Mission „Wirtschaft“ – Der Nutzen der Internationalen Raumstation ISS

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Mission „Wirtschaft“ – Der Nutzen der Internationalen Raumstation ISS
Forschung & Entwicklung
Mission „Wirtschaft“ – Der Nutzen der
Internationalen Raumstation ISS
IHK-Impulstagung zeigte Chance für KMU auf
Mit der ISS entsteht zurzeit das bislang
größte Forschungs- und Technologiezentrum im All und damit ein breites Betätigungsfeld insbesondere auch für unternehmerische Aktivitäten. Dies aufzuzeigen und die Chancen und vielfältigen
Nutzungsmöglichkeiten der Internationalen Raumstation ISS insbesondere den kleinen und mittleren
Unternehmen (KMU) nahe zu
bringen, fand am 31. Mai in
der Hauptgeschäftsstelle der
Niederrheinischen
IHK
bundesweit erstmalig eine
IHK-Impulstagung für
KMU statt.
In den nächsten 15 Jahren wird die ISS
mit maximal sieben Personen kontinuierlich besetzt sein. Mit einer Spannweite von
107 Meter, 80 Meter Länge und zirka 420
Tonnen Gewicht bewegt sich die ISS in einer Höhe von zirka 400 Kilometer mit einer Geschwindigkeit von acht Kilometer
pro Sekunde um die Erde. Sie überstreicht
durch ihre Neigung von 51,6 Grad zirka
95 Prozent der Erdoberfläche und ist somit
für eine Vielzahl von Anwendungen, wie
Navigation, Wetterbeobachtung, Vermessung usw., weltweit nutzbar. Daneben besteht der eigentliche Auftrag der Raumstation darin, den Unternehmen eine verlängerte Werkbank im Weltraum anzubieten.
Nutzung zu etablieren, gelingt aber nur,
wenn man sich von der Neuartigkeit und
auf den ersten Blick Abgehobenheit dieses
Themas nicht abschrecken lässt, offensiv
die Möglichkeiten abklärt und auf seine
unternehmerischen Aktivitäten herunterbricht. Es können letztlich auch relativ gewagte Ideen verwirklicht werden, wie zum
Beispiel Weltraumtourismus, Marketing
oder Sponsoring. Wo andere Nationen
noch zaudern und Bedenkenträger die Diskussion bestimmen, haben die Russen unlängst den ersten zahlenden Reisenden auf
die Raumstation mitgenommen. Eine
amerikanische Elektronikkette hat den ersten Werbespot auf der ISS durch die russi-
Wettbewerbsorientierter Nutzen
Dabei können diese im All gezielte industrie- und anwendungsnahe Forschung
und Entwicklung von Prozessen und Produkten betreiben, die später ihren Einsatz
auf der Erde finden. Es sollen also keine
Abfallprodukte (Teflonpfanne) mehr den
Nutzen der Raumfahrt erklären müssen,
sondern der wirtschaftliche und wettbewerbsorientierte Nutzen der Unternehmen, wenn man so will auch die Kommerzialisierung des Weltalls, steht nunmehr im
Vordergrund.
Der im Jahr 1998 begonnene Aufbau
der ISS wird etwa 2006 abgeschlossen sein.
Interessierte Nutzer müssen allerdings
nicht warten, bis der Aufbau vollendet ist.
Schon jetzt werden die ersten Experimente
gestartet.
Eine an den Bedürfnissen von Branchen,
Märkten und Menschen ausgerichtete
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schen Kosmonauten gedreht. Diesen Beispielen folgend, sollten bei den Überlegungen, was heute oder in den nächsten Jahren
verwirklicht werden kann, Einschränkung
oder ängstliches Zögern nicht behindernd
im Wege stehen.
Es gibt mehrere Ansätze, um sich dem
Thema zu nähern. So bietet die ISS Gelegenheit, Raumfahrttechnologie und -ausrüstung zu produzieren. Am Beispiel des
Duisburger Batterieherstellers Friemann &
Wolf GmbH wird deutlich, wie dies umgesetzt werden kann. Das Unternehmen baut
schon seit geraumer Zeit Spezialbatterien
für die Weltraummissionen der Amerikaner, Russen, Japaner und Europäer. So
auch für das im Notfall einzusetzende
Rückkehrfahrzeug der ISS. Nach Aussage
der ESA (European Space Agency) sind die
Zuverlässigkeit und Langlebigkeit der
Autor: Dr.-Ing. Wolf-Eberhard Reiff, Duisburg
Wer sich einen aktuellen Eindruck
von der Internationalen Raumstation machen und auch Details zu
den bisherigen Aktivitäten im All
finden will, findet hierzu im Internet hervorragendes Bildmaterial mit
Erläuterungen unter http://space
flight.nasa.gov/gallery/index.html.
Als Suchbegriff ist lediglich iss einzugeben. Die TW-Redaktion bedankt sich bei der Pressestelle des
Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt, Köln-Porz, für die Unterstützung.
Fotos (5): NASA
Bordbatterien für die Astronauten von
übergeordneter Bedeutung. Wer solche
Batterien bauen kann, ist auch in der Lage,
Batteriequalität für den irdischen Markt zu
produzieren. Mit diesem Image generiert
Friemann & Wolf zehn Prozent des Umsatzes durch Batterien für den Weltraumeinsatz und hat erleichterten Zugang zu irdischen Spezialaufträgen.
Ein weiterer Ansatz ist die Produktentwicklung oder die Entwicklung von Produkteigenschaften im Weltraum durch
Ausnutzung der Schwerelosigkeit, des
Hochvakuums oder der extrem niedrigen
Umlaufbahn der Raumstation. Dabei ist zu
beachten, dass bei Experimenten auf der
Erdoberfläche immer die Schwerkraft als
verfälschende Komponente hinzukommt.
Es gelingt also nicht vollständig, das ursprüngliche Wesen der Prozesse zu beobachten und zu beschreiben. Sehr wohl aber
unter Weltraumbedingungen. Die hier gewonnenen Erkenntnisse führen zum besseren Verständnis der Vorgänge auf der Erde.
Irdische Vorgänge lassen sich so erheblich
besser optimieren und in hochwertigeren
Produkten vermarkten.
Ein Beispiel für die Ausnutzung des
niedrigen Orbits der ISS zeigt die Firma
Forschung & Entwicklung
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Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
über die industrienahen, aktuellen Rahmenbedingungen und über konkrete Nutzungsideen. Neue Nutzer der Raumstation
werden vor allem aus den Bereichen erwartet, in denen wirtschaftliche Interessen ein
Engagement begründen. Für die industriell verwertbare Nutzung ist jedoch entscheidend, dass die Kosten tragbar und das
Prozedere transparent und vor allem für
KMU verständlich sind.
Die Bundesregierung will in der frühen
Nutzungsphase die immensen Kosten für
den Weltraumflug bei KMU-Beteiligung
übernehmen. Die Experimentkosten müssen von den KMU übernommen werden,
so als ob die Produktentwicklung auf der
Erde stattfinden würde. Hierfür gibt es finanzielle Unterstützung durch Europaund Bundesprogramme, die insbesondere
Kooperationen zwischen in- und ausländischen KMU sowie Forschungseinrichtungen fördern.
Die Niederrheinische IHK steht interessierten Unternehmen gerne zur Verfügung,
um diese auf dem Weg in die Raumstation
zu begleiten. So ist beispielsweise auch geplant, bei Bedarf einen überregionalen
IHK-Anwender-Club ISS einzurichten, in
dem sich die Unternehmen zum Erfahrungsaustausch und für gemeinsame Akti■
vitäten zusammenfinden.
Kontakt: Rolf Berenz Telefon 02 03/
28 21-269 oder E-Mail berenz@duisburg.
ihk.de.
Fotos (2): Ullrich Sorbe
Fortis Uhren Deutschland GmbH. FortisUhren werden von der ISS aus synchronisiert. Sie zeigen weltweit automatisch immer die richtige Uhrzeit in den entsprechenden Zeitzonen an. Dies gelingt nur
wegen der extrem niedrigen Umlaufbahn
der Raumstation. Über einen weit entfernten Satelliten wäre das wegen des ungleich
höheren Energiebedarfs und der damit verbundenen Baugröße von Sender und Empfänger in Verbindung mit einer Armbanduhr nicht möglich.
Denkt man heute an Marketing, dann
ist die Assoziation mit „Events“ in Sport
und Unterhaltung augenfällig. Weniger
augenfällig scheint die Nutzung der ISS
für Aktivitäten dieser Art zu sein. Doch
gerade hier liegt eine große Chance, um
die „kommerzielle Nutzung“ mit Leben zu
erfüllen. Die ISS ist auch für Kunden
geöffnet, deren Hauptinteresse in der Steigerung ihres Bekanntheitsgrades liegt und
die das positive Image der ISS unterstützen. Die Raumstation wird in den nächsten Jahren im Bewusstsein aller Nationen
durch verstärkte Medienpräsenz verankert
werden. Dies nutzt jetzt schon ein weltbekannter Getränkehersteller durch Product-Placement in der Raumstation.
Weltraumtaugliche Getränkeautomaten
für Astronauten und zukünftige Weltraum-Touristen tragen bereits dessen
Logo.
Die IHK-Impulstagung richtete sich insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen. Denn diese haben für die Wirtschaftskraft, die Beschäftigung und die
Innovationsfähigkeit des Standortes
Deutschland eine besondere Bedeutung.
Ihre Flexibilität prädestiniert sie für kooperative Gestaltungsformen, welche die Bundesregierung mit erheblichen Mitteln fördert. Gleichzeitig ist aber für KMU der Gedanke, die Raumfahrt für die eigenen Unternehmensaktivitäten zu nutzen, heute
noch eher wirklichkeitsfremd. Diese Haltung gilt es zu relativieren.
Für KMU gilt: Ohne Nutzen keine Nutzung der ISS. Deshalb berichteten Unternehmen und die Experten des Deutschen