4. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C

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4. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C
Katholisches Bibelwerk
Lektorenhilfe
4. Sonntag der Osterzeit C
Evangelium
4. Sonntag der Osterzeit
Lesejahr C
Evangelium: Joh 10,27-30
1. Einführung (kann auch vor dem Evangelium vorgetragen werden)
Ist Jesus der Messias? Das bestreiten Gegner der johanneischen Gemeinde. Die Christen
bejahen es und bekennen: Er ist unser guter Hirt und gibt uns Anteil am eigentlichen, am
ewigen Leben. Der Vater, Jesus und wir sind eine enge Gemeinschaft.
2. Praktische Tipps zum Vorlesen
a. Der Text im Zusammenhang: Einordnung, Textumfang
Der kleine Abschnitt des Tagesevangeliums ist ein Ausschnitt aus einem Streitgespräch Jesu
mit den „Juden“, Joh 10,22-39. Wie auch sonst im Johannesevangelium schließt sich an eine
Selbstoffenbarung Jesu (bei den 7 Zeichen und 7 Ich-bin-Worten) eine Auseinandersetzung
an, ob die HörerInnen sich auf Jesus einlassen oder sich gegen ihn stellen. Diese
Streitgespräche spiegeln die Situation der johanneischen Gemeinde Ende des ersten
Jahrhunderts mitten im jüdischen Synagogenverband wider. Der Textabschnitt der
Leseordnung bekommt ohne die Einbettung in den biblischen Kontext, vor allem das
Vorausgehende, eine ganz andere Note; die Aussagen wirken nun bestärkend, nicht wie
ursprünglich, in die Entscheidung rufend.
b. Betonen
+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes.
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In jener Zeit sprach Jesus:
Meine Schafe hören auf meine Stimme;
ich kenne sie,
und sie folgen mir.
Ich gebe ihnen ewiges Leben.
Sie werden niemals zugrunde gehen,
und niemand wird sie meiner Hand entreißen.
Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle,
und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen.
Ich und der Vater sind eins.
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Evangelium
c. Stimmung, Modulation
Jesus spricht in der feierlichen, vollmächtigen Selbstoffenbarungssprache, in der er im
Johannesevangelium meistens redet. Dazu passt ein langsames Lesen.
Zweierlei Beziehungen werden außerdem zur Sprache gebracht, die beim Vortrag jeweils in
einem inneren Bogen zum Ausdruck kommen sollten: zwischen Jesus und „seinen Schafen“
und Jesus und dem Vater.
Zu betonen ist auch, das sich wiederholende „mein“ und „ich“. Demgegenüber steht der sich
wiederholende Satz mit „niemand wird … entreißen“. Der Schlusssatz setzt in seiner
Knappheit und Bündelung dezidiert einen Schlusspunkt.
3. Textauslegung aus der Reihe „Gottes Volk“
Johannes hat sein Evangelium in einer ganz eigenen Art geschrieben: Der Text des JohannesEvangeliums besteht aus fast 16.000 Wörtern, aber nur ca. 1.000 Vokabeln. Dieser Stil lässt
beim ersten Lesen immer den Eindruck aufkommen, hier wird nur wiederholt, immer wieder
dasselbe. Dabei sind aber mehrere Ebenen im Text zu beachten, die das Verständnis
erleichtern: Johannes lässt Jesus meist in einer erzählten Situation auftreten, die dann nach
einigen Dialogen in einer großen Rede endet. Jesus scheint an seinen Gesprächspartnern
vorbei zu reden. Dahinter steckt aber die Annahme, dass alle äußerlichen Tatsachen des
Lebens Jesu eine Tiefenbedeutung haben, die sich erst beim mehrmaligen, betrachtenden,
glaubenden Lesen erschließen. Das heutige Evangelium, das nur aus fünf deutschen Sätzen
besteht, im Griechischen sind es nur drei, gehört zum Ende der Rede über den guten Hirten
(Joh 10). Hauptthema ist die Beziehung der Jünger zu Jesus, das Vertrauensverhältnis, das
zwischen dem sorgsamen Hirten und seinen ihm folgenden Jüngern, besteht. Das Verb
„hören" steht dabei in der Mitte der Aktivitäten der Jünger, sie hören die Stimme des Hirten,
sie hören, wie er sie einzeln beim Namen ruft und sie folgen dieser Stimme. Der kurze Text
lässt sich gut über die Verben erschließen:
Schafe = Jünger hören, folgen, gehen nicht zu Grunde, werden nicht entrissen.
Hirte = Jesus, kennt seine Schafe, gibt ewiges Leben, ist eins mit dem Vater
Vater = Gott ist größer als alle, gibt die Schafe dem Hirten, ist eins mit Jesus.
Das Zusammenspiel von „rufen" und „hören" wird in dem viel zu sachlichen Wort „Berufung"
zusammengefasst. Es geht aber um ein Geschehen: Da ist einer, der mich persönlich ruft, und
ich, ja jeder Einzelne, ist so angerufen und herausgerufen, auf diese „innere Stimme", wie es
die Mystiker sagen, zu hören. Berufung könnte so zur Kategorie für das Christsein werden.
Das Hören auf die Stimme Jesu, das Hören auf seine Worte, wird so zum Anfang des
Glaubens. Die Tätigkeit „hören" lädt besonders dazu ein, ausgehend vom physischen „Hören"
zum „inneren Hören" zu kommen. Wer schon nicht einmal einem Menschen zuhören kann, wie
will der auf Gott hören? Die ganze Kultur unserer Gottesdienste müsste eigentlich als
Ziel haben, die Menschen zuhörenden Menschen zu verwandeln …
(Christoph Baumgart: Gottes Volk 4/2004, 62f)
Der Abschnitt gehört in den Zusammenhang von Jesu Auftreten vor und am Tempelweihfest
in Jerusalem. Das 9. und 10. Kapitel des Johannes-Evangeliums zeigt Jesu Auftreten als
Gerichtssituation angesichts der verhärteten Feindschaft gegenüber „den" Juden: „Zum Gericht bin ich in die Welt gekommen, damit die, die nicht sehen, sehen, die Sehenden aber blind
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werden" (9,39). Jesus erscheint vollends als der Repräsentant Gottes, als sein Offenbarer, in
innigster Gemeinschaft und in Beziehungseinheit mit ihm. Die Sonderstellung des Sohnes
zeigt sich darin, dass Gott selbst, der Vater, in ihm spricht und handelt (er tut nichts auf eigene
Faust und aus sich heraus): Reines Medium, Gottes Realpräsenz in Person! Wohlgemerkt:
Jesus sagt nicht, „ich und der Vater sind einer", sondern „eins". Gemäß der johanneischen
Theologie (die dann in der kirchlichen Dogmatik der frühen Konzilien fortgesetzt wird) sind
Jesus und Gott untrennbar: eine lebendige Beziehungseinheit, wie sie inniger (und
unterschiedener!) nicht gedacht werden kann; Inbegriff dessen, was Liebe ist. Für die
Gemeinde der Glaubenden bedeutet dies absolute Heilsgewissheit, wie vermutlich der
kirchliche Redaktor hinzugefügt hat. Fast dualistisch im Kontrast zur Verlorenheit und
Ablehnung „der" Juden geht es um die innigste Anteilhabe am Gottesverhältnis Jesu für die,
die glauben dürfen und erwählt sind.
Mehr noch als die lukanischen Schriften ist das Johannes-Evangelium von einer christlichen
(zuvor vielleicht schon innerjüdischen?) Polemik gegen „die" Juden durchzogen - mit
ungeheuren antijudaistischen und antisemitischen Folgen in der Christentumsgeschichte. Die
polemische, unterscheidende und kritische Dimension gerade dieses Evangeliums ist auch für
die heutige Verkündigung sehr wichtig: diejenigen, die sich bewusst für das Christsein
entscheiden, wissen sich erwählt und haben einen Standpunkt bezogen, der umstritten ist und
bekanntlich bis zum Martyrium führen kann. Aber die pauschale Rede von „den" Juden ist
Ausdruck aktueller, damaliger Konflikte und Auseinandersetzungen und spiegelt eine
zeitbedingte Form von Schwarz-Weiß-Malerei, die unbedingt durchschaut und theologisch
überwunden werden muss. Nach Auschwitz erst recht ist es dringend geboten, auf den Täterund Opferzusammenhang zwischen Christen und Juden hinzuweisen und ein geistliches
Feingespür dafür zu entwickeln, dass nicht unterschwellig weite antijüdische Denk- und
Glaubensmuster in Verkündigung und Liturgie transportiert werden.
(Gotthard Fuchs, Gottes Volk 4/1998, 65f)
Dipl.-Theol. Anneliese Hecht
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