EVANGELISCH SEIN - EVANGELISCH WERDEN 1) Fülle der
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EVANGELISCH SEIN - EVANGELISCH WERDEN 1) Fülle der
EVANGELISCH SEIN - EVANGELISCH WERDEN Eine Reise entlang des Vortrages „Die Schönheit des Protestantismus“ von Fulbert Steffensky am Evangelischen Kirchentag 2009 Martin Luther Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind's noch nicht, wir werden's aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg. Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber alles. Fulbert Steffensky wie kann man über die eigene Schönheit und Stärke reden, ohne der Dummheit zu verfallen, die Paulus den Selbstruhm nennt? Gibt sich der nicht der Lächerlichkeit preis, der seine eigene Schönheit lobt und sich in sich selber sonnt? Aber es gibt nicht nur diese Lächerlichkeit des Selbstruhmes. Es gibt auch eine Art negativer Eitelkeit, die einen immer betonen lässt, dass wir nichts sind,…. Lasst uns heute und in dieser Stunde vergessen, was wir alles nicht sind, Lassen Sie uns mit Dank schauen, was uns schon geschenkt ist! Lassen Sie uns dies nicht tun in Konkurrenz zu den anderen Konfessionen und Dialekten des Christentums! Wer sich seiner gewiss ist, verzichtet auf den kindischen Ruhm auf Kosten anderer, und er nimmt ohne Arroganz die eigene Stärke in den Blick. Unsere Hoffnung bleibt mager, wenn sie nicht ernährt wird vom Blick auf alles, was schön, charmant und liebenswürdig ist in unserer Tradition und in der Gegenwart unserer Kirchen. 1) Fülle der religiösen Ausdrucksformen in Gottesdienst, Lied und Wort Im Sinne einer Stärkung der Gemeindebeteiligung im Gottesdienst nahmen Reformatoren den zunächst unbegleiteten Gemeindegesang in ihre Gottesdienstordnungen auf. Thomas Müntzer (1489-1525) begann, bekannte gregorianische Gesänge ins Deutsche zu überführen. Martin Luther (1483–1546) dichtete schließlich zahlreiche neue deutsche Kirchenlieder, welche durch Flugblätter und bald auch durch kleine Gesangbücher eine hohe Verbreitung erreichten und noch heute zum Kern des protestantischen Kirchenliedgutes gehören Das lutherische Verständnis des Gottesdienstes bezieht in großen Teilen gerade über den Gesang die ganze Gemeinde in den Dienst der Verkündigung ein. Das protestantische Kirchenlied erreichte im Früh- und Hochbarock einen neuen Höhepunkt Auch der Pietismus führte zu einer Flut von geistlichen Liedern für den häuslichen Gottesdienst. Das wichtigste pietistische Gesangbuch, das 1704 erschienene Freylinghausensche Gesangbuch, umfasste in zwei Bänden ungefähr 1500 Lieder. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine, hat etwa 2000 geistliche Lieder gedichtet Fulbert Steffensky: zur Musik - „Sein und Werden“ Was schon da ist, wird in seiner Güte und Schönheit besungen. Was noch nicht da ist und ersehnt wird, wird herbei gesungen. Unsere Stimme und unser Mund sind oft klüger als unser Herz. Singt das Herz, oder singt nur der Mund? Es ist eine falsche Frage. Manchmal singt wirklich nur der Mund. Aber wir sind ja nicht nur Herz, Gottseidank! Wir sind auch unser Mund, der das schwache Herz hinter sich her schleift, bis es wieder auf den eigenen Beinen gehen kann. Daran ist nichts falsch…..In der Poesie des Singens sind wir uns selber voraus - unseren Einsichten, unseren Argumenten, unserem Zwiespalt. Wie an keiner anderen Stelle tut man beim Singen, als könnte man schon glauben. Persönliches: Zum Text von Steffensky habe ich auch einen sehr konkreten Bezug. Vor einem Jahr am Karsamstag war ich hier in der Osternachtfeier um 22 Uhr – zu dieser Zeit ging es mir nicht gut – und ich wäre nicht zur Osternachtfeier gekommen, wenn ich nicht zugesagt hätte, nachher die Ausschank des Osterpunsches vor der Kirche zu übernehmen. Zu Beginn der Feier war die Kirche sehr dunkel. Der Pfarrer und die Vikarin inszenierten sozusagen in gewissem Sinne ein „Regietheater“. Durch den ganzen Abend begleitete uns ein Lied mit sehr vielen Strophen, in dem immer wieder gesungen wurde – mit dem Refrain „Christ ist auferstanden „. Zwischen den Gesängen wurden Texte gelesen, Predigtmeditationen gehalten, Pfarrer und Vikarin wechselten sich ab und nach jedem Teil wurde ein Lichtschalter mehr aufgedreht (nachdem ich den Lichtschalterkasten in der Sakristei kenne, weiß ich, dass das Wort Regietheater nicht übertrieben ist), nach und nach wurden die Altarkerzen und Blumen, der Kelch und der Teller für das Abendmahl usw. von den beiden hereingetragen, immer dann wenn die Gemeinde dabei war, die nächste Strophe dieses Liedes zu singen. Ich war gar nicht wirklich inhaltlich dabei, aber es wurde immer heller, beim Abendmahl bekam jeder noch eine eigene Kerze, die dann angezündet wurde. Diese optischen Inszenierungen sind gar nicht typisch evangelisch. Aber durch dieses hartnäckige Festhalten an diesem Lied, in einer Sprache, die vielleicht altmodisch ist, aber dennoch einen klaren deutschen Text hat, wurde die Gemeinde immer sicherer und bestimmter in ihrer Aussage, sicherer natürlich auch im Singen. So wie Steffensky sagt, bei wem auch immer zuerst nur der Mund dabei war, wurde das Herz mitgezogen, vielleicht sehr schwach, aber immerhin, mitgezogen zum Glauben an die Auferstehung. Der Gemeindegesang kann auch eine Predigt unterstützen. So wird die Predigt entlang eines Liedes gestaltet. Während der Predigt und gleich danach werden von der Gemeinde die einzelnen Strophen eines Liedes gesungen werden, die Predigt bezieht sich auch auf den Liedtext und wird immer wieder durch Gemeindegesang – unterbrochen ist das falsche Wort – sondern mitgetragen. Zu Bachs Zeiten wurde die Kantate direkt nach der Predigt in einem Stück aufgeführt und war wiederum eine musikalische Predigt. Diese Wechselwirkung zwischen Predigt und Gemeindegesang habe ich zweimal sehr intensiv erlebt – einmal mit Pfr.Geißelbrecht bei der Predigt anlässlich des Gedenken an das Barmer Bekenntnis 1939 – eine sehr politische Predigt – getragen von dem Lied, das dazu geschrieben wurde – das zweite Mal dieses Jahr in der Mette, in der Pfarramtskandidat Wilfried Fussenegger – zu dem Lied „Stille Nacht“ gepredigt hat, und wir dann ganz viele Strophen gesungen haben, die wahrscheinlich später dazugedichtet wurden. Ich kann’s nicht erklären: Für mich ist das sehr evangelisch. Wichtig dabei, dass nicht nur die Musik, die Töne, eine Stimmung vermitteln, das gibt’s vielleicht in anderen Tradition mehr, sondern dieses Zusammenschwingen von Text (sei er auch fremdartig) und Musik. Es geht schon auch um Sprache und Worte, teilweise aus der Bibel.. Durch diese Rückbindung an den Text, in der Schlichtheit und Ruhe der Lieder wird verhindert, dass man durch das Singen aufgeputscht, sozusagen negativ hineingezogen wird, so wie es bei mancher „militanter“, emotionaler Musik der Fall ist. Es wird nicht nur das Gefühl angesprochen, sondern durch Predigt und Lied, Vernunft und Gefühl. Im Sinne der Theologie von Paul Tillich könnte man auch von einer Methode der Korrelation sprechen, also einer gegenseitigen Abhängigkeit beider Größen. Ich zitiere: "Die Methode der Korrelation erklärt die Inhalte des christlichen Glaubens durch existentielles Fragen und theologisches Antworten in wechselseitiger Abhängigkeit." Die Fragen, die in der Predigt gestellt und teilweise auch beantwortet werden erhalten ihr Gegengewicht durch den Gemeindegesang. Wenn vor der Predigt nach Verlesen des Predigttextes aus dem Evangelium der Pfarrer/Pfarrerin sagt. „Herr segne unser Reden und Hören“ kommt das für mich stark heraus, warum manche sagen: Die Predigt ist bei den Evangelischen fast ein Sakrament. Es ist eben auch das ein starkes Beziehungsgeschehen, wo Hören und Singen und Reden in einer Wechselwirkung stehen. Segen und Zuspruch Das hat mir von Anfang an gefallen: Dass man beim Abendmahl im Kreis steht, einander ansehen kann, wenn man das möchte und dann entlassen wird mit einem Segensspruch, einem Satz aus der Bibel – irgendwie passt dieser Satz dann auch fast immer. Wenn viele Leute zum Abendmahl gehen, gibt es mehrere Runden und dann auch mehrere Entlassungssprüche. Es ist sehr rituell und sehr schön. Diese kurzen Sätze aus der Bibel – für manche klingen sie vielleicht auch nur wie fromme Sprüche ohne Bezug zum Leben – das kann natürlich auch leicht passieren – aber diese begleitenden Sätze werden dann ja auch zu Lebenssätzen , z.B. bei der Taufe oder bei der Konfirmation, und bei anderen Anlässen. Unlängst hatten wir eine Erwachsenentaufe und der Mann, der getauft wurde, hat sich seinen Taufspruch selbst mitgebracht. Und unsere Pfarrerin sagte: Er kam zum Taufgespräch schon mit dem Taufspruch gerüstet, auf einem Computerausdruck. So kam mir das auch vor. Gerüstet für das Leben, nicht mit frommen Sprüchen, sondern auf den Einzelnen abgestimmt. Und es war ein sehr reifer Spruch, den sich dieser Mann ausgesucht hatte. Und dann gibt es noch diese Erfahrung, dass man sich manchmal die heilenden Worte nicht selber sagen kann. Also wenn ein Spruch einfach vom Pfarrer, der Pfarrerin ausgesucht wird, bei manchen bei der Konfirmation, oder eben beim Abendmahl. Weil wir nicht soviele Sakramente haben, sind diese Momente des Segnens und des persönlichen Zuspruches besonders wertvoll. Sie sind so persönlich, und vor allem so kommunikativ, von Du zu Du, auf gleicher Ebene, der Pfarrer ist kein Priester, wir sind beide Priester/ Priesterin, Theologen usw., auf Augenhöhe, die diese Worte weitergeben. Nichts steht zwischen mir und diesem Wort, zwischen mir und Gott. Sprache der Bibel: Evangelisch oder protestantisch hängt jetzt nicht unbedingt an Luthers Sprache, für mich aber doch irgendwie. So ist es ein bisschen ein Geschenk, dass die deutsche Sprache – die Sprache Martin Luthers – meine Muttersprache ist – Und da ich sie ja auch studiert habe, diese Sprache – von ihren allerersten Anfängen an, ist sie mein Zuhause. Schön an der evangelischen Kirche finde ich daher, dass sie diese Sprache pflegt und weitergibt, auch in ihrer altmodischen Version. Ich selbst lese die Bibel immer auch in der letzten Fassung von Luther von 1545. In späteren Versionen wurde Luther ein bisschen der Zahn gezogen, aber das muss manchmal vielleicht des Verständnisses wegen sein. Es soll auch andere und moderne Ausdrucksformen und Übersetzungen geben. Beides, würde ich meinen. 2) Kargheit Fulbert Steffensky Ich liebe im Protestantismus seine Kargheit …. Protestantismus ist schwach in seinen Selbstinszenierungen, er ist bilderschwach. Ich sehe es sofort, wenn ich eine evangelische Kirche betrete. Ich sehe es spätestens am Talar des Pfarrers, --- Diese Schwäche, die viele Protestanten bedauern, ist seine Stärke; seine unbelohnte Stärke, das ist wahr. Denn im Augenblick wird belohnt, wahrgenommen und gewürdigt, was ins Bild gebracht werden kann? Könnte es sein, dass die Wahrheit durch Buntheit ersetzt werden kann? Das Bild untergräbt die Skepsis und wird zum Argument. "Das Bild lehrt lügen.", sagt der Prophet Habakuk (vgl. Habakuk 1, 18). ….. Das Bild lehrt lügen. Wer die Bilder beherrscht, beherrscht auch die Köpfe. Mit Bildern kann man gigantische Scheinwirklichkeiten errichten. Es ist Zeit, das Misstrauen zu retten gegen den munteren Tanz der Bilder, die da lügen lehren. Persönliches: Für mich entsteht in der Reduktion ein Raum, der nicht erdrückt, sondern offenlässt. 3) Evangelische – eine Minderheit in Österreich Ich machte eine sehr interessante und überraschende Erfahrung, nachdem ich in die evangel. Kirche eingetreten bin. Mir war eigentlich gar nicht so bewusst, dass ich jetzt Mitglied einer Minderheit in Österreich bin. Zum ersten Mal in meinem Leben – in einem doch schon fortgeschrittenen Alter- war ich Mitglied einer Minderheit- da ich deutschsprachig und katholisch aufgewachsen bin, war ich immer selbstverständlich ein Teil der Mehrheitsbevölkerung. Ich habe dann gemerkt, dass das nicht so unbedeutend ist, wie ich dachte. Für evangelische Christen und Christinnen ist das sicher prägend, dass sie sich gegenüber einer Mehrheitskirche behaupten mussten und müssen. Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, haben auch Ausgrenzendes und Abwertendes erlebt. Es prägt das Selbstbewusstsein, es prägt das Suchen nach einer eigenen Identität, es wirkt sich aus auf Gemeinschaftsbewusstsein usw. Ich möchte das jetzt gar nicht werten, sondern nur aufzeigen, dass es ein nicht ganz nebensächlicher Effekt ist. Ich finde, es hat auch sehr positive Seiten. Mein Eintritt fiel auch in die Zeit, in der sich die evangel. Kirche in Österreich intensiver mit ihrer Geschichte auseinandersetzte. Sowohl als Mit- Täter bzw. Mitläufer in der Zeit des Nationalsozialismus, als auch als Opfer eigener Vertreibung und Verfolgung vom 16.- 18. Jhdt. in der kathol. Habsburgermonarchie. Das Ausmaß der Verfolgung und Vertreibungen von Protestanten war und ist im österreichischen Geschichtsbewusstsein nur wenig vorhanden. Von der evang. Theolog Fakultät wurde ein historischer Weg durch Österreich von Passau bis nach Italien/Slowenien erforscht und nachgezeichnet. Auf diesem Weg wurden zu Zeiten des Geheimprotestantismus Lutherbibeln geschmuggelt, teilweise über die Berge, heute eine wunderschöne Wanderroute durch Oberösterreich, Salzburg und Kärnten, damals ein gefährliches Unterfangen. In diesen Gegenden haben evangelische Gemeinden im Geheimen überlebt und wurden als die „Akatholischen“ nach Erlasse des Toleranzpatentes 1781 toleriert und registriert .Plötzlich gab es ganze Gemeinden, die evangelisch waren. 4) In welcher Gesellschaft will ich leben? Kirche als Spiegel und Vision einer Gesellschaft Fulbert Steffensky: Es gibt keine religiös-substantiellen Materialien mehr: Kein Priestertum, ausgestattet mit einer speziellen Macht; keine Amtsgewalt, die speziell an das Geschlecht des Mannes gebunden ist; kein Amt mit dem Anspruch der Unfehlbarkeit. Das Prinzip der Gnade hat eine zersetzende Kraft. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau – Allgemeines Priestertum Als ich mich das erste Mal für die evangelische Kirche interessierte, war sicher ein Faktor, dass es eben nicht nur Pfarrer sondern auch Pfarrerinnen gibt und zwar mittlerweile – nicht von Anfang an – irgendwie ganz natürlich und selbstverständlich. Aber nicht nur wegen des Geschlechts hatte ich mehr Vertrauen, sondern auch, weil es eben keine Priester und Priesterinnen sind. Von außen fällt der Unterschied zum katholischen Priestertum vielleicht gar nicht so auf, aber atmosphärisch ist es einfach spürbar, dass es ganz normale Menschen sind. Gleichberechtigung zwischen Hetero- und Homosexuellen Dazu ein Zitat aus einer aktuellen Stellungnahme der Synode vom November des Vorjahres. 12.November 2009 –Stellungnahme der Synode Resolution betreffend gleichgeschlechtlicher Partnerschaften Die Generalsynode der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich begrüßt die Absicht des BM für Justiz zur Eintragung Homosexueller Partnerschaften. Damit wird die Forderung der Generalsynode aus dem Jahr 1996 „für eine zivilrechtliche Berücksichtigung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften“ aufgegriffen. Die Generalsynode tritt dafür ein, dass diese Eintragung auf den örtlichen Standesämtern stattfinden kann. Es gibt auch evangelische Pfarrer, die sich zu ihrer Homosexualität bekennen und dann von ihrer Gemeinde als Pfarrer gewählt wurden. In unserer Kirche muss sich ein Pfarrer / eine Pfarrerin für das Amt bewerben und wird dann von der ganzen Gemeinde gewählt. Scheitern der Lebensentwürfe - Eheverständnis Wichtig für mich war auch, dass evangelische Christen und Christinnen anders mit dem Scheitern ihrer Lebensentwürfe, zum Beispiel bei Ehescheidungen, umgehen können. evangelisches Eheverständnis - Positionspapier 2007 Als Kirche wissen wir um die historische Bedingtheit gesellschaftlicher Konventionen und Ordnungen. Das kirchliche Eheverständnis hat sich – ebenso wie einst schon das biblische– immer wieder den jeweiligen gesellschaftlichen Herausforderungen gestellt. Dementsprechend soll auch in der Gegenwart für Veränderungen Raum sein. Zur Trauung - Homepage evangelische Kirche Salzburg – Tirol Trauung in der Kirche ist freiwillig, die Kirche selbst erkennt ein verheiratetes Paar auch ohne kirchliche Trauung als gültig an. Aus der Sicht des Ehepartners gesehen ist die Beantwortung der Traufragen mit „Ja, mit Gottes Hilfe“ ein Bekenntnis zum persönlichen Glauben. Zugleich ist es ein Eingeständnis einer Schwäche. In einer Welt, die alles machbar erscheinen lässt, in der alles in die Jugend und Kraft von Menschen gelegt wird, werden die Augen nicht vor der Brüchigkeit jeder dritten, ja fast jeder zweiten Ehe verschlossen. Man ist sich bewusst, dass etwas „Unmögliches möglich“ gemacht werden soll und dazu braucht man die Hilfe Gottes und die Hilfe der Gemeinschaft. Hierzu wird der Segen Gottes zugesprochen, und dies ist die Mitte der evangelischen Trauung. Namentlich und unter Handauflegung wird dem Brautpaar zugesagt, dass dieser gemeinsame Weg nicht alleine gegangen werden muss und auch nicht aus eigener Kraft gelingen muss. Der Vorstellung einer „gelungenen“ Ehe als „Erfolgstory“ wird das Bild eines gemeinsamen, vielleicht auch scheiternden oder zeitweilig scheiternden Weges entgegengestellt, auf dem man aber nie alleine gelassen ist. Die Ehe wird auf Lebenszeit nicht geschlossen, sondern erhofft. Gott, der menschliche Unfähigkeit und Versagen kennt, wird auch im Scheitern eines Weges seine Kinder nicht alleine lassen und würdige Wege der Trennung und dennoch Versöhnung finden lassen. Als ich dann auf der Homepage der Dorotheergasse schnupperte, war damals Pfr. Geißelbrecht gerade in Vaterkarenz, Dr. Ines Knoll, die amtsführende Pfarrerin. Inzwischen habe ich erfahren, dass der Prozentsatz der Väter, die in Karenz gehen unter evangelischen Pfarrern überdurchschnittlich hoch ist. Da dachte ich mir: In so einer Gesellschaft will ich leben, so will ich Kirche erleben, demokratisch, Männer und Frauen gleichberechtigt. Kirche und Religion sollen grundsätzlich bis hinauf in ihre Leitung und Führung kein abgespalteter Bereich sein, der nicht ins normale Leben und in die übrige, auch politische Weltanschauung integriert werden kann. Zumindest in ihrer Verheißung und Vision soll sie in mein Weltbild passen, wenn auch nicht immer alles glaubhaft gelebt werden kann, so muss es doch grundsätzlich zusammenpassen.