der traum der roten kammer der traum der roten kammer
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DER TRAUM DER ROTEN KAMMER Handlung Prolog Die Legende berichtet: Aus 36501 Steinen sind die Pfosten des Himmels errichtet. Ein Stein blieb seiner sperrigen Form wegen unbenutzt. Schmerzlich empfand er die Zurückweisung und wandte sich der Welt des roten Staubs zu, um das Schicksal eines Menschen zu werden. In diesem Moment wird der Familie Kia ein Sohn geboren. – Mit einem Stein im Mund… Erster Akt Das Reich der Mitte, Ende des 17. Jahrhunderts. Groß und mächtig ist das Haus Kia. Dem Drachenthron verschwägert, genießt die Ehrwürdige Ahne Tai Tai uneingeschränktes Ansehen. Bald wird der einzige Spross des Hauses, der Jüngling Pao Yü, der Familie vorstehen. Es heißt, er sei mit einem Stein im Mund zur Welt gekommen. Noch aber zeigt er wenig Interesse für den Ernst des Lebens... Große Aufregung im Hause Kia: Im Park der Augenweide treibt ein alter Baum mitten im Winter Blüten. – Ein böses Omen! Die Ehrwürdige Ahne Tai Tai aber liest daraus Glück und Segen: Noch in diesem Jahr wird sich Pao Yü verheiraten! Längst ist beschlossen: Cousine Pao Tschai wird die neue Herrin des Hauses Kia. Aber auch Cousine Lin Da Yü macht sich Hoffnungen. Ein seltsames Wesen ist sie: Nachfahrin eines verarmten Familienzweiges und von schwächlicher Konstitution, sprüht sie von Geist, schreibt Gedichte und gibt sich – gemeinsam mit Pao Yü – Träumereien hin. Das Leben ist ein Spiel. Für sie. Für ihn. Ja, ein Spiel! Noch… Das muss ein Traum sein! – Als Bräute verschleiert treten Pao Yü seine beiden Cousinen gegenüber. Ja, gewiß ein Traum... Von der Ehrwürdigen Ahne Tai Tai vor die Entscheidung gestellt, eine der beiden zur Frau zu nehmen, gerät Pao Yü in Verwirrung. Wer von den beiden ist denn nun Lin Da Yü? Diese? Oder jene? Oder vielleicht doch... – Er wählt die Falsche. – – – Was soll’s, es ist ja nur ein Spiel! – Der kleinste Irrtum aber schon zerstört den Traum... Zweiter Akt Von der Hochzeitsfeier Pao Yüs und Pao Tschai hat sich Lin Da Yü in den Park der Augenweide geflüchtet. Einst hat der alte Baum im Winter geblüht und ihr Glück verheißen, und nun ist Cousine Pao Tschai an Pao Yüs Seite die neue Herrin des Hauses Kia. Stolz nimmt sie die Huldigungen entgegen, die ihr eine Gruppe ausgelassener Festgäste erweisen. Ein kleines Stück wurde zu Ehren der Braut einstudiert. Sein Titel: Die Geschichte der ewigen Sehnsucht. Mit Entsetzen muss Pao Tschai erkennen: Ewig wird ihr Mann sich nach ihrer Rivalin Lin Da Yü verzehren. Im nächtlichen Garten tanzen die Dämonen der Eifersucht ihren wilden Reigen... Niemals wird Pao Yü sich in sein Schicksal an der Seite seiner Frau fügen, solange Lin Da Yü am Leben ist. So bleibt ihr nichts, als alle Spuren zu verwischen, die sie im irdischen Leben hinterlassen hat. Sie verbrennt ihre Gedichte, weist jeden Trost von sich... Dritter Akt Nicht vergessen kann Pao Yü seine tote Cousine. Was vermögen alle Macht und aller Reichtum des Hauses Kia gegen die unendliche Leere, in die er Tag für Tag, Nacht für Nacht schauen muss? Jede Erinnerung an Lin Da Yü züchtigt sein Herz mit tausend Ruten. Nicht einmal im Schlaf kann er Ruhe finden. Nach Lin Da Yü durchwühlt er seine Träume. Heimtückisch sind sie, hinterhältig, voller Irrtümer. DOCH DA... Über seinem Traum vergisst Pao Yü die Zeit. Und so vergehen die Jahre... Dynastien sinken hinab, Geschlechter blühen auf. Das Neue entsteht, das Alte verweht. Zu langen Märschen rüsten die Kinder des roten Staubs. In ihrem Rücken verbrennen Felder und Städte. Knechte werden zu Herren und Herren zu Knechten. Das Neue wird alt. Und das Alte wird neu... China, heute. Ein Park. Ein alter Baum. Manchmal blüht er im Winter, heißt es. Ein Penner. – Wie lange sitzt er wohl schon da, so regungslos, dass der Wind bereits durch ihn hindurchgeht, und das Licht keinen Schatten mehr aus ihm zieht? Menschen auf ihren Wegen. – Wen interessiert schon ein Baum? Menschen in ihrer Zeit. – Wer sieht noch den Penner? Kinder, allesamt Kinder des roten Staubs... DOCH DA... Ein Mädchen... – es bleibt stehen... kurz nur... sein kleines Gesicht in der Sonne... Geister auf ihren Umlaufbahnen... Jeder Baum fällt. Irgendwann. Dann, dann vielleicht, ja dann, ist die Zeit gekommen aufzustehen... Über der Pforte der Grossen Leere steht geschrieben, auf ewig, in unsichtbaren Zeichen: „Wenn Falsches wahr wird, wird auch Wahres falsch, wo Nichtsein Sein ist, wird auch Sein zum Nichts.“