„Motivation ist alles!“

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„Motivation ist alles!“
 Masterarbeit im Rahmen des Master of Advanced Studies ZFH in Supervision und Coaching in Organisationen „Motivation ist alles!“ Motivation und Selbststeuerung in der Theorie der Persönlichkeits‐System‐Interaktionen (PSI) und ihre Anwendung in der Beratungspraxis Eingereicht dem Institut für Angewandte Psychologie IAP, Departement Angewandte Psychologie der ZHAW von: Slavica Sovilj Murggenstrasse 2 8606 Nänikon [email protected] 10.05.2011 Referentin: Gisela Ullmann Co‐Referentin: Denise Perret „Diese Arbeit wurde im Rahmen der Ausbildung an der ZHAW, IAP Institut für Angewandte Psycholo‐
gie, Zürich verfasst. Eine Publikation bedarf der vorgängigen schriftlichen Bewilligung des IAP“. Man kann einen Menschen nichts lehren. Man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken. Galileo Galilei Abstract Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit den Themen Motivation und Selbststeuerung in der Theorie der Persönlichkeits‐System‐Interaktionen (PSI) von Julius Kuhl und ihrer Anwendungsmöglichkeiten in der Beratung. Im ersten Teil werden wichtige Theorien und Modelle aus der Motivationsforschung überblicksmässig dargestellt, auf denen die PSI‐Theorie unter anderem aufbaut. Anschliessend werden die wichtigsten Kernelement der PSI‐Theorie erläutert: Die vier kognitiven Hirnfunktionssysteme und die Selbststeuerung. Im zweiten Teil wird ein Praxisbeispiel detailliert dargestellt und die sich aus der PSI‐Theorie ergebenden Anwendungsmöglichkeiten reflektiert. Die PSI‐Theorie unterscheidet vier psychische Systeme, die unterschiedliche Funktionen ausüben. In Kombination mit den drei Motiven Anschluss, Leistung und Macht ergeben sich unterschiedliche Moti‐
vumsetzungsstile, die die Persönlichkeit prägen. Für das psychische Wohlbefinden ist entscheidend, wie diese psychischen Systeme interagieren. Gefühle spielen dabei eine wesentliche Rolle, da durch Gefühlswechsel die verschiedenen Systeme aktiviert werden. Deshalb kommt der Selbstregulation von Affekten eine zentrale Rolle in der PSI‐Theorie zu. Diese kann gelernt und trainiert werden und gibt dem Menschen ein Instrument an die Hand, mit welchem er sein Leben selbst steuern und gestalten kann. Dem Berater kommt die Rolle des Prozessbegleiters zu, der den Klienten dabei unterstützt, die für ihn optimale Strategie zur Selbststeuerung zu finden. Die aus der PSI‐Theorie abgeleitete Testbatte‐
rie ermöglicht einen guten Einstieg in ein Einzelcoaching. Die Ergebnisse lassen sich ressourcenorien‐
tiert vermitteln und ermöglichen ein effizientes Bearbeiten zentraler Themen. Je nach Diagnose und Zielsetzung eignen sich unterschiedliche Methoden zur Erarbeitung von Selbststeuerungskompeten‐
zen. Viele Erkenntnisse der PSI‐Theorie lassen sich auch in anderen Settings einbinden, sei es bei Tea‐
mentwicklungen, Weiterbildung von Führungskräften oder Personalverantwortlichen. Die PSI‐Theorie von Julius Kuhl ist eine integrative Persönlichkeitstheorie, die sich durch ihre Ressour‐
cen‐ und Handlungsorientierung auszeichnet und sich für die Anwendung in der Praxis sehr gut eignet. Inhalt 1 Einleitung ............................................................................................................................................ 1 1.1 Ausgangslage .............................................................................................................................. 1 1.2 Zielsetzung und Begründung der Themenwahl .......................................................................... 2 1.3 Fragestellung der Masterarbeit .................................................................................................. 3 1.4 Aufbau der Arbeit ....................................................................................................................... 3 1.5 Abgrenzung................................................................................................................................. 3 2 Theoretische Grundlagen ................................................................................................................... 4 2.1 Definition des Begriffs Motivation ............................................................................................. 4 2.2 Intrinsische und extrinsische Motivation ................................................................................... 4 2.3 Motive ........................................................................................................................................ 6 2.3.1 Machtmotiv – Wunsch nach Dominanz, Selbstbehauptung und Stärke .................................. 7 2.3.2 Leistung – Wunsch nach Stimulanz, Neugierde und Stolz ....................................................... 7 2.3.3 Anschluss/Beziehung – Wunsch nach Kontakt und Zugehörigkeit .......................................... 7 2.3.4 Implizite und explizite Motive .................................................................................................. 8 2.4 Motivation und Wille .................................................................................................................. 8 2.4.1 Rubikon‐Modell ........................................................................................................................ 8 2.4.2 Handlungskontrolle ................................................................................................................ 10 2.5 Weitere Motivationsmodelle zur Erklärung von Arbeitsmotivation ........................................ 10 2.6 PSI‐Theorie von Kuhl ................................................................................................................ 12 2.6.1 Ursprung und Entwicklung der PSI‐Theorie ........................................................................... 12 2.6.2 Die vier kognitiven Makrosysteme ......................................................................................... 12 2.6.3 Positive und negative Affekte und die zwei Modulationsannahmen .................................... 15 2.6.4 Selbststeuerung und Selbststeuerungskompetenzen ............................................................ 17 2.6.5 Testverfahren ......................................................................................................................... 18 2.6.6 Kritische Stellungnahme ......................................................................................................... 20 3 Praxisfeld: Anwendung in der Beratungspraxis ............................................................................... 20 3.1 Beratungs‐ bzw. Beraterverständnis ........................................................................................ 20 3.2 Anwendungsbeispiele .............................................................................................................. 21 3.2.1 Einzelcoaching – Berufliche Standortbestimmung/Neuorientierung .................................... 22 3.2.2 Weitere Einzelberatungen ...................................................................................................... 42 3.2.3 Führungsworkshop – Motivation und Ressourcenmanagement .......................................... 43 3.3 Gesamtbeurteilung ................................................................................................................... 44 3.4 Leitfaden ................................................................................................................................... 46 4 Schlussfolgerungen und Ausblick ..................................................................................................... 47 5 Quellenverzeichnis ........................................................................................................................... 48 6 Anhang ............................................................................................................................................. 51 1
Einleitung 1.1
Ausgangslage In Zeiten steigenden Wettbewerbsdrucks müssen immer weniger Menschen immer mehr leisten. Gleichzeitig stehen uns in der entwickelten Welt immer mehr Optionen zur Verwirklichung von Le‐
bensentwürfen zur Verfügung. Wie setzen wir uns in dieser Vielfalt von Möglichkeiten und der wach‐
senden Komplexität Ziele? Wie fällen wir Entscheidungen und was bewegt uns zum Handeln? Warum gelingt es den einen, nicht nur für sich stimmige Ziele zu definieren, sondern diese dann auch umzuset‐
zen? Warum hadern andere und können trotz guter Voraussetzungen bezüglich Intelligenz, sozialem Umfeld und günstiger materieller Bedingungen dennoch keine „Erfolge“ erzielen? Motivation und Selbststeuerung sind hierzu die Schlüsselwörter. Ohne Motivation kein Handeln, ohne Handeln keine Entwicklung und Wachstum. Motivation ist auch entscheidend für die persönliche Zufriedenheit und entscheidend für den Erfolg, was auch immer der und die Einzelne darunter versteht. Selbststeue‐
rungskompetenzen befähigen uns, Ziele gegen innere und äussere Widerstände umzusetzen. In vielen Beratungsaufträgen wird Motivation als zentrales Anliegen formuliert. Ob Personen ein Coaching aufsuchen oder Organisationen ein Beratungsmandat in Auftrag geben, oft wird das Thema Motivation angesprochen, sei es als Ursache eines Problems oder als mögliches Heilmittel desselben. Gerade bei Organisationsanalysen und Reorganisations‐Projekten, bei Kulturthemen und in Verände‐
rungs‐ und Teamentwicklungsprozessen ist das Thema Motivation ein ständiger Begleiter. Auch der Einzelne begibt sich in ein Coaching, um eine Standortbestimmung vorzunehmen und nach Wegen zu suchen, seine Life Balance ins Lot zu bringen oder sich beruflich neu zu orientieren, weil es mit der Motivation nicht mehr so stimmt. Unternehmen haben in den letzten Jahren Vieles unternommen, um die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter zu verbessern, betriebliche Gesundheitsförderung, Arbeitsplatzgestaltung, Weiterbildung, Persönlichkeitsentwicklung etc. Gleichzeitig lässt sich aber auch beobachten, dass durch die schwin‐
dende Loyalität der Arbeitgeber, sich auch in schwierigen Zeiten für den Mitarbeiter und eine gute Lösung einzusetzen, gepaart mit Mangel an Selbstverwirklichung, dem Finden an Sinn in der Arbeit, zu viele Diskrepanzen in den Wertvorstellungen etc. zu zunehmender Unzufriedenheit, sinkender Produk‐
tivität und wachsenden psychischen und physischen Krankheiten führen, die nicht selten in Krankheits‐
ausfällen und zunehmend in Burnouts enden1. Wie kann dem Prinzip Selbstverantwortung, wie es R.K. 1
Laut einer vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) erhobenen Studie im Jahr 2000 zu den Kosten von Stress in der Schweiz wird Stress hauptsächlich den Arbeitsbedingungen angelastet und verursacht ungefähre Kosten 1 Sprenger eindrücklich in seinen verschiedenen Publikationen (Sprenger, 2002 u. 2005) darstellt wieder das nötige Gewicht und die dafür nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden? Obwohl die detail‐
lierte Auseinandersetzung mit solchen Aspekten diese Arbeit sprengen würde, scheint es mir doch wichtig, sie nicht ausser Acht zu lassen und sie mir als Teil meines Werteverständnisses als Beraterin vor Augen zu halten. 1.2
Zielsetzung und Begründung der Themenwahl In meiner früheren Rolle als Führungskraft, aber auch in meiner jetzigen Tätigkeit als Beraterin wurde und werde ich immer wieder mit dem Thema Motivation konfrontiert, sei es bei Reorganisations‐ und Veränderungsprojekten, bei Workshops zu Führungskultur und Teamentwicklung oder beim Coaching von Führungskräften oder Menschen bei der Standortbestimmungen und beruflicher Neuorientierung. Nur selten wurde ich dabei nach Patentrezepten gefragt. Die meisten Führungskräfte sind sich heute der Komplexität dieses Phänomens bewusst und gerade seit der Finanzkrise ist die bis dahin oft ver‐
wendete Lösung der monetären Vergütung nicht mehr so einfach zu bewerkstelligen. Im Einzel‐
coaching geht es oft darum, sich neue Ziele zu setzen oder seine Life‐Balance ins Lot zu bringen und dies mittels Selbststeuerungskompetenzen zu erreichen. In diesem Spannungsfeld von Unternehmen und Individuum, Systemzwängen und Eigenverantwortung, Ohnmachtsgefühl und Selbstwirksamkeits‐
erleben wollte ich für mich die aktuellsten Theorien zur Motivationsforschung, inklusive neuster wis‐
senschaftlicher Erkenntnisse, erarbeiten und strukturieren und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit in der Praxis überprüfen. Dabei stiess ich unter anderem auf die Theorie der Persönlichkeits‐System‐Interak‐
tionen (PSI) von Prof. Julius Kuhl, die mich ihres integrativen Ansatzes und ihrer engen Berührungs‐
punkte mit psychologischen Theorien wie z.B. der Klienten zentrierten Gesprächstherapie von C.R. Rogers, der analytischen Psychologie nach C. G. Jung, der Logotherapie von V.E. Frankl und der Kom‐
munikationstheorie von F. Schulz von Thun wegen überzeugt hat. Mit der Auseinandersetzung dieser umfassenden Theorie der Motivations‐ und Persönlichkeitspsychologie, die viele Aspekte des mensch‐
lichen Handelns beleuchtet, wollte ich die Masterarbeit als Gelegenheit dazu nutzen, Anwendungs‐
möglichkeiten in der Beratungspraxis zu finden und an konkreten Beispielen zu überprüfen. Ich liess mich für das PSI‐Testverfahren zertifizieren und hatte im Rahmen dieser Ausbildung die Möglichkeit, den Test mit über 15 Personen durchzuführen und zu besprechen. Davon waren 6 berufliche Standort‐
bestimmungen und 5 Coachings, die sich über 4‐10 Sitzungen erstreckten und 6 Kurzgespräche (ca. 2‐
stündige Besprechung der Testergebnisse). von 4.2 Mia. pro Jahr (1.2% BIP). 22% der Mitarbeitenden bezeichnen sich als unmotiviert. Unmotivierte Mitar‐
beitende fehlen im Schnitt 17 Tage/Jahr infolge Krankheit, sehr motivierte Mitarbeitende lediglich 7 Tage. (Bun‐
desamt für Statistik, Studie Marktforschungsinst. Demoscope, gefunden am 7.4.2011 auf www.seco.admin.ch). 2 Eine weitere Zielsetzung war, zusätzliche Handlungsorientierung für meine Arbeit zu gewinnen sowie ein beraterisches Konzept daraus abzuleiten bzw. einen Leitfaden für meine Tätigkeit zu entwickeln. 1.3
Fragestellung der Masterarbeit Auf der Basis der im Arbeitskontext relevantesten Motivationstheorien und ‐modelle und der Theorie der Persönlichkeits‐System‐Interaktionen von Julius Kuhl befasst sich diese Masterarbeit mit folgenden Fragestellungen: 

1.4
Was ist Motivation und wie kann das Thema mit der PSI‐Theorie im Arbeitskontext bearbeitet werden? Eignet sich die PSI‐Theorie für die Anwendung in der Beratung? 
Wie können Menschen ihre Fähigkeiten und Kompetenzen optimal einsetzen und weiterentwi‐
ckeln? 
Welche Selbststeuerungskompetenzen helfen ihnen dabei? 
Wie kann dieses Wissen in der Beratung angewendet werden? Aufbau der Arbeit Kapitel 2 widmet sich motivationstheoretischen Grundlagen. Dabei werden bedeutende Motivations‐
theorien und ‐modelle übersichtsmässig dargestellt und zueinander in Beziehung gesetzt, wobei auf die PSI‐Theorie ausführlicher eingegangen wird. In Kapitel 3 erfolgt dann die Erprobung an einem prakti‐
schen Beispiel. Dieses wird reflektiert und die Möglichkeiten und Grenzen kritisch bewertet. Als Ergän‐
zung werden noch ein paar weitere Beispiele aus der Praxis summarisch dargestellt. Den Abschluss bilden eine Zusammenfassung mit Schlussfolgerung zu den Ergebnissen und offenen Punkten sowie ein Ausblick, wie die Konzepte nutzbringend in der Beratung angewendet werden können. 1.5
Abgrenzung Die Arbeit muss sich, aufgrund des vorgeschriebenen Umfangs, auf einzelne Themen aus der Motiva‐
tionsforschung und anverwandter Gebiete beschränken, auch wenn eine vertiefte Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten den Erkenntnisgewinn steigern würde. Es wird auch nicht auf betriebliche Mas‐
snahmen wie Gesundheitsförderung, Burnout‐Prävention o.ä. eingegangen und nur am Rande Human Resources Themen wie Personalauswahl und ‐förderung angesprochen. Ebenso kann das eingesetzte Testverfahren nicht näher erläutert werden (dazu detailliert Kuhl & Alsleben, 2009). Im Zentrum der Arbeit steht die Reflexion über die angewandten Methoden und ihrer Wirksamkeit, dabei kann die Wirkung gewisser Methoden in einem Kundensystem beobachtet werden, in einem anderen nicht. Wichtig war es mir, die relevanten Faktoren in ihrer Wechselwirkung zu untersuchen und einander gegenüberzustellen und für meine Beratungstätigkeit nutzbringend anzuwenden. 3 2
Theoretische Grundlagen In diesem Kapitel werden die bedeutendsten Theorien und Modelle aus der Motivationsforschung zur Hypothesenbildung, Erarbeitung von Massnahmen und für Übungen in Workshops etc. dargestellt, die im Arbeitskontext relevant sind und die wie in Kapitel 3 ausgeführt wird in der Beratung eine Rolle spielen. Es geht hier darum, wichtige Meilensteine und Ideen in der Motivationsforschung darzulegen, die für die Beratungspraxis Relevanz haben. Das Thema Motivation stellt einen grossen Forschungs‐
zweig in der Psychologie, Pädagogik, den Wirtschaftswissenschaften, Soziologie und Neurowissen‐
schaft dar. Die einzelnen Theorien und Modelle können aufgrund des beschränkten Umfangs nicht ausführlich dargelegt und kritisch beleuchtet werden, weswegen auch kein Anspruch auf Vollständig‐
keit erhoben werden kann. Eine ausführliche Übersicht über den gegenwärtigen Forschungsstand fin‐
det sich bei Heckhausen & Heckhausen (2010), Brandstätter & Otto (2009) und Rheinberg (2008). 2.1
Definition des Begriffs Motivation Der Begriff Motivation leitet sich vom lateinischen Verb „movere“ ab und bedeutet „in Bewegung set‐
zen“. In der Literatur gibt es eine Vielzahl von Definitionen, die den Motivbegriff beschreiben. Dabei wird dieselbe Tendenz beschrieben, nämlich dass Motivation allgemein als „Ausdruck menschlichen Verhaltens bezogen auf die Richtung (Entscheidung für ein bestimmtes Verhalten), die Intensität (Ener‐
gieeinsatz für das Verhalten) und die Ausdauer (Hartnäckigkeit bezüglich auftretender Widerstände“) aufgefasst wird (Kogel, 2008, S. 11). Rheinberg (2008) definiert Motivation als „aktivierende Ausrich‐
tung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (S. 15)(weitere Defini‐
tionen bei: Heckhausen, 2010, S. 3‐16; Scheffer & Kuhl, 2006, S. 9‐12). In der Literatur wird zudem zwi‐
schen „allgemeiner“ und „spezifischer“ Motivation unterschieden. Die allgemeine Motivation be‐
schreibt den grundlegenden Wunsch eines Menschen, etwas zu tun bzw. zu erreichen und ist bei je‐
dem Menschen vorhanden, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Die spezifische Motivation bezieht sich auf konkrete Zielsetzungen und Situationen und den damit verbundenen Energieeinsatz bei der Zielverfolgung (Kogel, 2008, S. 12). 2.2
Intrinsische und extrinsische Motivation Die Konzepte der “intrinsischen” und “extrinsischen“ Motivation sind vieldiskutierte Grundannahmen in der Psychologie, die weiterer empirischer Überprüfung bedürfen (Rheinberg, 2008, S. 149‐152; Schiefele & Streblow, 2005, 53f.). Dabei wird ein Verhalten als intrinsisch motiviert bezeichnet, wenn es um seiner selbst willen geschieht bzw. wenn die Person aus eigenem Antrieb handelt. Die Handlung, die aus dieser Motivation entsteht, dient der persönlichen Befriedigung und wird als interessant, span‐
nend und herausfordernd beschrieben. Faktoren wie Geld oder Status spielen keine auslösende Rolle. (Beispiel: „Meine Arbeit macht mir Spass.“). Intrinsische Motivation kann im Arbeitsalltag dadurch er‐
4 höht werden, indem Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen beteiligt und Mitarbeiterkompetenzen erweitert werden. Diese Massnahmen wirken nur nachhaltig, wenn sie langfristig angelegt sind. (Herz‐
berg, Mausner, Bloch Snyderman, 2008; Rheinberg, 2010, 368‐373; Pink, 2010). Ein Verhalten wird als extrinsisch motiviert bezeichnet, wenn der Beweggrund ausserhalb der eigent‐
lichen Handlung liegt bzw. wenn die Person von aussen gesteuert scheint. Der Mitarbeiter handelt nur, wenn die Handlung einen positiven Anreiz bietet oder hilft, negative Folgen zu vermeiden. Die Folgen der Handlung sind dabei wichtiger als der Handlungsvollzug selbst. (Beispiele: „Ich arbeite, um Geld zu verdienen.“ Oder: „Ich mache dieses Projekt, weil es sich in meinem CV gut macht.“). Die Wirkung extrinsischer Anreize nimmt im Zeitverlauf ab und muss durch Erneuerung oder Veränderung des An‐
reizes aufrechterhalten werden, sei es durch erhöhte Boni oder neue Sachprämien (Sprenger, 2010). Die beiden Motivationskonzepte lassen sich nicht immer klar voneinander trennen, sie sind vielmehr in komplexer Weise miteinander verwoben. Zudem zeigen Forschungsergebnisse, dass intrinsische Moti‐
vation in dem Moment abnimmt, in welchem extrinsische Anreize wie Geld oder Auszeichnungen an‐
geboten werden. Dies wird damit erklärt, dass damit das Gefühl der Selbstbestimmung untergraben wird und als Folge die Neigung sinkt, eine Aktivität allein wegen ihrer intrinsischen Befriedigung auszu‐
üben (Scheffer & Kuhl, 2006, S. 13f.). Flow‐Konzept Das “Flow‐Konzept” der Motivation basiert auf den Annahmen der intrinsischen Motivation. In den 1990er Jahren fand M. Csikszentmihalyi in empirischen Untersuchungen heraus, dass Menschen am glücklichsten bei der Arbeit sind, wenn sie sich im sogenannten „Flow‐Erleben“ befinden. Gemeint ist das Gefühl des selbstvergessenen, völligen Aufgehens in einer Tätigkeit. Der Mensch befindet sich in einer Art Schaffensrausch, in welchem Konzentration und Motivation in einem Status produktiver Har‐
monie münden. Er nennt folgende Komponenten, wobei nicht alle gegeben sein müssen: 1. Passung zwischen Fähigkeit und Anforderung 2. Handlungsanforderung 3. Handlungsablauf 4. Man muss sich nicht willentlich konzentrieren 5. Zeiterleben ist stark beeinträchtig 6. Man erlebt sich selbst nicht mehr abgehoben von der Tätigkeit Solche „autotelischen Aktivitäten“ (auto=selbst, telos=Ziel) müssen Anreize bieten, die in ihnen selbst und nicht in nachfolgenden Belohnungen liegen. Das bedeutet, dass die Zielsetzung in einer Handlung selbst liegt. Unterstützt wird das Flow‐Erleben durch die Passung zwischen Anforderung der Aufgabe und den Fähigkeiten des Ausführenden. Ist die Aufgabe zu schwer oder zu einfach kann sich kein Flow‐
Erleben einstellen. Zudem begünstigt die Fähigkeit zu konzentrierter Aufmerksamkeit die Herstellung 5 des Flows. Gemäss Csikszentmihalyis Studien antworteten 15% der Befragten, sie hätten noch nie ein Flow‐Erlebnis gehabt und 15% sagten, sie hätten mehrmals täglich ein Flow‐Erleben (Csikszentmihalyi, 2008; Rheinberg, 2006, S. 153‐164). hoch
Stress
Anforderungen oder
Schwierigkeitsgrad
Angst
flow
Langeweile
Apathie
Stress
niedrig
Fähigkeiten oder Interessen
hoch
Abbildung 1: Graphik modifiziert nach Csikszentimihalyi, 2010 Das Konzept ermöglicht Rückschlüsse auf die Gestaltung des eigenen Alltags und ermöglicht Führungs‐
kräften, den Einsatz von Mitarbeitern (Herausforderung und Fähigkeit) bewusster zu gestalten. 2.3
Motive Das Motiv stellt eine zentrale Variable des Motivationsprozesses dar. Motive sind die Beweggründe für unser Verhalten. Sie ermöglichen uns, bestimmte Dinge bewusst wahrzunehmen, eine emotionale Spannung bzw. Erregung zu erleben und darauf in einer bestimmten Weise zu handeln. Wie stark der Drang zu einer Handlung ist, hängt von den vorhandenen Anreizen ab. Motive einer Person sind also nicht immer gleich stark aktiviert. Motiv und Anreiz bedingen sich gegenseitig. Je nach Forschergruppe und methodischer Herangehensweise lassen sich unterschiedliche Motivlisten anführen (Holodynski, 2009, S. 272‐283). In der Forschung haben sich folgende drei Hauptkategorien, die sogenannten „Big 3“ der Motivationsforschung herausgebildet, die Motive: Leistung, Macht, An‐
schluss/Beziehung. Wir beschränken uns im Folgenden auf die Beschreibung dieser drei Motivgruppen. Ein stark machtorientierter Mensch spricht gut auf Situationen an, in denen er Einfluss nehmen und anderen überlegen sein kann. Ist dies in einer bestimmten Konstellation nicht möglich, da er beispiels‐
weise als Projektmitarbeiter in einem Team arbeitet, wird er dennoch bewusst oder unbewusst nach Gelegenheiten suchen, dieses Motiv ausleben zu können und nimmt solche Situationen, in denen das möglich ist, stärker wahr. Wenn Motiv und entsprechender Anreiz zusammentreffen, entsteht ein Zu‐
stand des Handlungsdrangs, den man Motivation nennt. 6 Nach Kurt Lewin haben Motive zwei unabhängige Tendenzen: Eine aufsuchende, die von der Hoffnung auf Zielerreichung getragen wird und eine meidende, die von der Furcht vor Zielverfehlung genährt wird. Die aufsuchende Tendenz für die drei Motive Macht, Leistung und Anschluss bedeutet Hoffnung auf Kontrolle, Hoffnung auf Erfolg und Hoffnung auf Anschluss. Die meidende Tendenz zeigt sich in der Form von Furcht vor Kontrollverlust, Furcht vor Misserfolg und Furcht vor Zurückweisung (Rheinberg, 2008, S. 42‐54). 2.3.1
Machtmotiv – Wunsch nach Dominanz, Selbstbehauptung und Stärke Es gibt unterschiedliche Definitionen von Macht und Machtmotivation. Gemeinsam ist allen Defini‐
tionen jedoch, das Streben nach Einflussnahme, Durchsetzung, Status und Autonomie. Oft auch gegen den Widerstand von anderen und wird von positiven Gefühlen wie Stärke, Überlegenheit, Stolz und Anerkennung begleitet. Das Machtmotiv ist eine expansive Kraft im Menschen, die ihn erobern und aktiv Einfluss nehmen lässt, um eigene Ideen zu verwirklichen (Kuhl, 2010, S. 285‐290; Rheinberg, 2008, S. 108; Schmalt & Heckhausen, 2010, S. 211‐253). 2.3.2
Leistung – Wunsch nach Stimulanz, Neugierde und Stolz Wie beim Machtmotiv handelt es sich beim Leistungsmotiv um ein auf Wirkung orientiertes Motiv. Es ist definiert durch das Bestreben, die eigenen Fähigkeiten in all jenen Tätigkeiten zu steigern oder mög‐
lichst hoch zu halten, in denen man einen Gütemassstab für verbindlich hält und deren Ausführung deshalb gelingen oder misslingen kann. Es ist gekennzeichnet durch das Streben nach neuen spannen‐
den Reizen, Risiken, Kompetenzen und Erfahrungen und führt zum Erleben von positiven Gefühlen wie Neugier, Interesse, Begeisterung, Lust und Spass. Das Leistungsmotiv gibt dem Menschen die Energie zu lernen und seine Fähigkeiten zu erweitern. (Brunstein & Heckhausen, 2010, 145‐192; Rheinberg, 2008, S. 59‐69; Kuhl, 2010, S. 279‐285). 2.3.3
Anschluss/Beziehung – Wunsch nach Kontakt und Zugehörigkeit Mit Anschluss sind soziale Interaktionen gemeint, die es dem Menschen ermöglichen, im Alltag mit unbekannten oder wenig bekannten Menschen Kontakt aufzunehmen und in Beziehung zu treten. Im Unterschied zum Macht‐ und Leistungsmotiv handelt es sich beim Anschlussmotiv nicht um ein wir‐
kungsorientiertes Motiv, sondern um ein erlebens‐ und seinsorientiertes Motiv. Es ist gekennzeichnet durch das Streben nach sozialem Austausch, Aufbau und Unterhalt von sozialen Beziehungen und nach Kommunikation. Es führt zum Erleben von positiven Gefühlen wie Nähe, Geborgenheit, Wärme, Si‐
cherheit, Herzlichkeit und Freundlichkeit. Das Anschluss‐/Beziehungsmotiv lässt den Menschen Nähe zu anderen suchen und in Beziehung zu ihm zu treten. (Sokolowski & Heckhausen, 2010, S. 193‐210; Kuhl, 2010, S. 290‐293). 7 2.3.4
Implizite und explizite Motive Oft geht es um unbewusste Bedürfnisse und Motive, wenn keine direkt objektiv erkennbaren Ursachen für eine Unzufriedenheit auszumachen sind. Nach McClelland beruhen implizite Motive auf früh ge‐
lernten, emotional gefärbten Präferenzen, die nichtsprachlich in unserem Erfahrungsgedächtnis ge‐
speichert sind und daher nicht mit Methoden des Selbstberichts erfasst werden können. Das Handeln wird durch Anreize und Anregungen ausgelöst, die sich unserer bewussten Kontrolle entziehen. Explizi‐
te Motive hingegen spiegeln Selbstbilder, Werte und Ziele wider, mit denen sich eine Person identi‐
fiziert und sich selber zuschreibt. Implizite und explizite Motive können entsprechend stark divergie‐
ren. Diskrepanzen zwischen impliziten und expliziten Motiven können zu Motivkonflikten führen. Dies kann in emotionalen Belastungen resultieren oder die Handlungsregulation erfordert ein erhöhtes Mass an Selbstkontrolle, was zu Überbeanspruchung bis hin zu Erschöpfung führen kann. Solchen Mo‐
tivkonflikten auf den Grund zu gehen, um bedürfnis‐ bzw. selbstkongruente Ziele definieren zu können, ist deshalb für den Erhalt der psychischen Gesundheit und für das Vorbeugen von Burn‐out von zentra‐
ler Bedeutung (Brunstein, 2010, S. 237‐255). 2.4
Motivation und Wille Lewin gelang es zu zeigen, dass Motivationsprozesse für die Handlungssteuerung viel bedeutsamer sind als Willensprozesse (Rheinberg, 2008, S. 181; Kuhl, 2009, S. 176‐179). Lange ging deshalb die Mo‐
tivationsforschung davon aus, dass sich das Handeln einer Person allein aus Motiven erklären liesse. Kuhl kam in den 1980er zu der Erkenntnis, dass eine Trennung zwischen Motivations‐ und Willens‐
phase sinnvoll ist, um den Prozess der Handlungsbildung genauer zu verstehen (Kuhl, 2001, S. 139‐
150). Ist der erste Handlungsimpuls durch ein Motiv gesetzt, folgt zur Realisierung einer Handlung ein Moti‐
vationsprozess. Da sich leider nicht alles motivierte Verhalten im glücklich machenden Flow vollzieht und wir uns oft mit Tätigkeiten abmühen, um einen besonders gewichtigen Ergebniserfolg zu sichern oder einen Misserfolg abzuwenden, stellt sich die Frage, wie wir das anstellen, etwas zu realisieren, dessen Ausführung uns eher abschreckt. H. Heckhausen und P.M. Gollwitzer entwickelten dazu 1986 ein Modell, das den gesamten Ablauf von der Wunschregung bis zur Realisierung von Zielen beschreibt, das sogenannte „Rubikon‐Modell“ (Heckhausen, Gollwitzer, Weinert, 1987). 2.4.1
Rubikon‐Modell Das „Rubikon‐Modell“ beschreibt den gesamten Motivationsprozess sehr anschaulich von der blossen Beabsichtigung einer Handlung bis zum unbedingten Wollen, das mit Entschlusskraft und Willensstärke einhergeht. Aus den vier Handlungsphasen (siehe Graphik) lassen sich konkrete Strategien zur Motiva‐
8 tionssteigerung und Willensbildung ableiten (Rheinberg, 2008, S. 184‐191; Achtzinger & Gollwitzer, 2010, S. 150‐156; Grawe, 1998, ergänzte das Modell um die Anfangsphase „Bedürfnis“; siehe auch „Bedürfniskern“ bei Kuhl, 2001, S.553f.; diesen Gedanken nahmen Storch & Krause, 2007, auf und entwickelten den Rubikon‐Prozess). Der Name des Modells leitet sich aus einer historischen Gegeben‐
heit im Jahre 49 v. Chr. ab, als Julius Caeser den Fluss Rubikon überschritt, um die verlorene Macht in Rom mit Gewalt zurückzuerobern. Nach der Überquerung des Flusses, der die Grenze zwischen Italien und der gallischen Provinz bildete, gab es für seine Legionen kein Zurück mehr. Sie mussten sich Rom zurückerobern oder untergehen. Rubikon‐Modell
Motivation
prädezisional
Fazit‐Tendenz
Abwägen
Rubikon
Intentions‐
bildung
Intentions‐
initiierung
Volitional
präaktional
Intentions‐
realisierung
Intentionsde‐
aktivierung
Volitional
aktional
Motivation
postaktional
Fiat‐Tendenz
Planen
Handeln
Bewerten
Abbildung 2: Graphik modifiziert nach Heckhausen, 2010, S. 311. Die vier Phasen der Zielverfolgung (Heckhausen, 2010, S. 310‐313): 1. Prädezisionale Phase: Abwägen von Vor‐ und Nachteilen noch nicht realisierter Wünsche. Die‐
se Phase des Wählens unterliegt einer Fazit‐Tendenz. Darunter versteht man das Streben zu einem Abschluss des Abwägens zu kommen und eine Entscheidung zu treffen. Welche Alter‐
native wir wählen hängt hauptsächlich von den persönlichen Werten und Erwartungen ab, so‐
wie der Wahrscheinlichkeit zum Erfolg zu kommen. Ist die Entscheidung für eine Handlungsal‐
ternative gefallen, ist nach Heckhausen der Rubikon überschritten. 2. Präaktionale Phase: Nachdem der Rubikon überschritten wurde ist man realisierungsorientiert und die Wahrnehmung und Perspektive verengen sich zum sogenannten „Tunnelblick“. Gleich‐
zeitig verstärkt sich der Drang zur Handlungsrealisierung. Man plant Handlungsschritte und fasst Vorsätze und man stellt sich gedanklich auf Handlungsumsetzung ein. 3. Aktionale Phase: Der Handelnde geht in eine Willensphase. Man versucht das gesetzte Ziel oh‐
ne Umwege zu erreichen, blendet widersprüchliche und nicht hilfreiche Informationen, Gedan‐
ken und Gefühle systematisch aus. 4. Postaktionale Phase: Nach Abschluss werden Erfolg oder Misserfolg und die gewählten Vorge‐
hensweisen bewertet. Es wird geprüft, welche Handlungen gegebenenfalls noch auszuführen sind, um den Handlungsverlauf zu einem Abschluss zu bringen. 9 Der Wille, die Umsetzung des Ziels in Angriff zu nehmen ist umso stärker, je grösser die Volitionsstärke (Produkt aus Wünschbarkeit und Realisierbarkeit), je attraktiver das Ziel und je höher die Wahrschein‐
lichkeit, es durch eigenes Handeln zu realisieren (Storch & Krause, 2007, S. 72). 2.4.2
Handlungskontrolle Kuhl (1987) untersuchte, welche Ursachen für Verhaltensstabilität sorgen, damit aktuelle Handlungs‐
absichten gegen andere Motivationstendenzen abgeschirmt werden. Er fand heraus, dass es sich dabei um Prozesse der Handlungskontrolle handelt. In dem daraus abgeleiteten Modell geht es vor allem darum, die Mechanismen der Volitionsphase genauer zu beschreiben, die es uns ermöglichen, einmal gefasste Vorsätze auch in die Tat umzusetzen. Jeder von uns kennt die Vorsätze für das neue Jahr und auch wie schnell sie sich wieder verflüchtigen. Auch im Alltag unterbrechen wir oft Tätigkeiten und lassen uns von Angenehmerem ablenken. Warum entscheiden wir uns dennoch, trotz stets vorhandener und zahlreicher anderer Motivationstendenzen für ein Handlungsziel und verfolgen dieses ausdauernd und beharrlich und stellen dabei andere Bedürf‐
nisse zurück? Damit eine Intention auch zur Handlung und damit zum Ziel führt, müssen wir unser Handeln entsprechend kontrollieren. Kuhl benennt verschiedene Strategien für die willentliche Hand‐
lungskontrolle (Kuhl, 1987, S. 108; Quirin & Kuhl, 2010, S. 157‐162; Rheinberg, 2008, S. 181‐184). 1. Aufmerksamkeitskontrolle: Die Aufmerksamkeit richtet sich auf Informationen, die die Inten‐
tion stützen. Alles andere wird ausgeblendet. 2. Enkodierungskontrolle: Informationen, die mit der eigenen Intention in Zusammenhang ste‐
hen, werden bewusster und vorrangig verarbeitet. 3. Motivationskontrolle: Man führt sich das positive Ergebnis vor Augen. Dies kann die Motivati‐
on gezielt steigern. 4. Emotionskontrolle: Die Beeinflussung eigener Gefühlslagen, die die Realisierung unterstützen. 5. Umgebungskontrolle: Es werden Reize entfernt, die das Durchhalten der aktuellen Absicht verhindern. 6. Sparsamkeit der Informationsverarbeitung: Vermeiden von übermässig langem Abwägen von Handlungsalternativen. Kuhl bezeichnet Menschen, denen Handlungskontrolle gelingt als „handlungsorientiert“ und diejeni‐
gen, die Probleme mit der Handlungskontrolle haben als „lageorientiert“. Volitionsprozesse ermögli‐
chen also das Überwinden von Handlungshindernissen und die Beibehaltung einer Handlungsabsicht bis zu ihrer Zielerreichung (Kuhl, 2001, 140f.). 2.5
Weitere Motivationsmodelle zur Erklärung von Arbeitsmotivation Im Folgenden soll nur kurz auf einige für die Motivation im Arbeitskontext wichtige Modelle verwiesen werden. Gerade in der Organisationsberatung und im Führungskräftecoaching scheint es mir von Vor‐
10 teil, die bekanntesten zu kennen, da diese oft in der Führungsentwicklung vermittelt werden oder als Grundlage vieler moderner Führungsinstrumente Eingang in die Unternehmen gefunden haben. Es kann an dieser Stelle nur eine grobe Übersicht gegeben werden, für detailliertere Informationen wird auf die weiterführende Literatur verwiesen. Die PSI‐Theorie baut, nebst anderem auch auf diesen The‐
orien und Modellen auf. Eine gute Übersicht bieten Ehrlich (2003), Comelli & von Rosenstiel (2009) und Kleinbeck & Kleinbeck (2009) mit Bewertung der verschiedenen Theorien und ihren Anwendungsmög‐
lichkeiten in Organisationen. Grundsätzlich lässt sich unterscheiden zwischen: Inhalts‐ und Bedürfnismodelle
Prozess‐ und Instrumentali‐
tätsmodelle
Handlungstheorien
• Bedürfnishierarchie von Maslow
• ERG‐Theorie von Alderfer
• Zwei‐Faktoren‐Theorie von Herzberg
• Leistungsmotivationstheorie von McClelland
• Risikowahl‐Modell von Atkinson
• VIE‐Theorie nach Vroom
• Gerechtigkeitstheorie nach Adams
• Flow‐Konzept von Csikszentmihalyi
• Rubikonmodell von Heckhausen
• Zielsetzungstheorie von Locke & Letham
• Handlungskontrolle nach Kuhl
• Selbststeuerung nach Kuhl (PSI‐Theorie)
Abbildung 3: Nach Heimbeck, 2009, S. 45. Die Inhalts‐ und Bedürfnistheorien beschäftigen sich mit dem Inhalt, der Art und der Wirkung von Mo‐
tiven. Sie bieten Erklärungsansätze dafür, welches Motiv ein bestimmtes Verhalten verursacht, erklä‐
ren aber nicht, wie ein Verhalten bewirkt wird. Im Gegensatz zu den Inhaltstheorien fokussieren die Prozesstheorien darauf, wie ein bestimmtes Verhalten zustande kommt und wie der Prozess der Moti‐
vation abläuft. Sie konzentrieren sich auf die Motivationsprozesse und ihre Bedeutung für ein ziel‐ und aufgabenorientiertes Leistungsverhalten und beschäftigen sich damit, wie Motivation erhalten und bewertet wird. Die Handlungstheorien beschreiben, was die Handlung aktiviert und wie Absichten um‐
gesetzt werden. 11 2.6
PSI‐Theorie von Kuhl 2.6.1
Ursprung und Entwicklung der PSI‐Theorie Viele der vorgängig vorgestellten Theorien, Modelle und Konzepte sind in die PSI‐Theorie eingegangen. Diese Theorie ist aus dem Bestreben hervorgegangen, die unterschiedlichen Grundlagen und Befunde aus der Psychologie, der Neurowissenschaft und anderer verwandter wissenschaftlicher Disziplinen in ein funktionierendes und in der Praxis anwendbares ganzheitliches System zusammenführen (Kuhl, 2001). Die PSI‐Theorie baut auf der wichtigen Erkenntnis aus der Neurowissenschaft auf, dass unser Handeln durch zwei Hauptsysteme im Gehirn gesteuert wird (Damasio, 2005): 1. Unser bewusstes Entscheidungssystem oder die analytische Intelligenz. Dieses befindet sich im linkshemisphärischen Teil unseres Gehirns, arbeitet eher langsam, verarbeitet Datenmen‐
gen sequenziell, ist präzise, sprachlich und bewusst. 2. Rechtshemisphärisch befindet sich unser unbewusstes Entscheidungssystem. Es verarbeitet riesige Datenmengen parallel und sehr schnell, ist aber unpräzis (somatische Marker) und un‐
bewusst. Wir nennen diesen Teil auch „Emotionales Erfahrungsgedächtnis“. Es ist ein Signal‐
apparat für den Organismus zur Sicherung des Überlebens: Indem wir unangenehme Körperzu‐
stände reduzieren, Schmerzen vermeiden und angenehme Situationen aufsuchen, erhöht sich unsere Überlebenschance. Die Speicherung funktioniert präverbal, d.h. nicht mit Worten, son‐
dern durch sogenannte somatische Marker. Diese sind wahrnehmbar als Emotionen (Freude, Angst) oder Körpersensationen (Wärme, Übelkeit, Herzklopfen). Die PSI‐Theorie kann man als eine Theorie der willentlichen Handlungssteuerung bezeichnen, die auf einem funktionsanalytischen Ansatz basiert, welcher Verhalten und Erleben als Zusammenspiel ver‐
schiedener psychischer Systeme erklärt, unabhängig von den Inhalten des Denkens, Fühlens oder Han‐
delns. Jedes dieser Systeme verarbeitet Informationen auf seine Art (z.B. bewusst vs. unbewusst, se‐
quenziell vs. parallel) und trägt damit zu bestimmten psychischen Funktionen bei (Kuhl, 2001, Vorwort S. 15‐21 und S. 305‐311). Diese verschiedenen Kompetenzen und Funktionen werden mit einer Test‐
batterie, der sogenannten „Entwicklungsorientierten Osnabrücker Systemdiagnostik“ erfasst (siehe Kapitel 2.6.5). 2.6.2
Die vier kognitiven Makrosysteme Die PSI‐Theorie unterscheidet vier kognitive Makrosysteme (Kuhl, 2001; Quirin & Kuhl, 2009, S. 163‐
168; Kuhl, Scheffer, Mikoleit, Strehlau, 2010, S. 84‐86): 1. Intentionsgedächtnis (IG): Das Intentionsgedächtnis ist an der Bildung und Aufrechterhaltung bewusster Absichten beteiligt und ist mit dem analytischen Denken vernetzt, das heisst, es ar‐
12 beitet logisch und sequenziell. Es ist darauf eingerichtet, geplante Handlungsschritte vorzube‐
reiten und aufrechtzuerhalten, dann zum Beispiel, wenn Absichten nicht sofort umgesetzt werden können. Tauchen Schwierigkeiten, Hindernisse oder Zielkonflikte auf wird das Intenti‐
onsgedächtnis aktiviert, um das Ziel solange aufrechtzuerhalten bis eine Lösung oder eine pas‐
sende Gelegenheit gefunden worden ist. Hier muss zuerst nachgedacht und geplant werden, bevor gehandelt werden kann. Eine wichtige Funktion ist die Verbindungshemmung zum Ver‐
haltenssteuerungssystem. Funktioniert diese nicht, wird das Verhalten zu impulsiv und unüber‐
legt. Personen, die allzu einseitig das IG aktivieren, reflektieren viel über ihre Absichten und Ideale, kommen aber schwieriger in die Handlung, es kommt zum Aufschieben oder „Verges‐
sen“. Das IG wird durch eine nüchtern‐sachliche Stimmung aktiviert. In der Testauswertung wird dieses System mit der Farbe Rot kodiert. 2. Intuitive Vehaltenssteuerung (IVS): Wenn eine Absicht umgesetzt werden soll, muss die Intui‐
tive Verhaltenssteuerung aktiviert werden. Damit das geschehen kann, muss als erstes die Hemmung zwischen IG und IVS aufgebhoben werden. Das IVS ist für die Ausführung von Ab‐
sichten und automatisierter Handlungen und Verhaltensroutinen verantwortlich und arbeitet parallel‐holistisch. Intuitive Verhaltensprogramme kommen unter anderem beim sozialen Aus‐
tausch zum Einsatz, z.B. beim „Small Talk“, Flirten oder überall dort, wo sich Menschen intuitiv aufeinander einschwingen. In solchen Situationen ist es sinnvoll, keine bewussten Absichten zu bilden und auszuführen, sondern intuitiv und spontan zu agieren. Wenn im zwischenmenschli‐
chen Austausch immer wieder bewusste Absichten gebildet werden, wird das Verhalten vom Gesprächspartner als unecht oder berechnend erlebt. Menschen, denen es nicht gelingt, Ziele umzusetzen, haben Schwierigkeiten damit, nach der Zielbildung und Planung den Zugang zur Verhaltenssteuerung wieder herzustellen. Personen mit einer dominanten IVS‐Ausprägung sind in ihrer Sprache und Handlungen eher stereotyp, das heisst sie folgen erlernten Gewohn‐
heiten, die durch übergeordnete Sinn‐ und Selbstbezüge schwer zu hemmen oder zu differen‐
zieren sind. Das IVS wird durch eine positiv‐freudige Stimmung aktiviert. In der Testauswertung wird dieses System mit der Farbe Grün kodiert. 3. Extensionsgedächtnis (EG): Dem Extensionsgedächtnis oder dem „Selbst“ wird in der PSI‐
Theorie eine zentrale Bedeutung beigemessen. Es speichert nicht nur gemachte Erfahrungen, Bedürfnisse und Werte, sondern stellt viele intelligente Funktionen bereit, die eine adäquate Zielverfolgung ermöglichen. Es verarbeitet viele Informationen parallel und weitgehend unbe‐
wusst. Es ist eng mit emotionsverarbeitenden Systemen vernetzt und sorgt so dafür, dass selbst in Konfliktsituationen eigene und fremde Bedürfnisse in umfassender Weise berücksich‐
tigt werden. Es ermöglicht das Aushalten von Widersprüchen und gegensätzlichen Emotionen. Es stellt sicher, dass der Überblick über Handlungsmöglichkeiten gewahrt wird. Wenn Ziele 13 aufgrund ungenügender Erfolgserwartung nicht weiterverfolgt werden sollen oder keine hin‐
reichenden Erfolgschancen gesehen werden, bietet das EG die Fähigkeit zur emotionalen Ablö‐
sungen von unangemessenen Zielumsetzungsstrategien oder von den Zielen selbst und ermög‐
licht es, alternative Strategien und Ziele zu finden, die den Bedürfnissen entsprechen. Das EG ist das einzige Erkenntnissystem, das Gefühle integrieren kann und ist deshalb wichtig für die Selbstwahrnehmung und die damit verbundene persönliche Sinnstiftung. „Das Extensionsge‐
dächtnis ist besonders wichtig für komplexe Entscheidungen, in denen viele Randbedingungen berücksichtigt werden müssen, aber auch für das ganzheitliche Verstehen anderer Menschen und für die Bewältigung negativer Erfahrungen.“ (Kuhl et al., 2010, S. 85). Das EG wird durch eine gelassen‐entspannte Stimmung aktiviert. In der Testauswertung wird dieses System mit der Farbe Gelb kodiert. 4. Objekterkennungssystem (OEG): Das Objekterkennungssystem ist spezialisiert auf die Wahr‐
nehmung von Einzelheiten („Objekten“), die aus dem Zusammenhang gelöst werden. Dies ist unter anderem wichtig, um Gefahren in unterschiedlichen Kontexten wieder zu erkennen. Das OES lenkt die Aufmerksamkeit auf Wahrnehmungen, die nicht im Einklang sind mit Erwartun‐
gen, Wünschen und Zielen (z.B. Unstimmigkeiten und Fehler). Negative Stimmungen aktivieren das OES und ermöglichen Risiko‐ und Gefahrenquellen aus dem Gesamtkontext herauszulösen. So werden neue Lernerfahrungen ermöglicht, die es aber immer wieder in grössere Zusam‐
menhänge einzugliedern gilt, um sie so ins EG und das Selbst zu integrieren. Dieser Austausch zwischen OES und EG ist von entscheidender Bedeutung für das persönliche Wachstum (Selbstentwicklung). In der Testauswertung wird dieses System mit der Farbe Blau kodiert. Tabelle 1: Gegenüberstellung der Hirnfunktionssysteme (aus: Quirin & Kuhl, 2009, S. 167) Intentionsgedächtnis (IG) Extensionsgedächtnis (EG)  Übersetzung allgemeiner Zielvorgaben („Wünsche“) vom EG (z.B. selbstbestimmt zu sein) in generelle Handlungspläne (z.B. in der Lerngruppe beim nächs‐
ten Mal die eigene Meinung deutlich zu vertreten)  Bewusst, sequenziell  Explizites, propositionales Wissen: Pläne, Absichten  Generierung expliziter Selbstkategorien  Entweder‐Oder‐Klassifikationen; Kontextab‐
straktion: Reduktionismus  Langsam in der Anwendung, schnelles Lernen  Emotionsentkoppelung (z.B. Affektisolierung, Ratio‐
nalisierung, Intellektualisierung)  Kein Output bei unvollständigen Informationen  Zielorientierte Aufmerksamkeit 









Vorbewusste, parallel‐holistische Verarbeitung Schnell in der Anwendung, langsames Lernen Robust gegenüber unvollständiger Information Verarbeitung entfernter Assoziationen, Kreativität, Intuition Integrierte Selbstrepräsentationen („Erfahrungs‐
landschaften“) Implizites Konfigurationswissen: Erwartungen, allg. Ziele, usw. Integration von Gegensätzen, z.B. positiver und negativer Selbstaspekte Wahrnehmung und Regulation von Emotionen Breite Aufmerksamkeit („mindfulness“, „Gewahr‐
sam“; Vigilanz) Integrative Emotionsregulation (intuitive Umbe‐
wertung) 14 Objekterkennungssystem (OES) Intuitive Verhaltenssteuerung (IVS)  Differenzierung von Figur und Grund (Verstärkung von Kontrasten, Extrahierung von Details aus dem Kontext: objektive statt erwartungsgeleitete Wahr‐
nehmung, „allozentrisch“)  Separierung der Sinne  Kategorisierung („entweder‐oder“)  Vergangenheitszentriert („Wiedererkennung“)  Eher bewusst  Aufmerksamkeit für Diskrepanzen 







Intuitive/automatische Programme, z.B. für ste‐
reotype soziale Interaktionen Kontext („Feld“‐)abhängigkeit Raumorientierung: Abgleich körperlicher Bewe‐
gungen mit Objektpositionen Konnektionistische, multimodale Integration Zentriert auf Gegenwart (Bewegungskontrolle) und Zukunft (Erwartung von Handlungsergebnis‐
sen) Übersetzung von Intentionscodes in konkrete Handlungsroutinen Räumliche Orientierung Verstärkung von Signalen, die zu einer intendier‐
ten Handlung passen 2.6.3
Positive und negative Affekte und die zwei Modulationsannahmen Eine Kernannahme der PSI‐Theorie besagt, dass positive und negative Affekte die Aktivierung der psy‐
chischen Erkenntnissysteme modulieren. Umgekehrt haben auch die psychischen Systeme eine modu‐
latorische Wirkung auf Affekte. Mit Hilfe der Modulationsannahmen können viele Probleme des Alltags erklärt, angegangen und oft auch gelöst werden. Im Hinblick auf Beratungssituationen bietet sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, auf die später eingegangen wird. 1. Modulationsannahme: Positiver Affekt bahnt den Willen Die 1. Modulationsannahme oder „Willensbahnung“ beschreibt die Interaktion zwischen Intentionsge‐
dächtnis und Intuitiver Verhaltenssteuerung (Martens & Kuhl, 2009, S. 78 ‐79). Die Hemmung positiver Gefühle aktiviert das Intentionsgedächtnis, während die Aufhebung dieser Hemmung durch positive Gefühle (von aussen oder von innen angeregt) unterstützt wird. Wenn man sich gut und sicher fühlt, dann handelt man spontan und intuitiv, ohne viel nachzudenken und zu planen. Will man seine Absich‐
ten und Pendenzen in die Tat umsetzen und nicht ständig darüber nachdenken bzw. sie sich in Erinne‐
rung rufen, so muss man im richtigen Moment positiven Affekt generieren, entweder man motiviert sich selber oder wird durch jemanden ermutigt, sodass Gewolltes ausgeführt werden kann („Willens‐
bahnung“). Kuhl et al. (2010, S. 87) fassen es folgendermassen zusammen: „Die effiziente Umsetzung eigener Absichten wird erleichtert durch den Wechsel zwischen einerseits der Fokussierung auf Schwierigkeiten (Absichtsaktivierung IG) und dem damit verbundenen Aushalten von reduziertem posi‐
tiven Affekt (Frustrationstoleranz) und andererseits der Selbstmotivierung durch das Fokussieren auf die positiven Anreize einer erfolgreichen Intentionsausführung.“ 15 2. Modulationsannahme: Negativer Affekt hemmt das integrierte Selbst Die 2. Modulationsannahme oder „Selbstwachstum“ beschreibt die Interaktion zwischen dem Extensi‐
onsgedächtnis und dem Objekterkennungssystem (Martens & Kuhl, 2009, S. 78‐79). Negative Gefühle aktivieren die auf Unstimmigkeiten und Einzelheiten spezialisierte Objekterkennung. Unter Umständen kann das dazu führen, dass man immer mehr grübelt und Unstimmigkeiten entdeckt und dem nichts Relativierendes entgegensetzt. Erst wenn es einem gelingt, negativen Affekt herab zu regulieren (z.B. durch Trost oder Selbstberuhigung) kann man sich selbst wieder spüren, das Extensionsgedächtnis (einschliesslich dem Selbst) wird aktiviert und ermöglicht einem den Zugriff auf die vielen Erfahrungen, Handlungsmöglichkeiten und Lösungsansätze. Das Extensionsgedächtnis ist essenziell für die Life‐Balance und das psychische und physische Wohlbe‐
finden. Anhaltender negativer Affekt verursacht Stress und hemmt damit den Zugang zum Selbst, den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Eine Folge kann sein, dass Absichten und Ziele gebildet werden, die nicht auf den eigenen Bedürfnisse und Werten basieren. Burnout‐Prävention und Verbesserung der Lebensbalance kann durch Selbstzugang und selbstkongruente Lebensführung gefördert werden (Kuhl et al., 2010, S. 88‐89; Strehlau, 2009). Zusammenfassend kann man sagen, dass sowohl die Selbstentwicklung bzw. Selbstwachstum, als auch die Willensbahnung abhängig sind von einem ausgewogenen Wechsel zwischen positiven und negati‐
ven Affektlagen und ihrer Herabregulierung und funktionieren am besten, wenn man diese gegensätz‐
lichen Gefühle selbst regulieren kann. Linke Hemisphäre
(bewusst)
Intentions‐
gedächtnis
Aufrechterhalten von schwierigen Absichten
Rechte Hemisphäre
(unbewusst)
Extentions‐
gedächtnis / Selbst
Kontakt zu allen persönlichen Lebenserfahrungen
Nein
Willensbahnung
Ja
Bewältigung von negativen Gefühlen?
Wiederherstellung positiver Gefühle?
Selbstwachstum
Ja
Nein
Intuitive Verhaltens‐
steuerung
Mit intuitiven Handlungspro‐
grammen
RechteHemisphäre
(unbewusst)
Objekterkennungs‐
system
Fehler, Probleme, Gefahren erkennen
Linke Hemisphäre
(bewusst)
Abbildung 4: Modulationsannahmen nach Martens & Kuhl, 2009, S. 78. 16 2.6.4
Selbststeuerung und Selbststeuerungskompetenzen Unter Selbststeuerung werden die uns geläufigen Begriffe wie „Willensstärke“ und „ Selbstdisziplin“ verstanden. Gemeint ist die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, eigene Ziele zu bilden und sie gegen innere und äussere Widerstände umzusetzen. Man könnte sie auch als Schlüsselqualifikationen oder soft skills bezeichnen. Selbststeuerung setzt sich aus den Komponenten Selbstregulation und Selbst‐
kontrolle zusammen. Gemäss Kuhl lässt sich die Selbstregulation „als eine Form der zentralen Koordi‐
nation verstehen, die wie das Oberhaupt eines demokratisch geführten Unternehmens oder Landes möglichst viele Stimmen integriert (Gedanken, Emotionen, eigene und fremde Bedürfnisse, Werte, etc.) um zu Entscheidungen und Handlungsabsichten zu kommen, die möglichst viele Selbstanteile repräsentieren, so dass auch „Stimmen“, die bislang nicht integrierbar waren, zur emotionalen kogniti‐
ven Unterstützung der Entscheidung bewegt werden können.“ (Kuhl, 2010, S. 377‐378). Der Begriff Selbstkontrolle „beschreibt die in der westlichen Welt verbreitete Auffassung vom Willen. Sie ist nicht durch die Einbindung unterstützender, sondern durch den Ausschluss vom Ziel ablenkender Kräfte charakterisiert…“ auch als „innere Diktatur“(ebd., S. 378). Selbststeuerungskompetenzen befähigen den Menschen, neue oder schwierige Situationen in dem von ihm gewünschten Sinn zu beeinflussen. Sie können erlernt und trainiert werden. Zentral ist dabei das situations‐ und zielangemessene Wech‐
seln zwischen selbstregulativen und selbstkontrollierenden Massnahmen. Dazu verhelfen (Fröhlich & Kuhl, 2003, S. 224‐228): Selbstregulation Selbstkontrolle 













Selbstbestimmung positive Selbstmotivierung Stimmungsmanagement Selbstaktivierung Selbstberuhigung Entscheidungsfähigkeit Automatische zielbezogene Aufmerksamkeit Zielbezogene bewusste Aufmerksamkeit Planungsfähigkeit Vergesslichkeitsvorbeugung Zielvergegenwärtigung Misserfolgsbewältigung Selbstdisziplin Ängstliche Selbstmotivierung Zentral ist, wie die Selbststeuerung unter Druck und Belastung funktioniert. Wie lange bleibt der Zu‐
gang zum Extensionsgedächtnis bzw. dem Selbst unter anhaltendem Druck intakt und wie stark belas‐
ten unlösbare Aufgaben oder Frustration die Zielerreichung? Dabei können Gefühlslagen selbständig oder durch Personen oder Ereignisse geändert werden. Im Umgang mit Stress ist dabei vor allem die Effizienz beim Verändern der Gefühlslagen zentral. Je grösser der Stress, desto wichtiger ist die Handlungsorientierung. Die PSI‐Theorie unterscheidet dabei zwei Arten von Stress (vgl. auch Kuhl & Alsleben, 2009): 17 1. Bedrohung = Stress bzw. Selbsthemmung nach „Misserfolgen“ 2. Belastung = Stress bzw. Willenshemmung wegen der Menge des Unerledigten (zu viel oder zu schwierig) 1. Lage‐ und Handlungsorientierung nach Misserfolg (Bedrohung) Lageorientierte Menschen bleiben nach einem Misserfolg im OES hängen und haben keinen Zugang zum Selbst und laufen deshalb Gefahr, Ziele und Lösungen zu bilden, die „selbstfremd“ sind. Sie haben Schwierigkeiten, ihren negativen Affekt nach einem Misserfolg selbständig zu regulieren und neigen dazu, sehr lange über die Gründe zu grübeln. Um aus einer solchen negativen Gefühlslage wieder her‐
auszukommen, brauchen sie entweder viel Zeit oder Beruhigung von anderen Menschen oder durch Ereignisse. Handlungsorientierte hingegen sind gut in der Lage, negative Affekte, die durch unange‐
nehme Ereignisse entstanden sind, selbständig herab zu regulieren und damit den Zugang zu ihrem Selbst aufrecht zu erhalten. Sie können aber auch Gefahr laufen, den negativen Affekt zu schnell zu hemmen und aus den gemachten Fehlern zu wenig zu lernen. 2. Lage‐ und Handlungsorientierung auf Grund von Belastung Lageorientierte Menschen denken viel darüber nach, was sie tun oder erreichen möchten, haben aber oft nicht die nötige Energie in Handlung zu kommen. Sie haben Schwierigkeiten, positiven Affekt zu erzeugen, den es für die Handlungseinleitung braucht. Sie lassen sich leicht von anderen Dingen ablen‐
ken und schieben Unerledigtes auf. Sie brauchen vermehrt Ermutigung durch jemand anderen oder durch Ereignisse. Handlungsorientierten hingegen gelingt es gut, sich selber zu motivieren (positiven Affekt nach Frustrationen wieder herzustellen) und ihre Absichten umzusetzen. Sie können allerdings dazu neigen, zu viele Ziele und Absichten auf einmal zu verfolgen. 2.6.5
Testverfahren Unter der Leitung von Prof. J. Kuhl hat sein Team an der Universität Osnabrück die Trainingsbegleiten‐
de Osnabrücker Persönlichkeitsdiagnostik (TOP) entwickelt, die auf der PSI‐Theorie basiert. Es ist eine Testbatterie mit unterschiedlichen Einzeltests. Ein wesentlicher Unterschied zu klassischen Persönlich‐
keitstests liegt darin, dass sie Persönlichkeit nicht statisch als feste Struktur erfassen, sondern als „In‐
teraktionsgefüge sich wechselseitig beeinflussender Prozesse, von denen viele einem dynamischen Wandel unterliegen“ (Kuhl & Alsleben, 2009, S. 12). Das Profil aus dem Gesamtergebnis bildet ab, wie jemand „funktioniert“, das heisst, wie er in bestimmten Situation und Stimmungen reagiert, wie er mit Stress umgeht etc. (ebd., S. 13) und ist weniger inhaltsorientiert. Ein wesentlicher Unterschied zu ande‐
ren Testverfahren ist die Messung der Zweitreaktion. Es werden nicht nur eher emotionale oder kogni‐
tive Erstreaktionen (Anlagen) erfasst, also wie jemand auf neue Situationen reagiert und mit welchem spontanen Affekt, sondern auch ob die Erstreaktion aufgrund selbstregulatorischer Prozesse angepasst 18 wird. Die Erstreaktion ist genetisch und durch frühe Erfahrungen geprägt und beeinflusst die „Brille“, durch die ein Mensch spontan auf Situationen blickt. Dabei handelt es sich aber nicht um ein Charak‐
termerkmal, wie eine Person ist, sondern um eine rasche Reaktion, die auch reguliert werden kann (Kuhl, 2001, S. 783‐851). Unter hohem Stress fällt die Selbstregulation allerdings schwer, da der Zugang zum emotionsregulierenden Hirnsystem durch das Ausschütten von Stresshormonen erschwert wird (Kuhl, 2001, S. 505‐508). Durch die Zweitreaktion wird ein dynamisches Element aktiviert, das der All‐
tagserfahrung entspricht und deterministischer Festlegung entgegenwirkt. Mit einem der in der Test‐
batterie enthaltenen Tests kann man die unbewussten Motive darstellen, was wichtige Hinweise auf das individuelle Stressempfinden oder wichtige zu bearbeitende Themen liefern kann. Die Bewusstma‐
chung impliziter Bedürfnisse ist meist ein erster grosser Schritt zur Veränderung. Da alle Ergebnisse im Zusammenhang zueinander betrachtet werden und die Dimensionen weder „positiv“ noch „negativ“ sein können, ermöglichen sie eine ressourcen‐ und entwicklungsorientierte Bearbeitung mit dem Klien‐
ten. Es können persönliche Kompetenzen und Herangehensweisen identifiziert sowie Entwicklungs‐
möglichkeiten erarbeitet werden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass es sich um eine bewusste Selbst‐
einschätzung handelt, also um ein Bild, wie sich der Klient selber sieht und weniger um eine objektive Darstellung seiner tatsächlichen Kompetenzen. Auf eine detailliertere Darstellung des TOP‐Diagnostik‐
Verfahrens kann hier nicht eingegangen werden. Ausführliche Informationen zu Inhalt, Skalen, Befun‐
den und Validierung finden sich in Kuhl & Alsleben (2009) sowie in Steinsmeier‐Pelster & Rheinberg (2003). Folgende schematische Gesamtübersicht zeigt die wesentlichen Komponenten der PSI‐Theorie mit der farblichen Kodierung, wie sie in den Testauswertungen verwendet werden. Abbildung 5: Übersicht der vier Hirnfunktionen und der Modulierung durch Affekte (Vergrösserung im Anhang) 19 2.6.6
Kritische Stellungnahme Die PSI‐Theorie von Julius Kuhl ist eine integrative Persönlichkeitstheorie, die sich durch Ressourcen‐ und Handlungsorientierung auszeichnet und sich für die Anwendung in der Praxis sehr gut eignet. Im Coaching dienen die Erkenntnisse nicht nur als diagnostisches Instrument und zur Hypothesen‐
bildung, sondern auch als Interventionsinstrument. In den letzten vier bis fünf Jahren sind einige Bü‐
cher für den Anwendungsbereich aus dem Umkreis von Prof. Kuhl verfasst worden (siehe Literaturver‐
zeichnis), es finden sich aber nur wenige Methoden für das Coaching oder Training. Für die Förderung der Selbststeuerungskompetenzen eignet sich besonders das Zürcher Ressourcen Modell von Storch & Krause (2007), das als Selbstmanagement‐Training für Gruppen und für das Einzelcoaching konzipiert wurde. Besonders geeignet ist das darin entwickelte Projektionsverfahren zur Ermittlung unbewusster Bedürfnisse und Motive. Ebenso bietet die systemische Beratung viele Methoden, wie die verschiedenen kognitiven Systeme aktiviert und an Selbststeuerungskompetenzen gearbeitet werden kann. Gestaltmethoden und hypno‐
therapeutische Ansätze ermöglichen Aufmerksamkeitsfokussierung und Aktivierung von Ressourcen. Eine Methodenübersicht gibt es nicht und würde nur in Kombination mit Anwendungsgebieten (z.B. Führungscoaching, Laufbahnberatung, Lernberatung) Sinn machen. Auf Grund der Tatsache, dass weder die Theorie noch das Testverfahren breit bekannt sind, braucht es viel Überzeugungskraft, Firmenkunden von einer Anwendung zu überzeugen. Die Inhalte sowie die Test‐Ergebnisse lassen sich zudem nicht mit simplifizierenden Mitteln darstellen (im Vergleich zu ver‐
einfachenden Typologisierungen). In diesem Sinne wäre eine breitere Vermittlung dieses Wissens an Universitäten und bei Weiterbildungen im Personalbereich, Laufbahnberatung, Coaching & Super‐
vision, Pädagogik, etc. sehr wünschenswert. 3
Praxisfeld: Anwendung in der Beratungspraxis 3.1
Beratungs‐ bzw. Beraterverständnis Mein Selbstverständnis als Beraterin basiert auf theoretischem Wissen zu verschiedenen Therapieschu‐
len, Organisationslehren, Konflikt‐ und Kommunikationstheorien, wie sie im MAS SCO vermittelt wer‐
den und ihrer praktischen Anwendung (Lippmann & Ullmann‐Jungfer, 2011). Mein zusätzlich erworbe‐
nes Wissen aus anverwandten Gebieten wie der Neurowissenschaft, Motivations‐ und Lernpsychologie gepaart mit meiner langjährigen Berufserfahrung in unterschiedlichen Führungsrollen im Profit‐ und Non‐Profit‐Bereich wird ergänzt durch laufende Weiterbildung sowie Bearbeitung von Fällen in Intervi‐
sions‐ und Supervisionsgruppen. Der Klient, der mit einem Auftrag oder Veränderungswunsch in die Beratung kommt, hat Anspruch auf eine kompetente und an seinen Bedürfnissen ausgerichtete Bera‐
20 tung, die effizient, zielführend, anregend und kreativ gestaltet ist. Ich verstehe mich dabei als Prozess‐
begleiterin, die mit der „Expertise des Nicht‐Wissens“ (Buchinger & Klinkhammer, 2007), Interventio‐
nen und Abläufe auf Hypothesenbildung basierend plant, sich jedoch offen auf den Prozess einlässt und jede Situation als Realität des Klienten wahrnimmt, empathisch, akzeptierend und wertschätzend, dabei gleichzeitig darauf achtet, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und eine eigene Position ein‐
zunehmen. In meiner Rolle versuche ich dem Klienten möglichst viele Änderungsinterventionen anzu‐
bieten, die Perspektivenwechsel, Ressourcenaktivierung und Zielbildung ermöglichen, mir dabei jedoch nie anmasse zu wissen, welcher Schritt für den Klienten der richtige bzw. nützlichste ist (Schmidt, 2010; Bamberger, 2005). Dies gelingt mir in Organisationsberatungen, in welchen das Kundensystem oft nach Expertenwissen verlangt, nicht durchgängig. Mein Menschenbild ist geprägt von der humanistischen Psychologie. Ich bin der Überzeugung, dass der Mensch ein eigenverantwortliches Wesen ist und alle Ressourcen zur Lösung in ihm vorhanden sind und dass Sinnerleben bzw. Sinnstiftung (Frankl, 1982; Fromm, 2009) und das Erleben von Selbstwirksamkeit (Antonowsky, 1987) existentiell für die psychi‐
sche Gesundheit und ein zufriedenes Leben sind. Zudem basiert mein Coaching‐Fundament seit der Auseinandersetzung mit den Themen Persönlichkeit und Motivation auch auf den Erkenntnissen der Neurowissenschaft (Damasio, 2005; Roth, 2009). Mein Methodenrepertoire ist noch im Aufbau. Ich bediene mich der Fragemethoden aus dem systemisch‐lösungsorientierten und hypno‐systemischen Ansatz (Schmidt, 2010) und der gewaltfreien Kommunikation (Rosenberg, 2005), arbeite gerne mit Methoden aus der Gestalttherapie und wende zunehmend die Methoden des Zürcher Ressourcen Mo‐
dells (Storch & Krause, 2007) an sowie spezifische Verfahren bei der Umsetzung von Absichten wie das Mentale Kontrastieren von Oettingen (1997) oder die Methode der Wenn‐Dann‐Vorsätze von Faude‐
Koivisto & Gollwitzer (2011). Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass die Interventionen je nach Thema und Phase sowie Präferenz des Klienten, einmal anregend‐kreativ, kompetenz‐ oder aufmerk‐
samkeitsfokussierend, lust‐ und humorvoll , etc. sein können. Die Beziehung zwischen Berater und Klient sollte partnerschaftlich geprägt sein, man sollte sich auf gleicher Augenhöhe begegnen. Eine vertrauensvolle und empathische Haltung gegenüber dem Klienten, ermöglicht es diesem sein „Selbst“ zu aktivieren und so Kontakt zu eigenen Bedürfnissen und Werten herzustellen, die eine lösungsorien‐
tierte Selbstreflexion ermöglicht. In diesem Sinne fühle ich mich für den Prozess und meine eigene Kompetenz (Selbstreflexion) verantwortlich und bin der Überzeugung, den Klienten entsprechend för‐
dern und fordern zu können. 3.2
Anwendungsbeispiele Im Folgenden wird ein Beratungsmandat ausführlich dargestellt und reflektiert und in Beziehung zur PSI‐Theorie gesetzt. Dabei geht es darum, die Nützlichkeit der Theorie im Hinblick auf den berateri‐
schen Alltag zu überprüfen, sowie in Anwendung der Theorie geeignete Interventionen und Methoden 21 auszuprobieren. In den letzten fünf bis sechs Monaten konnte ich die Theorie hauptsächlich im Einzel‐
coaching anwenden. Zusätzlich war es mir in einer Teamentwicklung mit dem Thema „Motivation und Ressourcenmanagement“ möglich, Aspekte aus der Theorie mit einzubinden. Das nachfolgend darge‐
stellte Einzelcoaching habe ich in 4 Phasen unterteilt. Pro Sitzung fasse ich die wesentlichen Punkte zusammen und führe, wo es mir als zentral erscheint, gewisse Dialoge aus. In einem Abschnitt „Meine Interventionen“ erläutere ich die wichtigsten Interventionen und reflektiere anschliessend die gesamte Sitzung im Abschnitt „Meine Reflexion“ und setze sie zur PSI‐Theorie in Beziehung. In einem anschlies‐
senden Kapitel werden weitere Methoden in anderen Beratungsmandaten kurz skizziert und als Ergän‐
zung ein Teamentwicklungsworkshop summarisch dargestellt, vor allem zur Verdeutlichung zusätzli‐
cher Anwendungsmöglichkeiten. Obwohl die PSI‐Theorie für mich neu war und ich sie erstmalig im Zusammenhang mit der Master‐
Arbeit anwendete, konnte ich mich dennoch recht schnell von ihrer Nützlichkeit und Anwendbarkeit überzeugen. Inzwischen ist sie ein fester Bestandteil meiner beraterischen Praxis. Aus den bisher ge‐
machten Erfahrungen habe ich für mich einen Leitfaden entwickelt, den ich im Fazit am Ende des Kapi‐
tels darlege. 3.2.1
Einzelcoaching – Berufliche Standortbestimmung/Neuorientierung Übersicht der Coachingsitzungen: Es ist anzumerken, dass sich die einzelnen Phasen nicht strikt vonei‐
nander abgrenzen lassen, sich vielmehr überlappen. Phase Sitzungen Phase 1: Erstgespräch: 18.11.10 Ausgangslage, Beziehungsaufbau, Anliegen 2. Sitzung: 3.12.10 PSI‐Test, Contracting Phase 2: 3. Sitzung: 21.12.10 Selbstzugang fördern, Identitäts‐/Haltungsziel entwickeln 4. Sitzung: 7.1.11 Selbstwahrnehmung, Ressourcenaufbau 5. Sitzung: 17.1.11 Ressourcenaufbau und Verankerung 6. Sitzung: 25.1.11 „Notfall“‐Telefonat 7. Sitzung: 31.1.11 Ressourcen aktivieren, Situationsanalysen 8. Sitzung: 14.2.11 Ideen entwickeln 9. Sitzung: 28.2.11 Ideen konkretisieren 10. Sitzung: 28.3.11 Berufsziele konkretisieren 11. Sitzung: 26.4.11 Abschluss & Ausblick Phase 3: Phase 4: Inhalt 22 Phase 1: Ausgangslage, Beziehungaufbau, Anliegen, PSI‐Test, Contracting 1. Sitzung: 19. November 2010 Ein 36‐jähriger Mann nimmt mit mir Kontakt auf, weil er mit seiner gegenwärtigen Lebenssituation unzufrieden ist und das Gefühl hat, den falschen Beruf auszuüben. Er hat eine betriebswirtschaftliche Ausbildung und ist seit seinem Universitätsabschluss in unterschiedlichen Unternehmensberatungen tätig. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet er auf einem grösseren Change‐Projekt in der Projektsteuerung. Er wurde kürzlich Vater, was ein weiterer Anstoss für ihn ist, sich mit seiner beruflichen und privaten Zukunft auseinanderzusetzen. Er hat das Gefühl, das Falsche studiert zu haben und auf dem „falschen Dampfer“ zu sitzen. Er weiss nicht, wie er herausfinden kann, was er beruflich machen möchte und wie es privat weitergehen soll, da er in der Beziehung schon länger nicht mehr glücklich ist, und auch hier Klarheit gewinnen will. Er fühlt sich überlastet und hat wenig Energie, sich den Themen zu stellen bzw. sich mit ihnen auseinanderzusetzen und möchte deshalb von jemand Professionellem unterstützt wer‐
den. Ihm ist es ein Anliegen, sein Leben „in Ordnung“ zu bringen und ihm wieder eine Richtung zu ge‐
ben. Ziel: Als primäres Ziel des Coachings definiert er die berufliche Neuorientierung: Die Neuausrichtung müsse mit seinen Werten im Einklang stehen, er möchte herausfinden, was das „Eigene“ ist. Im Moment kann er nur sagen, was er an der jetzigen Arbeit nicht mag. Er hätte schon viel darüber nachgedacht, was ihn sonst reizen könnte, doch seit längerem fühle er sich wie blockiert und nichts löse richtig Freude aus. Auf meine Nachfrage, wie zentral und kritisch das private Thema sei, meinte er, dass er vor allem die berufliche Situation angehen wolle und das Private im Moment nicht kritisch sei, für ihn durch die Ge‐
burt seiner Tochter jedoch auch zu einem Thema geworden ist, das er nicht „schleifen lassen“ wolle. Er möchte insgesamt mehr Zugang zu seinen Gefühlen herstellen. Er fühle im Moment nicht, was er will und was ihm gut tue. Vorcontracting: Wir einigen uns, die beruflichen Aspekte in den Fokus zu stellen und wo nötig und dringend, andere Themen mit einzubeziehen. Ich schlage ihm zum Einstieg den PSI‐Test vor und erläutere ihm kurz, was mit dem Test gemessen wird und wie wir mit den Ergebnissen arbeiten werden. Er zeigt sich dem sehr aufgeschlossen und wir einigen uns darauf, im Anschluss an die Besprechung des Tests das „finale“ Contracting zu machen. 23 Meine Interventionen: In der ersten Sitzung versuche ich jeweils, mich auf den Klienten einzuschwingen und mich auf das Erleben des Klienten einzustellen (Schmidt, 2005, S.89f.), indem ich Empathie gebe, Anerkennung sei‐
ner gegenwärtigen Situation zeige. Mittels „öffnender Fragen“ versuche ich, Ressourcen zu aktivieren, Selbstäusserungen zu ermöglichen und erste Unterschiede zu jetzigen Realitäten anzubieten (Aktivie‐
rung des Extensionsgedächtnisses/EG). Folgende und ähnliche Fragen setzte ich in dieser Sitzung ein: „Ist das für Sie heute eine Premiere?“ – „Was könnte Ihrer Meinung nach im besten Falle hier erreicht werden?“ – „Sie haben mir Ihren Wunsch nach Veränderung und beruflicher Neuorientierung beschrieben und dass es Ihnen derzeit nicht einfach fällt, Energie dafür aufzubringen. Mich interessiert: Was haben Sie bisher versucht, um die Situation zu verändern? Was davon hat bereits funktioniert? Was war ein wichtiger Schritt in die gewünschte Richtung? “. Meine Reflexion: Mir sitzt ein junger, sympathischer, sehr charmanter und sprachgewandter Mann mit einer positiven und gewinnenden Ausstrahlung gegenüber, der eine grosse Bereitschaft zeigt, sich mit sich selber und seiner gegenwärtigen Situation auseinanderzusetzen. Trotz seiner positiven Ausstrahlung steht er un‐
ter einem beträchtlichen Leidensdruck, der seine Lebensqualität beeinträchtigt. In der ersten Sitzung war es mir wichtig, mich auf ihn einzuschwingen, Empathie zu zeigen, seine Probleme und seine bisher unternommenen Anläufe wertzuschätzen. Seine Äusserungen, dass er im Moment seine Gefühle kaum spürt und sich überfordert fühlt, sind für mich ein Hinweis darauf, dass sein Zugang zum Extensionsge‐
dächtnis blockiert ist und er stark mit dem OES und IG an Dinge herangeht. Deshalb war es mir wichtig, bereits in diesem ersten Gespräch seine Ressourcen zu aktivieren mittels Fragen, die seine Aufmerk‐
samkeit auf bereits vorhandene Kompetenzen und auf Lösungen richten (Schmidt, 2010). Die private Situation schien mir nicht ganz unproblematisch und ich stellte mich darauf ein, dass das eine oder andere thematisiert werden könnte. Ich wollte dies im Auge behalten. 2. Sitzung: 3. Dezember 2010 Nach einem Einstieg über die allgemeine Befindlichkeit und der Frage, wie es mit dem Test gelaufen ist, steigen wir in die Besprechung der Test‐Ergebnisse ein (Test‐Ergebnis, siehe Anhang). Ich gebe eine kurze Einführung in die PSI‐Theorie und erläutere die Hirnfunktionssysteme anhand von Metaphern. Das EG als Bibliothek (gelb), das IG als Planungsbüro (rot), das OES als Prüflabor (blau) und die IVS als Werkstatt (grün) und erkläre, dass wir je nach Aufgabe oder Situation unterschiedliche Herangehens‐
weisen haben. Die Ergebnisse bilden bevorzugte Herangehensweisen ab, die sich situativ unterschied‐
lich darstellen können. Ausserdem erläutere ich, dass es bei der Betrachtung der Ergebnisse kein gut 24 oder schlecht gibt, sondern jede Ausprägung ihre Vor‐ und Nachteile haben kann und es je nach Situa‐
tion darauf ankommt, wie nützlich uns unser Verhalten in der gegenwärtigen Lebenssituation er‐
scheint. Wir starten mit der Besprechung der Motivausprägungen und vergleichen sie mit der Ausprä‐
gung der unbewussten Motive, die einen Hinweis darauf geben können, ob Motivkonflikte existieren. Eine Bewusstmachung von Motiven sowie eine Motivklärung sind meist ein erster grosser Schritt in der Lösungsfindung. Das Beziehungsmotiv ist beim Klienten am stärksten ausgeprägt und mit dem unbe‐
wussten Motiv sehr kongruent. Das Leistungsmotiv zeigt sich in seiner unbewussten Ausprägung als deutlich stärker verglichen mit der bewussten Wahrnehmung. Das Gleiche gilt in einem noch stärkeren Mass für das Machtmotiv, das bewusst sehr niedrig ausgeprägt ist, unbewusst als das stärkste Motiv erscheint. Ich erläutere meinem Klienten, dass diese unbewussten Motive Kraftquellen darstellen und wenn wir herausfinden, was die innersten Motive (unbewussten Bedürfnisse) sind, sich diese auch müheloser verwirklichen lassen. Der Klient war sehr darüber erstaunt, dass sein unbewusstes Machtmotiv eine so starke Ausprägung hat. Er erklärt es damit, dass er so erzogen wurde und er persönlich Menschen, die Macht demonstra‐
tiv ausleben nicht mag. Innerlich spüre er schon, dass er etwas bewirken möchte, traue es sich aber nicht zu. Im Berufsalltag nimmt er sich auch meist zurück, auch bei Aufgaben, die ihn ansprechen, und die er sich auch durchaus zutrauen würde. Er ist dann schnell verunsichert und weiss nicht, ob er es kann und wirklich will. Ausserdem ist ihm ein harmonisches Umfeld wichtiger, als sich in jedem Fall durchzusetzen, was sich auch in seinem stark ausgeprägten bewussten und unbewussten Beziehungs‐
motiv widerspiegelt. Dennoch ist er in vielen Situationen nicht zufrieden, in denen er sich einfügen muss und leidet still darunter. Ihm fehlt oft der Glaube an sich selbst, weswegen er Situationen aus dem Weg geht, in denen es auf ein Kräftemessen hinausläuft oder in welchen er sich positionieren müsste. Bei der bevorzugten Herangehensweise beim Ausleben der Motive zeigt sich, dass der Klient sehr nied‐
rige Werte im Extensionsgedächtnis hat, also wenig Zugang zum „Selbst“ zeigt. Er bestätigt dieses Er‐
gebnis mit der Selbstaussage, dass er seine Gefühle wenig spürt. Dies ist auch der Hauptgrund, warum es ihm im Moment schwer fällt, die für ihn richtigen Aufgaben und Ziele zu wählen. Er spüre Gefühle wie Freude und Liebe eigentlich nur gegenüber Menschen, die ihm nahe stehen. Meine Erläuterungen gehen weiter: Vermutlich erledige er im Moment Aufgaben gerne routiniert und intuitiv (mit dem IVS/grün). Seine Arbeitsweise sei geprägt von Sorgfalt, die bis zum Perfektionismus gehe, Fehler und Misserfolgsmöglichkeiten sähe er rechtzeitig (viel OES/blau). Grundsätzlich zeige er zur Zeit vermutlich eher wenig Anstrengungsbereitschaft und bliebe lieber bei Geübtem und Bekann‐
tem (wenig IG/rot). Da er wenig Perspektiven sähe brächte er vermutlich auch wenig Durchhaltever‐
mögen mit, was wiederum zu wenig Erfolgsergebnissen führe und sich in einem geringen Selbstwirk‐
25 samkeitserleben zeige (geringes IG). In hierarchischen Strukturen hielte er sich sehr zurück und liesse andere aktiv werden und sich entfalten, was ihn zu einem sehr angenehmen Mitarbeiter und Arbeits‐
kollegen mache (geringes EG/gelb). Er bestätigt diese Beobachtung und bezeichnet die Situation als „Teufelskreis“ aus dem er unbedingt ausbrechen möchte. Er lasse sich bei der Durchsetzung eigener Interessen sehr leicht verunsichern, was ihm im Berufsalltag oft Frust bereite, den er nach aussen aber nie zeige. Ich wechsle zum Beziehungsmotiv und gebe ein paar Interpretationen zu seinem Umsetzungsstil. Er wirke in sozialen Situationen menschlich und authentisch, könne andere begeistern und sich situati‐
onsgerecht mit den eigenen verbalen und non‐verbalen Ausdruck auf andere reagieren, manchmal bisweilen gar impulsiv und nicht immer diplomatisch (hoher IVS‐Anteil). Er könne schwierige Bezie‐
hungen reflektieren mit der Neigung manchmal strategisch planend vorzugehen (hoher IG‐Anteil). Er reagiere sensibel auf Äusserungen und Signale anderer Menschen und nähme Unstimmigkeiten und Probleme schnell wahr. Wegen seines Strebens nach Harmonie und Sicherheit, bringe er nur sehr zu‐
rückhaltend Kritik an anderen an. Selber fürchte er sich vermutlich vor Kritik und möglicher Ablehnung (hoher OES‐Anteil). Im Moment lasse er anderen in Beziehungen viel Raum und nähme seine eigene Person nicht so wichtig (geringer EG‐Anteil). Deshalb fehle ihm zur Zeit, das Gespür für eigene Bedürf‐
nisse und die Wünsche anderer sowie die Fähigkeit, flexibel darauf zu reagieren. Er bestätigt diese Hy‐
pothesen und meint, dass er wisse, dass er bei den meisten Menschen gut ankomme und dies haupt‐
sächlich daher rühre, dass er grosse Angst vor Abweisung und Kritik habe und sich deshalb viele Ge‐
danken mache, was von ihm in Beziehungen erwartet werde und wie er sich am besten verhalte. Es falle ihm schwer, einfach sich zu sein, ausser bei seiner kleinen Tochter. Bei der Betrachtung der Graphik der Selbststeuerungskompetenzen fällt es mir schwer ressourcenori‐
entiert die positiven Aspekte zu beleuchten, da die Werte alle sehr tief sind. Der Klient empfindet ein hohes Mass an Stress (Belastung und Druck) und seine Selbststeuerungskompetenzen reichen für die Bewältigung der gegenwärtigen Lebenssituation nicht aus. Die meisten der dreizehn gemessenen Items sind unter dem Mittelwert. Die geringe Selbstbestimmung erschwert es dem Klienten, die für ihn rich‐
tigen Aufgaben und Ziele zu wählen, weswegen er auch Gefahr läuft, sich von anderen fremd bestim‐
men zu lassen. Er bestätigt meine Hypothese, dass er sich vermutlich schwer tue mit Energie, Freude und Kreativität eigene Ziele zu bilden und zu verfolgen. Meine Aussage, dass es in Phasen des Um‐
bruchs zu solchen Instabilitäten kommt ganz normal sei (Kruse, 2004) und dass die vielen Blau‐Anteile förderlich seinen für einen Lernprozess. Grundsätzlich seien die Selbststeuerungskompetenzen gut trainierbar. Diese Erklärung bestärken ihn im Vorhaben, sich durch diese Phase der Unsicherheit zu begeben. 26 Contracting: Nachdem wir uns ausführlich mit den Ergebnissen auseinandergesetzt hatten und der Klient viele Bei‐
spiele aufführte, die die Testergebnisse untermalten schlug ich ihm vor, dass er dieses Gespräch und die Ergebnisse nochmals setzen lasse und wir in der nächsten Sitzung besprechen, wie das Coaching gestaltet werden könnte. Meine Interventionen: In dieser Sitzung ging es mir in der Hauptsache darum, mit dem Klienten ressourcenorientiert die Er‐
gebnisse zu besprechen und so eine weitere Möglichkeit des empathischen Spiegelns zu ermöglichen. Dabei formulierte ich die Ergebnisinterpretationen als Hypothesen und brauchte viele Konjunktive oder Einschränkungen wie „zur Zeit“, „ist es Ihnen bis jetzt nicht gelungen“, „könnte vermutlich“, „scheint…“, etc. So zum Beispiel: „ In der Beziehungsgestaltung scheint es Ihnen wichtig zu sein…, und die rote Säule könnte so interpretiert werden, dass Sie viel über Beziehungen reflektieren und nach‐
denken. Die blaue Säule ist ein Hinweis darauf, dass Ihnen Harmonie und Sicherheit in der Beziehung sehr wichtig sind. Das kann natürlich auch hin und wieder dazu führen, dass Sie Ihre Bedürfnisse zu‐
rückstellen oder nur sehr zurückhaltend Kritik an anderen anbringen.“ etc. um auch Fragen anzu‐
schliessen wie: „Bisher ist es Ihnen nicht so oft gelungen, Ihre Gefühle zu spüren. In welchen Momen‐
ten gelingt es Ihnen am ehesten?“ oder „Ich spiegele Ihnen, was ich wahrnehme: Bei meiner Äusse‐
rung, dass Sie bei den Motiven Leistung und Macht unbewusst eine viel stärkere Ausprägung zeigen und dies eine Kraftquelle darstellt, zeigte sich in Ihrem Gesicht und Ihrer Körperhaltung Erleichterung und eine Art verhaltenes Strahlen.“ Oder: „Als ich die Vermutung äusserte, dass Sie sich in hierarchi‐
schen Strukturen wohl eher zurückhalten und anderen den Vortritt lassen und dies sicher von vielen wertgeschätzt werde, bejahten Sie das mit der Ergänzung, dass die anderen dies zwar wertschätzen, es für Sie aber nicht wirklich befriedigend sei. Könnte ein Grund vielleicht darin liegen, dass Sie sehr stark auf Unstimmigkeiten (OES) achten und sich oft stark darauf fokussieren, wo Ihre Grenzen sind und Sie sich dadurch selber verunsichern?“ – „Genau.“ – „ In welchen Situationen gelingt es Ihnen, diese Unsi‐
cherheit etwas abzulegen?“ oder „Wie geht es Ihnen in Momenten, in welchen Sie Ihre Gefühle spü‐
ren?“ – „Ich bin bei mir, ich spüre eine Kraft, eine innere Ruhe, dann sehe ich viel klarer und denke, dass ich weiss, wer ich bin und was ich will, aber das verschwindet oft schnell wieder.“ – „Sie spüren eine Klarheit und Stärke?“ – „Ja“ – „Und eine innere Ruhe?“ – „Ja“ – „Was halten Sie von dem Vor‐
schlag, dass ich Ihnen Übungen mit nach Hause gebe, die Sie dabei unterstützen, sich selber gut wahr‐
zunehmen, so wie Sie das eben geschildert haben?“ – „Ja, ich denke, das ist es, was ich brauche.“ – „Natürlich braucht es Übung und es wird Ihnen nicht immer gleich gut gelingen, aber wir fangen mit ganz einfachen Übungen an, wären Sie einverstanden damit?“, etc. 27 Wir einigen uns auf Übungen zur Förderung des Selbstzugangs und der Selbstwahrnehmung. Als erste Hausaufgabe schreibt der Klient ein Tagebuch, in welchem er nach Möglichkeit jeden Tag stichwortar‐
tig festhält, wie er den Tag insgesamt empfunden und wie er sich in spezifischen Situationen gefühlt hat. Ausserdem bitte ich ihn, sich jeden Tag gefühlsmässig für eine Kravatte zu entscheiden und zu versuchen, sich wo immer sich die Möglichkeit ergibt, mit dem Gefühl ein Gericht, ein Buch, ein Musik‐
stück etc. auszusuchen. Meine Reflexion: In der Vorbereitung auf die Sitzung analysierte ich die Testergebnisse und strich ein paar Angelpunkte heraus, die ich mit dem Klienten besprechen wollte. Ich war etwas erstaunt, dass sein EG‐Anteil so niedrig war. Ich merkte auch in anderen Beratungssituationen, dass Menschen mit einem hohen IVS in der Beziehungsgestaltung sehr positiv wirken. Sein als hoch empfundenes Stressempfinden erstaunte mich nicht, bereits im Vorgespräch war deutlich herausgekommen, dass er im Moment an vielen The‐
men herum studiert, jedoch keine Lösungen sieht und sich dadurch noch mehr blockiert. Sein hoher IVS‐Anteil in der Beziehungsgestaltung und Leistungsausübung ermöglichen ihm eine angenehme und gewinnende Interaktion mit anderen Menschen zu haben, seine zurückhaltende Art (geringes Macht‐
motiv, das hauptsächlich mit dem OES umgesetzt wird) ruft zudem keine Konkurrenzgefühle bei ande‐
ren hervor. Aufgrund meiner Hypothesen, die ich aus dem Erstgespräch, dem Kontextfragebogen so‐
wie den Testergebnissen bilde, möchte ich das Coaching in drei Phasen unterteilen: 1. Selbstwahrnehmung /Zugang zum EG stärken: Arbeit mit somatischen Markern, Körperwahr‐
nehmung, Embodiment 2. Bewusste und unbewussten Bedürfnisse und Motive mittels Bildprojektionen, Zukunftsträu‐
men (Wunderfrage, etc.) eruieren und Ableitung eines Identitäts‐/Haltungsziels. Dieses veran‐
kern (Multi‐Kodierung, Priming) und Einübung zielgerichteten Handelns (ZRM®‐Methode) 3. Konkretisierung Berufswahl: Berufsrelevante Stationen, Kompetenzen/Fertigkeiten, Berufsziel und konkrete Schritte Da die Besprechung den Klienten jedoch sichtlich bewegt hatte, entschied ich noch während der Sit‐
zung, sowohl das Vorgehen, als auch das „finale“ Contracting auf die nächste Sitzung zu verschieben. Ich war positiv überrascht, dass sich der Klient in allem wiederfand und führte es darauf zurück, dass die PSI‐Theorie und der daraus abgeleitete Test gerade bei stark analytisch veranlagten Personen sehr gut ankommt. Die Besprechung der Testresultate ermöglichten dem Klienten nicht nur emotionale Entlastung durch Selbstäusserung und Ergänzung durch Beispiele aus der Gegenwart und der Vergan‐
genheit, sondern auch die Aktivierung von Ressourcen und dadurch das Erfahren von Unterstützung und Ermutigung. Beim Thema der wenig vorhandenen Selbstwahrnehmung bestätigte er dies und er‐
klärte, dass das mit seiner Kindheit zu tun habe, wo wenig auf seine Gefühle eingegangen wurde und er 28 sie immer als nicht so wichtig erachtet hat. Die Diskussion über das Machtmotiv war mir auch aus Ge‐
sprächen mit anderen Klienten bekannt. In unserem Kulturkreis ist das Wort Macht bei vielen mit star‐
ken negativen Assoziationen verbunden und viele scheinen diese Anteile in sich auch verdrängen zu wollen. Ich gewöhne mir für die Zukunft an, das Wort Macht mit der englischen Übersetzung „power“ zu ergänzen und stärker die positiven Aspekte, wie Autonomie und Freiheit hervorzuheben. Gleichzei‐
tig möchte ich die Klienten aber auch mit ihrer Wahrnehmung konfrontieren und sie zum Nachdenken anregen, woher die Abneigung stammt und was sie Positives im Negativen sehen. Phase 2: Selbstzugang fördern, Identitäts‐/Haltungsziel entwickeln, Ressourcen aufbauen und aktivieren 3. Sitzung: 21. Dezember 2010 Ich steige ein mit der Frage nach der allgemeinen Befindlichkeit. Mein Klient gibt zum Ausdruck, wie stark ihn die letzte Besprechung berührt hatte, er habe viel darüber nachgedacht und sich in allen Aus‐
sagen wiedererkannt. Er habe verstanden, dass in ihm viele Energien und Fähigkeiten schlummern, die er nun aktivieren möchte. Er habe für sich erkannt, dass es zentral für ihn sei, sein „Eigenes“ zu finden. Ich schlage ihm vor, dass wir, bevor wir uns dem Thema Berufswahl konkret nähern, zunächst an seiner Selbstwahrnehmung arbeiten. Mehr Selbstzugang und Selbstgespür sei eine wichtige Voraussetzung, um zu ergründen, was die tiefsten Bedürfnisse sind und was das Eigene ist. Er stimmt diesem Vorgehen zu. Ich frage ihn, wie es mit dem Tagebuchführen und den anderen Hausaufgaben (gefühlsmässige Aus‐
wahl von Gerichten, Kleidern, etc.) gelaufen sei. Er habe nicht jeden Tag Tagebuch geführt, aber doch versucht, sich regelmässig Notizen zu machen. Er versuche gefühlsmässig Kleider etc. auszuwählen, vergesse es aber schlicht auch, da er vieles automatisiert habe und es am Morgen einfach schnell ge‐
hen müsse. Es falle ihm nach wie vor schwer, seine Gefühle im Berufsalltag abzurufen. Es gelingt ihm besser, wenn er Zeit habe, sich darauf einzulassen, z.B. wenn er zuhause Musik hört. Auf meine Frage, wann es ihm helfen würde, seine Gefühle abzurufen, meinte er „In beruflichen Situationen, wenn ich einen anderen Standpunkt habe als mein Vorgesetzter. Da ärgere ich mich innerlich, wenn ich einfach klein beigebe. Ich zeige es nicht und verdränge es anschliessend, aber es frustriert mich.“ – „Was ärgert Sie da genau?“ – „ Dass ich das Gefühl habe, dass meine Meinung nicht zählt und man mich nicht res‐
pektiert.“ – „Haben Sie in einer solchen Situation auch schon anders gehandelt?“ – „Ja, letzthin hatte ich einen sehr guten Tag und war ausgesprochen guter Laune. Da hatte ich den Mut, meine Meinung zu sagen und blieb innerlich ganz ruhig. Ich nahm mir vor, mich nicht aufzuregen und provozieren zu lassen. Erstaunlicherweise reagierte mein Vorgesetzter für seine Verhältnisse sehr konstruktiv. Später am Nachmittag fragte er sogar nach, ob es für mich so auch tatsächlich in Ordnung sei.“ – „Dieses Mal ist es Ihnen also gelungen, anders als sonst zu reagieren. Was taten Sie, was war diesmal anders?“ – 29 „Mein Verhalten veranlasste ihn, sich anders zu verhalten.“ – „Wie?“ – „Mit mehr Respekt.“ – „Was an Ihrem Verhalten hat das, denken Sie ausgelöst?“ – „Ich war bei mir.“ – „Hmm, was hat das bei Ihnen ausgelöst?“ – „Wenn ich jetzt darüber nachdenke, ich habe mich ernst genommen.“ – „Wenn man sich ernst nimmt und bei sich bleibt, dann aktiviert man sein gesamtes Erfahrungsgedächtnis, seine Bibliothek (EG). Wie hat sich das angefühlt?“ – „Hmm, ich glaube, ich fühlte mich sicher und ruhig, ja, das ist es.“ – „Ist es Ihnen möglich, dieses Gefühl, diese innere Haltung, die Sie da einge‐
nommen hatten wieder hervorzurufen?“ – „Ja, ich glaube schon.“. Anschliessend erläutere ich ihm anhand von ein paar Darstellungen, wie sich unser Erfahrungsgedächt‐
nis in der Bewertung von Situationen von unserem analytischen Verstand unterscheidet und erkläre ihm das Prinzip der „Somatischen Marker“. Wir machen dazu ein paar Übungen. Anschliessend machen wir ein Bildprojektionsverfahren, um an die unbewussten Bedürfnisse und Motive zu gelangen. Contracting Wir einigen uns auf ca. 10‐12 Sitzungen à 1‐1.5 Stunden in einer Kadenz von 2–3 Wochen. In einer ers‐
ten Phase arbeiten wir an der Selbstwahrnehmung, anschliessend an einem Haltungsziel und dann an Zukunftsvisionen und konkreten Berufszielen, wobei ich einschränke, dass wir natürlich situativ auf seine Bedürfnisse und Befindlichkeit eingehen. Meine Interventionen: Mein Klient ist sehr kognitiv und erfragt viel zur Theorie. Ich mache ihm deswegen auch transparent, was ich als mögliche Prozessschritte sehe und biete sie ihm so an. In den folgenden Sitzungen wird sich immer wieder zeigen, dass er vieles theoretisch und psychologisch erklärt haben möchte. Sobald er es kognitiv erfasst hat, kann er es gut akzeptieren und annehmen, dann lässt er sich auf die Gefühls‐ und Körperebene ein. Ich bediene mich unterschiedlicher Fragetechniken und setze häufig das Reframing ein. Bei der Übung mit somatischen Markern (Krause & Storch, 2010) geht es hauptsächlich darum, diese gut wahrnehmen zu lernen. Eine wichtige Intervention ist, ihn auf die als positiv bewertete Haltungsebene zu führen, um daraus ein Haltungsziel zu erarbeiten. Anschliessend erläutere ich ihm, dass allgemein formulierte Ziele soge‐
nannte Identitäts‐ bzw. Haltungsziele stärker als zum eigenen Selbst (EG) gehörend erlebt werden, als konkret formulierte Ziele (Kuhl, 2001, S. 277‐287). Wir machen eine kurze Entspannungsübung und er bekommt die Anweisung, 2‐3 Bilder auszuwählen, die 100% positiv auf ihn wirken. Diese werten wir mit dem ZRM‐Ideenkorbverfahren (Storch & Krause, 2007, S. 162 f.) aus und sammeln eine Liste von Wörtern, die der Klient anschliessend nochmals bewer‐
tet und sich daraus sein zentrales Thema herauskristallisiert: „Ich nehme mich ernst, ich vertraue mir.“ Als Hausaufgabe gebe ich ihm den Auftrag, an diesem Haltungsziel weiterzuarbeiten, ich schicke ihm 30 die Bilder, die er ausgewählt hat sowie die gesammelten Assoziationen und erläutere auf Nachfrage, kurz den theoretischen Hintergrund (siehe unten Reflexion). Meine Reflexion: Die positive Rückmeldung meines Klienten bezüglich Testergebnisbesprechung haben mich sehr er‐
freut, war ich ursprünglich doch etwas unsicher, wie ich es vermitteln sollte. Da er stark unter Selbst‐
zweifeln und Unsicherheit leidet, gab ihm das die Möglichkeit, seine Stärken in den Vordergrund zu stellen und zu erkennen, dass er im Unbewussten starke Motive hat, die eine Kraftquelle darstellen. Ursprünglich wollte ich mit der Bilderübung starten, um die unbewussten Bedürfnisse ins Bewusstsein zu holen. Sein Beispiel aus dem Berufsalltag, als er sich seinem Vorgesetzten entgegenstellte und dies mit seiner inneren Haltung zu tun hatte, entschied ich mich, ihn zuerst dort abzuholen. Ich lenkte seine Aufmerksamkeit gezielt darauf und führte ihn wieder in diesen Zustand (Tranceinduktion), so dass er ihn körperlich und mit allen Sinnen nochmals wahrnehmen konnte. Dies war ein entscheidender Mo‐
ment, als er merkte, dass er durch seine innere Haltung, sich selber besser spüren und dadurch die Reaktionen von anderen Menschen beeinflussen konnte und dass er sich, wenn auch nicht ganz ein‐
fach, bewusst in diese Haltung bringen konnte. Ich sah es auch seiner Körperhaltung und seinem Ge‐
sichtsausdruck an, als es ihm gelungen war, sich in die Haltung zu bringen. Diese Beobachtung spiegel‐
te ich ihm im Anschluss. Auf der Basis dieser Erfahrung machte ich dann die nächsten beiden Interven‐
tionen, die Übung mit den somatischen Markern und anschliessend die Bildprojektion zur Ergründung seiner unbewussten Bedürfnisse, wie sie im ZRM durchgeführt werden. Die Auswahl seiner Bilder (Del‐
phine, Baumallee, Holzhaus) und die daraus abgeleiteten Assoziationen und Beschreibungen führten ihn zu seinem zentralen Thema, sich selber ernst und wichtig zu nehmen. Ich war mir in diesem Augen‐
blick nicht sicher, ob wir schon am Haltungsziel arbeiten sollten, da ich ursprünglich damit gerechnet hatte, dass wir noch mehr Zeit mit Selbstwahrnehmungsübungen verbringen würden. Da es sich aus dem Gespräch aber so ergab und er sich sehr gut in die für ihn richtige Haltung bringen konnte, schien es mir doch angebracht, diesen Schritt bereits zu diesem Zeitpunkt anzugehen. Deshalb gab ich ihm die Hausaufgabe, am Haltungsziel weiterzuarbeiten auf die Gefahr hin, dass er möglicherweise stärker analytisch (mit dem IG) als holistisch (mit dem EG) an die Aufgabe herangeht. Ich erklärte ihm, dass Haltungs‐ bzw. Identitätsziele sehr allgemein formuliert werden, denn dann werden sie als zum eige‐
nen Selbst gehörend erlebt (Kuhl, 2001, S. 277f.). Ich gab ihm ein Blatt ab, das wir zusammen durch‐
sprachen und auf welchem nochmals genau erklärt wird, wie ein Haltungsziel formuliert werden muss (Storch & Krause, 2007, S. 92‐108), damit man über den Rubikon kommt und zielführend handeln kann. 4. Sitzung: 7. Januar 2011 Ich steige ein mit der Frage nach der allgemeinen Befindlichkeit und wie es mit dem Tagebuchführen gelaufen ist. Mein Klient gibt an, dass die letzten beiden Wochen sehr intensiv waren, da sie über die 31 Feiertage viele Familienbesuche hatten. Er sei diese Feiertage „mental positiv“ angegangen und hätte sich bei den Verwandten überlegt, was ihm an ihnen gefällt und was er an ihnen schätzt. Das sei ein grosser Schritt gewesen für ihn. Zwischendurch fand er etwas Zeit für sich, ihm war jedoch nicht gross nach Tagebuch führen, in solchen Momenten hörte er lieber Musik. Beim Hören von Musik spüre er seine Gefühle am intensivsten und könne am besten die Haltung „bei sich zu sein“ hervorrufen. Er hat sich viel Zeit genommen und an seinem Haltungsziel gearbeitet, das wir ausführlich besprechen und noch etwas anpassen. Anschliessend erarbeiten wir Erinnerungshilfen für dieses Haltungsziel. Meine Interventionen: Durch die Bearbeitung des Haltungsziels versuche ich sicherzustellen, dass es handlungswirksam for‐
muliert ist (Storch & Krause, 2007, S. 167‐172). Durch konkrete Verhaltensziele, insbesondere dann, wenn sie schwierig sind, wird das IG aktiviert (Herabregulierung positiven Affekts), zur Überschreitung des Rubikon braucht es aber positiven Affekt bzw. positive somatische Marker und die kommen aus dem EG (Kuhl, 2001, S. 277‐287). Deshalb muss ein Identitäts‐ bzw. Haltungsziel als Annäherungsziel und nicht als Vermeidungsziel formuliert sein. Es muss ausschliesslich unter der eigenen Kontrolle ste‐
hen und erkennbar motivierend sein (ausschliesslich positive somatische Marker auslösen). Die Erinne‐
rungshilfen stärken das neu angelegte neuronale Netz (Storch & Krause, 2007, S. 113‐117). Die Multi‐
kodierung (Verankerung des Inhaltes auf kognitiver, emotionaler und körperlicher Ebene) sowie das Priming (unbewusstes Aktivieren eines Inhalts durch vorangegangene Reize) ermöglichen den Zugriff auf das neue neuronale Netz im Extensionsgedächtnis (Kuhl, 2001, S. 255) sowie das Auslösen von Au‐
tomatismen (IVS) (Kuhl, 2001, S. 341). Bei den Hausaufgaben einigen wir uns darauf, weiterhin Tagebuch zu führen, verschiedenen Erinne‐
rungshilfen (Bilder, Farben, Musik, etc.) für das Haltungsziel zu erarbeiten und sie im Alltag einzuset‐
zen. Meine Reflexion: Ich war mir nicht so sicher, ob wir nicht zu schnell vorwärts schritten, da wir aus meiner Sicht nicht genügend Zeit zur Stärkung der Selbstwahrnehmung aufgewendet hatten. Mein Klient bestätigte mir im Gespräch auch, dass er, wenn viele Menschen um ihn herum sind, das Gespür für sich schnell ver‐
liert und hauptsächlich interagiert (IVS). Er nahm sich bewusst Zeit für die Erarbeitung des Haltungs‐
ziels. Er stimmte sich jeweils mit Musik ein (Aktivierung des EG) und versuchte über das Gefühl zu ge‐
hen, was ihm zu meinem Erstaunen recht gut zu gelingen scheint. Bei der Bearbeitung des Haltungsziel fiel mir dann doch auf, dass er sich schnell auf die kognitive Ebene begibt, bildhafte Sprache benutzt er weniger. Ich versuche, die Gefühlsebene abzufragen bzw. fragte ihn nach seinen somatischen Markern, die er meist recht gut beschreiben kann. Ich gewöhne mir an, ihn nach seinen somatischen Markern zu 32 fragen, sobald er Schwierigkeiten hat, seine Gefühle zu artikulieren, das funktioniert meistens sehr gut. Sobald er sich in die gewünschte Haltung bringen kann fühlt er sich ruhig und stark. Die Erinnerungshil‐
fen und Primes sollten ihn dabei unterstützen. 5. Sitzung 17.1.2011 Seit zwei Wochen arbeitet er wieder. Seit er mit dem Coaching angefangen hat, kommt ihm seine Ar‐
beit noch sinnloser vor. Er könne sich überhaupt nicht mehr damit identifizieren. Er könne es aber recht gelassen nehmen, da für ihn jetzt klar sei, dass er etwas Neues für sich schaffen könne. Ich spieg‐
le ihm, dass ich ihn als sehr bei sich empfinde. Es gelänge ihm eigentlich recht gut, wenn er in ent‐
spannter Stimmung sei, dann fühle er sich stark und von einer inneren Kraft getragen. Sobald jedoch Stresssituationen aufkämen, falle er in alte Muster zurück und bekomme Angst bzw. lasse sich schnell verunsichern. Ich erkläre ihm, dass das ganz normal sei, dass sein neues neuronales Netz mit dem Ver‐
haltensziel noch nicht so stark verfestigt sei und es gerade in Belastungssituationen deshalb so schwie‐
rig sei, nicht in alte Muster zu fallen, die viel stärker gebahnt sind. Ich frage ihn, welche Erinnerungshil‐
fen er für sich erarbeitet hat. Auf meine Frage, wie es ihm im Alltag gelänge, mit Hilfe dieser Erinne‐
rungshilfen, sich in die gewünschte Haltung zu bringen, meinte er, dass er es manchmal schlichtweg vergesse. Er müsse dazu den Kopf einschalten oder es komme ihm zu spät in den Sinn. Wir überlegen gemeinsam, was ihn zusätzlich unterstützen könnte, vielleicht eine Erinnerungshilfe, die er immer bei sich tragen könne. Da kommt ihm die Idee, dass er einen herzförmigen Stein habe, den er einmal in den Ferien in Norwegen am Strand gefunden hat. Diesen will er jetzt immer in der Hosentasche mittra‐
gen. Ausserdem wird er seinen I‐Pod mit zur Arbeit nehmen, um sich bei Bedarf mit Musik zu beruhi‐
gen bzw. zu entspannen. Zusätzlich erarbeiten wir eine körperliche Repräsentation seines Haltungsziel, ein sogenanntes Embodiment (Storch & Krause, 2007, S. 113‐130) als zusätzliche mobile Ressource. Als erstes eine Makro‐Darstellung und anschliessend eine Mikro‐Darstellung, die für andere nicht sichtbar im Alltag eingesetzt werden kann. Meine Interventionen: Um das neu gebildete Haltungsziel handlungswirksam zu unterstützen, bauen wir den persönlichen Ressourcenpool aus und stellen Erinnerungshilfen zusammen. Ein wichtiges Element stellt dabei die körperliche Ressource bzw. das Embodiment dar. Wir erarbeiten zusammen sein Embodiment, indem ich ihn bitte, sich sein Haltungsziel nochmals zu vergegenwärtigen und zu erspüren, welche Haltung, im eigentlichen Sinne des Wortes, er einer Person oder einem Problem gegenüber einnehmen möchte. Als Hausaufgabe bekommt er den Auftrag, sein Embodiment zu üben und sich für die nächste Sitzung seine 10 grössten Erfolge in Erinnerung zu rufen. 33 Meine Reflexion: Sein Zugang zum Selbst hat sich recht stark verbessert, ist jedoch noch stark geprägt von Misserfolgs‐
angst (OES), die er jedoch zunehmend regulieren kann (2. Modulationsannahme). Mit Hilfe der Erinne‐
rungshilfen kann er sich bereits recht gut in die gewünschte Haltung bringen. Musik scheint ihn gut in die für die Aktivierung des Extensionsgedächtnisses nötige entspannt‐gelassen Stimmung zu bringen. Im Berufsalltag braucht er noch einige Unterstützung und Übung, da das Haltungsziel noch nicht so stark gebahnt ist und noch nicht automatisiert ausgelöst wird. Das Embodiment sollte ihn dabei noch‐
mals zusätzlich unterstützen. Insgesamt bin ich sehr zufrieden über den Verlauf der Sitzungen, der Kli‐
ent scheint sehr grosse Fortschritte zu machen. Ich überlege, ob es nicht zu schnell geht. Mich irritiert das Fehlen von Widerständen, und ich frage mich zwischendurch, ob er sich zu stark von mir anleiten lässt. Ich überlege mir, ihm zukünftig bei der Definition der nächsten Schritte stärker die Verantwor‐
tung zu übertragen. Mit der Hausaufgabe möchte ich ihn anregen, sich mit seiner Biografie auseinanderzusetzen und wei‐
tere autobiografische Präferenzen und Ressourcen aufzuspüren. Zusätzlich wollte ich ihn anregen, sich zu überlegen, was er unter Erfolg versteht und wann er dieses Gefühl in der Vergangenheit erlebt hat. 6. Sitzung: „Notfall‐Telefonat“ 25.1.2011 Am 25.1. hinterliess mein Klient mir eine Nachricht auf Band, dass er mich unbedingt am gleichen Tag sprechen müsse. Als ich ihn am Abend anrufe, teilt er mir mit, dass sich seine Partnerin und er vo‐
rübergehend getrennt haben, bis sie definitiv wüssten, wie es mit ihnen weitergehen soll. Es ginge ihm weder gut noch besonders schlecht. Er fühle eine Art Erleichterung, aber auch eine grosse Sorge, wie es weitergehen soll auch mit seiner kleinen Tochter. Ich frage ihn nach möglichen nächsten Schritten, wen er ihm Umfeld zur Unterstützung hätte, etc. Meine Reflexion Obwohl mein Klient mir zu Beginn des Coachings mitgeteilt hatte, dass die private Situation nicht kri‐
tisch sei, hatte sich das Blatt doch sehr schnell gewendet. Dadurch, dass es ihm jetzt gelingt, Zugang zu seinem Selbst/EG herzustellen und seine Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, fällt es ihm zuneh‐
mend schwer, diese Aspekte in der Beziehungsgestaltung auszublenden. Systemisch gesprochen hat jeder Eingriff bzw. Veränderung im System Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Sein Abwägeprozess hatte schon länger gedauert und durch das Coaching und den verstärkten Selbstzugang, schien er die‐
sen Rubikon schneller überschritten zu haben, als er ursprünglich dachte. Es fällt ihm zunehmend schwerer, seine Gefühle zu unterdrücken und vor seiner Partnerin zu verbergen. Im Gespräch mit mir ging es ihm hauptsächlich darum, sich mit jemandem darüber auszutauschen. 34 Phase 3: Ideen entwickeln und Berufsziele konkretisieren – auf dem Weg zur beruflichen Neuausrichtung 7. Sitzung 31.1.2011 Die private Situation hat sich nicht wesentlich geändert. Sie haben sich entschlossen, mit einer Paartherapie zu beginnen. Obwohl ihn dieses Thema stark beschäftigt, möchte er wie geplant mit mir am Berufsthema weiterarbeiten. Das Embodiment hilft ihm sehr, sich in die gewünschte Haltung zu bringen, doch dafür brauche er je‐
weils Zeit. Bei Gesprächen, auf die er sich vorbereiten könne, gelänge es ihm recht gut, aber in Situati‐
onen unter Druck, falle er in alte Muster zurück, ausser er habe einen sehr guten Tag. Wir gehen die verschiedenen Situationen durch und besprechen, wie er sich auf die jeweiligen Situationen vorberei‐
ten kann (vgl. A‐B‐C‐Situationen bei Storch & Krause, 2007, S. 130‐136). Anschliessend frage ich ihn, wie es mit der Hausaufgabe, die zehn grössten Erfolge zusammenzutragen gelaufen ist. Er hätte zunächst Mühe gehabt, da er das Gefühl habe, kaum Erfolge auszuweisen. Er ver‐
suchte, die Aufgabe im Büro zu machen bis er merkte, dass er dafür eine angenehmere Umgebung braucht. Zuhause bei entspannender Musik hätte es dann geklappt. Ich spiegelte ihm, dass er durch die Musik, sein EG aktiviert habe. Er entgegnete mir nicht ohne Augenzwinkern, dass er das inzwischen wisse und gezielt einsetze. Er redete anschliessend nicht von Erfolgen, sondern von Glücksmomenten in seinem Leben. Vieles bezog sich auf Erlebnisse und Aktivitäten aus seiner Schul‐ und Studienzeit, als er in studentischen Vereinen und musikalisch sehr aktiv war und seine innersten Bedürfnisse ausleben konnte. Wir vertiefen einzelne Aspekte, indem ich nachfrage, was ihn begeistert bzw. beflügelt habe, was ihm besonders gut gelungen und wo er über sich hinausgewachsen sei, etc. Auf meine Frage: „Welche Kritik hat Sie in dieser Zeit am weitesten gebracht?“ entstand ein langes Schweigen. Ihm fiel dazu nichts ein, und er wollte es sich auf die nächste Sitzung überlegen. Ich fuhr noch mit ein paar zir‐
kulären Fragen fort. Diese Sitzung schlossen wir damit, dass ich ihn bat zu formulieren, welche Haus‐
aufgaben für ihn Sinn machen und woran er bis zur nächste Sitzung arbeiten möchte. Meine Interventionen Um sein Haltungsziel zu verfestigen ergänzten wir die Erinnerungshilfen mit der Besprechung von un‐
terschiedlichen Situationen im Alltag. Gerade in schwierigen Situationen, kündigen sich ungewünschte Verhaltensweisen durch Vorläufersignale (innere und äussere Warnsignale) an. Wenn man diese für sich analysiert, kann man unterwünschte Stressroutinen unterbrechen und seine Ressourcen aktivie‐
ren, um wieder in sein zielgerichtetes Handeln zu kommen. 35 Bei der Besprechung seiner zehn grössten Erfolge bzw. Glücksmomente wendete ich viele zirkuläre Fragen an. Ausserdem versuchte ich verschiedene Aussagen, in denen er seine Kompetenzen kleiner machte als sie waren diese zu reframen, z.B. wenn er sagt: „Das geschah einfach so, ohne dass ich et‐
was dafür tat.“, war mein Reframing: „Die Aufgaben wurden Ihnen zugetragen, ohne grosses Zutun Ihrerseits, vielleicht deswegen, weil Sie sich in den Augen des Dirigenten besonders für den Solopart eigneten, er Ihre Fähigkeiten und Engagement erkannte.“, etc. Meine Reflexion Wir arbeiten im Moment stark mit der ZRM‐Methodik, integrieren Erinnerungshilfen in den Alltag in‐
dem wir kritische Situationen analysieren. Ich gebe meinem Klienten den theoretischen Hintergrund und arbeite mit ihm heraus, wie sich bei ihm Warnsignale zeigen und wie er in Stresssituationen Zeit gewinnen kann, um seine Ressourcen zu aktivieren, um sich in die gewünschte Haltung zu bringen. Auch hier konnte er das Vorgehen akzeptieren, nachdem er die Theorie erläutert bekommen hat. Bei der Frage, was Erfolg für ihn bedeute bzw. welche Menschen er als erfolgreich erachte, wollte ich mich an sein Sinnerleben herantasten und als ersten Schritt auf der Suche nach einem selbstkongruen‐
ten Berufsziel. Er bezeichnete seine zehn grössten Erfolge als Glücksmomente. Alle Beispiele schilderte er aus der Gefühlsebene heraus. Seiner Aussage, dass er in solchen Situationen meist nichts dazu getan hätte, entgegnete ich, dass er in solchen Momenten vermutlich sehr bei sich gewesen sei, was er wie‐
derum etwas ironisch kommentierte „da war ich im gelben Raum, richtig?“. Nach dieser Sitzung war ich mir ziemlich sicher, dass er sein Extensionsgedächtnis recht gut aktivieren kann. In den letzten Wochen ist viel geschehen, durch die Selbstwahrnehmung, den Selbstzugang und gene‐
rell die Aktivierung seines EGs veränderte sich v.a. in seinem privaten Umfeld viel. Seine Partnerin und er haben sich für eine Paartherapie entschieden, die sie mit offenem Ende angehen. Seine Selbstaus‐
sage, dass er zuversichtlich sei, dass es eine gute Lösung gibt, wie auch immer diese aussehe, interpre‐
tiere ich dahingehend, dass er zunehmend gut den Zugang zum EG herstellen kann, welches ihm Lö‐
sungen bereithält und es ihm ermöglicht, ambivalente und gegensätzliche Selbstaspekte zu integrieren. In den nächsten Sitzungen möchte ich nebst Verankerung des Haltungsziels und Transfer in den Alltag, den Fokus nun zunehmend auf die Berufsfindung legen. Das Gefühl bzw. das EG soll dabei als Kompass fürs Leben dienen, deshalb auch die Frage: „Wie möchte ich mich in einer zukünftigen Tätigkeit füh‐
len?“. 8. Sitzung : 14. Februar 2011 Sein privates Umfeld beansprucht ihn emotional stark. Er ist für ein paar Wochen ausgezogen und die Paarberatung ist angelaufen. 36 Wir besprechen, wie es mit dem Transfer der Erinnerungshilfen und des Embodiments im Alltag aus‐
sieht. Schwierige Alltagssituationen stellen nach wie vor eine grosse Herausforderung dar. Mein Klient listet seine Vorläufer‐Signale auf: Belegte Stimme, starke Beklemmung im Hals, roter Kopf, Kribbeln an den Fingern. Als Stopp‐Signal hat er sich eine Ampel, die rot leuchtet ausgesucht. Sobald diese auf‐
leuchtet, versucht er tief durchzuatmen und sein Embodiment zu aktivieren. Anschliessend wenden wir uns der Frage aus dem letzten Gespräch zu: „Kritik, die mich am weitesten gebracht hat.“ Er habe keine Antwort darauf finden können, er biete zu wenig Angriffsfläche und ver‐
suche Niederlagen zu vermeiden und Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, deshalb habe er schon immer wenig Anlass für Kritik geboten. Die Frage hätte ihn allerdings nachdenklich gemacht und er fragt sich, ob er sich Chancen vergeben hätte. Er meint, dass er sein grösster Kritiker sei, worauf ich erwidere, dass das grundsätzlich löblich sei, wenn man gleichzeitig auch sein grösster Bewunderer sei. Ich frage ihn nach Tagträumen und nach einer längeren Pause listet er ein paar auf. Vieles davon dreht sich um Musik und Kreativität und darum, ohne grossen Aufhebens im Mittpunkt zu stehen und Aner‐
kennung zu bekommen. Er äussert auch den Wunsch, die Welt ein wenig schöner machen zu wollen. Meine Interventionen: Meine zirkuläre Frage, welche Kritik ihn am weitesten gebracht habe, machte ihm deutlich, dass er jeglicher Art von Kritik und Konfrontation aus dem Weg ging und noch geht und er sich dadurch auch wohlwollende und ihn weiterbringende Feedbacks vergibt. Bei der Frage nach den Tagträumen ging es mir ums Abrufen erster Zukunftsvisionen und wie er sich in einer zukünftigen Tätigkeit fühlen möchte und welche Selbstaspekte dabei mitberücksichtigt werden sollen. Als Hausaufgabe wollte er nochmals darüber reflektieren, was Erfolg und Glück für ihn bedeuten und wo und wie er das bei sich konkret erlebt. Meine Reflexion: Als er darüber nachdachte, ob er sich Chancen vergeben hätte, weil er jeglicher Kritik ausweiche, wuss‐
te ich zunächst nicht, was ich darauf sagen sollte. Spontan meinte ich in humorvollem Ton, dass das sicher der Fall sei. Da er auf Konfrontation meist sehr freundlich reagiert, weiss ich nie genau, wie es bei ihm ankommt. Nach einem ersten Anlauf krebse ich jeweils wieder zurück, weshalb eine solche Intervention wohl schnell verpufft. Inzwischen vertraue ich darauf, dass das Erwähnen und Ansprechen gewisser Dinge bei ihm bereits viel auslöst. 37 9. Sitzung : 28. Februar 2011 In dieser Sitzung besprechen wir, wie er sich in einer neuen Tätigkeit fühlen möchte und welche Eigen‐
schaften er einbringen bzw. für sich erwerben möchte. Er listet vieles auf, wie beispielsweise Freiheit und Eigenständigkeit, Ausstrahlung und Wohlgefühl, Sinnhaftigkeit und Sinnvolles bewirken, Selbst‐
verwirklichung, Selbstsicherheit, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Anerkennung und Feedback erhalten, Authentizität, Kreativität, und Lust an Umsetzung, Dankbarkeit und Respekt, Humor und Leichtigkeit und das Leben nicht immer so ernst nehmen. Wichtig ist ihm zudem, immer in der Lage zu sein, seinen Körper und sein Herz zu spüren und ins Gleichgewicht zu kommen. Daraus leiten wir an‐
schliessend mögliche Themen ab, die ihn interessieren und über die er sich schon Gedanken gemacht hat. Er könne sich vorstellen, in die Selbstständigkeit zu gehen, er arbeite ja schon als Freelancer, aller‐
dings nicht alleine. Ich frage ihn, was es seiner Meinung nach brauche, um konkreter zu werden? Er brauche einen Partner, mit dem er sich darüber austauschen und Ideen weiterspinnen könne. Ob es einen solchen in Sichtweite gäbe, frage ich nach. Im Moment nicht. Ich schlage ihm deshalb vor, für diese Berufs‐ bzw. Geschäftsideen erste Grobkonzepte zu erarbeiten (sehr high‐level) als Vorberei‐
tung, um sie einem zukünftigen Partner vorstellen zu können. Er meint, es wäre noch sehr high‐level und evtl. wäre das gar nichts. Ich antworte mit der Analogie, dass mit dem Essen der Appetit komme oder definitiv gehe. Wir einigen uns darauf, dass er seine Ideen in irgendeiner Form zu konkretisieren versucht. Meine Intervention Meine Fragen richteten sich hauptsächlich danach aus, Selbstaspekte (Selbst/EG) für die Bildung eines selbstkongruenten Berufsziels zu erurieren. Mit dem Vorschlag, die Ideen etwas zu konkretisieren woll‐
te ich sein IVS anregen, mit dem Ansinnen seinen positiven Affekt zu mobilisieren, um in Kombination mit dem EG herauszufinden, ob die Ideen einen tieferen Kern haben, den es weiter zu ergründen und verfolgen lohnt. Meine Reflexion Er verknüpft IG mit EG zunehmend besser. Seine ursprüngliche Tendenz, wichtige Themen hauptsäch‐
lich kognitiv anzugehen hat sich stark verlagert. Er braucht zwar immer noch Unterstützung, v.a. Be‐
kräftigung, dass es wichtig ist, die Gefühlsebene und das Unbewusste in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen, aber er hat es inzwischen gut verinnerlicht. Ich gebe zum Ausdruck, dass er mit seinen vielseitigen Fähigkeiten vieles machen kann, dass es in ei‐
nem ersten Schritt wichtig sei, herauszufinden, was das Eigene sein könnte. Mir ging es dabei vor allem darum, dass er für sich nochmals ausloten kann, welche Inhalte ihn interessieren würden und welche Umgebung dafür wichtig für ihn wäre. 38 Mit der Hausaufgabe wollte ich hauptsächlich anstossen, sich mit den vielen Ideen etwas konkreter auseinanderzusetzen. Durch die Erarbeitung von ersten, wenn auch sehr groben Konzepten wollte ich primär erreichen, dass der Klient durch das Tun erkundet, ob es ihm grundsätzlich Spass macht und sich weitere Ideen daraus ergeben. 10. Sitzung : 28. März 2011 Er hat sich als Freelancer auf eine Projektstelle beworben. Es wäre für ihn ein guter Übergang, da er 3 Tage in der Woche arbeiten würde, nicht reisen müsste und es ihm so die Möglichkeit geben würde, seine berufliche Neuorientierung ohne finanziellen Druck weiter zu verfolgen. Er hat sich mit seinen Berufsideen beschäftigt und ist zum Schluss gekommen, dass er gerne den Weg der Selbständigkeit weiterverfolgen möchte. Er trifft sich in der nächsten Woche mit einer alten Freundin, um seine Ge‐
schäftsideen zu besprechen und mit ihr zu brainstormen. Er braucht dazu unbedingt ein Gegenüber. Er hätte beim Gedanken an Selbständigkeit auch Ängste, die er bei der Beschäftigung mit dem Thema jedoch kaum spüre. Ich spiegle ihm, dass er sich in solchen Momenten im EG befinde, wo er auch gut Gegensätzliches verbinden könne. Ich frage ihn, wie gut es ihm im Berufsalltag gelingt, in seiner Hal‐
tung zu sein. Er meint, immer besser, dass es ihm aber helfe, von mir regelmässig daran erinnert zu werden. Meine Interventionen: Ich führe ihm mittels Fragetechniken nochmals die Bedeutung des Haltungsziels und der Aktivierung des EGs vor Augen. Ich spreche ihn auf den Abschluss unseres Coachings an, damit er sich überlegt, was er noch braucht. Zudem rege ich an, dass er sich weitere Personen sucht, die ihn an sein Haltungs‐
ziel erinnern (soziale Primes). Meine Reflexion: Er ist sehr aktiv und handlungsorientiert. Er nimmt berufliche Möglichkeiten wahr und bewirbt sich selbstbewusst. Er meint, dass er sich vor einem halben Jahr nicht auf diese Stelle beworben hätte. Sei‐
ne Ängste nimmt er nicht mehr als übermächtig wahr. Die Entscheidung, eine Selbstständigkeit schrittweise weiter zu verfolgen, zeigt mir, dass er sein EG gut aktivieren kann. Er denkt zunehmend in „sowohl‐als‐auch“‐Kategorien. Das Coaching neigt sich dem Ende zu und ich rufe ihm das nochmals in Erinnerung. Er gibt umgehend zu verstehen, dass er noch weitere Begleitung wünscht, wenn auch nicht mehr so intensiv. Wir würden das in der nächsten Sitzung klären. 39 Phase 4: Abschluss & Ausblick 11. Sitzung : 26. April 2011 Er hat sich vor einer Woche mit einer guten Freundin getroffen und seine beruflichen Pläne mit ihr ausgetauscht. Inzwischen hat er sich entschlossen im Juli und August Vaterschaftsurlaub zu machen. Er überlegt sich auch, eine Weiterbildung zu machen. Die Sorge, die ihn dabei umtreibt ist, dass er etwas lernt, das er in der Praxis nicht anwenden kann. Wir vertiefen das, indem ich ihn frage, was seine Er‐
wartungen an eine Weiterbildung seien und wie er im grossen Angebot das für ihn Passende finden könne. Bei dieser Frage wird ihm klar, dass er stark vom Anspruch ausgegangen ist, erlerntes Wissen unmittelbar anwenden und einsetzen können zu müssen und weniger davon, Weiterbildung als Wis‐
sensvermittlung und Denkschule zu erleben, die dann eigenständig in die Praxis transferiert wird. Er wird sich nochmals Gedanken dazu machen, um für sich Klarheit bezüglich seiner Erwartungen zu ge‐
winnen. Ich spreche ihn auf den Abschluss des Coachings an und frage ihn, was er konkret an Unterstützung benötigt. Seine grösste Sorge ist, dass er im Alltag in alte Muster zurückfallen könnte oder zu opportu‐
nistisch handeln und sein Haltungsziel aus den Augen verlieren könnte. Deshalb wünscht er sich noch weitere, wenn auch nicht mehr so intensive Begleitung. Ich frage ihn, wie für ihn das Coaching insgesamt war und was ihm am meisten gebracht habe. Für ihn war die vertrauensvolle Atmosphäre am wichtigsten, er konnte sich voll öffnen und so entscheidende Schritte machen. Er fühle insgesamt eine positive Grundstimmung, er könne jetzt vieles einfach an‐
nehmen und schauen, was es mit ihm mache. Das Haltungsziel helfe ihm dabei sehr, obwohl er manch‐
mal fürchtet, dass es noch nicht so stabil sei. Insgesamt grüble er nicht mehr. Er hätte bisweilen schon noch Selbstzweifel und gewisse Ängste vor kritischen Situationen, aber es sei ein ganz anderes Gefühl als vor einem halben Jahr. Er fragt, ob er sein Haltungsziel verlieren könne, und ich erkläre ihm nochmals, wie das menschliche Gehirn lernt (neuronale Plastizität) und dass er sein Haltungsziel aus meiner Sicht schon sehr stark ver‐
innerlicht habe, auch wenn es ihm nicht so bewusst sei. Wir einigen uns, das Coaching in einem 6‐8 Wochen‐Zyklus fortzusetzen. Zudem schicke ich ihm in un‐
regelmässigen Abständen eine kurze E‐Mail oder SMS, um ihn an sein Haltungsziel zu erinnern (als zusätzlicher sozialer Prime). Meine Interventionen: Ich sprach bewusst den Abschluss des Coaching an, um eine Zäsur zu markieren. Mir ging es dabei hauptsächlich darum, ihm zu sagen, dass er aus meiner Sicht, einen gut gefüllten Rucksack hat, um den Weg alleine weiterzugehen. Da ich das in der letzten Sitzung bereits angetönt hatte, war er auf die 40 Frage vorbereitet und kam mit einem konkreten Vorschlag, das Coaching in einer anderen, weniger intensiven Form fortzusetzen. Er geht die nächsten Schritte alleine und braucht das Coaching als Erin‐
nerungshilfe und Stütze für schwierige Situationen. Ich fragte ihn nach den Ergebnissen und der Wirkung des Coachings, einerseits als Feedback für unsere Zusammenarbeit, aber noch mehr, um ihn selber nochmals aufzeigen zu lassen, was er in den letzten Monaten für sich erreicht hatte. Gesamtfazit Aus dem zu Beginn sehr belasteten, energie‐ und mutlosen jungen Mann auf der Suche nach einer beruflichen Neuausrichtung, wurde ein zunehmend handlungsorientierter Mensch, der sein Leben selbstbestimmt in die Hand nimmt. Ausschlaggebend dafür war die Arbeit an der Selbstwahrnehmung und dem Zugang zum EG. Mit den Methoden des ZRM konnten wir ein Haltungsziel erarbeiten und dieses mittels Ressourcenaufbau und Erinnerungshilfen verankern und im Alltag einsetzen. Mit wach‐
sendem Selbstvertrauen in seine Fähigkeiten entstand auch der Wille, den eigenen Weg zu gehen. Die wichtigsten Ergebnisse des Coachings (wurden mit dem Klienten gemeinsam zusammengetragen): 
Selbstvertrauen und Vertrauen in eigene Kompetenzen erhöht 
Selbstberuhigungsfähigkeiten gesteigert (selbständige Herabregulierung negativen Affekts) 
Selbstwirksamkeitserleben durch Üben erhöht und dadurch verstärkte Handlungsorientierung 
Bilden eines selbstkongruenten Identitäts‐ / Haltungsziels als Schlüssel zur Zufriedenheit und als Kompass im Leben 
Umsetzung von Zielen in kleinen Schritten 
Besserer Umgang mit Belastungssituationen 
Einbezug sozialer Ressourcen Für die Zukunft wird es entscheidend sein, dass er in Belastungssituationen oder nach Misserfolgen, seine Gefühle weiterhin gut regulieren bzw. den Zugang zu seinen Gefühlen und seinem EG herstellen kann. Für den Abschluss sind wir so verblieben, dass er noch ein halbes Jahr ca. alle 6‐8 Wochen eine Coachingstunde in Anspruch nimmt, die ihn bei der Berufskonkretisierung begleitet und ihm regelmäs‐
sig die erlernten Methoden in Erinnerung rufen. Für mich war die Arbeit mit diesem Klienten sehr lehrreich. Er war der ganzen PSI‐Theorie gegenüber sehr offen eingestellt und nahm die meisten Interventionsangebote an. Wir erzielten schnelle Fort‐
schritte und gute Resultate. Das Fehlen von Widerständen irritierte mich zuweilen, Konfrontationsver‐
41 suche meinerseits verpufften recht schnell, einerseits aufgrund seiner Persönlichkeit, vermutlich je‐
doch eher wegen mir, entspricht dieses Vorgehen wohl weniger meinem Naturell. 3.2.2
Weitere Einzelberatungen Zur Bearbeitung weiterer Aspekte der PSI‐Theorie in der Einzelberatung möchte ich in diesem Kapitel ein paar zusätzliche Methoden aufführen. Diese Auflistung ist nicht vollständig, soll aber aufzeigen, dass sich sehr viele unterschiedliche Methoden eignen, je nachdem, welche Selbststeuerungskompe‐
tenzen man entwickeln möchte. Mentales Kontrastieren Bei einer 42‐jährigen Frau in einer Führungsposition, die unter allgemeiner Antriebslosigkeit litt (starke Lageorientierung prospektiv) arbeitete ich mit dem mentalen Kontrastieren von Oettingen (1997). Ana‐
lytisch denkende Menschen, die bevorzugt mit dem Intentionsgedächtnis arbeiten benötigen starken positiven Affekt, um ins Handeln zu kommen (1. Modulationsannahme: Willensumsetzung durch Selbstmotivierung). Dies gelingt ihnen am besten, wenn sie an den Erfolg und die Befriedigung denken, die sich einstellen, wenn die Arbeit erledigt ist. Das mentale Kontrastieren eignet sich besonders, wenn es um die Umsetzung schwieriger Absichten geht. Dabei wird zwischen positiven Zielerreichungsphan‐
tasien und der Besinnung auf mögliche Schwierigkeiten hin und her gependelt (mental kontrastiert). Selbstbeunruhigung Eine 44‐jährige Frau kam in die Beratung, da sie sich auf einen Vortrag vorbereiten wollte, der für ihre Karriere wichtig war. Es ging darum, einen Sachverhalt wissenschaftlich fundiert und in einer klaren Struktur zu präsentieren. In ihrem Berufsalltag bevorzugte sie das Erarbeiten der grösseren Zusam‐
menhänge und machte viele Präsentationen ohne grosse Vorbereitungen, hatte jedoch keine Strategie, wie sie detailorientiert und genau arbeiten konnte. Ihr Profil zeigte eine starke Ausprägung der Intuiti‐
ven Verhaltenssteuerung (IVS/grün) und eine starke Handlungsorientierung nach Misserfolg (wenig OES). Wir machten uns Gedanken darüber, was die Erwartungen des Publikums sein könnten und wel‐
che Folgen es hätte, wenn diese nicht entsprechend erfüllt würden. Dabei spielte ich den Advocatus Diaboli und stellte sehr kritische Fragen. Dadurch wurde der nötige negative Affekt generiert, um das Objekterkennungssystem (OES/blau) zu aktivieren, die die Klientin motivierte, sich sehr detailliert und sorgfältig mit der Materie auseinander zu setzen. Aufstellung Ein 37‐jähriger Mann kam in die Beratung, da er Mühe hatte, sich zwischen zwei Jobangeboten zu ent‐
scheiden und inzwischen die Zeit drängte. Sein Profil zeigte eine starke Aktivierung des Objekterken‐
42 nungssystems (OES/blau) und des Intentionsgedächtnisses (IG/rot). Wir machten eine Aufstellung und betrachteten die verschiedenen Entscheidungskriterien unter unterschiedlichen Aspekten und aktivier‐
ten so das Extensionsgedächtnis (EG/gelb). Dies ermöglichte es ihm, Klarheit zu gewinnen und heraus‐
zufinden, was er wirklich wollte und die für ihn richtige Entscheidung zu fällen. 3.2.3
Führungsworkshop – Motivation und Ressourcenmanagement Die Inhalte der PSI‐Theorie lassen sich auch gut in der Führungsentwicklung einsetzen. Für die Kader‐
klausur einer Stadtverwaltung wurde ich angefragt, einen Workshop zu den Themen Motivation und Ressourcenmanagement zu leiten. Nebst der Wissensvermittlung sollten auch Selbstwahrnehmungsü‐
bungen eingebaut werden und wo möglich auch Reflexion in der Gruppe stattfinden. Ich gestaltete den Workshop so, dass ich verschiedene kurze Impulsreferate gab und anschliessend Übungen zu den Themen machte. Im Folgenden wird der Ablauf übersichtsmässig dargestellt (siehe auch Workshop‐
Design im Anhang). Design und Methoden: Übung 1: Rubikonmodell Wir fingen mit dem Rubikon‐Modell an und arbeiten in zwei Gruppen den Prozess anhand eines All‐
tagsbeispiels (Autokauf, Ferienauswahl) durch. Anschliessend tauschten sich die Teilnehmer in Pärchen zu persönlicheren Themen aus. Danach reflektierten wir in der Gruppe, was es zum Überschreiten des Rubikon braucht (positiver Affekt), welche Gefühle damit verknüpft sind und wann das Überschreiten nicht funktioniert. Wir arbeiteten auch heraus, für welche Vorhaben zwingend eine Rubikon‐Über‐
schreitung notwendig ist und wann Ziele bzw. Vorhaben auch ohne Rubikon‐Überschreitung mittel Selbstzwang und ‐kontrolle erreicht werden können. Übung 2: Bedürfnisse und Motive Die Bedeutung von Bedürfnissen und Motiven erarbeiten wir in Analogie zur Maslow’sche Bedürfnispy‐
ramide. Zuerst beschrieb jeder Teilnehmer „Seine Bedürfnispyramide“ und besprach sie anschliessend mit seinem Sitznachbar. Anschliessend machten wir in der Gruppe einen Perspektivenwechsel und erstellen die Bedürfnispyramide einer fiktiven jungen Mitarbeiterin und eines fiktiven älteren Mitarbei‐
ters. Anschliessend diskutieren wir in der Gruppe, wie die verschiedenen Bedürfnisse und Motive der Mitarbeiter erkannt werden und auf welchen Ebenen sie als Führungskräfte darauf Bezug nehmen können. 43 Übung 3: Mitarbeiter in ihren Motiven abholen In einem nächsten Schritt fasste ich die unterschiedlichen Bedürfnisse und Motive in die drei Hauptka‐
tegorien Anschluss, Leistung und Macht zusammen und wir sammelten, mit welchen einfachen kom‐
munikativen Mitteln die Mitarbeiter in ihren unterschiedlichen Motiven abgeholt werden können. Wir arbeiteten heraus, dass Motive Stärken sind und wenn es den Führungskräften gelingt, ihre Mitarbeiter in ihren Motiven abzuholen, diese ihre Ressourcen optimal einsetzen können. Übung 4: Motivumsetzungsstile Der nächste Block widmete sich der PSI‐Theorie, die ich anhand von Metaphern erläuterte und visuali‐
sierte. Als Übung spielten wir unterschiedliche Situationen durch und überlegten, welche Hirnfunkti‐
onssysteme dabei aktiviert werden. Jeder brachte ein Beispiel aus dem Privatleben und eins aus dem Berufsalltag. In dieser Übung reflektierten wir anschliessend gemeinsam, für welche Tätigkeiten, wel‐
che Funktionssysteme geeignet sind und wie Teams idealerweise zusammengestellt werden. Diese Übung erzeugte viele Aha‐Erlebnisse. Es entstand auch eine angeregte Diskussion, wie Verwaltungen „ticken“, gemäss der Teilnehmer nämlich hauptsächlich rot (IG) und blau (OES). Dies sei auch der Grund, dass wenig Raum für Kreativität vorhanden sei und Ideen nicht schnell genug in die Tat umge‐
setzt werden könnten. Abschluss Den Abschluss bildet eine Reflexionsrunde darüber, welche Erkenntnisse jeder Einzelne für sich persön‐
lich gewonnen hat und welche Erkenntnisse für den Einzelnen in der Rolle als Führungskraft wichtig sind. Generell wurde das erweiterte Wissen um Motivationsprozesse als sehr lehrreich empfunden auch als Grundlage für die Entwicklung von Mitarbeitern und in Veränderungsprozessen. Fazit: An einem Tag konnten zwar nur wenige Aspekte der Motivationspsychologie und der PSI‐Theorie be‐
leuchtet und mit Übungen vermittelt werden, dennoch war es möglich, den Zusammenhang zwischen Bedürfnis, Motiv und Handlung herauszuarbeiten und im Kontext des Führungsalltags zu betrachten. Obwohl Teamentwicklung nicht als expliziter Auftrag formuliert wurde, ermöglichten die Übungen die Reflexion der eigenen Motive und Motivumsetzungsstile in der Gruppe und erhöhten so das gegensei‐
tige Verständnis. 3.3
Gesamtbeurteilung Die Inhalte der PSI‐Theorie und ihre Anwendungsmöglichkeiten eignen sich hervorragend für die Bera‐
tung. Für mich war vor allem die Erkenntnis hilfreich, dass in unterschiedlichen Situationen jeweils 44 verschiedene kognitive Makrosysteme aktiviert werden und dass die Fähigkeit selbständig zwischen diesen Funktionssystemen wechseln zu können ausschlaggebend für das Wohlergehen und die persön‐
liche Entwicklung eines Menschen ist. Vielen Klienten half schon diese Bewusstmachung und das Wis‐
sen, dass Selbststeuerung (aktiver Affektwechsel) lern‐ und trainierbar ist. Mit der Therapiebegleiten‐
den Osnabrücker Persönlichkeitsdiagnostik (TOP) steht mir zudem ein Diagnoseinstrument zur Verfü‐
gung, das es mir ermöglicht, sehr schnell, erste, sehr differenzierte Hypothesen zu bilden, Ressourcen und Entwicklungsfelder zu identifizieren und diese im Erst‐ oder Zweitgespräch mit dem Klienten zu besprechen und dem Kunden entsprechende Interventionsangebote zu machen. Als Beraterin bekom‐
me ich ein gutes Gefühl dafür, was die Klienten motiviert, wo Motivkonflikte bestehen könnten und wie die gegenwärtige Belastung empfunden wird und wo im Coaching angesetzt werden kann. Ent‐
scheidend war für mich auch die Erkenntnis, dass bei Klienten mit wenig Selbstzugang zuerst daran gearbeitet werden muss, bevor man an die eigentlichen Themen gehen kann. Dies wird von den meis‐
ten Klienten nicht nur verstanden, sondern oft auch als Erleichterung empfunden, da sie schnell mer‐
ken, dass dies der Schlüssel zur Lösung ihrer Probleme und zur Aktivierung ihrer Ressourcen ist. Der Besprechung der Testergebnisse kommt eine grosse Bedeutung zu und muss gut vorbereitet werden (mit der Zeit wird sich hier sicher auch eine gewisse Routine einstellen), da sie meist in der zweiten Sitzung stattfindet. Entscheidend ist, dass der Klient in seinen Ressourcen abgeholt wird und die ge‐
genwärtig empfundene Belastung oder Unzufriedenheit gewürdigt wird. Wichtig war für mich auch die Erkenntnis, dass Selbstwirksamkeitserleben positiven Affekt generiert und dadurch den Veränderungs‐ und Lernerfolg verstärkt. Bei den meisten meiner Klienten hat die Besprechung der Test‐Ergebnisse bereits eine als positiv erleb‐
te Veränderung bewirkt. Der Klient bzw. die Klientin wird aktiv eingebunden und sucht nach Belegen für entsprechende Stärken und Schwächen in seinem täglichen Leben. Kuhl erklärt dies damit, dass die Systemverbindungen verstärkt werden, wenn Affekte von aussen reguliert werden (z. B. Beruhigung durch eine Bezugsperson), und wenn währenddessen das Selbst aktiv ist (z. B. bei Selbstäusserungen und wenn sich der „Lernende“ verstanden fühlt). Deshalb ist die Beziehungsqualität ein wichtiger Er‐
folgsprädiktor in der Therapie bzw. Beratung (Ritz‐Schulte, Schmidt, Kuhl, 2008; Rauen, Strehlau, Ub‐
ben, 2011). Ich möchte mir noch stärker einen Ablaufplan für mögliche Interventionen verinnerlichen, ohne dabei zu starr daran festzuhalten. Wie Ritz‐Schulte et al. (2008) richtig bemerken, muss der Berater bzw. Therapeut aus dem EG agieren und seine Fertigkeit verfestigt sich über die Erfahrung. 45 3.4
Leitfaden Basierend auf den Hinweisen aus dem Zertifizierungskurs für das Vorgehen bei der Interpretation des TOP‐Tests sowie meine in der Anwendung gemachten Erfahrungen hat sich für mich folgendes Vorge‐
hen in einer Einzelberatung als sinnvoll erwiesen: 1. Erstgespräch: allgemeine Situationsschilderungen, Anliegen; Beziehung aufbauen und Prozess erläutern , Einladung zum Test; Vorcontracting 2. Durchführung Test 3. Auswertung Test und Hypothesenbildung zusammen mit Kontextfragebogen und Informatio‐
nen aus Erstgespräch. Vorbereitung nächster Sitzung und Zusammenfassung der Testergebnis‐
se in: a. Motiv‐Skalen: Ausprägung der Motive? Stärkste Antriebskräfte? b. Unbewusste Motive: Wie sind die Ausprägungen? Gibt es signifikante Abweichungen (mind. 1 Standardabweichung) von den bewussten Motiven? Können Motivkonflikte bzw. unbewusste Bedürfnisse eruiert werden? c. Umsetzungsstile der einzelnen Motive: Welches ist die bevorzugte Herangehensweise der Person, was sind ihre Motivumsetzungsstile? In welchem Verhältnis stehen die Funktionssysteme zueinander? d. Selbststeuerung: Wie korrespondieren (stehen zueinander) die Selbststeuerungsfunk‐
tionen mit dem aktuellen Ausmass an Stressempfinden (Stärke der empfundenen Be‐
lastung bzw. Bedrohung)? Reichen die Selbststeuerungsfähigkeiten aus, um die aktuel‐
le Lebenssituation bewältigen zu können? i. Wie stark ist die Handlungsorientierung nach Misserfolg (Verhältnis von Be‐
drohung zu Selbstberuhigung)? ii. Wie stark ist die Handlungsorientierung in schwierigen und komplexen Situa‐
tionen (Verhältnis Belastung zu Selbstmotivation)? e. Wie stehen die Ausprägungen Selbstberuhigung und Selbstmotivation zu den Hand‐
lungsorientierungswerten (= Selbststeuerungseffizienz)? f. Wie ist das Verhältnis vom Machtmotiv zur Selbstbestimmung? g. Gibt es besondere Auffälligkeiten im Profil (Abweichungen von mehr als 1 Stan‐
dardabweichung vom Mittelwert)? h. Einteilung der Auffälligkeiten in „Stärken/Ressourcen“ und in „Engpäs‐
se/Entwicklungschancen“ i. Wo liegen besondere Stärken und Ressourcen? Wo liegt die stärkste Res‐
source? Wie zeigt sich dies für die Person? ii. Wo liegt die grösste Entwicklungschance? Mit welchen Ressourcen könnte man hier ansetzen? i. Vergleich der Testergebnisse mit dem allgemeinen Kontext und Markierung der Werte, die sich nicht leicht ins Gesamtbild integrieren lassen, um im Gespräch Bezug darauf zu nehmen. 4. Ausführliche Besprechung der Test‐Ergebnisse mit Fokus auf die Ressourcen und Kompetenzen sowie in Bezug auf die gegenwärtige Lebenssituation; Recontracting 5. Unbewusste Bedürfnisse mittels Bildprojektionsverfahren ins Bewusstsein holen 6. Haltungsziel erarbeiten und verankern (ZRM®‐Methodik) 7. Bearbeitung weiterer Themen; rollierende Planung der Interventionen, etc. 8. Abschluss (ggf. nochmaliger Test oder zu einem späteren Zeitpunkt/nach 6‐12 Monaten) 46 4 Schlussfolgerungen und Ausblick Die Erkenntnisse von Kuhl und seiner PSI‐Theorie haben mir bezüglich Motivation und Handlung sowie Persönlichkeitsentwicklung eine wissenschaftliche Grundlage geliefert und widerspiegeln meine Erfah‐
rungen und Beobachtungen im eigenen Lebensbereich aber auch bei meinen Klienten. Viele Erkennt‐
nisse lassen sich in der Beratung sehr gut anwenden, da sie sehr ressourcen‐ und handlungsorientiert sind und die Klienten in ihrer Selbststeuerung befähigen. Die Inhalte lassen sich zudem sehr gut mit verschiedenen Therapieschulen und unterschiedlichen methodischen Ansätzen verbinden. Dieses Wis‐
sen sollte bei Beratern, Ausbildnern und Führungskräften noch stärker verbreitet werden, nicht nur um die eigene Selbststeuerungsfähigkeiten zu verbessern, sondern als Wissen über den Menschen und in diesem Sinne zur Anwendung im eigenen Berufsalltag. Gerade Menschen in beratenden und lehrenden Berufen könnten enorm von diesem Wissen profitieren und mit ihnen ihre Klienten, Schüler, Mitarbei‐
ter. Es ermöglicht eine handlungs‐ und ressourcenorientierte Persönlichkeitsentwicklung. Allerdings besteht die Schwierigkeit, die Inhalte kurz und knapp zu vermitteln. Seit einigen Jahren be‐
mühen sich Studenten und Mitarbeiter von J. Kuhl, das Wissen in ihrer Anwendbarkeit in Publikationen und Seminaren zu vermitteln. Es ist zu hoffen, dass sich die PSI‐Theorie als Standardwissen in der Psy‐
chologie etabliert und noch viele Anwendungsfelder erschlossen werden. Ich habe bei der Beschäftigung mit der Masterarbeit ein Seminar „Motivation & Selbstmanagement für Führungskräfte“ entwickelt, in welchem die PSI‐Theorie vorgestellt wird und mit Übungen in Bezug auf die eigene Rolle, im Umgang mit seinen Mitarbeitern erarbeitet und reflektiert wird. Dabei geht es um die eigenen Selbststeuerungskompetenzen, aber auch darum, herauszuarbeiten, wie die Mitarbeiter in ihren Motiven und Motivumsetzungsstilen abgeholt und optimal eingesetzt werden können. Weitere Beratungsangebote sind in Entwicklung. 47 5
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moscope. Problemfeld „Stressbelastung“ und „Motivation & Absenzen“. Gefunden am 7.4.2011 auf www.seco.admin.ch. 6
Anhang Die vier Hiernfunktionssysteme 51 TOP‐Testergebnisse 36‐jähriger Mann, Unternehmensberater, berufliche Neuorientierung 52 53 Motivation und Ressourcenmanagement ‐ Kaderklausur Zeit Dauer 08:00 15‘ 08:15 9:00 45‘ 60’ 10:00 30‘ 10:30 90‘ 12:00 90‘ 13:30 120‘ Thema
Begrüssung und Ablauf
Teil 1:
Rubikon‐Modell Teil 2:
Damasio – zwei Grund‐
systeme der Handlungs‐
steuerung Pause
Teil 3:
Motive – unsere Antrei‐
ber Mittagessen Teil 4:
Unser Hirnpalast PSI‐Theorie Methode / Ressourcen
Übung 


Mich vorstellen Was steuert unser Handeln Rubikonmodell vorstellen als Leitfaden Teilnehmer stellen sich vor 
Arbeitsblatt 1: 4 Farben‐
felder Unbewusstes und bewusstes Bewertungs‐ / Entscheidungs‐
system Somatische Marker 
Übung: Somatische Marker (zu zweit) ohne Arbeits‐
blatt 






3 Motive: Anschluss, Leitung Macht Hauptantrieb Motivkonflikte Hirschhausen: Pinguin‐Video 


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
4 Hirnfunktionssysteme Stimmungs‐Wechsel Selbststeuerung 




15:30 16:00 Zusammenfassung Ende Arbeitsblatt 2: Maslow’sche Bedürfnispy‐
ramide Arbeitsblatt 3: Motivgrup‐
pen 
Offene Fragen Übung mit den 4 Farben Arbeitsblatt 4: Selbstein‐
schätzung Arbeitsblatt 5: Lern‐ und Arbeitsprozesse gestalten Arbeitsblatt 6: Mentales Kontrastieren Arbeitsblatt 7: Wenn‐
Dann‐Pläne 54 

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