Warum nach Riesa?
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Warum nach Riesa?
Warum nach Riesa? Für den 8. Juni lädt die VVN-BdA zusammen mit BündnispartnerInnen nach Riesa ein, um einen Aktionstag gegen die „Deutsche Stimme“, den Parteiverlag der NPD durchzuführen. Eine Demonstration wird direkt vor deren Sitz führen. Auf dem Riesaer Marktplatz wird es abends eine Kundgebung und ein Antifa-Konzert geben. Warum eigentlich? Funktion des DS-Verlages Die „Deutsche Stimme Verlags GmbH“ und die Büros des NPD-Parteivorsitzenden Holger Apfel und des NPD- „Cheftheoretikers“ Jürgen Gansel befinden sich in der GeschwisterScholl-Str. 4 in Riesa. Es ist kein symbolträchtiges Gebäude und erinnert z.B. in nichts an eine Nazi-Kneipe mit rabiatem Outfit. Vielmehr hat es - in einem kleinen Gewerbegebiet im Außenbereich von Riesa gelegen - eher den Charme eines Getränkeabholmarktes. All das ist Absicht. Die NPD hält sich bedeckt und will von hier aus in Ruhe operieren. Man vertreibt die Parteizeitung „Deutsche Stimme“ und diverse Bücher, CDs, Poster, Kalender usw., mit einem Wort: Verkauft wird Weltanschauung. Bundesweit werden Mitglieder und Anhänger in ihren rassistischen und nationalistischen Anschauungen bestärkt und an die Partei gebunden. Und es soll Geld verdient werden, um die „nationale Sache“ weiter voranzutreiben. Der DS-Verlag ist also eines der Funktionszentren der wichtigsten Neonazi-Partei Deutschlands und dies schon seit vielen Jahren. Seit 50 Jahren totgesagt Die NPD wird gerne totgesagt. Als hätten andere politische Parteien keine Skandale, Probleme und politische Tiefs zu durchleben, wird jedes Krisensymptom der NPD gerne gleich als Zeichen des Endes gewertet. Mit den Stellungnahmen, die erklären, dass die NPD gerade mal wieder und nun aber wirklich nicht mehr der Rede wert ist und dass besondere Aktionen oder gar Verbotsforderungen ganz überflüssig seien, kann man ganze Aktenordner füllen. Dass die ersten dieser Ordner mittlerweile vergilbt und rostig, weil fast 50 Jahre alt wären, sollte einen doch stutzig machen. Und doch wird weiter unbeirrt eine angebliche Harmlosigkeit herbeigeredet. Warum eigentlich? Warum dieses hartnäckige Laufenlassen einer offensichtlichen NSNachfolgeorganisation? Warum lassen Politik, Staat und Gesellschaft dieser Truppe immer wieder Gelegenheit, aus ihren Erfolgen und Misserfolgen zu lernen? Warum wird diese Lernkette nicht endlich zerrissen? Warum wird die strategisch entscheidende Position einer neofaschistischen politischen „Partei“ mit allen daraus resultierenden organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Privilegien nicht zerstört? Gerade ist es mal wieder soweit. Die Schlappen der NPD bei den letzten Landtagswahlen, von der Bundestagsverwaltung eingestellte Zahlungen an die Partei, die Kündigung der Mitarbeiter der Geschäftsstelle, Streitereien zwischen altem und neuem Vorsitzenden und die Indizierung des Online-Versandes des DS-Verlages veranlassen viele Politiker, aber auch Antifas, müde abzuwinken und keine Energie mehr auf den Kampf gegen die NPD zu verwenden. Man reibt sich die Augen, denn die harten Fakten lauten: Die NPD sitzt in zwei Landtagen und zahlreichen Kommunalparlamenten. Sie verfügt über ein eingespieltes Netzwerk von Aktivisten in die militante und terroristische Szene hinein. Sie ist die einzige funktionierende Neonazi-Partei auf Bundesebene und kann unter dem Schutz des Parteienprivilegs andauernd Veranstaltungen durchführen und andere zu Gegenaktivitäten zwingen, wann und wo es ihr beliebt. Wenn das das Bild einer „sterbenden NPD“ ist, möchte man wirklich keine „lebendige NPD“ erleben. Die Details zeigen, wie die NPD auch diesmal bei ihren Problemen mit einem blauen Auge davonkommen wird. Bekanntlich sind die quartalsweise fälligen Abschlagszahlungen des Deutschen Bundestages, direktes Ergebnis aus Erfolgen (ab über 1% der Wählerstimmen) bei Wahlen, die sicherste Einnahmequelle aller politischen Parteien, einschließlich der NPD. Entsprechend einschneidend war die Einstellung dieser Zahlungen, ursächlich begründet durch fehlerhafte Angaben in Rechenschaftsberichten der Partei. Es folgte die Entlassung der Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle. Doch wundersamer Weise entschied das Bundesverfassungsgericht nun, dass dies die Chancen der NPD bei den Bundestagswahlen beeinträchtigen würde und verschob die Entscheidung im Hauptverfahren und damit die Strafe auf die Zeit, wenn es nicht mehr so weh tut. Die Bundestagsverwaltung wurde angewiesen, Mitte Mai und Mitte August je 303.000 € zu überweisen. Die Mitarbeiter werden „natürlich sofort“ wieder eingestellt, triumphierte der Parteivorsitzende Holger Apfel. Die Funktion der beiden Landtagsfraktionen als die eigentlichen NPD-Kraftzentren war ohnehin nicht beeinträchtigt. Im Blick hat Apfel weniger die Bundestagswahl als die zum Europäischen Parlament im Mai 2014. Die bis 2009 geltende 5 %-Hürde ist nämlich aufgehoben worden, so dass die NPD eine realistische Chance hat, in das Europäische Parlament einzuziehen. Es winken politisches Prestige, wichtige weitere Posten und sichere Geldzahlungen. Der Deutsche Stimme Verlag hat keine besonders gute Zeit hinter sich. Probleme sind Umsatzrückgänge durch Marketingfehler, dadurch verursachte Entlassungen und aktuell die Indizierung des Online-Angebotes durch die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“. Das bedeutet im Klartext nicht (!), dass das Angebot des DS-Verlages nicht mehr erhältlich wäre, sondern nur, dass zeitweise ein bestimmter Vertriebsweg nicht mehr offen steht. Die DS hat im Gegenzug ein neues Online-Angebot erstellt und wirbt in der Szene um finanzielle Zuwendungen für die juristische Auseinandersetzung. Das publizierte Arbeitsprogramm des neuen DS-Geschäftsführers Schreiber, eines ehemaligen Finanzbeamten, scheint durchaus geeignet, das Blatt auch ökonomisch zu wenden. Als Ziel gibt er an, den Verlag zu einem „nicht ganz unbedeutenden wirtschaftlichen Faktor“ in Riesa zu machen und „uns nahestehenden Landsleuten aus dieser Region damit eine materielle und ideelle Grundlage“ zu bieten. Näher am Verbot denn je Das Schlechtreden des Verbotsverfahrens kommt sicher nicht aus Zufall zu einem Zeitpunkt, an dem ein Verbot realistischer ist als seit einem Jahrzehnt. Der Bundesrat fasste im Dezember letzten Jahres einen wesentlichen Beschluss. Die in ihm versammelten Vertreter der Bundesländer kamen überein, einen Antrag auf Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Vorausgegangen war die Zusammenstellung umfangreicher Dokumente, die die „aggressiv-kämpferische Haltung“ der NPD gegenüber der Demokratie belegen sollen. Bundestag und Bundesregierung werden, anders als 2001, keine eigenen Anträge stellen. Der einstimmig gefasste Beschluss der 16 Bundesländer besagt nun nicht, dass alle Kräfte tatsächlich an einem Strang ziehen. Erkennbar nach Auswegen suchen insbesondere CDU geführte Innenministerien. Die konkrete Antragstellung ist bis heute nicht erfolgt, wird aber für die nächste Zeit erwartet. Heftig kritisiert wurden die eigentlich geheime Dokumentensammlung und die in ihr enthaltenen Fehler und „V-Mann-Belastung“. Geflissentlich wird übersehen, dass diese Sammlung kein juristischer Schriftsatz ist, sondern nur Material für einen solchen. Man kann den noch zu benennenden Prozessverantwortlichen des Bundesrates nur wünschen, sich ihre Papiere nicht bereits im Vorfeld zerreden zu lassen. In Riesa – NPD-Gegner stärken Beliebt ist der DS-Verlag in Riesa überwiegend nicht. Die Straße hieß bis 2010 „Mannheimer Straße“ und es ist das Verdienst der Stadt Riesa, die NPD mit dem neuen Namen „Geschwister-Scholl-Str.“ täglich zu ärgern. Im „Riesaer Appell“ haben sich alle NPDGegner zusammengeschlossen und ihre Ablehnung unzweifelhaft deutlich gemacht. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger von Riesa ermutigen, weiter aktiv gegen die DS Stellung zu nehmen. Bundesweit jedoch hat der Verlag nicht die Beachtung von antifaschistischer Seite bekommen, die er verdient. Und das, obwohl die Entscheidung, ob diese Nazi-Einrichtung weiter existiert, im Zuge des NPD-Verbotsverfahrens fallen wird. Wir haben ein Programm entwickelt, an dem sich ganz unterschiedliche Personengruppen beteiligen können, mündend in einer gemeinsamen Kundgebung um 18.00 Uhr auf dem Rathaus-Platz. Das NPD-Verbotsverfahren findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist Gegenstand einer intensiven öffentlichen Kontroverse. Der Aktionstag wird dazu dienen, das Gesetz des Handelns selbst zu übernehmen. Zeit, Ort und Bedingung der Aktion werden endlich einmal von Nazi-Gegnern bestimmt werden. Direkt vor dem Firmensitz wird die öffentliche Aufmerksamkeit auf die rassistischen und antidemokratischen Machenschaften der NPD gelenkt werden. Es ist unbedingt notwendig zu zeigen, dass breite und starke gesellschaftliche Kräfte der Neonazi-Partei das Recht auf Legalität absprechen. Thomas Willms