Sepp Krätz - ein bayerisches "Gesamtkunstwerk"

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Sepp Krätz - ein bayerisches "Gesamtkunstwerk"
Sepp Krätz - ein bayerisches "Gesamtkunstwerk"
Ein Portrait vom Gastronomen des Jahres 2011
Wenn man einen Mann wie Sepp Krätz auch einen „geborenen Wirt“ nennen kann,
heißt das nicht, dass ihm dieser Beruf gratis „in die Wiege gelegt“ worden ist. Der jetzt
vom angesehenen Schlemmer Atlas ausgezeichnete „Gastronom des Jahres 2011“ kam
vielmehr als Sohn der Bauernfamilie Krätz zur Welt und hat von Jugend an erst die
Landwirtschaft durch Mitarbeit kennengelernt.
Geboren wurde der katholisch getaufte Josef am 17. Oktober 1954 in Eresried bei
Augsburg, da wo Oberbayern und Schwaben sich überschneiden. Das erklärt, warum
auch Sepp Krätz zwei echt bayerische Charakterzüge in sich vereinigt: das
wirtschaftliche Denken der Schwaben und die Lust der Altbayern am Feiern und
Repräsentieren. Diese Mischung ergibt einen Gastronomen als „Gesamtkunstwerk“ für
München, die Stadt der Lebensfreude.
Vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt - auch für Sepp Krätz.
Nichts wurde ihm geschenkt, auch kein Wirtshaus, Restaurant oder Biergarten vererbt.
Bevor er seinen Traumberuf Wirt erreicht hat, erlernte er das Metzgerhandwerk. Bereits
mit 20 Jahren legte er darin in Augsburg als jüngster in Bayern die Meisterprüfung ab.
Und was lernt man da für die Gastronomie? Sepp hat gelernt, früh aufzustehen, fleißig,
zuverlässig und diszipliniert zu arbeiten, richtig und sauber mit Fleisch, Wurst oder
anderen Lebensmitteln umzugehen.
Qualität der Waren ist bekanntlich die halbe Kochkunst. Die nötige Qualität für die
Küche erkennen und zwischen Einkauf und Verkauf den angemessenen Preis
errechnen zu können, war das Fundament für den Erfolg von Krätz als Wirt.
Mit seinem Fingerspitzengefühl für Qualität und Preis in den Gaststätten kehrt Krätz
derzeit quasi an seine Wurzeln zurück. Im elterlichen Betrieb in Eresried und in
Zusammenarbeit mit schwäbischen Bauern sowie wissenschaftlichen Tierzuchtexperten
und Bayerns Landwirtschaftsministerium baut er die Zucht einer Rinderart mit qualitativ
hochwertigem Fleisch neu auf: der weltberühmten japanischen Wagyu-Rasse, auch
Kobe-Rinder genannt. Die spätere Kreuzung mit bayerischem Fleckvieh und Allgäuer
Grauvieh soll deren Defizite ausgleichen und den Preis dieses teuren Fleisches
erschwinglicher machen.
Was man sich aus kleinen Anfängen selbst erarbeitet, macht einen Menschen stark und
das hat auch dem Metzgermeister Krätz viel Selbstbewusstsein mitgegeben. Das zeigt
sich in der Gelassenheit und Ruhe, mit der er das Personal führt und in seinem
humorvollen Lächeln im Umgang mit Gästen. Auch darin steckt sein Geheimnis, warum
so viele hochgestellte oder nur prominente Leute gern zu ihm kommen: Ein bayerischer
Wirt buckelt vor niemandem und schmeichelt nicht unterwürfig, sondern begegnet allen
Gästen gleich freundlich und liebenswürdig. Echte Prominente oder Stars mögen kein
auffälliges Getue. Krätz erkennt und begrüßt in seinen Betrieben jeden Stammgast und
gibt als Hausherr nach Möglichkeit jedem das Gefühl, bei ihm einen besonderen Platz
und einen individuellen Service zu bekommen.
Nach seiner Ausbildung zog Metzgermeister Sepp Krätz nach München und arbeitete
hier ab 1974 erst im Hofbräukeller nahe am Bayerischen Landtag und später im
beliebten Hirschgarten in seinem erlernten Beruf. Hier übte er auch die Kunst des
Schankkellners ein - für einen Wirt und erst recht einen „Banzenbaron“ auf der Wiesn
überlebenswichtig! Auch als Biergartenmanager erlernte er hier die Organisation von
Personal, Waren und Plätzen in einem in München besonders emotional erlebten, voll
von Wetterlaunen abhängigen Freiluftbetrieb, für den man „ganz vui Gfui“ und
zuverlässige Mitarbeiter braucht.
Sepp Krätz ist nach eigenen Worten nur als Beispiel von vielen erfolgreichen und
preiswürdigen Kollegen in München und Bayern ausgezeichnet worden. Was einen
Gastronomen von einem guten Wirt unterscheidet, ist entweder der gehobene Anspruch
oder eine Mehrzahl von Betrieben. Nimmt man nur die drei „Flaggschiffe“ des
Unternehmers Krätz, nämlich die Waldwirtschaft, den Andechser am Dom und das
Wiesnzelt Hippodrom, so fällt auf, dass er in jedem Betrieb ein anderes Konzept mit
anderen Schwerpunkten und für andere Zielgruppen umgesetzt hat: von der
Ausstattung über die Speisekarte bis zum Publikum.
Den ersten Schritt zum selbständigen Wirt riskierte Sepp Krätz im Oktober 1981 als
Pächter der historischen Waldwirtschaft in Großhesselohe, die er aus einem längeren
Dornröschenschlaf aufweckte. Den bis dahin eher als Männerdomäne verstandenen
Biergarten dort hat er der neuen Zeit angepasst: Speisen und Getränke für die ganze
Familie, ein Kinderspielplatz dabei, freundlicher Service und nicht zu laute Jazzmusik
live lösen eine Art Feierabend-Wohlgefühl aus. Das lieben die Stammgäste in ihrer
„WaWi“, die für sie fast zum Kult wurde. Das für viele Münchner beliebte Ausflugslokal
wurde für Sepp Krätz zum ersten Erfolg. Als Nachbarn einen Streit um die
Öffnungszeiten anzettelten, begann 1995 hier - von Krätz angeführt - die legendäre
„Münchner Biergarten-Revolution“. Die machte 20 000 Münchner zu einer
Demonstration mobil, die Waldwirtschaft bayernweit bekannt. Sie nahm schließlich ein
gutes Ende: Bayerns Biergartenkultur ist heute Gesetz und in Deutschland ein Begriff.
Den zweiten Schritt vom Stadtrand mitten in die Innenstadt wagte Krätz 1994 als
Gründer des Andechser am Dom als Gasthaus mit einer neuen Konzeption. „Ob
Mensch oder Preiss“, wie der Schichtl auf der Wiesn seine „Hinrichtungen“ anpreist, ob
Münchner oder Besucher, sie finden mitten in der Hektik des Zentrums direkt am Dom
eine kleine, aber feine Gaststätte mit Wirtsgarten: eine altbayerische Oase der
Gemütlichkeit als kommunikativen Treffpunkt. Das Andechser Klosterbier weckt sowieso
in jedem Münchner gleich Ausflugsstimmung; essen kann man dort bayerisch und doch
leicht, serviert wird schnell, aber dennoch kein Fastfood.
Die Krönung seines Erfolges als Gastronom erhielt Sepp Krätz nur ein Jahr später mit
dem Aufstieg zum Wiesnwirt. Er bekam die Konzession für ein altbekanntes und
besonderes Festzelt auf dem Oktoberfest: das Hippodrom. Das war ursprünglich seit
1902 eine bewirtschaftete Reitbahn mit längerer Öffnungszeit. Darin konnten auf dem
Rücken der Pferde stolz schwankende Herrenreiter ihre Künste und angeschickert
hopsende Dämchen ihre Unterröcke zeigen – alles zur Belustigung des Publikums. Ab
1988 gab es statt Pferden in der Manege nur noch ein kleines Pferdekarussell. Krätz
gestaltete dann ab 1995 als neuer Festwirt das Zelt um und 1996 bekam er anstelle der
Nachtkonzession einen Biergarten mit 1000 Sitzplätzen dazu.
„Eine Schau“ ist das Hippodrom freilich immer noch: mit bester Qualität der Speisen
und Getränke, flottem freundlichen Service, diskret abgeschirmter Promi-Pflege und
trotz ausgelassener Stimmung mit einem gesittetem Umgang im Publikum. Das bringt
internationales Flair, Stars aus dem Showbusiness und die locken wieder die Medien
an. So pflegt Sepp Krätz die Tradition ganz ohne Luxus in moderner Form weiter wie in
allen seinen Betrieben, gepaart mit dem höchsten bayerischen Qualitätsanspruch: „Es
gibt nix Bessers als was Guats!“
Hannes Burger
Quelle: Busche Verlagsgesellschaft mbH

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