Einlagerung von Abfällen aus kerntechnischen Anlagen in

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Einlagerung von Abfällen aus kerntechnischen Anlagen in
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 8028
15. Wahlperiode
28. 01. 2016
Kleine Anfrage
des Abg. Andreas Glück FDP/DVP
und
Antwort
des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft
Einlagerung von Abfällen aus kerntechnischen Anlagen
in Deponien des Landkreises Ludwigsburg
Kleine Anfrage
Ich frage die Landesregierung:
1. Seit wann lagert die Abfallverwertungsgesellschaft Ludwigsburg in den Deponien in Vaihingen-Horrheim und Schwieberdingen Abfälle aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe und aus dem Kernkraftwerk Neckarwestheim ein?
2. Wie groß ist das Volumen der bisher eingelagerten Abfälle aus Karlsruhe und
Neckarwestheim an beiden Deponiestandorten?
3. Um welche Arten von Abfällen handelt es sich im Einzelnen?
4. Inwieweit sind die Abfälle (gegebenenfalls auch schwach) kontaminiert?
5. Inwieweit wurden an den beiden Deponiestandorten Nachmessungen der womöglich verbleibenden Strahlung durchgeführt?
6. Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise wurden die beteiligten Kommunen sowie die Bürgerinnen und Bürger vor Ort über die Einlagerung der Abfälle
informiert?
7. Was tut sie, um das laut Presseberichten nachhaltig gestörte Vertrauen der Bürgerschaft vor Ort wiederherzustellen?
28. 01. 2016
Glück FDP/DVP
1
Eingegangen: 28. 01. 2016 / Ausgegeben: 07. 03. 2016
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 8028
Antwort
Mit Schreiben vom 22. Februar 2016 Nr. 25-8982.21/10 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt:
1. Seit wann lagert die Abfallverwertungsgesellschaft Ludwigsburg in den Deponien in Vaihingen-Horrheim und Schwieberdingen Abfälle aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe und aus dem Kernkraftwerk Neckarwestheim ein?
Abfälle, die zur Beseitigung auf einer Deponie freigemessen wurden, sind erstmalig im Jahr 2007 auf den Deponien der Abfallverwertungsgesellschaft des
Landkreises Ludwigsburg mbH (AVL) abgelagert worden. Es handelte sich um
Abfälle aus dem Forschungszentrum Karlsruhe, die auf Basis des vom Umweltministerium Baden-Württemberg erteilten Bescheids Nr. E05/2006 vom 27. März
2007 freigegeben worden sind.
Aus dem Kernkraftwerk Neckarwestheim sind bislang keine zur Beseitigung auf
Deponien freigemessenen Abfälle abgelagert worden.
2. Wie groß ist das Volumen der bisher eingelagerten Abfälle aus Karlsruhe und
Neckarwestheim an beiden Deponiestandorten?
In den vergangenen 8 Jahren (2007 bis 2015) wurden rund 324 Tonnen freigemessene Abfälle auf den Deponien „Burghof“ und „Am Froschgraben“ des Landkreises Ludwigsburg abgelagert. Dies entspricht umgerechnet je nach Einbaudichte und Material etwa einem Volumen von 180 bis 200 m³.
3. Um welche Arten von Abfällen handelt es sich im Einzelnen?
Im Wesentlichen handelte es sich um Abfälle der folgenden Abfallschlüssel:
– 17 01 01 Beton,
– 17 01 06* Gemische aus oder getrennte Fraktionen von Beton, Ziegel, Fliesen
und Keramik, die gefährliche Stoffe enthalten,
– 17 01 07 Gemische aus Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik mit Ausnahme derjenigen die unter 17 01 06 fallen
– 17 05 04 Boden und Steine mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 05 03 fallen.
4. Inwieweit sind die Abfälle (gegebenenfalls auch schwach) kontaminiert?
Durch das in der Strahlenschutzverordnung geregelte Freigabeverfahren wird
sichergestellt, dass durch die abgelagerten Mengen an freigemessenen Abfällen
die für Einzelpersonen der Bevölkerung bzw. des Deponiepersonals hervorgerufene Strahlenexposition von 10 Mikrosievert pro Jahr nicht überschritten wird.
Die natürliche Strahlenbelastung liegt in Deutschland im Schnitt bei ca. 2.100 Mikrosievert pro Jahr.
Neben der strahlenschutzrechtlichen Freigabe ist anhand einer grundlegenden
Charakterisierung der Abfälle zu prüfen, ob die durch die Deponieverordnung
festgelegten Ablagerungsbedingungen für die jeweilige Deponie eingehalten werden. Soweit auch gefährliche Abfälle auf den Deponien der AVL angenommen
werden, handelt es sich um solche Abfälle, die die Zuordnungskriterien der Deponieverordnung für die jeweilige Deponieklasse DK I oder DK II einhalten und somit auf diesen Deponien abgelagert werden dürfen.
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5. Inwieweit wurden an den beiden Deponiestandorten Nachmessungen der womöglich verbleibenden Strahlung durchgeführt?
Wie bereits unter Frage 2 dargelegt, wurden in den vergangenen 8 Jahren etwa
324 Tonnen freigemessene Abfälle auf den zwei Deponien des Landkreises Ludwigsburg abgelagert. Das ist im Vergleich zu den rund 825.000 Tonnen mineralischer Abfälle, die allein im Jahr 2014 auf den beiden Deponien eingebaut wurden,
eine sehr geringe Menge.
Aufgrund der Erdüberdeckung ist nicht zu erwarten, dass die von der noch vorhandenen Restaktivität der in der Deponie eingebauten Abfälle ausgehende Direktstrahlung als solche detektierbar ist. Zur Verifizierung plant die AVL im ersten Halbjahr 2016 auf beiden Deponiestandorten freiwillige in-situ-Messungen,
um den Nachweis zu erbringen, dass von den Ablagerungen aus dem Forschungszentrum Karlsruhe keine Strahlung ausgeht.
Auch für das Sickerwasser ergaben die im Rahmen der Umsetzung des Strahlenschutzvorsorgegesetzes von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) 2014 durchgeführten Messungen auf der
Deponie Burghof in Vaihingen-Horrheim keine Hinweise, dass künstliche Radioaktivität durch Auswaschprozesse in das Sickerwasser gelangt ist.
Künstliche Radionuklide sind als Fallout der früheren oberirdischen Kernwaffenversuche und aufgrund des Reaktorunfalls von Tschernobyl in der Umwelt in
Spuren stets feststellbar.
6. Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise wurden die beteiligten Kommunen
sowie die Bürgerinnen und Bürger vor Ort über die Einlagerung der Abfälle
informiert?
Mit dem behördlichen Verwaltungsakt der Freigabe erfolgt die Entlassung der
freigemessenen Abfälle aus dem Regelungsbereich des Atomgesetzes und der
darauf beruhenden Rechtsverordnungen. Danach fallen die Abfälle in den Regelungsbereich des Abfallrechts und sind analog zu anderen zu beseitigenden Abfällen auf einer Deponie abzulagern. Besondere Schutzmaßnahmen für das Deponiepersonal und die Bevölkerung, die über die allgemeinen Vorgaben zum Umgang
mit Abfällen hinausgehen, sind im Hinblick auf die äußerst geringe Restaktivität
nicht erforderlich.
Insoweit ist eine Information der Öffentlichkeit durch den Deponiebetreiber
rechtlich nicht geboten. Im Vergleich zur Gesamtmasse der abgelagerten Abfälle
sind die sehr geringen Mengen an abgelagerten freigemessenen Abfällen unbedeutend. Erstmalig wurde die Anlieferung von Abfällen aus dem Rückbau des
Kernforschungszentrums Karlsruhe im Mai 2014 im Aufsichtsrat der AVL thematisiert.
Des Weiteren erfolgten Informationen der Gremien des Gemeinderates von Schwieberdingen in Sitzungen am 16. September 2015 und 30. September 2015.
Die Stadt Vaihingen/Enz wurde im Rahmen der regelmäßigen Sitzungen des Vaihinger Müllausschusses – ein informelles Gremium, das regelmäßig den Deponiebetrieb begleitet – am 29. September 2015 ausführlich über die Entsorgung der
mineralischen Abfälle aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe und der zukünftigen Entsorgung der zweckgerichtet freigemessenen Abfälle aus dem Kernkraftwerk Neckarwestheim informiert. Seitens der Stadt Vaihingen/Enz wurde
aufgrund der Sachlage kein Bedarf für eine weitere Information gesehen.
7. Was tut sie, um das laut Presseberichten nachhaltig gestörte Vertrauen der
Bürgerschaft vor Ort wiederherzustellen?
Im Hinblick auf den gesellschaftlich gewollten Ausstieg aus der Atomwirtschaft
und dem damit verbundenen Anfall an Rückbaumaterial aus Kernkraftwerken
wird zukünftig eine größere Menge an Abfällen – auch an freigegebenen Abfällen
– zu entsorgen sein. Vor diesem Hintergrund finden landesweit Diskussionen auf
breiter Ebene über die Rahmenbedingungen für diese Entsorgung statt. Die Ab-
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fallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg mbH (AVL) hat stets
von sich aus zugesagt, hierzu gemeinsame Informationsveranstaltungen mit den
Standortgemeinden, kerntechnischen Sachverständigen und Vertretern der Atomaufsichtsbehörde durchzuführen.
Auch der Landkreistag hat das Thema aufgegriffen und als vertrauensbildende
Maßnahme gemeinsam mit den Betreibern von Kernkraftwerken und der Atomaufsichtsbehörde eine „Handlungsanleitung zur Entsorgung freigemessener Abfälle auf Deponien in Baden-Württemberg“ erarbeitet. Diese sieht vor, dass der
von der Atomaufsichtsbehörde beauftragte Sachverständige den Vorgang der
Freimessung des Abfallerzeugers künftig vollständig und nicht wie bisher stichprobenartig überprüft. Außerdem wurde vereinbart, dass der betroffene Deponiebetreiber einen eigenen unabhängigen Sachverständigen bestellen kann, der vollen
Zugang zur Dokumentation der Messungen und zu den dazu erstellten Bildaufzeichnungen hat und die Freimessungen jederzeit stichprobenartig kontrollieren
darf.
All dies dient dazu, dass Deponiebetreiber und Anwohner bei aller durch die
Strahlenschutzverordnung gewährleisteten Sicherheit eine umfassendere Gewähr
und Information erhalten, dass keine Abfälle auf die Deponien verbracht werden,
die den Grenzwerten der Strahlenschutzverordnung nicht entsprechen. Insoweit
unterstützt die Landesregierung die zur Entsorgung verpflichteten Deponien
durch Beratung und Öffentlichkeitsarbeit bei ihrer Aufgabe.
Zudem hat die Landesregierung Informationskommissionen zu den zurückzubauenden Kernkraftwerksstandorten Neckarwestheim und Philippsburg eingerichtet,
deren Aufgabe es ist, die Bürgerinnen und Bürger in der Umgebung der Kernkraftwerke in Baden-Württemberg aktiv und in institutionalisierter Form über
Sicherheitsfragen der kerntechnischen Anlagen zu informieren. Neben der Information der Öffentlichkeit zu Fragen der kerntechnischen Sicherheit über Pressemitteilungen und das Internet soll die Kommission zu einer direkten und regelmäßigen Information über aktuelle Ereignisse und Planungen vor Ort beitragen
und einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den Kommissionsmitgliedern als Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einerseits sowie kompetenten Fachleuten auf Behörden- und Betreiberseite andererseits ermöglichen. Die Kommission tagt in der Regel zwei- bis dreimal jährlich.
Die Sitzungen werden öffentlich angekündigt.
Auch die AVL steht in einem engen Kontakt mit den beiden Standortgemeinden.
Sie hat von sich aus Informationen über die bevorstehenden Entsorgungsaufgaben
in der Öffentlichkeit kommuniziert und zuletzt am 18. Januar 2016 für Vertreter
der Verwaltungen und des Gemeinderates beider Kommunen eine Besichtigung
und Informationsveranstaltung zum Rückbau im Kernkraftwerk Neckarwestheim
organisiert.
Untersteller
Minister für Umwelt,
Klima und Energiewirtschaft
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