Kündigung - ConstructionValais

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Kündigung - ConstructionValais
Kündigung
Isabelle Volken Viscomi, Juristin
Dienststelle für Arbeitnehmerschutz und Arbeitsverhältnisse des Kantons Wallis
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1. Beendigung des Arbeitsvertrags
Grundsatz der Kündbarkeit des Arbeitsvertrags
Als Grundsatz gilt, dass der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis
unter Einhaltung der Kündigungsfristen frei auflösen kann.
Befristetes Arbeitsverhältnis
Laut Art. 334 Abs. 1 OR endigt ein befristetes Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit
blossem Zeitablauf, wenn es für eine bestimmte Zeit eingegangen ist, wenn es also
nach dem Willen der Vertragsparteien während einer bestimmten Frist oder bis zu
einem bestimmten Termin dauern soll. Die Vertragsdauer muss objektiv bestimmt
oder mindestens bestimmbar sein. Die bestimmte Vertragszeit kann sich auch aus
dem Zweck der Arbeit ergeben (z.B. Aushilfe, Ernteeinsatz, bis zur Fertigstellung des
Ferienhauses).
Wird ein solches Arbeitsverhältnis mit bestimmter Vertragszeit über den betreffenden
Endtermin hinaus stillschweigend fortgesetzt, so gilt es im Zweifel als auf unbestimmte Zeit verlängert (Art. 334 Abs. 2 OR).
Der echte befristete Vertrag kann nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden, wohl aber durch eine fristlose Kündigung nach Art. 337ff. OR).
Arbeitsverhältnisse mit einer Mindestdauer, welche durch Kündigung beendigt werden (so genannte unecht befristete Arbeitsverhältnisse) zählen zu den unbefristeten
Arbeitsverträgen (Staehelin, a.a.O., N 24 zu Art. 334 OR). Auf diese sind die Kündigungsbestimmungen uneingeschränkt anwendbar.
Unbefristete Arbeitsverhältnisse
Für das unbefristete Arbeitsverhältnis geht das Schweizerische Recht von der freien
Kündbarkeit der Arbeitsverhältnisse aus. Die Bestimmungen über den Kündigungsschutz schränken die Kündigungsfreiheit nicht grundsätzlich ein. Sie enthalten keine
Arbeitsplatz- oder gar eine Beschäftigungsgarantie. Sie führen grundsätzlich nur dazu, dass entweder die Kündigung erst auf einen späteren Zeitpunkt wirksam wird
oder der Kündigende eine Entschädigung bezahlen muss.
Davon gibt es eine Ausnahme:
Die Kündigungsfristen können sich durch so genannte Sperrfristen verlängern. Während bestimmter Zeiten ist eine Kündigung ausgeschlossen. Eine während der Sperrfrist ausgesprochene Kündigung ist nichtig und muss nach Ablauf der Sperrfrist
wiederholt werden. Tritt eine Sperrfrist ein, nachdem die Kündigung ausgesprochen
worden ist, verlängert sich die Kündigungsfrist. Art. 336c Abs. 1 OR zählt die Gründe,
welche eine Sperrfrist auslösen, abschliessend auf.
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Kündigungsfristen und Kündigungstermine
Für die ordentliche Kündigung sieht das Gesetz Kündigungsfristen und Kündigungstermine vor. Kündigungsfrist ist der Zeitraum, der mindestens zwischen Zugang der Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegen muss. Kündigungstermin ist der Zeitpunkt, zu dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig ist. Die Kündigungsfristen können durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag abweichend geregelt werden, soweit gesetzlich
nichts anderes bestimmt ist.
Kündigungsparität
Die Kündigungsfristen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen gleich lang sein
(Art. 335a Abs. 1 OR).
Für den Fall jedoch, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen kündigt oder eine entsprechende Absicht bekundet, dürfen für den
Arbeitnehmer kürzere Kündigungsfristen verabredet oder in Normalarbeitsverträgen
oder Gesamtarbeitsverträgen vorgesehen werden (Art. 335a Abs. 2 OR).
Kündigung während der Probezeit
Sofern nichts anderes durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist, gilt der erste Monat als Probezeit (Art. 335b Abs. 1 OR).
Da eine Verlängerung der Probezeit den Arbeitnehmer missbräuchlich um den
gesetzlichen Kündigungsschutz bringen kann, ist die Höchstdauer der Probezeit auf
3 Monate festgelegt (Absatz 2). Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis
von beiden Seiten mit kurzen Fristen gekündigt werden. Wenn nichts anderes
bestimmt ist, beträgt die Frist, mit deren Ablauf das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird,
7 Tage (Art. 335b Abs. 1), doch kann die Frist weiter verkürzt oder ganz wegbedungen werden.
Kündigung nach Ablauf der Probezeit
Ist die Probezeit abgelaufen und hat das Arbeitsverhältnis weniger als ein Jahr
gedauert, so kann es mit monatlicher Kündigungsfrist auf das Monatsende gekündigt
werden. Im zweiten bis und mit dem neunten Dienstjahr kann es mit einer Frist von
zwei Monaten und nachher mit einer Frist von drei Monaten je auf das Ende eines
Monats gekündigt werden (Art. 335 Abs. 1 OR).
Diese Kündigungsfristen können durch schriftliche Abrede, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag verkürzt oder verlängert werden. Eine Verkürzung unter einen Monat ist
jedoch nur für das erste Dienstjahr und nur durch Gesamtarbeitsvertrag möglich (Art.
335c Abs. 2 OR).
Form der Kündigung
Die Kündigung ist formfrei gültig, wenn nicht vertraglich etwas anderes vereinbart
wurde. Auch eine mündliche oder konkludente Kündigung ist also gültig, doch
besteht hier das Risiko schwieriger Beweisbarkeit, vor allem bezüglich des Zeitpunktes. Deshalb sollte zur mündlichen Kündigung jedenfalls ein Zeuge beigezogen
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werden. Eine nicht formbedürftige Kündigung ist gültig, die dem Arbeitnehmer
rechtzeitig mündlich bekannt gegeben wurde, ihm aber erst während der
Kündigungsfrist schriftlich zugeht. Hat die Kündigung nach Vertrag schriftlich zu
erfolgen, so ist dies gemäss gesetzlicher Vermutung Gültigkeitserfordernis und nicht
bloss Beweisvorschrift.
Die Kündigung entfaltet ihre Wirkungen erst mit dem Empfang durch den Adressaten. Es kommt bei einer Kündigung also nicht auf das Datum des Poststempels,
sondern auf den Zeitpunkt des Empfangs an. Zugegangen ist die Kündigung, wenn
sie sich tatsächlich im Machtbereich des Adressaten befindet und mit ihrer Kenntnisnahme gerechnet werden darf. Ein Sonderfall liegt vor, wenn der Empfänger nach
misslungener Zustellung einer eingeschriebenen Kündigung an die Wohnadresse der
Abholaufforderung während mehrerer Tage nicht nachkommt. Hier ist auf den Tag
abzustellen, an dem die Abholung durch einen korrekten Arbeitnehmer erwartet werden kann. Dies ist in der Regel der erste Tag nach demjenigen des erfolglosen Zustellungsversuchs, an dem der Brief auf der Post abgeholt werden kann. Vorsichtigerweise sendet man ein Kündigungsschreiben aber trotzdem so ab, dass auch bei
Abholung am letzten Tag der Abholfrist die Kündigungsfrist eingehalten ist.
Eine Kündigung per E-Mail, Fax, SMS, auf die Natel-Combox ist zugestellt, sobald
sie vom Gekündigten zur Kenntnis genommen wurde oder in seinen Zugriffsbereich
gelangt ist und von ihm erwartet werden darf, dass er auch auf das entsprechende
Kommunikationsmedium zugreift. Dass jemand während einer Ferienabwesenheit
auf seine E-Mail oder seine Geschäfts-Combox zugreift, wird in der Regel nicht
erwartet werden dürfen.
Der Arbeitgeber muss damit rechnen, dass der Arbeitnehmer seine Ferien im
Ausland, den Militärdienst in der Kaserne und den Spitalaufenthalt im Spital
verbringt, ohne dass er sich die Post nachsenden lässt. Das Bundesgericht und mit
ihm die herrschende Lehre ist deshalb der Auffassung, eine Kündigung während der
Ferien sei erst in dem Moment zugestellt, in dem vom Empfänger nach seiner
Rückkehr die Kenntnisnahme erwartet werden kann, ausser er sei zu Hause
geblieben, habe sich die Post effektiv nachsenden lassen oder sei ohne Wissen des
Arbeitgebers in die Ferien verreist (JAR 2001 S. 267).
Dauer der Fristen
Wie ausgeführt, hängt die Länge der Kündigungsfrist wie auch die Dauer des
zeitlichen Kündigungsschutzes von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. Für die
Berechnung dieser Frist ist das Arbeitsverhältnis, nicht der Arbeitsvertrag, entscheidend. Daraus ergeben sich verschiedene Konsequenzen.
Bei der Dauer des Arbeitsverhältnisses handelt es sich um die Zeitspanne zwischen
Stellenantritt und Zugang der Kündigung. Weil es auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses und nicht des Arbeitsvertrags ankommt, ist es ohne Bedeutung, ob
während des Arbeitsverhältnisses der Vertrag verändert wurde. So ist die Lehrzeit in
einem Betrieb mit zu berücksichtigen. Bei einem Betriebsübergang wird das bisherige Arbeitsverhältnis weitergeführt, auch wenn neue Verträge ausgestellt werden.
Nicht das gleiche Arbeitsverhältnis ist es aber, wenn der Arbeitnehmer zuerst als
Leiharbeitnehmer im Betrieb tätig war und dann vom Einsatzbetrieb angestellt wird,
auch wenn der Übergang nahtlos erfolgt.
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Massgebend für die Länge der Kündigungsfrist ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses
im Zeitpunkt, in dem die Kündigung zugegangen ist. Wenn sich die Kündigungsfrist
in das nächste Dienstjahr erstreckt und für dieses eine längere Kündigungsfrist gilt,
kommt dennoch die kürzere des vorherigen Dienstjahres zur Anwendung. Das gilt
auch für die Abgrenzung der Probezeit zum nachfolgenden Dienstverhältnis.
Aufhebungsvertrag
Allerdings dürfen dadurch nicht ohne Grund, d.h. ohne gleichwertige Zugeständnisse, zwingende Vorschriften zum Schutz des Arbeitnehmers umgangen werden.
Kündigung beim Temporärarbeitsverhältnis
Für die Temporärarbeit sieht Art. 19 Abs. 4 AVG (Bundesgesetz über die
Arbeitsvermittlung und den Personalverleih) in den ersten 6 Monaten eines
unbefristeten Einsatzes die folgenden Kündigungsfristen vor:
Während der ersten drei Monate einer ununterbrochenen Anstellung mindestens 2
Tage, vom vierten bis und mit dem sechsten Monat einer ununterbrochenen
Anstellung mindestens 7 Tage. Ab dem siebten Monat gilt die einmonatige
Kündigungsfrist von Art. 335c OR.
Kündigung vor Stellenantritt
Eine Kündigung vor Stellenantritt ist zwar zulässig, die Kündigungsfrist wird aber erst
ab dem Antrittstermin berechnet, und zwar mit der Frist für die Probezeit.
2. Beginn der Kündigungsfrist / Zeitlicher Kündigungsschutz
Kündigungen werden, auch wenn das Arbeitsverhältnis nur auf das Monatsende
aufgelöst werden kann, meist nicht am letzten Tag eines Monats ausgesprochen,
sondern bereits einige Tage vorher. Fraglich erscheint deshalb, ob die
Kündigungsfrist mit dem Zugang der Erklärung zu laufen beginnt oder die Frist vom
Zeitpunkt an zurückzurechnen ist, auf den die Erklärung das Arbeitsverhältnis
beenden soll. Die Frage hat insbesondere Bedeutung, wenn das Monatsende in eine
Sperrfrist im Sinne von Art. 336c OR fällt, nicht aber der Zeitpunkt, in dem die
Kündigung zugeht. Das Bundesgericht rechnet nun die Frist vom Endpunkt nach
vorn (BGE 134 lll 354ff.). Es muss somit vom Termin, auf den gekündigt worden ist,
zurückgerechnet werden. Nach dieser Berechnung beginnt die Kündigungsfrist am
letzten Tag, der es noch ermöglicht, auf den Kündigungstermin zu kündigen, resp.
der Beginn der Kündigungsfrist ist durch Rückrechnung vom Endtermin aus zu
bestimmen.
Beträgt beispielsweise die Kündigungsfrist zwei Monate und wird die Kündigung am
15. August zugestellt, so läuft die Kündigungsfrist vom 1. September bis zum
31. Oktober.
Das Bundesgericht argumentierte damit, dass dem Arbeitnehmer die
ungeschmälerte Kündigungsfrist für die Stellensuche vor allem ganz am Schluss des
Arbeitsverhältnisses zur Verfügung stehen müsse, um einen möglichst
unterbruchsfreien Stellenübergang zu gewährleisten. Mit dieser Rechtsprechung
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lässt es jedoch ausser Betracht, dass damit letztlich der Arbeitgeber bestraft wird,
der frühzeitig die Kündigung ausspricht, um dem Arbeitnehmer mehr Zeit für die
Umstellung auf die neue Situation zu gewähren. Namentlich, wenn die Parteien zum
Schutz des Arbeitnehmers bestimmte Kündigungstermine vereinbart haben, führt
diese Rechtsprechung dazu, dass eine kurze Erkrankung gegen Ende der
Kündigungsfrist zu einer übermässigen Verlängerung der Kündigungsfrist führt, weil
die Zeit, während der die Kündigungsfrist wegen der Sperrfrist ruht, nur am Ende und
nicht am Anfang nachgeholt werden kann.
Art. 336c OR mit der Marginalie „Kündigung zur Unzeit durch den Arbeitgeber"
bestimmt:
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Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen:
Obligatorischer Militär- und Zivildienst
Die Kündigung ist verboten während des Dienstes. Dauert dieser länger als elf Tage,
dann darf auch vier Wochen vor und nach dem Dienst nicht gekündigt werden.
Krankheit oder Unfall
Während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder Unfall
ganz oder teilweise arbeitsunfähig ist. Das Kündigungsverbot ist aber zeitlich
beschränkt:
maximal 30 Tage im 1. Dienstjahr
maximal 90 Tage im 2. - 5. Dienstjahr
maximal 180 Tage ab 6. Dienstjahr
Schwangerschaft und Niederkunft
Das Kündigungsverbot gilt während der ganzen Schwangerschaft und in den 16
Wochen nach der Niederkunft.
Teilnahme an einer ausländischen Hilfsaktion des Bundes
Das Kündigungsverbot gilt für die Dauer der Teilnahme. Der Arbeitgeber muss der
Teilnahme aber zugestimmt haben.
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Die Kündigung, die während einer der in Absatz 1 festgesetzten Sperrfristen erklärt
wird, ist nichtig; ist dagegen die Kündigung vor Beginn einer solchen Frist erfolgt,
aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf
unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt.
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Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines
Monats oder einer Arbeitswoche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der
fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis zum
nächstfolgenden Endtermin.
Nach der Probezeit gilt für Kündigungen durch die Arbeitgeberin im ersten Dienstjahr
eine Sperrfrist von 30 Tagen, ab dem zweiten bis und mit fünftem Dienstjahr eine
solche von 90 Tagen und ab dem sechsten Dienstjahr ruht die Kündigungsfrist
schliesslich während 180 Tagen.
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Eine Kündigung, die während der festgesetzten Sperrfristen erfolgt, ist nichtig. Soll
das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Frist aufgelöst werden, bedarf es einer neuen
Kündigung.
Eine Kündigung, die vor der Sperrfrist erfolgt, ist wirksam. Wenn jedoch die
Kündigungsfrist bis zum Beginn der Sperrfrist noch nicht abgelaufen ist, so wird ihr
Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt.
Weil das Gesetz aber neben den Fristen auch Kündigungstermine kennt, verlängert
sich die Kündigungsfrist meist nicht nur um die Sperrfrist. Endet aufgrund dieser die
Kündigungsfrist im Laufe eines Monats, verlängert sich das Arbeitsverhältnis bis zum
nächsten Kündigungstermin, d.h. bis Ende des entsprechenden Monats. Daraus
ergeben sich einige Fragen für die Berechnung der Frist, da Fristen in der Praxis
immer Berechnungsprobleme darstellen können.
Die Kündigungsfrist beginnt nicht mit dem Zugang der Kündigung, sondern ist ab
Vertragsende durch Rückwärtsrechnung zu bestimmen.
Beispiel 1
Damit dem Arbeitnehmer mehr Zeit verbleibt, um eine neue Stelle zu suchen, kündigt
ihm der Arbeitgeber am 3. Dezember mit einer einmonatigen Kündigungsfrist auf den
28. Februar. Der Arbeitnehmer fällt vom 3. bis 15. Januar wegen Krankheit aus. Die
Krankheit fällt nicht in die Kündigungsfrist und hat somit keine Auswirkungen auf das
Ende des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsverhältnis endet am 28. Februar.
Beispiel 2
BGE 115 V 437 Methode der Rückrechnung
 1. Dienstjahr / gesetzliche Kündigungsfrist
 Kündigung am 13. Juni auf den 31. Juli
 Krankheit vom 1. bis 12. Juli
1. Juni
13. Juni
1. Juli
12. Juli
1. August
12. August
31. August
Krankheit
Lauf der Kündigungsfrist
ruht
Kündigung
Kündigungsfrist beginnt am
1. Tag des
Kündigungsmonats zu
laufen (und nicht ab
Empfang der Kündigung)
Erneute Krankheit löst keine
neue Sperrfrist
mehr aus
Ende der
Kündigungsfrist
Arbeitsvertrag läuft
erst am
nächstfolgenden
Endtermin (31.08) ab
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Beispiel 3
1. Juli
20. Juni
Kündigung
Juni
Kündigungsfrist
Krankheit
August
Krankheit
15 Tage
zählen
1. – 15. Juli
Krankheit
Unfall
31.Oktober
Ende Kündigungsfrist
Unfall
Juli
29. 06.
31. August
September
Oktober
November
Unfall
23 Tage
zählen
15.07.
03.08.
25.08.
Kündigungsfrist beginnt erst am 1. Juli und läuft am 15. September ab
(3. August bis 25. August) + 23 Tage = 8. Oktober
Die Kündigungsfrist läuft am 8. Oktober ab; somit Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis Ende Oktober.
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Die Sperrfristen gelten jeweils für ein Ereignis. Mit jedem in Art. 336c Abs. 1 OR
aufgeführten Ereignis beginnt eine neue Sperrfrist zu laufen. Diese können somit
beliebig kumuliert werden. Das gilt, wenn ein Arbeitnehmer zuerst im Militärdienst ist
und anschliessend wegen einer Krankheit oder eines Unfalls nicht arbeiten kann.
Das Bundesgericht hat in seiner neueren Rechtsprechung zudem festgehalten, dass
die Kumulation von Sperrfristen auch eintritt, wenn ein Arbeitnehmer mehrere
Krankheiten oder Unfälle erleidet. Allerdings darf es sich nicht um einen Rückfall der
ersten Krankheit handeln. Das kann in der Praxis zu Abgrenzungsproblemen führen.
Namentlich kann es für die Arbeitgeberin schwierig sein, zu wissen, ob nun eine
neue Sperrfrist ausgelöst wird oder nicht, weil dafür medizinische Informationen
notwendig sind, über die die Arbeitgeberin nicht ohne weiteres verfügt.
Beweispflichtig ist allerdings der Arbeitnehmer, der sich auf die Sperrfrist beruft.
Die herrschende Lehre geht davon aus, dass die Sperrfrist sich verlängert, wenn die
Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit oder Unfall ein Dienstjahr überdauert und für
das neue Dienstjahr eine längere Frist gilt (BGE 133 lll 517ff. Erw. 3.1). Dies kann
beim Wechsel vom ersten ins zweite und vom fünften ins sechste Dienstjahr
auftreten.
Die Sperrfrist läuft auch bei Teilarbeitsunfähigkeit. Sie verlängert sich aber nicht
proportional bei Teilarbeitsunfähigkeit.
Die Kündigungsbeschränkungen des Art. 336c OR (also die Sperrfristen) gelten
bloss nach Ablauf der Probezeit (Absatz 1). Sie gelten zudem nicht bei Beendigung
des Vertragsverhältnisses durch Ablauf einer Befristung.
Art. 336c OR setzt eine Kündigung des Arbeitgebers voraus. Die Sperrfristen
kommen deshalb grundsätzlich nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer selbst
kündigt.
Das Kündigungsrecht im Arbeitsvertrag hält am Prinzip der Kündigungsfreiheit fest.
Es bedarf nicht besonderer Gründe, um kündigen zu können. Es gibt aber bestimmte
Gründe, deretwegen nicht gekündigt werden darf. Zentraler Ansatzpunkt ist da das
Motiv zur Kündigung. Ist dieses verwerflich, so ist die Kündigung missbräuchlich.
3. Sachliche Kündigungsbeschränkung /
Missbräuchliche Kündigung
Wann ist eine Kündigung missbräuchlich?
Das Gesetz zählt folgende Fälle auf:
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 Persönliche Eigenschaften: Kündigung wegen Hautfarbe, Homosexualität,
Nationalität, Geschlecht, Alter, Familienstand, Vorstrafen usw.
 Ausübung eines
Demonstration
verfassungsmässigen
Rechts:
Teilnahme
an
einer
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 Vereitelung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis: Ein Arbeitgeber kündigt
dem Arbeitnehmer einzig zur Vermeidung des kurz bevorstehenden
Dienstaltersgeschenkes
 Geltendmachung arbeitsrechtlicher Ansprüche: Eine Mitarbeiterin wird entlassen,
weil sie die Kompensation ihrer Überstunden verlangt (so genannte
Rachekündigung)
 Obligatorischer Militärdienst oder Zivilschutzdienst
 Gewerkschaftszugehörigkeit oder Ausübung gewerkschaftlicher Tätigkeiten
 Während der Arbeitnehmer gewählter Arbeitnehmervertreter ist und kein
begründeter Anlass zur Kündigung besteht
 Massenentlassungen ohne Konsultationsverfahren
Die Aufzählung der Missbrauchstatbestände in Art. 336 OR ist nicht abschliessend.
Eine Kündigung kann missbräuchlich sein, wenn sie auf eine Vertragsverletzung des
Kündigenden selbst zurückgeht, so wenn der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht
verletzt, nichts gegen ein Mobbing unternimmt und dann wegen einer
Leistungseinbusse kündigt (BGE 125 lll 70 Erw. 2a) oder wenn eine Arbeitnehmerin
die Kündigung erhält, weil sie sexuelle Annäherungen des Arbeitgebers nicht
erwidert hat (GE JAR 1992 S. 171).
Nicht missbräuchlich sind Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen, wegen
unbefriedigender Arbeitsleistung oder mangelhaften Verhaltens des Arbeitnehmers.
Die missbräuchliche Kündigung ist gültig (BGE 132 III 406 E. 2.3). Die Partei, die das
Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, hat der anderen Partei jedoch nach Art.
336a OR eine Entschädigung auszurichten. Die Höhe der Entschädigung
(Rechtsverletzungsbusse) ist im Streitfall vom Richter zu bestimmen, der die
gesamten Umstände, insbesondere die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Schwere
des Rechtsmissbrauchs und ein Mitverschulden des Gekündigten zu berücksichtigen
hat. Höchstbetrag ist der Bruttolohn für 6 Monate (Art. 336a OR).
Wer gestützt auf Art. 336 und 336a OR eine Entschädigung geltend machen will,
muss gegen die Kündigung längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist - d.h. bis
zum Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses - beim Kündigenden schriftlich
Einsprache erheben (Art. 336b Abs. 1 OR; ADRIAN STAEHELIN, in: Zürcher
Kommentar, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl. 1996, N. 3 zu Art. 336b OR). An die
Formulierung der Einsprache werden keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Es
genügt, wenn die betroffene Partei gegenüber der kündigenden Person schriftlich
zum Ausdruck bringt, mit der Kündigung nicht einverstanden zu sein (BGE 123 III
246 E. 4c S. 253). Eine solche Erklärung liegt nicht vor, wenn die gekündigte Partei
bloss die Begründung der Kündigung, d.h. gewisse im Kündigungsschreiben
erhobene Vorwürfe nicht akzeptiert, gegen die Kündigung an sich jedoch keine
Einwände erhebt (Urteil 4C.39/2004 vom 8. April 2004 E. 2.4, publ. in: JAR 2005 S.
179). Die Einsprache muss nicht begründet werden (BGE 123 III 246 E. 4c S. 253).
Sie hat zum Zweck, Verhandlungen über eine Weiterführung des Arbeitsvertrags zu
ermöglichen (RÉMY WYLER, Droit du travail, 2. Aufl. 2008, S. 555). Ist die
Einsprache gültig erfolgt und einigen sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des
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Arbeitsverhältnisses, so hat die Partei, der gekündigt worden ist, bezüglich ihres
Anspruchs auf Entschädigung innert 180 Tagen nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig zu machen, andernfalls der Anspruch
verwirkt ist (Art. 336b Abs. 2 OR) (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom
5. März 2009, 4A 571/2008).
Nach Art. 8 ZGB hat derjenige das Vorhandensein behaupteter Tatsachen zu
beweisen, der aus ihnen Rechte ableitet. Somit muss im vorliegenden
Zusammenhang die gekündigte Partei nachweisen, dass ein missbräuchlicher Grund
vorliegt und dass dieser für die Kündigung kausal war. Eine Ausnahme besteht nur,
wenn einem gewählten Arbeitnehmervertreter in einer betrieblichen oder der
Unternehmung angeschlossenen Einrichtung gekündigt worden ist; diesfalls hat der
Arbeitgeber den begründeten Anlass der Kündigung und damit auch den
Kündigungsgrund nachzuweisen.
Stellt unter mehreren Kündigungsmotiven eines den berühmten Tropfen dar, der das
Fass zum Überlaufen gebracht hat, so ist nur auf dieses eine letzte Motiv
abzustellen, denn ohne es wäre nicht gekündigt worden. Der übrige Inhalt des
Fasses war zwar ebenfalls kausal, aber eben noch nicht ausreichend für den
Kündigungsentscheid.
Kündigung wegen persönlicher Eigenschaften des Gekündigten, die weder einen
Bezug zum Arbeitsverhältnis haben noch das Betriebsklima wesentlich
beeinträchtigen,
sind
missbräuchlich.
Kündigungen
wegen
persönlicher
Eigenschaften sind gerechtfertigt, wenn sie einen Zusammenhang mit dem
Arbeitsverhältnis aufweisen, z.B. Vorstrafen wegen Vermögensdelikten für einen
Buchhalter oder wegen Verkehrsdelikten für einen Chauffeur.
Kündigungen wegen persönlicher Eigenschaften sind ausserdem gerechtfertigt,
wenn die betreffenden Eigenschaften das Betriebsklima wesentlich beeinträchtigen.
Bejaht wurde der rechtsgenügende Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis, als eine
Chefkrankenschwester mit ihren Untergebenen über ihre Meinungsverschiedenheiten mit Verwaltungsrat und Direktorin sprach und bekannt gab, dass sie unter der
neuen Direktion nicht arbeiten werde (BGE 127 lll 86).
Ebenfalls nicht als missbräuchlich wurde die Entlassung einer Arbeitnehmerin
eingestuft, mit der „die Chemie“ zur neuen Vorgesetzten nicht stimmte, ohne dass es
bereits zu einem offenen Konflikt gekommen wäre, der ein aktives Eingreifen des
Arbeitgebers erfordert hätte (AGer ZH in JAR 2004 S. 602).
Missbräuchlich ist eine Kündigung wegen Ausübung eines verfassungsmässigen
Rechts
Das Tragen eines Kopftuchs durch eine mohammedanische Arbeitnehmerin ist
Ausübung der Religionsfreiheit, und eine Kündigung des Arbeitsgebers deswegen
missbräuchlich (TG JAR 1991 S. 254ff.) (Ausnahme direkter Kundenkontakt als
Verkäuferin in einer Bäckerei und Umsatzeinbusse).
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Auch die Kritik am Arbeitgeber steht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit, doch
darf sie die Treuepflicht nicht verletzen, was bei Kaderangehörigen oder
Tendenzträgern rascher zu bejahen ist. Der Sekretär eines Arbeitgeberverbands darf
daher nicht für Postulate einer Gewerkschaft eintreten, die Sekretärin eines
katholischen Verlags nicht die Unfehlbarkeit des Papstes leugnen.
Der öffentlichen Kritik sind erheblich engere Grenzen gesetzt als derjenigen im
privaten Kreis. Öffentliche Kritik hat in jedem Fall objektiv und unpolemisch zu sein.
Vereiteln von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis
Die Kündigung muss ausschliesslich zur Vereitelung des Anspruchs erfolgen.
Es geht um die Vereitelung der Auszahlung von Sondervergütungen wie Gratifikation, Prämien, Dienstaltersgeschenk, Abgangsentschädigung. Die Ansprüche
würden gemäss Arbeitsvertrag zur Zeit der Kündigung oder unmittelbar danach entstehen. Wird einem Arbeitnehmer kurz vor dem 50. Geburtstag gekündigt, damit er
keine Abgangsentschädigung zugute hat, liegt dieser Tatbestand vor, ebenso, wenn
mit der Kündigung kurz vor einem entsprechenden Stichtag die Ausrichtung einer
Dienstaltersprämie oder einer Gratifikation vereitelt werden soll.
Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis
Man spricht hier von „Rachekündigung“. Die Geltendmachung kann durch Klage vor
Gericht, Kontrollinstanzen der Sozialpartner oder direkt mündlich oder schriftlich beim
Arbeitgeber erfolgen. Der Schutz vor Rachekündigung besteht nur, wenn die
Ansprüche nach Treu und Glauben geltend gemacht worden sind, d.h. wenn der
Arbeitnehmer in guten Treuen annehmen darf, dass die geltend gemachten
Ansprüche ihm zustehen. Es ist also nicht unbedingt erforderlich, dass die geltend
gemachten Ansprüche von Rechts wegen bestehen. Missbräuchlich war z.B. die
Entlassung einer Arbeitnehmerin, die sich gegen sexuelle Belästigungen eines
Direktors beschwert hatte. Die Missbräuchlichkeit wurde ebenfalls bejaht bei
Kündigungen als Folge davon, dass eine Arbeitnehmerin eine Lohnerhöhung
verlangte, der Arbeitnehmer den vertraglich geschuldeten Lohn einklagte, eine
Kadermitarbeiterin Überstundenentschädigung verlangte, ein Maurer den nach GAV
zustehenden Mindestlohn verlangte.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es missbräuchlich ist, wenn der
Arbeitgeber mit einer Änderungskündigung die Arbeitsbedingungen verschlechtern
will. Missbräuchlichkeit ist nicht gegeben, wenn die Kündigung erfolgt, weil der
Arbeitnehmer eine zukünftige, auf den nächsten Kündigungstermin wirksame
Änderung der Arbeitsbedingungen nicht akzeptiert.
Missbräuchlich ist eine Kündigung aus dem Grund, dass die andere Partei
schweizerischen obligatorischen Militärdienst, Zivilschutzdienst oder ähnliche
Dienste leistet, wozu auch Beförderungsdienste zählen, oder eine nicht freiwillig
übernommene gesetzliche Pflicht erfüllt. Unter die nicht freiwillig übernommenen
gesetzlichen Pflichten fallen die Tätigkeiten als Geschworener, Vormund,
Feuerwehrmann und Zeuge. Letzterer geniesst Kündigungsschutz auch bei einer
Zeugenaussage gegen seinen Arbeitgeber.
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Kündigung wegen Gewerkschaftszugehörigkeit
Missbräuchlich ist eine Kündigung, wenn sie ausgesprochen wird, weil der
Arbeitnehmer einer Gewerkschaft angehört oder nicht angehört oder weil er eine
gewerkschaftliche Tätigkeit ausübt.
Missbräuchlich ist die Kündigung eines gewählten Arbeitnehmervertreters
während dessen Tätigkeit in einer betrieblichen oder einer dem Unternehmen
angeschlossenen Einrichtung (z.B. Betriebskommission, Personalkommission,
Stiftungsrat einer Personalvorsorgeeinrichtung), sofern der Arbeitgeber nicht
beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hat. Der
begründete Anlass ist weniger als ein wichtiger Grund. Es genügt jeder Grund, der
bei vernünftiger Betrachtungsweise Anlass zur Kündigung geben kann.
Eine im Rahmen einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigung ist
missbräuchlich, wenn die Arbeitnehmerschaft nicht konsultiert wurde. Dies wäre etwa
dann der Fall, wenn wesentliche Gründe für die Massenentlassung unterschlagen
oder falsch dargestellt wurden, zu spät oder unter Gewährung einer zu kurzen Frist
„konsultiert“ wurde. (Es muss eine Massenentlassung im Sinne von Art. 335d OR
vorliegen.)
4. Fristlose Kündigung
Art. 337 OR: Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer
jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen; er muss die fristlose
Vertragsauflösung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt. Als
wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem
Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht
mehr zugemutet werden darf, dies mindestens bis zum nächsten ordentlichen
Kündigungstermin oder Ablauf des befristeten Vertrags. Das ist nach der Bundesgerichtspraxis nur bei besonders schweren Verfehlungen des Vertragspartners der
Fall, während bei leichteren oder mittleren Vertragsverletzungen der wichtige Grund
nur vorliegt, wenn diese trotz Verwarnung wiederholt vorkamen. Fehlt es an einem
solchen, ist die Kündigung aber nicht ungültig. Vielmehr beendet sie dennoch das
Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung (kein Bestandesschutz). Bei der fristlosen
Kündigung sind die konkreten Umstände des Einzelfalles wichtig (insbesondere die
Stellung und Verantwortung des Arbeitnehmers, die Natur und Dauer des
Arbeitsverhältnisses, die Art und Schwere der Vertragsstörungen und eine allfällige
vorausgegangene Verwarnung). Sie ist auch während der Probezeit möglich.
Wenn die ordentliche Kündigung bereits ausgesprochen ist, sind an eine fristlose
Entlassung höhere Ansprüche zu stellen.
Die fristlose Kündigung hat gegenüber der ordentlichen Kündigung für die
kündigende Partei den Vorteil, dass sie auch während einer Sperrfrist nach Art. 336c
OR ausgesprochen werden kann und somit nicht nach Ablauf der Sperrfrist
wiederholt werden muss wie die ordentliche Kündigung.
Das Bundesgericht zeigt den Ausnahmecharakter der fristlosen Kündigung an, indem
es vom „einzigen Ausweg“ spricht und eine Anwendung nur mit „grosser
Zurückhaltung“ billigt.
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Die Tatbestände, die eine fristlose Entlassung des Arbeitnehmers zulassen
a) Begehung eines Vergehens oder Verbrechens während der Anstellung
Vorsätzliche Begehung von Straftaten zum Nachteil des Arbeitgebers, seiner
Angehörigen oder Mitarbeiter wie Diebstahl, Unterschlagung, Betrug,
Veruntreuung, Ehrverletzung, Nötigung usw. rechtfertigen regelmässig, selbst
wenn der Deliktsbetrag relativ geringfügig ist, die fristlose Entlassung, z.B.
Kollegendiebstahl, Tätlichkeiten, Manipulation der Zeitkontrolle, Fälschen von
Arbeitsrapporten.
In der Regel gelten schwere Beschimpfungen eines Vorgesetzten als Grund für
die fristlose Entlassung, z.B. „Sie können mich mal…“ (BGE 4C.154/2006),
„Trottel“, „geldgieriges oder profitgeiles Arschloch“, zumal die Beschimpfung des
Vorgesetzten vor versammelter Belegschaft stattfand (BGE 4C.435/2004). Das
Bundesgericht hat sich in ähnlichen Fällen aber auch schon weniger feinfühlig
gezeigt, vor allem dann, wenn die angespannte Situation, welche die
Schimpfwörter provozierte, auf ein vertrags- oder gesetzeswidriges Verhalten des
Arbeitgebers zurückzuführen war. So durfte ein Koch, der bei seiner Kündigung
zu Recht auf die Einhaltung der Kündigungsfrist pochte, seinen Vorgesetzten am
Telefon mehrmals als Arschloch bezeichnen, ohne dass ihm dies im
Kündigungsprozess zum Nachteil gereicht hätte. Dem von der Vorinstanz als
„mimosenhaft“ bezeichneten Arbeitgeber wurde u.a. vorgehalten, dass der Koch,
ein gebürtiger Sudanese, das fragliche Schimpfwort überhaupt erst von seinem
Vorgesetzten, den er dann später am Telefon damit beschimpfte, kennen gelernt
hatte.
b) Andere, die persönliche Integrität des Arbeitnehmers schwer herabmindernde
Umstände
So wurde wiederholte Trunkenheit als Grund zur fristlosen Entlassung anerkannt,
nachdem der Arbeitnehmer deshalb von der Arbeitsstelle heimgeschickt werden
musste.
c) Pflichtverletzungen und andere Unkorrektheiten am Arbeitsplatz, wobei es hier oft
einer vorgängigen Verwarnung bedarf. Hierhin gehören grobe Verletzungen der
Arbeitspflicht, trotz Verwarnung regelmässig zu spätes Erscheinen am oder
Fernbleiben vom Arbeitsplatz, nicht aber gelegentliches Zu-spät-Kommen,
Ferienantritt trotz Verbot. Schlechterfüllung der Arbeitspflicht reicht hingegen zur
fristlosen Entlassung nur, wenn eine völlige berufliche Unfähigkeit vorliegt, sie auf
schweres Verschulden zurückzuführen ist oder nach einer Verwarnung wiederholt
vorkommt (siehe dazu BGer in JAR 1999 S. 271, wo ein Koch trotz Verwarnung
dreimal verdorbenes Essen ausgab). Bleibt ein Arbeitnehmer wegen angeblicher
Krankheit der Arbeit fern, so ist eine Mahnung, die Arbeit wieder aufzunehmen
oder ein Arztzeugnis vorzuweisen, unerlässlich, bevor eine fristlose Entlassung
ausgesprochen werden kann.
d) Andere Verletzungen der Treuepflicht, so insbesondere die beharrliche
Missachtung von berechtigten Weisungen des Arbeitgebers trotz Abmahnung,
z.B. eigenmächtiger Ferienbezug trotz Verbot, die Weigerung zumutbare
Überstunden zu machen oder eine zum Pflichtenheft gehörende Arbeit,
Weigerung einen Schutzhelm zu tragen, Drogenkonsum am Arbeitsplatz,
allerdings nur, wenn dadurch Arbeitsleistungen oder Arbeitsklima negativ
beeinflusst werden. Geringfügige Unregelmässigkeiten über mehrere Monate
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ohne Abmahnung genügen jedoch nicht für eine fristlose Kündigung. Nicht
genügend waren ebenfalls Gleichgültigkeit und mangelnde Einsatzbereitschaft
selbst nach einer länger zurückliegenden Verwarnung. Normalerweise ist der
Arbeitgeber bei beruflichem Ungenügen auf die ordentliche Kündigung zu
verweisen, wobei sich der Mangel in der Regel bald zeigt, meist noch in der
Probezeit mit entsprechend kurzen Kündigungsfristen.
e) Illoyalitäten gegenüber dem Arbeitgeber, z.B. Arbeit für einen Dritten während der
Arbeitszeit (JAR 1999 S. 292), gar während einer Krankheit. Konkurrenzierung
während noch bestehendem Arbeitsverhältnis: das aktive Abwerben von
Mitarbeitern, Geschäftsführer wirbt sämtliche Coiffeusen ab oder Kunden für das
Konkurrenzunternehmen.
Keinen wichtigen Grund zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den
Arbeitgeber stellt eine Betriebsschliessung dar, denn das Betriebsrisiko ist durch ihn
zu tragen und stellt grundsätzlich keinen wichtigen Grund im Sinne von Art. 337 OR
dar (SJZ 94, 1998, 497).
Umgehende Reaktion notwendig
Nach dem von der Rechtsprechung entwickelten, formellen Erfordernis der
umgehenden Reaktion ist eine fristlose Auflösung umgehend zu erklären, wenn der
Grund dem Kündigenden zur sicheren und möglichst vollständigen Kenntnis gelangt
ist. Damit ist nicht eine augenblickliche Reaktion gemeint, aber ein Handeln innert
angemessener Frist nach dem Treffen der erforderlichen Abklärungen. Andernfalls
sei anzunehmen, es sei auf das Recht zur fristlosen Kündigung verzichtet worden
bzw. nimmt das Bundesgericht an, der Kündigende habe zu erkennen gegeben, dass
nicht wirklich eine Unzumutbarkeit vorliege. Das Bundesgericht ist streng und gesteht
dem Kündigenden im Normalfall lediglich zwei bis drei Arbeitstage zu.
Unabhängig von der Frage, wie die „zwei-bis-drei-Tage-Regel“ zu berechnen ist, ist
zu berücksichtigen dass in juristischen Personen Willenbildungsprozesse
aufwendiger sein können. Muss der Kündigungsentscheid von einem Gremium wie
z.B. einem Verwaltungsrat in einer gemeinsamen Sitzung getroffen werden, kann
sich die angemessene Reaktionsfrist nach Lehre und Rechtsprechung auf bis zu
einer Woche verlängern.
Gerechtfertigte fristlose Auflösung
Liegt der wichtige Grund zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses im
vertragswidrigen Verhalten einer Vertragspartei, so hat diese vollen Schadenersatz
zu leisten unter Berücksichtigung aller aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden
Forderungen (Art. 337b OR).
Als Schaden gelten alle finanziellen Nachteile, die kausal aus der berechtigten
fristlosen Auflösung entstehen. Der Anspruch geht auf Schadenersatz wegen
Nichterfüllung des Vertrags. Der Kündigende hat den ihm entstandenen Schaden zu
beweisen.
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Ansprüche des Arbeitgebers (siehe oben Punkte a bis e)
Darunter fallen der nicht erzielte Gewinn wegen des Wegfallens der Arbeitskraft des
Arbeitnehmers, aber auch die Mehrzahlung für Überstunden anderer Arbeitnehmer,
die durch seinen Weggang nötig geworden sind, oder die Mehrkosten eines
temporären Einsatzes. Dem Arbeitgeber kann ferner Schaden dadurch entstehen,
dass er wegen Nichteinhaltens von Terminen gegenüber Kunden Vertragsstrafen zu
bezahlen hat. Der Arbeitgeber hat aber denjenigen Teil des Schadens selber zu
tragen, der ihm auch entstanden wäre, wenn der Arbeitnehmer ordentlich gekündigt
hätte. Deshalb werden namentlich die Kosten des Arbeitgebers für Inserate, mit
denen er einen neuen Arbeitnehmer sucht, richtigerweise nur mit Zurückhaltung als
ersatzpflichtige Schadenteile anerkannt.
Gründe, welche den Arbeitnehmer zum fristlosen Verlassen der Stelle
berechtigen
Hierhin gehören die sexuelle Belästigung durch einen Vorgesetzten oder durch den
Arbeitgeber, schweres Mobbing, das klar über die üblichen Konflikte am Arbeitsplatz
hinausgeht und die Gesundheit des Arbeitnehmers beeinträchtigt, sowie Weigerung
des Arbeitgebers trotz Mahnung den fälligen Lohn zu bezahlen.
Ansprüche des Arbeitnehmers
Bei einer gerechtfertigten fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers ist dieser
entsprechend seinem Erfüllungsinteresse so zu stellen, wie wenn das
Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers oder Ablauf der vereinbarten
Vertragsdauer ordnungsgemäss beendet worden wäre. Der Arbeitnehmer hat somit
Anspruch auf Schadenersatz in der Höhe des Lohnes bis zum ordentlichen
Endtermin unter Anrechnung des Ersparten und eines anderweitigen Verdienstes
oder des unterlassenen anderweitigen Verdienstes.
5. Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch rechtswidrige
ausserordentliche Kündigung des Arbeitgebers (Art. 337c OR)
Entlässt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer fristlos ohne wichtigen Grund, so hat
dieser Anspruch auf Ersatz dessen, was er verdient hätte, wenn das
Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist oder durch Ablauf der
bestimmten Vertragszeit beendigt worden wäre (Abs. 1).
Der Arbeitnehmer muss sich daran anrechnen lassen, was er infolge der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses erspart hat und was er durch anderweitige Arbeit verdient
oder zu verdienen absichtlich unterlassen hat (Abs. 2).
Der Richter kann den Arbeitgeber verpflichten, dem Arbeitnehmer eine
Entschädigung zu bezahlen, die er nach freiem Ermessen unter Würdigung aller
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Umstände festlegt; diese Entschädigung darf jedoch den Lohn des Arbeitnehmers für
sechs Monate nicht übersteigen (Abs. 3).
6. Ungerechtfertigter Nichtantritt oder Verlassen der Arbeitsstelle
(Art. 337d OR)
Tritt der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund die Arbeitsstelle nicht an oder
verlässt er sie fristlos, so hat der Arbeitgeber Anspruch auf eine Entschädigung,
die einem Viertel des Lohnes für einen Monat entspricht; ausserdem hat er Anspruch
auf Ersatz weiteren Schadens.
Ist dem Arbeitgeber kein Schaden oder ein geringerer Schaden erwachsen als der
Entschädigung gemäss dem vorstehenden Absatz entspricht, so kann sie der Richter
nach seinem Ermessen herabsetzen.
Erlischt der Anspruch auf Entschädigung nicht durch Verrechnung, so ist er durch
Klage oder Betreibung innert 30 Tagen seit dem Nichtantritt oder Verlassen der
Arbeitsstelle geltend zu machen; andernfalls ist der Anspruch verwirkt.
Art. 337d OR kommt nach dem Bundesgericht nur zur Anwendung, wenn der
Arbeitnehmer die Stelle bewusst, also absichtlich und definitiv verlässt. Kein
definitives Verlassen lag vor, als eine Arbeitnehmerin erklärte, nach einem klärenden
Gespräch wieder zur Arbeit zu kommen.
Lässt die Situation begründete Zweifel offen, ist der Arbeitnehmer zu mahnen und in
Verzug zu setzen. Selbstverständlich ist auch eine Absenz wegen Krankheit kein Fall
unerlaubten Verlassens der Stelle, dies selbst dann nicht, wenn die Krankheit nicht
nachgewiesen wird, jedoch ist der Arbeitnehmer bei fehlendem Arztzeugnis zu
mahnen und in Verzug zu setzen; anders aber, wenn nach einer Krankheit die Arbeit
nicht mehr angetreten wird.
Mit dem definitiven Verlassen oder Nichtantreten der Arbeitsstelle endet das
Arbeitsverhältnis in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Bei Nichtantritt der Stelle, oder wenn kein Lohnrückbehalt einverlangt worden ist,
muss der Arbeitgeber den Anspruch auf das Lohnviertel binnen 30 Tagen geltend
machen, und zwar entweder durch Klage oder durch Betreibung.
Isabelle Volken Viscomi, Juristin