Zusammenfassung - Kontakt zu Schwulen und

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Zusammenfassung - Kontakt zu Schwulen und
Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt
Kontakt zu Schwulen und Lesben herstellen
Fach
Biologieunterricht, auch Deutsch und Sachkundeunterricht, fächerübergreifend
Stufe
Klasse 9
Zeit
2 Unterrichtsstunden mit Zwischenzeit
Schlagworte
Kennenlernen, Lebenswelten, Szene und Alltag
Überblick über den Inhalt:
"Bist du mit einem Schwulen befreundet? Woran erkennt man einen Schwulen?"
Lehramtstudierende der Universität Bonn befragten etwa 50 Schüler der Klassen 9 und 10
einer Jungenschule zum Thema Homosexualität. Das Ergebnis war eindeutig: Homosexualität
ist - zumindest an dieser Schule - ein Tabu-Thema.
Das Bild, dass die Schüler von Schwulen hatten, war vor allem von den Medien geprägt.
Vorurteile ersetzten eigene Erfahrungen und Meinungen. Wir stießen auf Äußerungen wie
"Gott hasst Schwule". Wir wollten dranbleiben an dem Thema. Entstanden ist nach dieser
ehrlichen Bestandsaufnahme ein Unterrichtsentwurf, in dessen Mittelpunkt das Internet steht.
Kernüberlegung ist es, über geeignete Schwulenforen oder AStA-Schwulenreferate die
Kommunikation von Schülern der Klasse 9 mit etwa gleichaltrigen schwulen Jugendlichen zu
ermöglichen. Die Schüler sollen ihre Fragen zum Thema Homosexualität sammeln, diese dann
schwulen Jugendlichen per E-Mail schicken, die Antworten bündeln und - soweit von den
Lernenden gewünscht - im Plenum diskutieren. Auf diese Weise sollen Vorurteile weichen. Die
Unterrichtseinheit wurde an einer Jungenschule durchgeführt, weshalb ausschließlich mit
Schwulenforen gearbeitet wurde. Das Prinzip ist aber auch auf Mädchen- oder gemischte
Klassen übertragbar, da es natürlich auch entsprechende Lesbenforen und AStALesbenreferate gibt.
Die Unterrichtseinheit umfasst zwei Stunden. Wichtig ist, dass zwischen der ersten und der
zweiten Stunde mindestens 48 Stunden liegen, damit die User des Schwulen-(Lesben-)Forums
und die Mitarbeiter des Schwulen-(Lesben-)Referats genügend Zeit haben, die Fragen zu
diskutieren und zu beantworten.
Ziele
Die Lernenden sollen eigene Erfahrungen in der virtuellen Begegnung mit homosexuellen
Jugendlichen sammeln. Dabei erhalten sie die Möglichkeit Vorurteile gegenüber
Homosexuellen zu überprüfen und abzubauen.
Materialien
Internetadressen für die Schüler
§ loveline Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für Jugendliche.
§ Sexundso E-Mail-Beratungsangebot des ProFamilia-Landesverbandes Niedersachsen für
Jugendliche.
§ MediGay Schwule und Lesben im Gesundheitswesen der Schweiz. Hier sind insbesondere
die FAQs interessant
Eine Initiative von:
SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW
www. schule der vielfalt.de
Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt
§ anyway-koeln.de Ratsuchende Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 12 und 25
Jahren finden hier sozialpädagogische Hilfe sowie Kontakte zu homo- und bisexuellen
Gleichaltrigen.
§ Gemischte Gefühle: Infos zum Lesebuch zur sexuellen Orientierung
Anleitung
Didaktisch-methodischer Kommentar:
Die Unterrichtseinheit umfasst zwei Stunden. Wichtig ist, dass zwischen der ersten und der
zweiten Stunde mindestens 48 Stunden liegen, damit die User des Schwulen-(Lesben-)Forums
und die Mitarbeiter des Schwulen-(Lesben-)Referats genügend Zeit haben, die Fragen zu
diskutieren und zu beantworten. Die Vorbereitung der Unterrichtseinheit ist nicht
unaufwändig. In der Stunde - und dort insbesondere in der Phase der Internetrecherche sollen die Lernenden über Internetforen eigene Fragen zum Thema Homosexualität an
schwule oder lesbische Jugendliche stellen. Es ist wichtig, bereits im Vorfeld Kontakt mit den
entsprechenden Foren aufzunehmen. Die Redaktion der jeweiligen Website kann dadurch
ihre User auf die geplante Aktion vorbereiten und die Durchführung der Unterrichtseinheit
ankündigen. Im Rahmen dieser Unterrichtseinheit wurde auch mit dem Schwulenreferat des
AStA der Universität Bonn im Vorfeld Kontakt aufgenommen, damit die Mitarbeiter des
Referats von der Aktion wussten und auch sie innerhalb eines abgesprochenen Zeitraums auf
die Fragen der Lernenden antworten konnten. Während der Stunde ist Anonymität wichtig.
Die Lernenden sollen alleine und in Stillarbeit Fragen zum Thema Homosexualität sammeln
und in ihr Heft schreiben. Im weiteren Verlauf der Stunde haben sie dann die Möglichkeit,
diese Frage zu posten oder an das Schwulen-(Lesben-)Referat eines AStA zu schicken. Die
Lernenden müssen dafür von der Lehrkraft einen Account gestellt bekommen. Zu diesem
Zweck empfiehlt sich die Einrichtung eines virtuellen Klassenraums bei lo-net, dem LehrerOnline-Netzwerk. Dort erhalten alle Mitglieder eines virtuellen Klassenraums eine eigene EMail-Adresse.
Unterrichtsphasen der ersten Stunde:
1.
Der Unterricht beginnt mit einem stummen Impuls: An die Wand werden via Beamer
oder Overhead-Projektor zwei Bilder von sich küssenden Jungen und/oder Mädchen
projiziert. Als Vertreter des lesbischen Paares eignet sich zum Beispiel das russische Duo
„t.A.T.u.“ Die beiden Mädchen haben 2003 mit "All the things she said" einen großen Hit
gelandet. In dem Video zu dem Song küssen sie sich und auch im Rahmen des diesjährigen
Eurovision Song Contest sorgten sie für Wirbel. Somit ist auch ein aktueller Bezug zu dem
Thema hergestellt. Webseiten mit entsprechenden Bildern für die Präsentation per Beamer
oder Overheadprojektor sind zum Beispiel diese:
§ t.A.T.u Website des russischen Pop-Duos t.A.T.u.
§ braveboy.de Website der schwulen Jugend-Community.
2.
Nachdem die Bilder gezeigt wurden, sollte die Lehrkraft zunächst einmal gar nichts
sagen. Aus der Klasse kommen erfahrungsgemäß sofort Reaktionen. Diese Reaktionen sollten
Sie wahrnehmen, da sie einen optimalen Einstieg bieten. Es eignen sich aber auch die Fragen
"Was seht ihr?" oder "Was empfindet ihr, wenn ihr euch diese Bilder anseht?". Während dieser
Phase meinte ein Schüler bezogen auf ein Bild von t.A.T.u.: "Die beiden sind ja gar nicht
lesbisch". Daran ließ sich sogleich die Frage anknüpfen: "Woher weißt du das?" oder "Warum
küssen sie sich dann? Ist denn lesbisch sein cooler?". Die Impulsphase (Bilder von sich
küssenden Jungen beziehungsweise Mädchen) sollte etwa fünf Minuten dauern. Im Idealfall
wird bereits während dieser Impulsphase eine Frage gestellt. In einem Fall meldete sich ein
Schüler und fragte: "Kann man durch Analsex AIDS bekommen?". Solche und andere Fragen
stehen im Mittelpunkt der Unterrichtseinheit.
Eine Initiative von:
SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW
www. schule der vielfalt.de
Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt
3.
Die Lernenden sollen nun die Möglichkeit haben, sich derartige Fragen zu überlegen
und zu sammeln. In dieser Phase der Unterrichtsstunde sollen sie in Stillarbeit ihre Fragen in ihr
Heft schreiben.
Als Arbeitsauftrag ist zum Beispiel zu empfehlen:
§ "Stellt Euch vor, einer der beiden Jungs (von dem gezeigten Foto) würde gleich zu uns
kommen, oder Yulia von t.A.T.u. wäre gleich bei uns zu Gast. Was würdet ihr von ihnen
wissen wollen? Was wisst ihr über Homosexualität und vor allem: Was wollt ihr wissen?".
Die Lernenden sollten etwa fünf Fragen aufschreiben (fünf Minuten Stillarbeit).
4.
Nach der Stillarbeit haben die Schülerinnen und Schüler etwa 25 bis 30 Minuten Zeit
online zu gehen und ihre zuvor formulierten Fragen zum Beispiel an das Braveboy-Forum oder
ein Schwulen-(Lesben-)Referat zu stellen. Wichtig ist, dass die Lernenden dabei relativ
unbeobachtet agieren können. Wer sich auf den Seiten ungestört umsehen will, muss dazu
Gelegenheit haben. Die genannten Webseiten sind unbedenklich. Gleichwohl muss auf das
Problem hingewiesen werden, dass man unter Umständen durch Tippfehler auf Seiten mit
pornografischem Inhalt gelangen könnte. Ein Inhaltsfilter seitens der Schule kann das Problem
jedoch lösen. In der Praxis hat sich diese Befürchtung als unbegründet erwiesen: Die
Lernenden waren ausschließlich auf den vorgegebenen Seiten und das mit erstaunlichem
Eifer und großem Interesse. Die Internetrecherche beendet die erste Stunde.
[Eventuell kann zwischenzeitlich ein Raumwechsel durchgeführt werden. Die Impulsphase
und Stillarbeit der ersten Stunde können direkt im Computerraum durchgeführt werden
(sofern dort ein Beamer oder ein Overheadprojektor für den Bildimpuls zur Verfügung stehen).
In meinem Unterricht hat es sich aber bewährt, diesen Teil der Stunde im Klassenraum
abzuhalten und dann erst in den Computerraum zu wechseln, da die damit verbundene
Bewegung als auflockernde Aktivität wirkte.]
Eine Initiative von:
SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW
www. schule der vielfalt.de
Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt
Unterrichtsphasen der zweiten Stunde:
1.
Sicherung der Antworten: Die zweite Stunde beginnt direkt im Computerraum der
Schule. Nur kurz soll der Arbeitsauftrag erteilt werden, die Antworten auf die E-Mails und die
Forumsbeiträge zu lesen. Die Erfahrung zeigt, dass auch diese Phase der Freiarbeit erstaunlich
diszipliniert abläuft. Die Lernenden sind mit großem Interesse beschäftigt und lesen die
Antworten der braveboy.de-User. Nur vereinzelt ist Gelächter oder Kichern zu hören. Hilfreich
ist der Hinweis, die Antworten auf die Fragen stichwortartig festzuhalten. Zudem ist es
empfehlenswert, dass die Lehrkraft am Vorabend bereits erste Forumsbeiträge ausgedruckt
und diese während der anschließenden Diskussion verteilt.
2.
Nach etwa 25 Minuten sollte der Raum gewechselt und die verbleibende
Viertelstunde im Klassenraum diskutiert werden. Haben die Lernenden jetzt nämlich zusätzlich
zu ihren eigenen Notizen identische Auszüge des Forums in Form von Kopien vor sich liegen, ist
eine bessere Beteiligung aller zu erwarten. Wichtig ist zu betonen, dass alle Forumsbeiträge,
also alle Fragen der Lernenden, vom Webmaster der Seite anonym gepostet werden
(Absprache!). Es ist somit nicht erkennbar, wer welche Fragen gestellt hat. In diesem zweiten
Teil der Stunde soll relativ frei diskutiert werden. Über welche Themen und Fragen speziell
gesprochen wird, ist den Lernenden überlassen. Die Lehrkraft kann hier vielleicht allgemein
fragen, welche Antworten erhalten wurden. Erfahrungsgemäß wird es einige Schüler geben,
die aufzeigen und ihre Fragen und Antworten präsentieren möchten. Ist dies nicht der Fall,
sollte die Lehrkraft niemanden zur Beteiligung an der Diskussionsrunde zwingen. In diesem Fall
ist zu empfehlen, die Antworten des Forums vorlesen zu lassen. Anschließend kann man die
Lernenden auffordern, das Geschriebene zu kommentieren. Aber auch hier zeigt sich, dass
die Lernenden sich rege an der Diskussion beteiligen. Das genutzte Forum sollte stets als
"Antworten-Geber" benutzt werden: Werden Fragen in den Raum gestellt, empfiehlt es sich
als Lehrkraft auf das Forum zu verweisen ("Ja, o.k. Was sagen denn die User zu dieser Frage?").
So wahrt man die Neutralität, denn die Lehrkraft sollte meines Erachtens jegliche Bewertung
von Homosexualität unterlassen. Fallen diskriminierende Äußerungen, so werden diese aller
Voraussicht nach optimal von den Usern des Forums selber aufgefangen. Ein Schüler nannte
die User zum Beispiel "Schwuchteln" und erhielt daraufhin eine klare Antwort. Es wirkt meines
Erachtens viel mehr, wenn die User des Forums auf derartige Äußerungen reagieren, als wenn
die Lehrkraft das tut.
Nachbereitung
Resümee Authentizität:
Die Stärke dieser Unterrichtseinheit ist ihre Authentizität. Die Tatsache, dass in etwa
gleichaltrige homosexuelle Jugendliche die Fragen der Lernenden beantworten, ermöglicht
eine Begegnung auf gleicher Augenhöhe. Es ist eben kein Lehrer, der dozentenhaft Toleranz
predigt, sondern ein 16-jähriger Jugendlicher, der den Schülern Fragen wie etwa "War dein
Coming-Out schwierig?" oder "Was haben deine Eltern gesagt?" beantwortet. Diese Stärke
des Entwurfs sollte die Lehrkraft nicht dadurch untergraben, dass sie selber Bewertungen
anstellt. Unter diesen Voraussetzungen bietet diese Unterrichtseinheit eine Möglichkeit,
unverkrampft und authentisch über das Thema Homosexualität zu sprechen. Dann können
die Lernenden abseits des Medienklischees von Schwulen und Lesben die homosexuelle
Wirklichkeit kennen lernen und sich ein etwas vielseitigeres und objektives Bild machen.
Anonymität:
Es sollten alle Fragen gestellt werden dürfen. Die Lehrkraft sollte diese Offenheit in der
Fragestellung gewährleisten - beispielsweise durch die Herstellung von Anonymität. Möchten
Lernende in einer E-Mail intime Fragen stellen, so sollte die Lehrkraft diese Fragen erstens nicht
kennen oder gar die Schülerin oder den Schüler dazu drängen, die Frage dem
Klassenverband zu präsentieren. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass die Lernenden
während der Auswertungsrunde nicht gezwungen werden, die Antworten, die sie bekommen
haben, vorzutragen.
Eine Initiative von:
SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW
www. schule der vielfalt.de
Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt
Eine Initiative von:
SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW
www. schule der vielfalt.de
Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt
Weiterführende Literatur
Unter der unten genannten Internetadresse kann die Beschreibung der Stunde noch einmal
nachgelesen werden. Auch die anderen genannten Internetseiten sind dort aufgelistet.
Quelle
Lehrer Online – Unterricht mit digitalen Medien. Unterrichtseinheiten für den Biologieunterricht.
Autor: Rzepka, Dominik
http://www.lehreronline.de/homosexualitaet.php?show_complete_article=1&sid=3049955981172743552159390
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Eine Initiative von:
SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW
www. schule der vielfalt.de