Paris 2015/16 (Psychologie)
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Paris 2015/16 (Psychologie)
ERASMUS IN PARIS UNIVERSITÉ PARIS OUEST NANTERRE LA DÉFENSE WS 2015/2016 1. DIE VORBEREITUNGEN Nachdem ich an meiner deutschen Universität die Zusage für Paris erhalten hatte (Bewerbungsvoraussetzungen Psychologie: http://www.i4.psychologie.uni-wuerzburg.de/erasmus/), musste ich mich zusätzlich per Post an der Université Paris Ouest Nanterre bewerben. Zu meiner Zeit sollten z. B. ein Scan der Europäischen Gesundheitskarte, ein Französisch-B1-Nachweis sowie der obligatorische Antrag auf ein Zimmer im Wohnheim eingereicht werden. Auf der Seite des Bureau des Relations Internationales findet man die genaue Liste (http://international.u-paris10.fr/serviceinternational/etudiants-entrants-incoming/europe/). Als B1-Nachweis genügte ein übersetztes Zertifikat des Würzburger Sprachenzentrums, wo ich im Vorfeld einen Kurs belegt hatte. Die französische Zusage kam erst Ende Juli mit zusätzlichen Informationen zum weiteren Ablauf. Auf der Seite der Universität kann man den Kalender mit Vorlesungs- und Prüfungszeiten einsehen. Mein Semester ging von Anfang September bis Mitte Januar. Sowohl am Anfang als auch am Ende des Auslandsaufenthalts muss ein Online-Sprachtest der EU absolviert werden, der die Französischkenntnisse einstuft, aber nicht die Erasmus-Förderung beeinflusst. Außerdem rate ich, bei Fragen das Würzburger International Office bzw. den jeweiligen Fachkoordinator zu kontaktieren, da meine Emails ans französische International Office fast nie beantwortet wurden. Bei dringenden Fragen solltet ihr im französischen Büro anrufen, damit habe ich ganz gute Erfahrungen gemacht. Zeitgleich zur Bewerbung an der französischen Universität bearbeitete ich meinen Antrag auf Auslandsförderung (BAföG). Hier empfehle ich, so früh wie möglich damit zu beginnen, weil viele Dokumente verlangt werden. Weiterhin ist es wichtig zu wissen, dass der Antrag erst vervollständigt werden kann, wenn die Original-Immatrikulationsbescheinigung mit Angabe der Fachrichtung eingereicht wird. Ich erhielt diese erst vor Ort und musste daher die Kosten für den ersten Monat vorstrecken. Des Weiteren nahm ich vor meiner Abreise am B2-Intensivsprachkurs des Würzburger Sprachenzentrums teil, was mir den Einstieg deutlich erleichterte! Erstens machte er wirklich Spaß und Lust auf Frankreich, zweitens wurde ich durch den täglichen Kurs sprachlich gut auf den französischen Alltag vorbereitet. 2. ANREISE UND UNTERKUNFT Kurz nach meiner Zusage aus Frankreich buchte ich das Zugticket von Würzburg nach Paris. Wer früh genug dran ist, kann schon ab ca. 50€ ein Ticket ergattern. Dadurch, dass man nur einmal in Frankfurt umsteigen muss, fand ich die Zugreise sehr unkompliziert und komfortabel. In der Regel kommen alle Züge aus dem Süden Deutschlands am Gare de l’Est an. Am besten man holt sich für den Anfang eine Carte Navigo am Schalter, hierfür benötigt ihr ein Passbild und 5€. Mit Kreditkarte oder in Bar kann man diese anschließend am Automaten für eine Woche (ca. 22 €) oder den gesamten Monat (ca. 70€) aufladen. Leider beginnt der Zeitraum nicht am Tag der Aufladung, sondern immer nur fest von Montag bis Sonntag bzw. vom ersten bis zum letzten Tag des Monats. Im Gegensatz zu den Einzeltickets gilt die Carte Navigo für alle Pariser Tarifzonen. Als sehr stressig empfand ich die Suche nach einer Unterkunft. Gleich vorweg: die Chance auf ein günstiges Wohnheimzimmer (ca. 350€) der Universität hat man nur, wenn man das Winter- UND Sommersemester bleibt, und selbst dann ist es nicht garantiert. Auch waren viele meiner Freunde mit den Zimmern unzufrieden, weil sie sehr klein, schlecht ausgestattet und auf dem Campus, daher außerhalb von Paris, liegen. Ich selbst brauchte fast zwei Monate bis ich endlich ein Zimmer fand. Für Bewerbungen für andere Wohnheime (z. B. Maison Heinrich Heine, kirchliche Wohnheime, Wohnheime für Frauen) war ich durch die Zusage im Juli zu spät dran, private Wohnheime waren mir zu kostspielig (min. 750€), also suchte ich nach einem WG-Zimmer. Allgemein fangen WG-Zimmer bei 500€ an, es gibt jedoch sehr viele dubiose Angebote und man sollte nichts blind bezahlen! Fündig wurde ich schließlich auf www.appartager.fr. Ich hatte sehr viel Glück und kam nach einem Skype-Gespräch in eine WG mit zwei französischen Muttersprachlern. Durch das Skype-Gespräch konnte ich mich vergewissern, dass es das Zimmer wirklich gibt. Auch ließ ich mir die Option offen, erst bei meiner Ankunft Kaution und Miete zu zahlen. Ich empfehle, die Angebote genau zu prüfen, weil leider wirklich viele Betrüger im Internet unterwegs sind. Teilweise werden sogar nur Schlafplätze, keine Zimmer, vermietet. Trotzdem sollte man sich von der Wohnungslage nicht abschrecken lassen, nach spätestens einem Monat in Paris haben alle meine Freunde ein bezahlbares Zimmer gefunden! Die Wohnungssuche in Paris ist zwar stressig, aber machbar :) 3. INFORMATIONEN ZUM ALLTAG IN PARIS Zunächst eins: ohne Bankkonto in Frankreich kommt man nicht weit. Meiner Meinung nach ist die Eröffnung eines Bankkontos eines der ersten Dinge, die man nach seiner Ankunft erledigen sollte, weil viele Verträge nur so abgeschlossen werden können. Ich eröffnete damals recht unkompliziert mein Konto bei der Bank LCL. Allerdings muss durch eine Bescheinigung nachgewiesen werden, dass man einen festen Wohnsitz in Frankreich hat. Keine Wohnung, kein Bankkonto! Mit dem Bankkonto können dann z. B. Handyvertrag (je nach Anbieter 10-20 €/Monat) und Carte Imagine R beantragt werden. Letztere ist wirklich sehr empfehlenswert, wenn man dauerhaft in Paris das Metro- und S-Bahn-System nutzen möchte. Man spart im Vergleich zur monatlichen Carte Navigo etwa 35€ und kann diese dann einfach am Ende des Semesters schriftlich kündigen, indem man seine Ausreise bzw. das Verlassen der Universität bescheinigt. Außerdem fand ich die App und Webseite der Pariser Verkehrsbetriebe (www.ratp.fr) immer recht nützlich, um meine Wege zu planen. Durch die Größe der Stadt ist man in der Regel mindestens eine halbe Stunde unterwegs, bis man irgendwo ankommt. An die Distanzen gewöhnt man sich jedoch recht schnell. Nervig hingegen waren die fast täglichen Verspätungen oder Ausfälle, die man daher immer einplanen sollte. Ebenso sollte man bedenken, dass RER und Metro nur bis maximal 1/1:30 Uhr nachts fahren, danach ist man auf längere Nachtbustouren oder Taxi angewiesen. Ein weiterer Tipp ist, jegliche Post per Einschreiben zu verschicken. Leider ist es mir mehrere Male passiert, dass Post von oder zu mir nicht angekommen ist. Des Weiteren sind die Lebenshaltungskosten in Paris sehr hoch, vor allem Gemüse, Obst und Fleisch sind im Vergleich zu Deutschland wesentlich teurer. Günstigere Supermärkte sind Casino, Lidl und Aldi, in manchen Vierteln gibt es auch günstige kleine Obst-/Gemüseläden. Zwar sind die Alkoholpreise und Eintritte für Clubs häufig mindestens doppelt so teuer wie in Deutschland, dafür gibt es in allen Pariser Kinos einen extra Studententarif, sodass die Kinoeintritte wesentlich günstiger sind als in der Heimat. Außerdem sind fast alle Museen für EU-Bürger unter 26 gratis. 4. STUDIUM UND UNIVERSITÄT Das Studium der Psychologie in Frankreich ist psychoanalytisch orientiert und meiner Meinung nach viel philosophischer. Der Schwerpunkt liegt nicht auf der methodisch-naturwissenschaftlichen, sondern auf der geisteswissenschaftlichen Psychologie. Ich belegte nur Kurse aus dem Master der Arbeits- und Sozialpsychologie. Erschreckend war, dass in den Kursen oft zum ersten Mal grundlegende Modelle und Studien besprochen wurden, die in Würzburg schon im ersten oder zweiten Bachelor(!)Semester besprochen werden. Nichtsdestotrotz kann man vom erneuten Hören des Stoffes ja auch profitieren. Die Klausuren werden zum Semesterende geschrieben, nahezu alle auf Französisch und im offenen Format. Von meinen belegten Kursen kann ich „Modèles de la psychologie sociale appliquée à la santé“, „Persuasion et changement d’attitude“ und „Contact de cultures et compétences interculturelles“ empfehlen, abraten würde ich von „Jugement sociale“ und „Psychologie de l’orientation tout au long de la vie“. Der Kurs „Contact de cultures et compétences interculturelles“ war der einzig interaktiv und vielseitig gestaltete Kurs mit beispielsweise Rollenspielen, wöchentlichen Reflexionen und langen Diskussionsrunden. Die Kurse „Jugement sociale“ und „Psychologie de l’orientation tout au long de la vie“ hingegen waren sehr trocken und baten mir wenig neue Inhalte. Das Vorlesungsverzeichnis der Psychologie (Livret pédagogique) findet man hier: http://dep-psycho.u-paris10.fr/ Zusätzlich nahm ich am Sprachkurs teil, der sich aus drei unterschiedlichen Kursen (Français écrit 3, Français oral 3, Civilisation française 3) zusammensetzte. Zwar war der Kurs Civilisation française mit einer kleinen Hausarbeit, einer Klausur und einem Referat recht aufwändig, dafür lernte ich viel Neues über Frankreich und seine Gesellschaft. Ein großer Vorteil der Universität Nanterre ist der große grüne Campus, auf dem man entspannt Freunde nach und zwischen den Kursen treffen kann. Außerdem gibt es viele studentische Hochschulgruppen, die Soirées, Vorträge, Theaterstücke, Weinverkostungen etc. anbieten. Ebenso begeisterte mich das Sportprogramm. Für einen Jahresbeitrag von 30€ kann man sich einen Sportausweis ausstellen lassen und an fast allen Kursen teilnehmen. So konnte ich mehrere Sportarten ausprobieren, bis ich schließlich am Tennis und Danse latine hängen blieb. Das International Office war vor Ort meistens sehr hilfreich. Meiner Erfahrung nach war nichts so effektiv und hilfreich wie direkt dort vorbeizuschauen. Mit freundlicher Beharrlichkeit wurden mir sogar zusätzliche Bescheinigungen angefertigt, die ich für das Auslands-BAföG benötigte. Daher rate ich dazu, sich bei einer schlechten Erfahrung nicht unterkriegen zu lassen und es stattdessen an einem anderen Tag erneut zu probieren. 5. LAND UND LEUTE Ich habe Paris und Frankreich sehr genossen. Neben Paris besuchte ich noch Lille und die Normandie, beide Orte sind nicht weit entfernt. Meiner Meinung nach ist Paris mit dem restlichen Frankreich kaum vergleichbar. Paris ist hektisch, nicht immer sauber, nicht immer freundlich und manchmal gefährlich - eine typische Weltmetropole. Trotzdem hat mich die Stadt mit ihrem Zauber irgendwann eingefangen. Nicht mit ihrem Charme, dafür verhalten sich nämlich zu viele Pariser zu unterkühlt bis unfreundlich. Aber mit dem Zauber, dass Paris immer etwas zu bieten hat und unglaublich vielfältig ist. Mag man das klassisch Schöne, kann man an der Seine, in den Tuilerien oder am Eiffelturm spazieren gehen. Typisch französische Gassen finden sich im hügeligen Montmartre. Das moderne Paris lässt sich im Parc de la Villette und bei La Défense entdecken. Das hippe Paris zeigt sich rund um den Canal St. Martin und im Marais. Und wenn man mal dem Großstadttrubel entfliehen möchte, kann man mit dem Bus in kleinere Städte oder ans Meer flüchten. Diese vielen Möglichkeiten fand ich großartig! Die Leute empfand ich ebenfalls als sehr unterschiedlich. Im Alltag nahm ich die meisten Pariser als eher unfreundlich wahr. Im Gegensatz dazu waren meine Kommilitonen in der Universität immer freundlich und hilfsbereit. Trotzdem war es schwer, mit den französischen Kommilitonen über den Small- oder Uni-Talk hinauszukommen. Anders war es mit den Mitgliedern der Hochschulgruppe „Nanterasmus“, welche regelmäßig Veranstaltungen für ausländische Studierende organisierten. Hier waren alle Mitglieder sehr offen, brachten teilweise schon eigene Erasmus-Erfahrungen mit und hatten auch Lust, in der Freizeit gemeinsam Zeit zu verbringen. Schließlich hat mir vor allem meine herzliche französische WG dabei geholfen, mich in Frankreich integriert zu fühlen. 6. FAZIT Ich habe durch das Auslandssemester unheimlich viel gewonnen: wesentlich bessere Sprachkenntnisse, Freunde aus verschiedenen Ländern, Wissen über andersfunktionierende Lehre, Großstadtorientierung sowie innere Stärke und Gelassenheit. Natürlich muss man sich darauf einlassen können und sich einigen Herausforderungen stellen. Es lohnt sich aber! Gerade Paris bietet einem so unglaublich viel, dass man davon fast nur profitieren kann. Mit sparen, Stipendien oder Auslands-BAföG ist Paris auch finanziell machbar. Einzig die methodisch-naturwissenschaftliche Lehre, die ich aus Würzburg gewohnt bin, fehlte mir. Ansonsten habe ich das Semester sehr genossen und möchte meine Erfahrungen nicht mehr missen. Man sollte zwar schon ein bestimmtes Maß an Französisch und Offenheit mitbringen, aber dann steht einer tollen Zeit nichts mehr im Wege! :)