Busse in eisiger Höhe

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Busse in eisiger Höhe
TEXT Beat Winterflood
FOTOS Engineering Communication, Bibliothek Davos, Evobus
TECHNIK
Wintereinsatz in Davos
Busse in eisiger Höhe
Schon die Pioniere des öffentlichen Verkehrs in Davos haben auf sichere
und wirtschaftliche Bus-Konzepte geachtet. Beat Winterflood ist für
OMNIBUSREVUE auf 1.560 m.ü.M. gereist und hat die VBD besucht.
ie Davoser Kurgeschichte begann
im Jahre 1853, als Landschaftsarzt Dr. Alexander Spengler die
gesunde Wirkung des Klimas des auf
1.560 m.ü.M. gelegenen Orts erkannte. Bereits 1865 kamen die ersten Wintergäste
und 1877 wurde die erste Natureisbahn
eröffnet. Als 1878 das Rösslitram Platz-Dorf
in Betrieb ging, standen bereits viele Hotels,
Pensionen, Sanatorien und Villen: Davos
wurde zur höchstgelegenen Stadt der Alpen. 1931/32 kam die Parsennbahn zum
2.662 Meter hohen Weissfluhjoch zum Einsatz und 1934 sorgte der weltweit erste Skilift am Bolgen für Aufsehen. Bekannt wurde die Alpenstadt mit ihren Kongresseinrichtungen auch durch das im Januar stattfindende World Economic Forum WEF.
D
Heute zählt Davos rund 13.000 Einwohner
und während der Wintersaison beherbergt
der Ort rund 50.000 Menschen.
Praktisch gleichzeitig mit dem Einzug des
Autobusses in den europäischen Großstäd-
zeugt. Die VBD befördert pro Jahr rund 5.9
Millionen Passagiere.
Es ist ein kalter Januartag: Das Schweizerische Institut für Schnee- und Lawinenforten wurde in Davos am 1. Juli 1928 der schung SLF in Davos meldet eine SchneeBusbetrieb mit zwei Kurswagen und Be- tiefe von 53 cm bei nächtlichen Temperatriebszeiten zwischen 7.45 Uhr und 22.30 turen von -15° C. Auf der Promenade der
Uhr eröffnet. Erste Gelenkbusse setzte man auf 1.560 m.ü.M. gelegenen Stadt liegt festbereits 1993 ein. Der aktuelle Fahrzeugpark gefahrener Schnee, der an den Bushalteder VBD ist mit zwölf Mercedes-Benz O 405 stellen mit örtlichen Eisglätten durchsetzt
N / O 405 GN / O 530 / O 530 G, das heißt ist. Der Leiter der VBD, Fred d’Alberti, ist
vier Gelenk- und acht Standardbussen, beruhigt, denn sein Betrieb läuft auch bei
durchgehend niederflurig. Der Verkehrsbe- diesen Extrembedingungen störungsfrei.
„Seit über zehn Jahren setzen wir
auf den Hauptachsen Gelenkbusse
DER BUSBETRIEB IN DAVOS BEGANN
ein“, so der Bus-Profi in der hochAM 1. JULI 1928 MIT ZWEI KURSWAGEN alpinen Stadt. „Mit der Umstellung
auf die niederflurigen SchubgeFÜR DIE EINWOHNER UND URLAUBER
lenkbusse von Mercedes-Benz und
der Optimierung der Bereifung hatrieb der Landschaft Davos VBD ist ISO- ben wir den Kundendienst perfektioniert.“
9001- und ISO-14001-zertifiziert. Entspre- Eingesetzt werden die vier Gelenkbusse auf
chend sind die Fahrzeuge mit CRT-Parti- den Linien 1 Wolfgang/Laret–Bahnhof–
kelfiltern ausgerüstet. Die Wärme für das Dorf–Alberti und 7 Bahnhof–Dorf–Frauen1997 erstellte Depot-/Werkstatt-/Verwal- kirch/Glaris. Auf diesen Linien, die alle
tungsgebäude sowie für das Warmwasser wichtigen Wintersportanlagen und Pisten
der Wagenwaschanlage wird mit einer um- in Davos verbinden, wird im 15- bezieweltfreundlichen Holzschnitzelfeuerung er- hungsweise 20-Minuten-Takt gefahren. ❭
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Wintereinsatz in Davos
Linie 7 auf der Promenade von Davos (l.), Betriebsleiter Fred d`Alberti und sein Werkstattleiter sprechen über die Bereifung (M.), Einstieg am Stopp „Parsennbahn“ (r.),
„Der Mix aus Ski- und Snowboardfahrern,
Kurgästen und Passagieren, die zum Einkaufen in die Stadt kommen, sowie aus
Schülertransporten ergibt bis weit in den
Abend hinein ein praktisch konstantes
Fahrgastaufkommen“, so Fahrdienstleiter
Heinz Ronner im Gespräch mit uns. „Weil
die Kurse auf diesen beiden Linien oft bis
an die Kapazitätsgrenze belegt sind, ist der
Gelenkbus für uns die wirtschaftlichste
Lösung.“ Einer der wichtigsten Umsteigepunkte ist die vor dem Hotel Seehof gelegene Haltestelle „Parsennbahn“ in Davos
Dorf. Die legendäre Standseilbahn zum
Weissfluhjoch hat ein Fassungsvermögen
von 200 Personen und eine Taktzeit von
sechs Minuten; die Kapazität der Gelenkbusse von 169 Personen passt somit optimal zu dieser Hochleistungsbahn. Zum
Verbund der Davos Klosters Mountains
gehören auch die Wintersportanlagen am
Rinerhorn, welche ab Parsennbahn in 20
Minuten Fahrzeit bequem erreicht werden.
Knappe finanzielle Mittel nehmen die Verkehrsbetriebe in die Kostenzange; daher
versuchen sie alle Rationalisierungsreserven
auszuschöpfen. „Wir als gemeindeeigenes
Unternehmen sind ein KMU im öffentlichen
Verkehr“, so Fred d’Alberti, Leiter der VBD.
„Während größere Unternehmen oft eine
Zwei-Marken-Strategie pflegen, ist es bei
unserer Betriebsgröße aus Gründen der
Ausbildung, Logistik und des Unterhalts
sinnvoll, alle Fahrzeuge vom gleichen Hersteller zu kaufen.“ Die Marke MercedesBenz wurde 1993 gewählt, weil der Hersteller bereits damals ein Niederflurfahrzeug ab Werk anbieten konnte. Aufgrund
der positiven Erfahrungen mit den O 405 N
war die Weiterführung der Partnerschaft
mit Evobus bei der Einführung des O 530
Citaro im Jahre 1998 eine eindeutige Entscheidung. Seither sind acht Fahrzeuge beschafft worden. „Das nur 16,6 Tonnen
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schwere Fahrzeug verbraucht trotz mehr
Kapazität, höherem Komfort und CRT-Filter nicht mehr Diesel als das Vorgängermodell O 405. Mit eigenen Augen konnten wir
uns von der Qualität des 1993 beschafften
O 405 N mit der Betriebsnummer 7 überzeugen: Nach 13 harten Einsatzjahren mit
Salzeinwirkungen, eisigen Holperpisten und
mechanischen Strapazen durch die Wintersportler steht der Wagen heute praktisch
korrosionsfrei und ohne größere Abnutzungserscheinungen da. Trotzdem wird das
Fahrzeug im April gegen ein Neufahrzeug
getauscht. „Unser Beschaffungs-Konzept
sieht vor, aufgrund der gewünschten Kontinuität jährlich ein Fahrzeug zu beschaffen“, ergänzt der Unternehmensleiter mit
Überzeugung. „Dank des guten Zustands
und der großen Nachfrage nach O 405 N auf
dem Gebrauchtbusmarkt zahlt uns EvoBus
einen attraktiven Preis beim Eintausch.“
Zwischen Mitte November und Mitte April,
das heißt während rund fünf Monaten,
KATHODISCHE TAUCHLACKIERUNG
Korrosionsschutz im
Produktionswerk
KTL – die kathodische Tauchlackierung – eine
Rostschutzgarantie, die auch auch schwer zugängliche
Zonen und Holräume vor Korrosion schützt.
Bei der kathodischen Tauchlackierung KTL bildet sich aufgrund eines elektrochemischen
Prozesses eine Lackbeschichtung am eingetauchten Objekt, sodass dieses auf die gegensätzlich aufgeladenen Farbpigmente wie ein Magnet wirkt.
In zwölf Minuten verteilen sich die Pigmente im sechs Meter tiefen Tauchbad mit Hilfe des elektrischen Stromes auf der Oberfläche. Die Lackteilchen dringen in die winzigsten Ritzen, Winkel
und Hohlräume ein. Eine wasserunlösliche, dünne Lackschicht bleibt am Beschichtungsobjekt
haften. Ab einer definierten Dicke der Lackschicht hat diese eine isolierende Wirkung. Das bedeutet, es können sich keine weiteren Lackteilchen mehr anlagern. Sie strömen statt dessen in
schwerer zugängliche und noch nicht ausreichend dick beschichtete Zonen und Hohlräume –
auf diese Weise werden dann auch die besonders korrosionsgefährdeten Bereiche gleichmäßig
dick beschichtet. Durch den entstandenen gleichmäßigen Lackfilm wird auch jede schwer zugängliche Stelle, die bei den bisherigen Verfahren mit der Spritzpistole gar nicht oder nur unzureichend erreicht wurde, vollständig mit der Grundierung überzogen und vor Korrosion geschützt.
Der Prozess der kathodischen Tauchlackierung ist allerdings noch nicht beendet: Nach dem
Auftauchen aus dem Lackbad wird das Beschichtungsobjekt intensiv gespült und noch
anhaftende, wasserlösliche und damit überschüssige Lackteilchen entfernt. Nach dem AbspülProzess trocknet der Lackfilm bei 165°C bis 180°C und brennt dabei ein. Erst so „vernetzt“
sich die Pigmentschicht zu einer festen Farbschicht. Heute werden alle Fahrzeuge im europäischen Evobus-Produktionsverbund in der Mannheimer KTL-Anlage grundiert.
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die schon in den 60er Jahren beliebt war (l.), die tägliche Reinigung (M.), Hans Peter Kindschi arbeitet im Winter bei der VBD, im Sommer lenkt er einen Kipper (r.)
herrscht in der auf über 1.500 Meter gelegenen Stadt Winterklima.
Als Kur- und Ferienort werden die Straßen innerorts nur geräumt;
einzig auf der Kantonsstraße Richtung Wolfgang und Glaris wird
bei Eisglättegefahr gesalzen. Die Kurse der auf den Linien 1 und 7
eingesetzten Gelenkbusse fahren demzufolge oft über Abschnitte
von trockenem oder nassem Asphalt sowie festgefahrenen Pulverschnee. Dazu kommen kritische Stellen mit Eisrillen an den
Haltestellen. Beim Gelenkbus-Einsatz auf dem schwierigen Einsatzprofil kommen verschiedene Aspekte zum Tragen. „Wir sind
der Meinung, bei der Geometrie des Fahrzeugs – das heißt bei den
Radständen und Überhängen – und bei der Gewichtsverteilung ein
Optimum gefunden zu haben“, so die Erklärungen von Dipl. Ing.
Walter Germann, Vizedirektor der Evobus (Schweiz) AG.
halb nicht nur mit eine Hochleistungs-Konvektorenheizung und
eine Doppelverglasung ausgestattet; dem schnellen Fahrgastfluss
dienen vier Türen und die optimale Ausbildung des Fahrzeughecks
mit dem liegenden Motor.
Um über die ganze Fahrzeug-Lebensdauer einen einladenden und
pflegeleichten Fahrgastraum zu haben, sind die Einstiege ab Werk
mit griffigen Aluminium-Blechen eingefasst. Der robuste, gespritzte
Dekor-Fußboden mit seinen nahtlosen Übergängen zu Radkästen
und Podesten ist als wasserdichte Wannenkonstruktion aus abriebfestem 2K-Polyurethan gefertigt. Täglich werden die Fahrzeuge am
Abend von den Fahrern außen wie innen mit Wasser gewaschen. ■
Der Bus-Profi, der früher bei Saurer und NAW arbeitete, kennt sich aus:
„Zur optimalen Geometrie des Citaro kommen drei weitere Aspekte
dazu: Knickwinkelschutzanlage, Fahrstabilität durch die Bereifung
und Fahrerschulung.“ Die Knickwinkelschutzanlage verhindert,
dass der Vorderwagen des geschobenen Gelenkbusses seitlich ausbricht. Die Lenk- und Knickwinkel werden mit einer von mehreren
Parametern abhängigen Kennlinie (Ackermannkennlinie) verglichen
und bei Abweichungen wird das
DIE KNICKSCHUTZANLAGE
Gelenk „versteift“.
Mittels umfangreiVERHINDERT DAS AUSBRECHEN
chen Evaluationen
DER ZWEITEN ACHSE
über mehrere Jahre
fand man bei den
VBD die optimale Bereifung für die Fahrzeuge. „Der Michelin XDW
Ice Grip bietet dank seiner speziellen Struktur und Gummimischung
eine hervorragende Haftung auf Eis und Schnee“, so die Erklärungen von Fahrdienstleiter Heinz Ronner. „Auffallend ist auch die gute
Selbstreinigung des Profils im Schnee. Weil dieser Reifentyp auch
im Sommer ruhig läuft und sich gleichmäßig abfährt, verwenden
wir ihn ganzjährig.“ Ronners Worte überzeugen, fährt er doch auch
selbst im Liniendienst. In der Fahrerausbildung der VBD wird ein
externer Fahrlehrer hinzugezogen. Dabei wird unter anderem gelernt, dass ein Gelenkbus in kritischen Situationen erst beschleunigt
werden soll, wenn Vorder- und Hinterwagen eine Gerade bilden.
Mit der automatischen Knickschutzanlage wird dann ein Ausbrechen der zweiten Achse unmöglich.
Im Kur- und Ferienort, in dem im Januar auch das World Economic
Forum WEF stattfindet, legt man Wert auf eine erstklassige Kundenbetreuung und saubere Fahrzeuge. Die Omnibusse sind desOMNIBUSREVUE 3.2006
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