seiten winter - bei KostialPiano
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seiten winter - bei KostialPiano
kulturgeschichten Sachsen, Südamerika, Südheide – Stationen einer Klavierbauerfamilie Von Gernot Korth F rank Kostial zeigt ein Foto: So also sah das Klavier vor sechs Monaten aus – von den Ausmaßen zwar imposant, ansonsten aber eher schlicht, um nicht zu sagen ziemlich schäbig. Das Holz matt und ohne Glanz, die Tastatur völlig vergilbt. Lediglich die gedrechselten Säulen lassen die einstige Pracht erahnen. Jedoch kein Vergleich mit dem Zustand, in dem es sich nach der Restauration präsentiert. Jetzt ist sie wieder deutlich zu erkennen, die wunderschöne Struktur des edlen Nussbaumwurzelfuniers. Die Oberfläche glänzt wie neu. Frank Kostial hat sie stundenlang per Hand gereinigt und poliert, dann echten Schellack in hauchdünnen Schichten aufgetragen und wieder poliert, bis er schließlich mit dem Ergebnis zufrieden war. Das kann sich in der Tat sehen lassen. Solch ein Schmuckstück von Klavier nennen wahrlich nur wenige ihr eigen. Unter der Tastaturabdeckung blitzt strahlend weißes Elfenbein. Und damit kommen wir zu den inneren Werten. 32 Calluna Vorher: Das im Jahr 1900 von der Firma Ed. Seiler gebaute Klavier hatte nicht nur eine defekte Mechanik, sondern zeigte sich auch äußerlich in einem wenig ansprechenden Zustand. Fotos: Kostial Piano Nachher: 200 Arbeitsstunden später erstrahlt das gute Stück in neuem Glanz. Die Maserung des Holzfuniers ist wieder deutlich sichtbar, und durch die farblich akzentuierten Details wird die Schönheit des Korpus‘ betont. Alles Handarbeit. Aus der Werkstatt von Klavierbauer und Tischler Frank Kostial dringt nur selten Maschinenlärm. Tochter Shakira-Michelle schaut dem Vater interessiert bei der Arbeit zu. Vielleicht wird sie später einmal die Familientradition in vierter Generation fortführen. Fotos (2:) Gernot Korth Frank Kostial ist Klavierbauer in dritter Generation. Er kommt aus Kolumbien. Sein Großvater Wenzel war nach dem Krieg dorthin ausgewandert. Denn wenn die nicht stimmen, taugt auch das schönste Klavier nur als dekoratives Möbelstück. Dieses antike Instrument hier sei nun sowohl optisch als auch technisch wieder perfekt, versichert der Klavierbauer. Immerhin gut 200 Arbeitsstunden hat er in die Restaurierung und Generalüberholung investiert. „Bei einem solch hochwertigen Klavier lohnt sich das immer“, sagt Kostial. Die Firma Ed. Seiler habe sehr auf Qualität geachtet. Oberhalb der Mechanik sind in erhabenen Lettern und Ziffern mit Stolz all die vielen Preise aufgeführt, die das Unternehmen auf nationalen und internationalen Ausstellungen errungen hat. Rechts oben in der Ecke ist die Seriennummer eingraviert: 28049. Sie gibt Auskunft über das Baujahr. In diesem Fall ist es das Jahr 1900. In der Klavierbauerwerkstatt im ehemaligen Repker Bahnhof erhielt das gute Stück neue Saiten und Stimmwirbel. Die gesamte Mechanik wurde ausgebaut, zerlegt, gereinigt und neu befilzt und schließlich wieder zusammengesetzt und eingebaut. Das geschah nahezu ausschließlich in Handarbeit. Wer sich in der Werkstatt umblickt, wird denn auch kaum Maschinen entdecken. Jeder halbwegs ambitionierte Heimwerker hat jedenfalls mehr in seinem Werkzeugschrank. Frank Kostial liebt die Handarbeit ebenso wie die alten Klaviere. Er legt darauf Wert, möglichst viele Originalteile wiederzuverwenden. Sind Neuteile erforderlich, kauft er diese ausschließlich beim führenden deutschen Lieferanten für Klavier-Ersatzteile in Stuttgart. Nur so, sagt er, könne er seinen Kunden ruhigen Gewissens fünf Jahre Garantie gewähren. Gute Arbeit hat bekanntlich ihren Preis. Lohnt es sich denn überhaupt, mehrere tausend Euro in die Restauration eines alten Klavieres zu stecken? „Wenn es ein Markenklavier ist, lohnt es sich allemal“, sagt der Experte. Er würde einem antiken, restaurierten Stück immer den Vorzug ➥ Calluna 33 unterwegs Fast fertig: Jetzt muss das aufwändig restaurierte Klavier nur noch gestimmt werden, dann ist es nach sechs Monaten in der Werkstatt von Frank Kostial wieder spielbereit. Foto: Gernot Korth ➥ vor einem neuen Instrument geben. Zwar gebe es auch heute noch qualitativ sehr hochwertige Klaviere, doch die könne sich kaum jemand privat leisten. Das Gros der Klaviere, das heutzutage angeboten werde, sei von den Materialien und der Verarbeitungsqualität deutlich schlechter als früher. Selbst in vielen Klavieren traditionsreicher deutscher Hersteller sei die Mechanik inzwischen made in Korea. Geradezu angewidert ist Frank Kostial, wenn er berichtet, dass aus Kostengründen zum Teil sogar schon Holzfaserplatten verbaut würden. „Und statt mit Verschraubungen wird lieber mit Verklebungen gearbeitet.“ Wenn dann mal etwas kaputtgehe, könne man das dann nicht mehr reparieren – nur noch herausreißen und ersetzen. Für ein altes Klavier spreche zudem die Wertsteigerung, die durch die Restauration erzielt werden könne. Frank Kostial erklärt das an einem Beispiel: Eltern kaufen für ihre Tochter oder ihren Sohn ein neues Klavier. Nach ein bis zwei Jahren verliert das Kind die Lust am Klavierspielen und das Klavier wird wieder verkauft – natürlich weit unter dem Neupreis. Beim Verkauf eines alten, restaurierten oder genralüberholten Klaviers könne hingegen meist sogar ein Gewinn erzielt werden, denn zum reinen Nutzwert des Instruments käme noch der antiquarische Wert hinzu. „Ich hatte einen Kunden, der hat bei ebay ein altes Markenklavier für 300 Euro ersteigert. Die Restaurierung hat zwar 6000 Euro gekostet, aber wenn er es jetzt wieder verkaufen würde, könnte er dafür locker 15 000 Euro erzielen.“ Sein hoher Qualitätsanspruch war ein Grund, warum sich Frank Kostial als Klavierbauer selbstständig gemacht hat. Sicher, sagt er, wäre es manchmal einfacher, in einer Firma angestellt zu sein und jeden Monat sein festes Gehalt zu bekommen. Aber dann müsste er sich in vielerlei Hinsicht den Vorgaben seines Arbeitgebers beugen und bekäme nach dem Prinzip der Arbeitsteilung eine bestimmte Tätigkeit zugewiesen. „Manche festangestellten Kollegen haben schon viel verlernt, weil sie jahrein jahraus immer nur die gleichen Handgriffe ausführen“, bedauert der 50-Jährige. So hatte er sich seinen Beruf nicht vorgestellt – der zweite Grund für den Schritt in die Selbstständigkeit. Aber es gab noch einen dritten Grund, und der ist eigentlich schon eine eigene Geschichte wert. Frank Kostial ist mit Klavieren aufgewachsen, war schon als Kleinkind bei seinem Vater in der Werkstatt und lernte von ihm – so wie heute seine fast vierjährige Tochter Shakira-Michelle von ihm. In den frühen 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts gründete Frank Kostials Großvater, der Klavierbaumeister Wenzel Kostial, in Leipzig eine Klavierbaufirma. Nach der Zerstörung der Firma im 2. Weltkrieg wanderte der Firmengründer nach Südamerika aus. Da er acht Sprachen fließend sprach, hatten ihn die Nationalsozialisten häufig als Dolmetscher eingesetzt. Wenzel Kostial befürchtete, deswegen Probleme mit der sowjetischen Besatzungsmacht zu bekommen, und besorgte sich ein Visum. Am schnellsten war das von Kolumbien zu bekommen. So packte Gestatten: t … bau Ihr H aus ! H O L Z H A U S Zum Eichengrund 3, 29369 Ummern Tel. 0 50 83 / 18 67, www.holzhaus-lange.de 34 Calluna Lange-Holzhaus… An- und Ausbau… Terrassen, Carports, Zäune kulturgeschichten Arthur Rubinstein (vorne rechts) 1958 auf Konzertreise in Kolumbien. Immer dabei: Wenzel (rechts, mit weißem Hut) und Oskar Kostial (links, mit Reisetasche). er seine Koffer, stieg ins Flugzeug und begann alsbald in Bogota von neuem, einen Klavierbaubetrieb aufzubauen. Innerhalb weniger Jahre hatte sich der gute Ruf der Firma in ganz Südamerika ausgebreitet, und Wenzel Kostial begleitete sogar Arthur Rubinstein auf dessen Konzertreisen durch den gesamten Kontinent. Es mag kurios klingen, dass der aus einer jüdischen Familie in Polen stammende Klaviervirtuose ausgerechnet einen Deutschen als Klaviertechniker auswählte, der wegen seiner Tätigkeit für das NS-Regime seine Heimat verlassen hatte. Doch Rubinstein erkannte, dass Kostial kein überzeugter Nationalsozialist, sondern eher ein Mitläufer war. Und einen besseren Klavierstimmer hätte er in Südamerika wohl ohnehin nicht gefunden. Ein Foto, das Ende der 1950er Jahre entstand und Rubinstein zusammen mit Wenzel Kostial und dessen Sohn Oskar auf einer Konzertreise durch Kolumbien zeigt, hängt heute im Haus von Frank Kostial in Repke und spornt ihn immer wieder dazu an, es seinem Großvater gleichzutun und bei der Qualität keine Kompromisse einzugehen. Nachdem sich Wenzel 1969 zur Ruhe gesetzt hatte, führte Oskar Kostial den Betrieb weiter. 1982 übernahm dann Frank Kostial, nach fünf Jahren in Deutschland gerade wieder nach Kolumbien zurückgekehrt, in dritter Generation die gut etablierte Firma. In der alten Heimat seines Großvaters hatte er reichlich Berufserfahrung gesammelt, arbeitete unter anderem bei Schimmel und Gotrian Steinweg in Braunschweig als Klavierbauer und bei Steinway & Sons in Hamburg als Flügelregulierer. Nach einer gescheiterten Ehe und nicht zuletzt aufgrund der damaligen unsicheren politischen Lage in Kolumbien entschloss sich Frank Kostial 1991, den Betrieb in Bogota aufzugeben und nach Deutschland überzusiedeln. Um seine Kenntnisse im Umgang mit dem Werkstoff Holz weiter zu vertiefen, absolvierte er in Hannover zunächst einmal eine Tischlerausbildung, eignete sich dabei auch die für Einlegearbeiten (Intarsien) erforderliche Kunstfertigkeit an. Durch einen befreundeten Pianisten, der damals in Langwedel wohnte, kam Frank Kostial in die Südheide, eröffnete auf dem Hof des Freundes 1994 einen Betrieb für Restaurationen von historischen und Markenklavieren. Nach Heirat, Umstrukturierung und Umzug wurde schließlich die Firma Kostial Piano 2003 in Repke neu eröffnet. Seitdem ist Frank Kostial, der Deutsch immer noch mit starkem spanischen Akzent spricht, nicht nur Spezialist für die Restaurierung und Wartung von Klavieren, sondern auch für Restaurationen von antiquarischen Möbeln und Intarsienarbeiten. Seine Frau Monica, die wie er in Kolumbien geboren ist und als Diplom-Außenhandelskauffrau die Geschäfte der kleinen Familienfirma führt, hat ebenfalls ihr Interesse an Intarsienarbeiten entdeckt und es in dieser alten Kunsthandwerkstechnik schon zu einiger Perfektion gebracht. Gemeinsam bietet das Ehepaar Kostial seit 2005 auch Interasienkurse für Anfänger und Fortgeschrittene an. Werbung machen die Kostials für ihren Betrieb so gut wie gar nicht. Sie leben von der Mundpropaganda. Zufriedene Kunden sind bekanntlich die beste Empfehlung. Die meisten von Ihnen befinden sich im Dreieck der Städte Braunschweig, Celle und Uelzen, aber auch nach Berlin oder Basel wird Frank Kostial schon einmal gerufen, um ein altes Klavier wieder in einen spielbaren Zustand zu versetzen. An dieser Stelle könnten wie die Geschichte von dem deutschstämmigen Klavierbauer aus Kolumbien, der in einem alten Bahnhof in einem kleinen Dorf in der Südheide seinen Traum von einer ganzheitlichen, zufriedenstellenden Arbeit zu verwirklichen, eigentlich beenden, doch wir haben noch nicht erwähnt, dass Frank Kostial in diesem Jahr eine zweite Werkstatt eröffnen will – daheim in Bogota. „Die politischen Verhältnisse in Kolumbien haben sich in den vergangenen Jahren sehr zum Positiven entwickelt und mit dem Flugzeug ist man doch heute in zwölf Stunden da.“ Na, vielleicht ist das ja eine Perspektive für die vierte Klavierbauer-Generation mit Namen Kostial. Sharika-Michelle spricht jedenfalls schon wie ihre Eltern fließend Spanisch... Monica Kostial ist nicht nur Geschäftsführerin des kleinen Familienbetriebs, sondern hat auch handwerkliches Talent. Fasziniert von den kunstvollen Einlegearbeiten ihres Mannes Frank, begann sie selbst Intarsien zu fertigen. Inzwischen hat sie es in dieser Technik zu beachtlicher Perfektion gebracht. Foto: Gernot Korth Calluna 35