Die Ohren der Bisnismen
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Die Ohren der Bisnismen
angelo peer essay Radiowerbung kann heute nur mehr auf eins zählen: Die Ohren der Bisnismen 68 persönlichste, direkteste überhaupt ist. Denn nach allem, was wir psychologisch und physiologisch wissen – und das ist nicht wenig, die ersten Untersuchungen dazu gab es schon vor Jahrzehnten –, ist von allen sechs Sinnen gerade der Gehör sinn jener, der uns zum Menschen macht. Ästhetik-Denker wie Nikolaus Harnon court weisen auf ein uraltes Phänomen hin, das sich als anthropisches Prinzip durch die Kulturen und Epochen zieht und lediglich in jüngster Zeit von der weltkulturellen Explosion der abendländischen Bild-Zivili sation verschüttet wurde: Das Auge ist das erkennende Sinnesorgan, das Ohr das füh lende. Ein Beweis dafür ist, dass Isolation und Persönlichkeitsstörung bei Tauben in viel stärkerem Maße zu beobachten sind als bei Blinden. Hören ist ein In-sich-hinein- Hören, und wenn da nichts zum Klingen kommt, dann kann auch im Falle eines gewöhnlichen Werbespots kein zustimmen des oder vielleicht sogar begeistertes Echo zurückgeworfen werden, auch wenn die Strategie noch so glänzend war und die Idee noch so unique – vielleicht lag’s einfach nur am unsympathischen Tremolo des Sprechers. Aber erklär das mal den Bisnismen! Angelo Peer, 17 Jahre lang auch Kolumnist im Bestseller, hat im Rahmen seiner Werber-Laufbahn ein paar Tausend Radiospots kreiert und produziert, auf Deutsch, Schweizerdeutsch, Französisch und Polnisch. Und er arbeitet immer noch am ulti mativen Spot. Bestseller 5|6 2012 Mark Glassner Es ist zum Verzweifeln. Der Neoliberalis mus hat nicht nur in die berühmten Märk te Einzug gehalten, man trifft ihn auch auf Schritt und Tritt in der täglichen Arbeit. Vor allem in der fürs Radio. Früher war das ja so: Da hat man sich eine – mehr oder weniger gute – Idee überlegt, brachte die zu Papier, ging damit ins Studio und hatte dann alle Chancen, durch eine professionelle Produktion die gute Idee zu einem perfekten Spot zu machen und die weniger gute doch noch irgendwie zu retten. Da hatte man schon seine jahrelang bewährten Sprecher oder Schauspieler, Sounds und Tricks, mit denen man das Ganze aufmotzen konnte, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, durch Textmodifikationen das Timing so zu beein flussen, dass es in den vorgegebenen Sekundenrahmen passte. Heute läuft das nicht mehr so. Weil heute schauen die überall herumwu selnden „Bisnismen“ nur mehr aufs Geld. Das heißt, man liefert nicht selten einfach nur das Manuskript ab, das dann von anderen verwurstet wird. Das sind immer öfter private Radiostationen, die die Spots am Fließband produ zieren, noch liebloser als ihr Volldröhn-Programm, weil es is ja eh nur Wer bung, und der Kunde hat dieselben hinigen Ohren wie der Radio-Schnösel, der meint, er kann mit seiner Moderation die Welt von einem Wochenende ins nächste retten. Und wo die Spots produziert werden, „Das Auge ist das da werden sie vorzugsweise auch geschaltet. erkennende Sinnesorgan, Neoliberalistische Geldbeschaffung durch das Ohr das fühlende.“ Full Service halt. Oder, so man selber noch produzieren darf, muss man dann eben bestimmte Sprecher nehmen, die überhaupt nicht spielen können, ja nicht einmal mehr die Bezeichnung Sprecher verdienen, weil sie über je des zweite Wort stolpern. Der Grund: Sie sind billiger und machen die Spots im Dutzend. Von einer ordentlichen Musik traut man sich ja sowieso nicht mehr zu reden, auch noch horrende Tantiemen zahlen, wär ja noch schöner, da nehmen wir doch einfach eine Konserve von jenen, die massenweise im Fundus lungern und nur darauf warten, für ein paar Cent wachgeküsst zu werden. Von Originalität noch nie was gehört, und auch nicht davon, dass Musik als dramaturgisches Mittel eingesetzt werden sollte – oder gar nicht. Ja, ja, Musik brauchen wir schon, aber halt zur Untermalung, wie im Lift, ein endloser Einheitsbrei über alle Medien und Kommunikationsformen und öffentlichen Räume hinweg. Es ist zum Weinen. Wie ein Medium, im Werbeteil genauso wie im Programmbereich, gedemütigt wird! Ein Medium, das das empfindlichste,