 50 Hz Mensch: 60 Hz Octopus: 72 Hz Komplexaugen Nachtaktive, langsame Insekten: Periplaneta, Carausius, etc. 8-10 Hz Bienen, Wespen: ca. 220 Hz. Fig. 9 Weil der Frosch weniger Zapfen (er besitzt keine Fovea) hat als z.B. der Mensch, kann er schnelle Bewegungen nicht so gut erkennen wie Menschen. Es verwundert daher, dass der Frosch trotzdem zu sehr schnellen Reaktionen fähig ist (z.B. beim Fliegen fangen) Das Sichtfeld des Frosches Das besondere des Frosches ist sein Sichtfeld. Er ist eines der wenigen Tiere, die fast ihre gesamte Umgebung überblicken können (360° Sichtfeld). Und zwar sowohl horizontal als auch vertikal. Zum Vergleich hat der Mensch ein Sichtfeld von etwa 140°. Allerdings kann der Frosch nur Dinge richtig erkennen, wenn sie in seinem binokularen Sichtfeld liegen (wenn er also mit beiden Augen gleichzeitig etwas wahrnehmen kann). Nur in diesem Bereich kann er dreidimensional sehen. Alles was außerhalb des binokularen Bereichs liegt, nimmt der Frosch nur als Schatten (Veränderung der Intensität des Lichts) wahr. Sein Sichtfeld nützt dem Frosch also nur insofern etwas, dass er Dinge, die rund um ihn passieren als Ereignisse wahrnimmt, und ihnen nachgehen kann. Richtig sehen kann er nach hinten aber nicht. Verhalten des Frosches nach visuellen Reizen Es gibt in der Retina des Frosches Ganglienzellen, die nur für die Detektion von Beutetieren (Fliegen, Mücken, kleine Würmer usw. ) gebraucht werden. Wie in Fig. 10 zu sehen ist, gibt die Zelle nur Signale weiter, wenn ein Punkt ähnlich einer Fliege sich in einem Standbild bewegt. Bei allen anderen unten aufgeführten Fällen passiert gar nichts. Fig. 10 Die Detektion eines Beutetieres kann sofort in den Zuschnappreflex enden, vorrausgesetzt die Beute ist in dem Bereich seiner Zunge. Befindet sich Die Beute außerhalb seines binokularen Bereichs, muss sich der Frosch erst zu dem Tier hinwenden, es fokussieren und dann zuschnappen. Wie wichtig das binokulare sehen ist, zeigt ein Experiment. Dabei wurde dem Frosch ein Auge zugeklebt und dann wurde er einem Beutereiz ausgesetzt. In den meisten Fällen verfehlte er das Beutetier. Fig. 11 Ist das Beutetier außerhalb seiner Zungenreichweite (Snapzone Fig.11), kann er, wenn er das Tier scharf sehen kann im Sprung die Beute fangen (Jump and Snap Fig.11). Die Reaktion auf einen Reiz hängt ab von der Größe, der Geschwindigkeit (und deren Richtung) sowie seiner Farbe des Gegenstands. Bei der Größe ist die relative Größe entscheidend. Diese wird in Grad gemessen. Die größte Reaktion erhält man bei 6° Größe und bei schwarzen Punkten, die sich horizontal bewegen. Aufgrund seiner Lebensumgebung ist der Frosch meist von mehreren Reizen umgeben. Experimente haben gezeigt, dass ein Frosch sich fast immer zu dem Reiz bewegt, der am schnellsten erreichbar ist, auch wenn sich beide Reize hinter ihm befinden und er sich umdrehen muss. Ist die Beute außerhalb des Bereichs, wo der Frosch scharf sehen kann, er aber verschwommen noch einen Reiz aufnimmt, geht er dem Reiz nach. Interessant dabei ist, dass er , wenn er sich in Bewegung setzt, stur in die Richtung geht, wo er am Anfang den Reiz ausgemacht hat, auch wenn der Reiz längst weg ist. Ist er an dem Punkt angekommen, wo er das Beutetier vermutet, muss er sich neu orientieren. Dieses Verhalten wird damit erklärt, dass der Frosch während seiner Bewegung seine Augen schließt. Ein Grund hat man für dieses Verhalten nicht gefunden. Folgerung Der Frosch ist auf das Fangen seiner Beutetiere angewiesen. Er hat dafür bestimmte Verhaltensformen entwickelt, die es ihm ermöglichen, möglichst schnell und mit möglichst wenig Arbeit Nahrung aufzunehmen: Er besitzt ein breites Sichtfeld zur Detektion von Reizen. Dieses Sichtfeld ist kurz, so dass er sich auf die naheliegenden Reize konzentriert. Außerdem konzentriert sich das Auge auf die Reize, die den Eigenschaften der Beutetiere am ähnlichsten sind. Auf kleinere oder große Gegenstände reagiert der Frosch kaum. Schließlich besitzt der Frosch schnelle Reflexe, wenn er einen Reiz ausgemacht. So ist der Frosch gut ausgestattet um der Jagd nach Beutetieren nachzugehen. Verarbeitung visueller Reize Wie oben schon erklärt, erfolgt die Informationsaufnahme im Auge des Frosches durch die so genannte Photorezeption. Anschliessend wird der soeben aufgenommene Reiz mithilfe der Transduktion in ein elektrisches Signal umgewandelt, welches in das visuelle System des Gehirns weitergeleitet wird, damit es dort weiterverarbeitet werden, und anschliessend die Reaktion des Körpers folgen kann. Durch die oben schon angegebene Aufteilung der Photorezeptoren in Randdetektoren, Konvexitätsdetektoren, Wechseldetektoren, Dimmdetektoren und Umgebungsdetektoren wird klar, dass somit die Reizempfindlichkeit der Photorezeptoren erhalten werden kann. Die Photorezeptoren sind weiterhin wohldefiniert auf der Retina angeordnet, d.h. dass es ein bestimmtes, sich immer wiederholendes Muster ergibt, wenn visuelle Reize auf die Retina abgebildet werden. Dieses Muster wird dann in den visuellen Cortex des Gehirns abgebildet, wodurch auch im Gehirn solch ein Erregungsmuster entsteht. Die folgende Abbildung sollte diesen Vorgang etwas verdeutlichen: Fig. 12 Erregungsmuster Hier (Fig. 12) sehen wir oben einen Frosch, dem eine Elektrode ins Sehzentrum des Gehirns eingepflanzt wurde. Unten sehen wir den Kopf des Frosches von vorn. Die mit Buchstaben bezeichneten Teile der Netzhaut des rechten Auges wurden mit Licht angestrahlt, und die Elektrode im Sehzentrum des Gehirns, im linken Tektum, registrierte elektrische Reaktionen. Wenn im Auge das Gebiet A angestrahlt wurde, erfolgte im Sehzentrum eine Reaktion im Gebiet A und so weiter bei den andern Buchstaben. Benachbarten Nervenzellen im Sehzentrum entsprechen also benachbarte Stellen im Auge, sodass Erregungsmuster in der Retina auf die Sehrinde abgebildet werden. Es gibt in der Sehrinde über 30 solche Karten, die mit unterschiedlichen Aspekten des Sehens zu tun haben, mit Konturen, mit Bewegung, mit Farbe. Eine Zerstörung des reiskorngrossen Gebiets, das mit Farbe zu tun hat, führt dazu, dass man nicht mehr farbig sehen kann, dass alles schmutzig grau wirkt (Sacks O, 1995). Ein Sehvorgang führt also zu Erregungsmustern in verschiedenen Karten, die alle untereinander vernetzt sind. Andere Nervenzellgruppen kartieren die Karten, sodass Erregungsmuster entstehen, die gewissermassen diese Verknüpfungen zwischen den Karten abbilden. Dass unserem Bild von uns selbst solche Erregungsmuster zugrundeliegen, und nicht ein irgendwo gespeichertes Bild, kann man bei einer Lumbalanästhesie erleben. Dabei werden alle Empfindungen, die aus dem Bein kommen, blockiert. Das wird nicht erlebt, wie wenn das Bein nun einfach gefühllos wäre, sondern wie wenn man am Bauchnabel aufhören würde, wie wenn das, was darunter kommt, nicht-selbst wäre, nicht Fleisch, nicht real, einfach nichts (Sacks O, 1993).