Wirksamkeit einer Stichtagsregelung im Sozialplan
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Wirksamkeit einer Stichtagsregelung im Sozialplan
Rechtsprechung Wirksamkeit einer Stichtagsregelung im Sozialplan § 7 Abs. 2 AGG 1. Eine Gruppenbildung, die diejenigen Mitarbeiter von einem Anspruch auf Sozialplanabfindung ausnimmt, die ihr Arbeitsverhältnis bereits vor dem Abschluss der Tarifsozialplanverhandlungen durch Eigenkündigung beendet haben, ist sachlich gerechtfertigt. 2. Die Betriebsparteien können durch eine Stichtagsregelung oder ein sonstiges Verfahren festlegen, ob eine Eigenkündigung durch die konkrete Betriebsänderung veranlasst wurde oder nicht. Die Ausgleichspflicht darf dabei an einen Zeitpunkt anknüpfen, zu dem die Art und Weise der Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer feststeht. 3. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise können die Betriebsparteien davon ausgehen, dass Mitarbeiter, die auf eigene Veranlassung ihr Arbeitsverhältnis beenden, bevor das Ausmaß und die Folgen der Betriebsänderung für sie konkret absehbar sind, ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Betriebsänderung beenden. (Leitsätze der Bearbeiter) BAG, Urteil vom 12. April 2011 – 1 AZR 505/09 Problempunkt Die Beklagte traf im Jahr 2006 die endgültige Entscheidung, die an einem ihrer Standorte ausgeübten Tätigkeiten auf andere Standorte zu verlagern. Ab Juli 2007 verhandelte sie mit dem Gesamtbetriebsrat über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Anfang September 2007 stellte die Einigungsstelle fest, dass die Verhandlungen über den Interessenausgleich gescheitert waren. Daraufhin teilte die Beklagte ihren Arbeitnehmern mit, den Standort Ende September 2007 schließen zu wollen. Sie einigte sich am 18.10.2007 mit den örtlichen Betriebsräten auf eine Betriebsvereinbarung, die das bestehende Zustimmungserfordernis der Arbeitnehmervertretung zum Ausspruch von Änderungskündigungen aufhob. Am selben Tag unterzeichneten die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di einen Tarifsozialplan, auf den sie sich am 15.10.2007 geeinigt hatten. Dessen Regelungen galten aufgrund einer ebenfalls am 18.10.2007 abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung für alle betroffenen Arbeitnehmer. Arbeit und Arbeitsrecht · 6/12 Der Sozialplan sah auch eine Abfindung für diejenigen vor, deren Arbeitsverhältnisse aufgrund einer Eigenkündigung im Zeitraum vom 15.10.2007 bis Ende September 2008 endeten. Der Kläger hatte sein Arbeitsverhältnis bereits am 26.9.2007 gekündigt. Er verlangte von der Beklagten eine Abfindung entsprechend dem Tarifsozialplan. Die darin enthaltene Stichtagsregelung für Eigenkündigungen sei wegen Verstoßes gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und einer AGG-widrigen Altersdiskriminierung unwirksam. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Entscheidung Das BAG wies die Revision des Klägers ebenfalls als unbegründet zurück. Er hat aus dem Tarifsozialplan keinen Anspruch auf Abfindung. Die Stichtagsregelung ist wirksam. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dient dazu, eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Die hier vorgenommene Gruppenbildung, die Mitarbeiter von einer Sozialplanabfindung ausnimmt, die bereits vor Abschluss der Tarifsozialplanverhandlungen ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, ist sachlich gerechtfertigt. Sie ist am Zweck des Sozialplans ausgerichtet, der keine Entschädigung für geleistete Dienste gewähren, sondern konkret absehbare oder eingetretene betriebsänderungsbedingte Nachteile ausgleichen soll. Die Betriebsparteien können durch eine Stichtagsregelung festlegen, ob eine Eigenkündigung durch die Betriebsänderung veranlasst wurde oder nicht. Dazu darf die Ausgleichspflicht an einen Zeitpunkt anknüpfen, zu dem die Art und Weise der Betriebsänderung für den betroffenen Arbeitnehmer feststeht. es nicht auf den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses an, der aufgrund der nach Beschäftigungszeiten gestaffelten Kündigungsfristen mittelbar an das Alter anknüpft. Entscheidend war vielmehr der Zeitpunkt, an dem die Mitarbeiter die Eigenkündigung aussprachen. Konsequenzen Das BAG hat in dieser Entscheidung erstmals den Tag, an dem die Parteien sich auf den Sozialplan einigten, als Stichtag akzeptiert. Dies deshalb, weil bis dahin weder Umfang noch Zeitpunkt, zu dem die betriebsändernden Maßnahmen umgesetzt werden, feststanden. Aufgrund des seinerzeit geltenden Zustimmungserfordernisses für Änderungskündigungen war die Beklagte gehindert, die geplante Standortverlagerung durchzuführen. Praxistipp Die Entscheidung des BAG bedeutet nicht, dass der Tag, an dem die Parteien einen Sozialplan abschließen, per se als wirksamer Stichtag akzeptiert wird. Maßgeblich ist weiterhin der Zeitpunkt, an dem die Betriebsänderung konkret feststeht. Dies wird auch in Zukunft – sofern keine Besonderheiten, wie im entschiedenen Fall vorliegen – regelmäßig der Abschluss oder das Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich sein. RA Nico Jänicke, RA und FA für Arbeitsrecht Benjamin Butz, Pusch Wahlig Legal, Berlin Unter diesem Gesichtspunkt ist der Stichtag vorliegend sachlich vertretbar. Auch nach dem Scheitern des Interessenausgleichs standen weder der Umfang der betriebsändernden Maßnahmen noch deren Zeitpunkt fest. Die Beklagte war bis zum Abschluss der Betriebsvereinbarung mit den örtlichen Betriebsräten am 18.10.2007 daran gehindert, die Standortverlagerung umzusetzen, da sie die dafür notwendigen Änderungskündigungen nur mit deren Zustimmung aussprechen konnte. Beenden Arbeitnehmer auf eigene Veranlassung ihr Arbeitsverhältnis, bevor das Ausmaß und die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung konkret absehbar sind, dürfen die Betriebsparteien davon ausgehen, dass die Kündigung nicht aufgrund der Betriebsänderung erfolgt. Die Stichtagsregelung war auch nicht gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Insbesondere benachteiligte sie den Kläger nicht mittelbar wegen seines Alters. Für den Abfindungsanspruch kam 373