mit charme und stil

Transcription

mit charme und stil
Andrea Kracht posiert vor einem Porträt seines Ur-Ur-Grossvaters
Theodor Baur (um 1860). Der Hotelier der zweiten Generation
hatte zwei Töchter. Eine erbte das damalige Baur au Ville, die
andere das Baur au Lac. Die Erbin des Baur au Lac heiratete
später den Kölner Hotelier Karl Kracht. Das Baur au Lac wurde
1844 eröffnet und ist eines der ältesten Fünfstern-Hotels weltweit, das sich noch im Besitz der Gründerfamilie befindet.
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HOTELIER Talk Andrea Kracht
Hotelier Andrea Kracht
Baur au Lac Zürich
Mit Charme und Stil
zum Erfolg
Das Baur au Lac hat 120 Zimmer und Suiten – und 250 Mitarbeitende. Kein anderes Luxushaus in Zürich beschäftigt so viele Mitarbeiter. Sogar eine eigene Autowerkstatt (mit Tankstelle) gehört zum Portfolio des Hotels.
Es ist eines der ältesten Fünfstern-Hotels weltweit, das sich noch im Besitz
der Gründerfamilie befindet: Andrea Kracht führt das Baur au Lac in
Zürich in sechster Generation – zusammen mit Hoteldirektor Michel Rey
(zweite Generation). Mehr als 160 Mio. Franken hat die Familie in den
letzten 15 Jahren in ihr Traditionshaus investiert. Mit 120 Zimmern und
45 Suiten und Junior-Suiten ist das Baur au Lac das führende Grand
Hotel von Zürich. «Hotelier»-Chefredaktor Hans R. Amrein sprach mit
Andrea Kracht über die einzigartige Erfolgsgeschichte.
Interview: Hans R. Amrein
Porträt-Bilder: Raja Läubli
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High Tea in einer Baur-au-Lac-Suite. Andrea Kracht und Michel Rey führen das
Haus gemeinsam. Rey übernahm den Direktionsposten vor fast 30 Jahren von
seinem Vater, Georges Rey, der das Luxushaus damals zusammen mit dem Vater
von Andrea Kracht führte.
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A
ndrea Kracht, Sie sprechen kein reines Schweizerdeutsch. Da klingt noch
etwas Französisches mit.
Richtig. Ich habe neun Jahre meiner
Schulzeit im Institut Le Rosey in Rolle
am Genfersee verbracht.
Kracht ist aber eine Zürcher Familie?
Ja. Der Name stammt aber aus Köln.
Sie führen das Haus jetzt in sechster Generation.
Da war immer klar, dass Sie eines Tages Hotelier
werden.
Nein, war es nicht. Als ich mit neun Jahren ins
Le Rosey kam, war das für mich eine völlig neue
Welt mit Schülern aus aller Welt. Nur einer sprach
im Le Rosey auch Schweizerdeutsch: Jean-Jacques Gauer, heute General Manager im Lausanne Palace und mein Vorgänger bei «The Leading Hotels of the World».
Später haben Sie die Hotelfachschule Lausanne
besucht.
Als sich im Baur au Lac die Nachfolgefrage stellte,
entschied ich mich für eine Laufbahn als Hotelier
und trat in Lausanne in die Schule ein. Für mich
waren die Erfahrungen in Lausanne entscheidend, denn ich lernte hier das Hotelfach von der
Pike auf. So stand ich plötzlich in einer Hotelküche und konnte laufend vergleichen: Wie machen
wir das in unserem Hotel in Zürich? Was machen
die hier anders?
Zurück zur Gegenwart: Sie führen das Baur au
Lac gemeinsam mit Michel Rey.
Michel Rey ist seit 40 Jahren für unser Haus tätig,
seit fast 30 Jahren als Direktor. Schon sein Vater
Georges, eine grossartige Persönlichkeit, war hier
Generaldirektor.
Wie führen Sie denn das Hotel im Alltag.
Wer ist für was verantwortlich?
Der Direktor, also Michel Rey, ist für das operative Tagesgeschäft zuständig. Das war schon bei
meinem Vater beziehungsweise beim Vater von
Michel Rey so. Der Direktor ist auch der Gastgeber. Er pflegt den direkten Kontakt zu den
Gästen. Michel Rey und sein Vater stammen übrigens aus einer bekannten Hotelier-Familie. Sie
verkörpern den Stil und die Tradition der grossen Hotellerie und sind sogar mit César Ritz verwandt.
Und was machen Sie?
Als Besitzer und Delegierter der Hotel AG bin
ich für alle Bereiche des Betriebes verantwortlich. Dazu gehört auch unsere Weinhandlung mit
über 40 Mitarbeitern. Mit 25 Millionen Jahresumsatz gehört die Weinhandlung zu den Grossen der
Schweiz. Hinzu kommen unsere Liegenschaften,
die laufenden Umbauten und Investitionen. Übrigens: Michel Rey und ich ergänzen uns seit Jahren hervorragend, da existiert eine grosse Harmonie. Ich würde Herrn Rey auch nie in seine «Welt»
hineinfunken!
Sie sprechen von Herrn Rey …
Ja, wir sind zwar gute Freunde, verzichten aber
bewusst auf das «Du».
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HOTELIER Talk Andrea Kracht
Das Excelsior Hotel Ernst in Köln, ein traditionsreiches Fünfstern-Haus mit 147 Zimmern, gehört
ja ebenfalls der Familie Kracht.
Es gehört unseren Cousins, ist also mit dem Baur
au Lac in Zürich nicht mehr direkt verbunden.
Wie sind denn die heutigen Besitzverhältnisse
im Baur au Lac? Wem gehört das Hotel?
Einer Familien-Aktiengesellschaft, der H. Krachts
Erben AG.
Und diese Aktiengesellschaft gehört Ihnen.
Ja. Meine Mutter und meine Schwester sind stille
Teilhaberinnen. Wir drei besitzen hundert Prozent der AG.
Stand ein Verkauf des Hotels schon mal zur
Debatte?
Nein, nie! Unsere Familie hat sich mit dem Hotelbetrieb immer sehr stark identifiziert. Zum Glück
ist es uns vor etwa fünf Jahren gelungen, die
damals grosse Familie mit vielen Kindern und
Enkeln zu trennen. So besteht auf unserer Seite
die siebte Generation nur noch aus meiner Tochter, was die spätere Nachfolgeregelung viel einfacher machen wird.
Das Baur au Lac steht an bester Lage in
Zürich, nahe der Bahnhofstrasse, wo die Bodenund Liegenschaftspreise astronomische Höhen
erreichen. Sie könnten mit dem Hotel und den
angrenzenden Liegenschaften eine Menge
Geld verdienen.
Unser Geld ist im Hotel viel besser investiert!
Denken Sie an die vergangene Finanzkrise. Wir
sind auch glücklich, dass wir, die Familie und
die Direktion, komplett selbstständig entscheiden können.
Ihre Tochter steckt derzeit mitten in der Hotelausbildung. Sie wird eines Tages das Baur au Lac
übernehmen.
Sagen wir es so: Es gibt eine siebte Generation,
und diese wird sich später zwangsläufig mit dem
Betrieb auseinandersetzen. Ich bin zuversichtlich,
dass meine Tochter ihre spätere Aufgabe im Hotel
sehr gut machen wird.
Sie besitzen heute nur gerade ein Hotel in Zürich.
Hatten Sie nie die Absicht, eine kleine Luxushotelgruppe mit vier oder fünf Häusern aufzubauen
– die «Baur au Lac Collection»?
Nein. Natürlich haben wir uns solche Gedanken gemacht. Unsere Erfahrung mit dem Excelsior Hotel Ernst in Köln hat uns aber gezeigt,
dass schon zwei Hotels zu viel sind. Sofern man
die Hotels mit persönlichem Engagement führen will.
Ihr Hotel wird immer wieder mit internationalen
Auszeichnungen und Preisen geehrt. Das Baur au
Lac ist unbestritten eines der besten Luxushäuser der Welt. Was machen Sie als Hotelier besonders gut?
Die Hotellerie ist unser Leben, unsere Berufung
sozusagen. Geht es um Investitionen, sind wir
in der privilegierten Lage, rasch und effizient zu
entscheiden. Andere Hoteliers haben dieses Privileg nicht.
›
Wussten Sie, dass …
… das Baur au Lac seit der Eröffnung
1844 heute in der sechsten Generation von der Familie Kracht geführt
wird und damit das weltweit älteste
Luxushotel ist, das noch im Besitz seiner Gründerfamilie ist?
… in den letzten 15 Jahren rund 160
Millionen Franken in die Neu- und
Umgestaltung des Baur au Lac investiert wurden? Von Juli 2008 bis September 2009 wurden weitere 45 Millionen Franken in die Neugestaltung
von 22 Suiten und Zimmern sowie des
Gourmetrestaurants Pavillon und der
Sommerterrasse investiert.
… Bertha von Suttner 1892 im Baur
au Lac den schwedischen Industriellen Alfred Nobel von der Notwendigkeit des internationalen Friedensnobelpreises überzeugte?
… Zürich in der Mitte des 19. Jahrhunderts den Ruf der «Wagnermetropole» hatte? 1856 feierte Richard
Wagner im Baur au Lac die Uraufführung des ersten Aktes seiner Walküre.
… Walt Disney nach einem Aufenthalt im Baur au Lac 1969 dem Hotel
einen eigenen Comic widmete?
… das Baur au Lac ein Vorreiter der
neuesten Technik war? 1852 wurde
eines der ersten Hotel-Telegrammbüros in Betrieb genommen und bereits
1888 wurden elektrisches Licht und
ein hydraulischer Aufzug installiert.
… der bereits 1905 begründete Fuhrpark des Baur au Lac einen Rolls
Royce inkludiert?
… das Baur au Lac als eines der wenigen Luxushotels Europas zwei hauseigene Floristinnen beschäftigt, die das
Haus täglich mit über 1000 Schnittblumen dekorieren?
… zum Hotel der Weinhandel Baur au
Lac Wein gehört? Im angeschlossenen, rund ein Jahrhundert alten Weinkeller und der neu erbauten Weinkellerei in Regensdorf lagern über 1 Mio.
Flaschen.
… das Baur au Lac seit 55 Jahren von
der Familie Rey geführt wird? Michel
Rey übernahm die Leitung von seinem
Vater Georges Rey und lenkt in zweiter Generation seit mehr als 26 Jahren
die Geschicke des Hauses.
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Deluxe Junior Suite – Schlafzimmer.
Wohnraum einer Deluxe Suite.
Badezimmer einer Delux Junior Suite.
Bad einer Delux Suite.
Hotell-Rolls-Royce.
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Aperitif in einer Suite.
Concierge.
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HOTELIER Talk Andrea Kracht
Der wahre Luxus ist vielleicht
der grosse Hotelpark und die traumhafte Sicht auf den Zürichsee.
Aber was machen Sie besonders gut?
Die Bereitschaft der Besitzerfamilie, die gesamten
Gewinne des Hotels immer wieder in den Betrieb
und in neue Projekte zu investieren, ist sicher ein
wichtiger Erfolgsfaktor. Allein in den letzten drei
Jahren haben wir 45 Millionen in 22 Suiten und
Zimmer sowie in die Gastronomie investiert.
Stimmt es, dass Sie alle Projekte und Umbauten
aus eigenen Mitteln finanzieren?
Ja, das stimmt. Seit 1995 haben wir total zwischen
150 und 160 Millionen Franken in unser Haus
investiert. Das ist eine unglaubliche Summe für
ein Hotel mit nur gerade 120 Zimmern!
Der Umbau des Dolder Grand am Zürichberg hat
fast 500 Millionen gekostet.
Das ist ein anderer Fall, das können Sie nicht vergleichen.
Nächstens investieren Sie schon wieder Millionen
in Zimmer, die nicht mehr ganz so neu sind.
Diese Zimmer aus den Neunzigerjahren sind
immer noch komfortabel und in sehr gutem
Zustand, doch sie entsprechen in puncto Stil
und Ästhetik nicht mehr unseren Vorstellungen.
Wenn ich einem Kettenhotelier sagen würde,
welche Summen wir in ein Zimmer investieren,
würde der die Welt nicht mehr verstehen. Damit
bauen andere ganze Hotels!
Sie investieren langfristig und nachhaltig.
Und nur das Beste ist gut genug.
Es ist unsere langfristige Unternehmens- und
Investitionspolitik, die am Ende den Erfolg bringt.
Erfolg haben Sie in der Tat. Die Zimmeraus­
lastung im Baur au Lac ist überdurchschnittlich
hoch, der durchschnittliche Zimmerpreis
ebenso.
Mit einer Auslastung von 80 bis 90 Prozent erzielen wir derzeit durchschnittliche Zimmertarife
von über 900 Franken.
Von solchen Zahlen können andere Hoteliers nur
träumen. Wie machen Sie das?
Unterschätzen Sie die Tradition des Hauses nicht!
60 bis 70 Prozent unserer Kunden sind Stammgäste. Viele steigen schon seit Jahrzehnten im
Baur au Lac ab. Ja, schon ihre Eltern und Grosseltern waren hier.
Machen Sie überhaupt noch klassische Werbung
für Ihr Haus?
Nein, Werbung in der Presse machen wir nicht.
Wir setzen auf Mund-zu-Mund-Propaganda und
Public Relations. In New York, Moskau, München, Mumbai und London sorgen PR-Agenturen
für eine gewisse Präsenz in den Medien. Zudem
unterhalten wir gute Beziehungen zu Reiseorganisatoren und Firmenkunden.
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Sprechen wir über Zimmerpreise. Ihr Freund Jean-Jacques
Gauer vertritt eine völlig andere
Meinung als Sie, wenn es um
Preisgestaltung und Preisstabilität geht.
Ja, da habe ich in der Tat eine
andere Auffassung als der gute
Jean-Jacques.
Gauer sagte im Interview mit
«Hotelier»: «Wir machen heute
Easy-Jet. Die Preise passen sich
laufend Angebot und Nachfrage
an.» Bieten Sie Ihren Gäste, je
nach Situation, auch Rabatte
von bis zu 40 Prozent?
Nein. Im Baur au Lac gibt es nur
zwei Preiskategorien: Die RackRate und eine Rate für Corporate-Kunden und gute Stammgäste. Wir sprechen da von vielleicht fünf Prozent.
Revenue Management ist im
Baur au Lac ein Fremdwort.
Ja, wenn es um die Preisgestaltung geht. Je nach Buchungsstand und Zimmerbelegung
bieten wir unseren guten Gästen natürlich Mehrleistungen
an, zum Beispiel in Form eines
Upgrades. Gerade langjährige
Stammgäste schätzen unsere
Preisstabilität.
Trotzdem verändern sich heute
die Preise fast täglich – und
zwar in allen Konsum- und
Lebensbereichen. Beispiel Airlines, Computer, Hotels …
Stopp! Eine von Hand genähte
Tasche von Hermès kostet
immer gleich viel – ob sie die
in Paris, New York oder Zürich
kaufen. Qualitativ hochwertige Premium-Produkte haben
ihren festen Preis.
Aber was sagen Sie Jean-Jacques Gauer, wenn er seine Zimmer am Wochenende bis zu 30
oder 40 Prozent billiger verkauft?
Jean-Jacques Gauer hat ein
anderes Produkt. Man darf sein
Lausanne Palace, was Standort, Geschichte, Gästesegment
und Marktverhältnisse betrifft,
nicht mit dem Baur au Lac in
Zürich vergleichen.
›
history
Die Geschichte
Das Baur au Lac wurde 1844 von dem Österreicher Johannes Baur eröffnet. Als Zweithotel neben dem Stadthotel
Baur en Ville gedacht, stand die Villa am See Reisenden zur
Verfügung, die «inkognito» bleiben wollten. Mit dem Baur
au Lac schrieb Johannes Baur Hotelgeschichte: Als Erster ging er das Wagnis ein, sein Hotel unmittelbar am Ufer
des Zürichsees zu bauen. Vom ersten Tag an war das Baur
au Lac ein Beispiel an Luxus, Grosszügigkeit und Diskretion
und sicherte sich einen Platz in der Spitzengruppe inter­
nationaler Grand Hotels. 1852 übergab Johannes Baur die
Leitung des Hotels an seinen Sohn Theodor. Wie sein Vater
stellte auch Theodor höchste Ansprüche an exzellenten
Service und Dienstleistung und sah die Notwendigkeit, mit
dem Fortschritt mitzuhalten: Noch im selben Jahr führte er
ein Telegrammbüro im Baur au Lac ein.
Mit dem Baur au Lac hatte Europas Hoch- und Geldadel
ein neues Stammdomizil in Zürich. Die Mächtigen der Welt
erachteten das Hotel als veritable Adresse bei ihren Reisen in oder durch die Schweiz. Neben König Ludwig I. von
Bayern, dem König von Schweden, dem König von Norwegen und dem Kaiser von Äthiopien zählte auch Kaiserin Elisabeth von Österreich, besser bekannt als Sissi, samt
Gefolge zu den Stammgästen. Zu ihnen gesellten sich schon
bald die Schönen und Berühmten. Richard Wagner feierte
hier am 22. Oktober 1856 die Welturaufführung des ersten
Akts seiner Walküre. Künstler wie Marc Chagall und Henry
Moore residierten hier und auch Thomas Mann und Alfred
Hitchcock zählten zu den Stammgästen. Sophia Loren, Gina
Lollobrigida, Audrey Hepburn, Jayne Mansfield und Brigitte
Bardot versprühten den Glamour des europäischen Kinos
der 60er- und 70er-Jahre, während heute Hollywoodstars
wie Renée Zellweger, Richard Gere und Daniel Craig das
Baur au Lac schätzen.
Die Gründerfamilie
Johannes Baur hatte 1844 das Hotel eröffnet, acht Jahre
später übergab er es an seinen Sohn Theodor. 1889 änderte
sich zwar der Name des Besitzers des Hotels, die Familie jedoch blieb die gleiche: Emmy, die Tochter von Theodor Baur, heiratete den Kölner Hotelbesitzer Karl Kracht.
Unter seiner Führung wurde das Baur au Lac 1898 auf
seine heute bekannte Grösse von 17 000 Quadratmeter ausgebaut (plus 1400 Quadratmeter Aussenbereich). 1914,
nach der Fertigstellung des neuen Pavillons, verstirbt Karl
Kracht und sein Neffe Hans Kern übernimmt die Geschäfte
in der folgenden schwierigen Zeit. 1916 übernehmen Fritz
und Hermann Kracht, die beiden Söhne von Karl Kracht,
die Führung. 1949 tritt Charles Kracht die Leitung an und
unterzieht das Hotel einem umfangreichen Investitions­
programm.
Er baut und gründet den Club Baur au Lac – der erste seiner Art in der Schweiz – sowie die Kellerei in Urdorf, in der
700 000 Flaschen lagern – und er initiiert den Jahrhundertumbau, dessen Planung bereits Ende der 80er-Jahre
anläuft. Das Baur au Lac feiert 2009 sein 165-jähriges Jubiläum und zählt damit zu den weltweit ältesten FünfsternHotels, die noch im Besitz der Gründerfamilie sind, mittlerweile in sechster Generation: 1990, nach dem Tod des
Vaters, ging das Baur au Lac in den Besitz von Andrea
Kracht, seiner Mutter Marguita Kracht und Schwester Gabrielle Feldhahn-Kracht über. Andrea Kracht wirkt heute
unter anderem als Delegierter des Verwaltungsrates, während sich Marguita Kracht der Innengestaltung des
Hotels in Zusammenarbeit mit Viviane Rey und den Innenarchitekten widmet; Gabrielle Feldhahn-Kracht ist stille
Teilhaberin.
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So traditionell das Haus ist, so traditionell oder gar konservativ ist
die Preispolitik im Baur au Lac.
Das hat mit Tradition und Konservatismus nichts zu tun. Hier geht
es um Fairness gegenüber dem Stammkunden. Er bezahlt fürs gleiche Produkt immer den gleichen Preis – und nicht einmal mehr
oder einmal weniger.
Petit Palais.
Warum steigt jemand im Baur au Lac ab und bezahlt 1000 oder
2000 Franken für ein Zimmer mit Frühstück? Er könnte ja eine
Menge Geld sparen, wenn er im Dreistern-Hotel für 300 Franken
übernachten würde.
Da gibt es verschiedene Gründe. Erstens: die hervorragende Lage.
Welches Zürcher Fünfstern-Hotel bietet seinen Gästen einen Park
mit altem Baumbestand mitten im Zentrum und direkt am See?
Zweitens: Wir bieten ein Produkt auf sehr hohem, internationalem Niveau. Wir investieren ja nicht umsonst viele Millionen in das
Haus. Drittens: es gibt hier eine qualitativ hochstehende, innovative Gastronomie, bestehend aus zwei Top-Restaurants. Ein weiterer Grund sind unsere Mitarbeitenden. Das Baur au Lac hat 120
Zimmer und beschäftigt 250 Mitarbeiter. Ein überdurchschnittlich
motiviertes, gut ausgebildetes und professionelles Team sorgt sich
mit Herzblut und Engagement um die Gäste.
Was tun Sie konkret für Ihre Mitarbeiter?
Wir bilden sie laufend weiter, wir bieten ihnen gute Löhne, und wir
Unser Ziel ist es, das Haus
weiterhin als Familienhotel
zu führen.
bringen ihnen die notwendige Wertschätzung entgegen. Rund 50
unserer Mitarbeiter sind bereits seit mehr als zehn Jahren im Baur
au Lac tätig, drei von ihnen sind uns sogar schon seit über 40 Jahren treu verbunden.
Stadtrestaurant Rive Gauche.
Uns erinnert das «Baur au Lac» an ein typisch britisches, etwas
konservatives, stilles und privat geführtes Luxushotel. Könnte
auch im Londoner Stadtteil Mayfair liegen – wäre da nicht der
Zürichsee.
Wer abends spät hier ankommt, übernachtet und am andern Morgen früh auscheckt, spürt das Hotel (noch) nicht. Wenn er immer
wieder hier wohnt, spürt er plötzlich, um was es uns allen geht: um
die vielen Kleinigkeiten in Zimmer und Service, die vielen Details,
das Lächeln an der Rezeption, die Vertrautheit, die von unseren
Mitarbeitern ausgeht. Irgendwann fühlt sich der Gast zu Hause.
Und genau das ist unser Ziel.
Mehr als 80 Prozent Ihrer Gäste sind Businessleute, die ein Luxushotel in der Regel gar nicht richtig geniessen können, weil ihnen
die Zeit dafür fehlt.
Moment! Unsere Gäste sind nicht «normale Ge­­schäftsreisende»,
sondern Unternehmer, CEOs, Künstler, Architekten. Sie entscheiden selber, wohin sie reisen und wo sie absteigen. Das sind Entscheidungsträger, die sich einen gewissen Luxus oder Lebensstil
gewohnt sind.
Da muss im Badezimmer alles aus Gold und
Marmor sein.
Nein, eben gerade nicht. Der wahre Luxus ist vielleicht der grosse
Mammutbaum im Hotelpark, die traumhafte Sicht auf den See, die
Aufmerksamkeit des Portiers, die hohe Qualität des Essens. Diesen Leuten geht es um Zeit, Raum und Atmosphäre – und nicht
um oberflächlichen Luxus.
Festliches Gedeck im «Salon I & II».
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Was ist Ihnen im Hotel besonders wichtig?
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HOTELIER Talk Andrea Kracht
Unsere Gäste reisen durch die ganze Welt und
steigen in den besten Häusern in Paris, London, Tokio oder New York ab. Was sie in London
oder New York vorfinden, wollen wir ihnen hier
im Baur au Lac ebenfalls bieten. Internationalen
Fünfstern-Standard auf höchstem Niveau. Man
vergleicht uns direkt mit einem Ritz oder Four
Seasons George V in Paris, mit einem Dorchester oder Savoy in London. Es ist meine Aufgabe
als Besitzer, Investor und Hotelier zu schauen,
dass wir dieses hohe Niveau stets halten können.
Sie sind ein Perfektionist.
Wir versuchen, so perfekt wie möglich zu sein,
auch wenn wir ab und zu Fehler machen.
Die Luxushotellerie wird sich laut Trendforschern
verändern. Motto: weg vom materiellen Luxus,
hin zu mehr Erlebnis, Authentizität, Sinnlichkeit
und Emotionen. Wie sehen Sie das?
Genau davon spreche ich! In der Hotellerie geht
es immer um Emotionen, Stimmungen, Ambiente, um ganz persönliche Dinge. Wenn wir das
dem Gast bieten, mache ich mir für die Zukunft
keine Sorgen.
Seit November 2010 sind Sie Chairman von «The
Leading Hotels of the World», einer weltweit
führenden Allianz von Luxushotels, Resorts und
Spas. Nun, heute gehören Peninsula, Four Seasons, Park Hyatt oder Orient Express zu den fünf
besten Hotelmarken der Welt. Und «The Leading
Hotels oft the World»?
Es ist ganz klar unser Ziel, wieder zu den drei Besten zu gehören.
Und wie erreichen Sie das?
Das Qualitätsniveau der über 450 Mitgliedhotels
soll in vier Jahren fünf Prozent über den heutigen Qualitäts-Standards liegen. Zudem wollen
wir den Umsatz von heute 550 Millionen Dollar
(2010) in den nächsten fünf Jahren verdoppeln,
ohne dass mehr Hotels dazukommen.
Ist es überhaupt möglich, diese Qualitäts-Standards in allen 450 Hotels weltweit umzusetzen?
Ja. Die Standards müssen aber messbar sein. Neu
messen wir den «Wow-Effekt». Das sind überraschende, einzigartige Dinge im Hotel. Denken Sie
zum Beispiel an die fantastische Architektur von
Sir Norman Foster im Dolder Grand. Wenn ich
die Hotelfassade sehe, sage ich spontan «Wow!».
Wo steht das Baur au Lac Zürich in zwanzig
Jahren?
Gute Frage!
Haben Sie eine Vision?
Unser Ziel ist es, das Haus weiterhin als Familienhotel zu führen – auf dem heutigen, sehr hohen
Niveau. Zudem wollen wir stets in der Lage, in
unser Haus zu investieren und das Beste daraus
zu machen. Und ich wünsche mir, dass meine
Tochter das Hotel eines Tages mit Erfolg weiterführen kann.
Das Baur au Lac bleibt das Baur au Lac. Eine völlig neue Positionierung können Sie sich nicht vorstellen …
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Die Bedürfnisse unserer Gäste
werden sich in den kommenden Jahren nicht wesentlich verändern. Komfort, beste Qualität und Top-Service sind auch
in zwanzig Jahren die wichtigsten Erfolgsfaktoren.
Experten und Trendforscher
sagen: Hotels sollen Erlebnisse
schaffen, Emotionen auslösen,
ein persönliches Ambiente bieten …
Für uns nichts Neues! Das
machen wir seit Jahren. Das sind
für uns elementare Dinge. Viele
Hotels machen Werbung für
ihre Spezialbetten. Die haben
wir schon lange!
Die digitale Welt, Internet,
Facebook, Twitter & Co. beherrschen immer mehr auch die
Hotellerie. Wie ist das im traditionsreichen Baur au Lac?
Wir waren das erste Hotel der
Schweiz, das seinen Gästen
WLAN angeboten hat – lange
bevor es die Hot Spots der Swisscom gab. Und das war für den
Gast immer gratis.
Viele Fünfstern-Hotels verlangen immer noch Geld für den
Internet-Zugang.
Ärgerlich! Kostenloses Internet
gehört heute einfach dazu.
Zum Schluss meine StandardFrage: Was ist Ihnen als Hotelier besonders wichtig?
Ganz einfach: Der Hotelier ist
Gastgeber, er ge­­hört an die
Front. Finanzen, Personalwesen und Marketing kann er
delegieren, die Gastgeberrolle
nicht. Hotellerie ist ein PeopleBusiness. Es geht immer um
Menschen.
Welchen Hotelier schätzen Sie
ganz besonders?
Michel Rey, unseren Direktor.
Ein hervorragender Gastgeber,
Freund und Partner. Und natürlich Jean-Jacques Gauer. Er ist
für mich einer der kompetentesten Hoteliers, die ich kenne. Er
verkörpert alle wichtigen Eigenschaften eines erfolgreichen
und charismatischen Gastgebers. Er ist professionell, intelligent, klug, charmant, offen und
stellt immer sein Hotel in den
Vordergrund – nie seine Person. Für mich ein Vorbild. Eben
der perfekte Hotelier, wie Sie in
Ihrem Magazin vor einem Jahr
geschrieben haben.
H
background
Das heutige Hotel
Hinter der bis ins Detail restaurierten, klassizistischen Baurau-Lac-Fassade sind zwischen Juli 2008 und September
2009 auf vier Etagen neue Suiten und Zimmer entstanden.
Im Dezember 2008 wurde der komplett neu gestaltete Bankettbereich eingeweiht. Renommierte Designer haben den
Salons ein neues Gesicht verliehen, noch eleganter, noch
prestigebewusster. Im Mai 2009 erstrahlten das Restaurant Pavillon und die legendäre Terrasse im neuen Glanz.
Die gesamte Umbauphase umfasst ein Investitionsvolumen
von 45 Millionen Franken. In den 90er-Jahren war bereits
im Rahmen eines gewaltigen Bauprojekts die Substanz des
Hotels, also das über 165 Jahre alte Fundament und Mauerwerk, saniert worden. Der Pariser Hotelarchitekt Pierre-Yves
Rochon war verantwortlich für die Neugestaltung des Salon
I und Salon II, der Terrasse und des Gourmetrestaurants
Pavillon. Rochon, der bereits im Four Seasons Hotel George
V Paris und im Hotel Hermitage in Monte Carlo kreativ
tätig war, schuf gemäss der Tradition und den Werten des
Baur au Lac eine Atmosphäre, die generationsübergreifend
Akzeptanz findet: Die zeitgemässe Ästhetik der Neugestaltung bildet eine Symbiose zwischen Klassik und Moderne.
Frédéric d'Haufayt kreierte das neue Design des Ballsaals
Petit Palais sowie der Zimmer und Suiten: Aus 26 bisherigen Zimmern entstanden 16 neue Suiten und Junior-Suiten
sowie sechs Zimmer. Das Baur au Lac verfügt über 120 Zimmer und Suiten, davon 75 Gästezimmer, 27 Junior Suiten,
18 Suiten. Alle Möbel und Teppiche wurden von Frédéric
d’Haufayt speziell für das Baur au Lac kreiert und von den
weltbesten Ateliers in Frankreich, Deutschland, Österreich,
den USA und der Schweiz angefertigt. Luxuriöse Stoffe aus
Thailand, Italien, Frankreich und den USA wurden aufwendig zu voluminösen Vorhängen verarbeitet.
Restaurants & Bars
Das Rive Gauche Restaurant und Bar im Baur au Lac,
unter der gastronomischen Leitung von Jens Jeppessen
gehört seit seiner Neugestaltung im modernen Design von
Innenarchitekt Cornelius de Fries zu den Trendrestaurants
der Stadt. Dunkle Holztische und mintfarbene Ledersofas, gepaart mit passender Beleuchtung, lassen die Inspiration durch angesagte Adressen in New York, Paris oder London erahnen. Kulinarisch haben Chefkoch Olivier Rais und
sein Team an die 100-jährige Tradition des Baur au Lac Grill
Rooms angeknüpft: Der moderne, mediterrane Grill bietet
eine leichte und abwechslungsreiche Küche.
Das von Stararchitekt Pierre-Yves Rochon neu gestaltete
Gourmetrestaurant Pavillon, das kulinarische Herz des
Baur au Lac, wurde im Mai 2009 wiedereröffnet. Nahezu
rundum verglast, bezieht vor allem die prächtige, fünf Meter
hohe Rotonde mit filigranen Stuckarbeiten und dem selbst
für Kenner spektakulären Lalique-Lüster aus den 20er-Jahren die Natur zu allen Jahreszeiten in das Gestaltungskonzept mit ein. Farblich dominieren neben Weiss- und Platintönen vor allem die Polstermöbel im lila- und mintfarbenen Art-Déco-Design, welche speziell für das Baur au Lac
nach dem Entwurf vom Pariser Stararchitekten angefertigt
wurden. Das Blumenmuster der Teppiche und Vorhänge,
ebenfalls von Pierre-Yves Rochon kreiert, findet sich im von
Rosenthal exklusiv hergestellten, weissgrauen Geschirr mit
Platinrand wieder. Ein besonderer Blickfang sind die zwei
Gemälde des Schweizer Künstlers John Armleder beim Eingang zum Pavillon. Die Küche von Chefkoch Laurent Eperon
im Pavillon zeugt von einem frischen, dynamischen und
zeitgemässen Stil: «Contemporary Fine Dining» ist seine
leichte, offene Interpretation der klassischen Haute Cuisine.
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