Solche Unverträglichkeiten können denn auch bei den Betroffenen

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Solche Unverträglichkeiten können denn auch bei den Betroffenen
Wie werden wir krank ?
Solche Unverträglichkeiten können denn auch bei den Betroffenen zu
Nahrungsmittelvergiftungen (und nicht zur Allergie!) führen. Asiaten fehlt z. B.
die Alkoholdehydrogenase, ein Enzym, das in der Leber für den Abbau von
Alkohol sorgt. Entsprechend wenig können sie vertragen mit dem angenehmen
Nebeneffekt, daß dann ein Rausch preiswert ist. Sie haben auch häufig einen
Laktasemangel, deshalb kennt die asiatische Küche traditionell keine Milch und
Milchprodukte. Bei den Mittelmeervölkern wiederum ist ein Defekt an der
Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase, einem Enzym der roten Blutkörperchen,
dafür verantwortlich, daß sie keine Saubohnen essen dürfen, weil sie sonst in
eine lebensgefährliche hämolytische Krise geraten, d. h. ihre roten
Blutkörperchen zerfallen. Enzymopahien können genetisch determiniert, also
angeboren oder aber erworben sein. So gibt es Menschen, die im erwachsenen
Leben keine Milchprodukte mehr vertragen. Meist hilft da schon der Verzehr von
milchsauer vergorenen Produkten wie Joghurt, Buttermilch oder Kefir. Allerdings
verbirgt sich hinter einer “Kuhmilchallergie” eine sogar häufig nicht für möglich
gehaltene Allergie gegen Soja-“Milch”, wie der Lebensmittelchemiker und
Toxikologe Manfred Metzger (Karlsruhe) warnt. Besonders Birkenpollenallergiker
können leicht eine Kreuzallergie zu Sojaproteinen entwickeln.
Mit Freien Radikalen assoziierte Erkrankungen sind:
• Alterungsprozesse allgemein und organbezogen
• Atemwegserkrankungen: Asthma, Bronchial-Ca., Lungenfibrose
• Amyloidose
• Colitis ulcerosa. Morbis Crohn
• dermatologische Erkrankungen: Sklerodermie, Neurodermitis
• Diabetes mellitus
• Erbschäden durch Mutationen der Keimzellen
• Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Arteriosklerose, Arteriitis, Coronarsklerose,
Hypertonie
• Immunsystem-regulative Störungen: Immundefizienz,
Autoimmunerkrankungen, u.a.
• Krebs
• Lymphödem
• neurodegenerative Erkrankungen: M. Alzheimer, amyotrope
Lateralsklerose, Chorea Huntington, M. Parkinson,
Motoneuronenerkrankung
• ophthalmologische Erkrankungen: Katarakt, Makulopathie
• Reperfusion nach Ischämien: Zustand n. Apoplex, Bypassoperationen,
Organtransplantationen
• Rheuma- und Arthroseerkrankungen.
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Wie werden wir krank ?
Beispiele für mangelnde Schutzmechanismen:
1. genetische Ursachen: Fanconi-Syndrom (= rezessiv erbliche Anämie im
Kindesalter), systemischer Lupus erythematodes (= Überempfindlichkeit
der DNA gegenüber Freien Radikalen)
2. erworbene Ursachen: allgemein im Alter, Überschwemmung des
Organismus mit Freien Radikalen (z. B. ionisierende Strahlen, Zerstörung
der Schutzmechanismen)
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Krankmachend - aber höhere Lebenserwartung
3 Krankmachend – aber höhere
Lebenserwartung
Wir fassen nochmals die gesundheitsgefährdenden Einflüsse durch veränderte
Lebensbedingungen zusammen (ohne Gewichtung und ohne Anspruch auf
Vollständigkeit):
• Überernährung bezüglich Energie (Fett, isolierte Zucker, Alkohol, Protein),
Salz
• unausgewogene Ernährung bezüglich der Hauptnährstoffe Eiweiß
(Protein), Fett und Kohlenhydrate
• Mangelernährung bezüglich Vitaminen, Mineralien, Elektrolyten, essentiellen Aminosäuren, essentiellen Fettsäuren
• Aufnahme von Schadstoffen (u. a. über die Nahrung, Wasser, Atemluft)
und Strahlenbelastung
• Störungen im Zirkadianrhythmus
• Rauchen, Alkohol- und Medikamentenmißbrauch. Drogen, u. a.
• Bewegungsmangel
• ungünstige Kleidung
• ungenügender oder schlechter Schlaf
• schädliche Wohnbedingungen
• Lärm, u. a.
• belastende Arbeitsbedingungen
• Störungen der zwischenmenschlichen Beziehungen, Konkurrenz.
Die Zahl genetisch bedingter Krankheiten hat sich in den vergangenen 30 Jahren
verzehnfacht. Bei der entsprechenden weltweiten Datenbank sind inzwischen
17.000 Störungen und Krankheiten mit Genbezug erfaßt, wie das Nationale
Netzwerk seltener Krankheiten in Hamm/Westf. mitteilte. Im Jahr 1976 seien es
erst 1.700 Einträge gewesen. “Es werden aber nur ganz selten neue Krankheiten
entdeckt, sondern vielmehr bereits bekannte immer weiter aufgeschlüsselt”, sagt
Claus Schroeter, der Leiter des Netzwerks. Im April 2005 hatte die Zahl der
Einträge bei der Datenbank OMIM (Online Mendelian Inheritance in Man) in
Baltimore/USA die Marke von 16.000 überschritten. Den Kranken würde der
Fortschritt jedoch nicht immer helfen. “Die Betroffenen bekommen dadurch zwar
einen immer präziseren Namen für ihr Leiden, doch neue Medikamente werden
dafür nicht entwickelt”, so Schroeter.
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Krankmachend - aber höhere Lebenserwartung
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die genetischen Unterschiede
zwischen Menschen deutlich größer sind als bislang angenommen. “Nature”
zufolge könnte sich demnach die Annahme als Irrtum erweisen, daß die
6 Milliarden Menschen auf der Erde zu 99,9% übereinstimmende Erbanlagen
haben. Es wurden das Fehlen oder mehrfache Vorkommen bestimmter
Genabschnitte überprüft und es ergab sich die überraschend hohe Zahl von
1.447 Unterschieden in 2.900 Genen. Wenn man dann noch bedenkt, daß ein
Gen für sich genommen nichts bedeutet, sondern erst seine Expression, bzw.
seine (enzymgesteuerte) Aktivität, bzw. Inhibierung, dann könnte dies vielleicht
auch erklären, warum z. B. einige Menschen dick werden und andere schlank
bleiben trotz gleicher Ernährungsgewohnheiten. Es ist sicher nicht so, wie neuerdings immer behauptet, daß für das Körpergewicht ein einziges Gen verantwortlich ist, das nun identifiziert und auf das zudem eine Gewichtszunahme von
maximal zwei Kilogramm zurückzuführen sei.
Inzwischen scheint es nun gelungen zu sein, die Hypothese, wonach neue Arten
nicht so sehr durch Genmutation entstehen, sondern durch Veränderungen in
den Steuerungszentralen der Gene, zu verifizieren (Science, Bd. 317, S. 815). Die
Steuerungszentralen liegen demnach meistens unmittelbar vor den Genen. Sie
enthalten nur wenige Genbausteine lange Kontaktstellen für unterschiedliche
Regulationsproteine – die sogenannten Transkriptionsfaktoren. Diese kooperieren
miteinander und signalisieren gemeinsam dem nachgelagerten Gen, wann und
wie stark es aktiv werden soll und dann in eine entsprechende Messenger-RNA
zu übersetzen ist. Offensichtlich haben sich die Kontrollelemente der Gene im
Laufe der Evolution viel schneller verändert als die Gene selbst, von denen man
bisher von einer überaus großen Trägheit ausging. Regulatorische Sequenzen
haben somit vermutlich viel stärker als veränderte Proteinstrukturen zu hervorstechenden Entwicklungen im Laufe der Evolution geführt.
Daß bei alledem auch eine Rolle spielt, in welchem geographischen Fleck der
Erde ein Mensch sein Leben verbringt, soll nicht unerwähnt bleiben. Das individuelle Genmuster interagiert mit den Umwelt- und Bodenverhältnissen zu seinem “Lebensraum”. Wandert nun dieser Mensch aus, bzw. wandert aus einem
fremden Kulturkreis ein, trifft sein Gen-Kostüm auf völlig andere, ungewohnte
Bedingungskomplexe seiner neuen Umgebung und gehören zur Epigenetik.
Solche neuen Konstellationen können sehr wohl Erkrankungen provozieren, die
bei diesem Menschen sonst vielleicht nie aufgetreten wären.
Gegen alle diese Faktoren als – übrigens höchst individuelle! –
Krankheitsverursacher wird oft eingewandt, wir hätten schließlich in der westlichen Welt eine immer höhere Lebenserwartung. Das sei doch eigentlich der
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Beweis dafür, daß es mit unserer Umwelt so schlecht gar nicht bestellt sein
könne. Unsere höhere Lebenserwartung ist – wiederum nach WHO-Definition –
allerdings auf andere Faktoren zurückzuführen:
1. Es gibt keine globalen Seuchen mehr, die ganze Länder entvölkern, wie
weiland z. B. die Pest.
2. Es gibt weltweite Impfprogramme.
3. Wir haben eine bessere medizinische Versorgung als damals beim
Dorfbader, z. B. mit Antibiotika.
4. Die heutige Nahrung hat eine andere Qualität als die frührerer
Jahrhunderte. Sie ist nicht mehr verfault, verschimmelt, verkeimt.
5. Die allgemeinen hygienischen Verhältnisse haben sich verbessert.
Inzwischen hat jeder Haushalt sein eigenes Bad und WC, die jedem
Menschen zur Verfügung stehende Wohnfläche hat sich in den
Industrienationen seit Kriegsende fast verdoppelt.
6. Es gibt kaum noch schwere körperliche Arbeit. Diese wird heute von
Maschinen erledigt. Es gibt keine Kinderarbeit.
7. Die allgemeine Schulpflicht hat die Menschen aufgeklärt und in die Lage
versetzt, selbst auf ihr Leben und ihre Gesundheit zu achten.
8. Es gibt weniger Opfer von Kriegen, Unglücken und Naturkatastrophen
durch politische Maßnahmen (Friedensverträge, bzw. internationale
Verflechtungen, Deichbau, bessere Maschinen, Schiffe, usw.).
Diese Fakten stützen den Befund des Wissenschaftshistorikers John Komlos (LMU
München und Princeton University), wonach von der Kolonialzeit bis in die Mitte
des 20. Jahrhunderts Amerikaner körperlich größer waren als andere
Populationen, einschließlich der Europäer. Jetzt haben die Europäer die
Amerikaner aber an Körpergröße überholt. Grund ist die bessere soziale
Absicherung der Menschen in Europa gegenüber denen in den USA.
Allerdings sagt eine statistische Zahl nie etwas über ein Einzelschicksal aus.
Auch bei der statistisch allgemein höheren Lebenserwartung werden weiterhin
Menschen lange vor ihrer biologischen Zeit sterben.
Die WHO erklärt übrigens nicht die höhere Lebenserwartung von Frauen gegenüber Männern. Neben zahlreichen Hypothesen ist diese wohl am ehesten plausibel: Männer haben ein X- und ein Y-Chromosom (XY). Auf dem Y-Chromosom
befinden sich alle das Männliche determinierenden Merkmale, während auf dem
X-Chromosom der gesamte übrige Mensch “geregelt” wird: Blutdruck,
Augenfarbe, Begabung, usw. Und damit ist die Frau als Trägerin von zwei XChromosomen (XX) gleich doppelt ausgestattet. Versagt ein Steuergen auf dem
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einen X, dann springt das entsprechende Gen auf dem zweiten X an, sozusagen
als “Notstromaggregat”. Der Genetiker Steve Jones vermutet, daß das
Testosteron Gift für die männliche Immunabwehr sei. In den 30er Jahren wurden
in den USA junge Männer, z. B. Straffällige oder Schwachsinnige, kastriert. Ihre
Lebenserwartung lag danach 13 Jahre über dem Durchschnitt. Das Y-Chromosom
sei extrem anfällig und habe keinen Austausch mit anderen Chromosomen,
Schäden häuften sich, sodaß es im Laufe der Jahrtausende seine Größe eingebüßt habe. Auch würden männliche Föten häufiger abgestoßen. Damit ist aber
nicht erklärt, aus welchem biologischen Grund Frauen länger leben. Denn
schließlich benötigen sie ihr höheres Lebensalter nicht mehr zur Kinderaufzucht.
Möglicherweise soll diese “Doppelsicherung” Zwischenfälle verhindern, die während der Schwangerschaften auftreten und die Frucht gefährden könnten.
Dagegen führen typisch männliche Verhaltensweisen wie Schlägereien, Verkehrsoder Arbeitsunfälle, Kriegshandlungen oder Trunksucht zur Verkürzung der
Lebenserwartung bei Männern. Denn Männer verhalten sich oft dumm: Sie klettern auf hohe Berge oder spielen Golf im Gewitter. Das verkürzt ihr Leben.
Indirekt wird diese Schlußfolgerung bestätigt durch die Tatsache, daß von allen
Männern Mönche die höchste Lebenserwartung haben, kann man doch davon
ausgehen, daß die oben genannten Faktoren wie Wirtshausschlägereien oder
Verkehrsunfälle in Klöstern eher selten vorkommen.
An der Havard Universität werden seit 1940 die Lebensläufe von 724 Männern
begleitet und dokumentiert: 456 gesellschaftlich benachteiligte
Innenstadtjugendliche und 268 Havard-College-Studenten. Ärztliche
Untersuchungen wurden alle fünf, psychosoziale Prüfungen alle zwei Jahre
durchgeführt. Danach ergaben sich acht Faktoren, die ein zufriedenes Alter und
längeres Leben vorherzusagen scheinen:
1. Nichtrauchen
2. mäßiger Alkoholkonsum
3. eine stabile Ehe, bzw. Partnerschaft
4. körperliche Bewegung
5. entsprechendes Körpergewicht
6. positive Problembewältigungsstrategien
7. keine depressiven Erkrankungen
8. höhere Bildung
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Alle diese acht Faktoren bedeuten, daß sich der betreffende Organismus mit
weniger Freien Radikalen auseinandersetzen muß als ein anderer. Ob und wie
man glücklich alt wird, liegt also zum Teil an einem selbst, seinem Umfeld bzw.
an seinen Genen. Fazit ist, daß folgende Faktoren idealerweise zusammenkommen müßten, um ein sehr hohes Alter zu erreichen: weiblich, kein Nikotin, kein
Alkohol, immer moderat unterkalorische Ernährung, diese aus selbstangebauten
Pflanzen und Getreide (wegen der körperlichen Arbeit), Sauermilch und Fisch,
bzw. mageres Lammfleisch, beständiger Aufenthalt in sonnigen Gefilden, jedoch
ohne Heizung oder Klimaanlage, gleichförmiger, rhythmisierter Tagesablauf,
mäßige Bewegung, also kein Joggen, keinen Sex, kein Radio, Fernseher,
Kühlschrank, Staubsauger, eher Typ Höhlenmensch. Dabei drängt sich aber eine
Frage auf: Warum will ein Mensch unter diesen Bedingungen überhaupt so alt
werden?
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