Grotte im Betonmischer - Brunnenatelier Fluidum

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Grotte im Betonmischer - Brunnenatelier Fluidum
Berliner Zeitung, Donnerstag, 27. April 2000
Grotte im Betonmischer
Der Künstler Thomas Schön baut Springbrunnen aus Fundsachen, Steinen, Schrott und Moos
Von Andreas KOPIETZ
BERLINER ZEITUNG/ OTTENI CAROLINE
Thomas Schön erweckt Wasser
wieder zum Leben. Wasser, das
in Leitungen gepresst ist, ist tot.
Wasser, das sprudelt, lebt, sagt er.
Deshalb baut er Zimmerspringbrunnen, die leben. Gegenüber
vom Friedhof hat er an der Bergmannstraße einen ehemaligen
Grabstein-Laden gemietet Dort
stehen Gebilde aus Stein und
Stahl. Auf ihnen wachsen Bubikopf, Efeu und Bonsai-Bäumchen.
Schöns Materialien sind Fundstücke, liebevoll gearbeitete Einzelteile mit „einer gewissen Ausstrahlung ", wie er sag. Ein alter
Türgriff, ein verwittertes Brett
oder auch Korallen, Wurzeln,
Kristalle. Der Künstler Thomas
Schön verwandelt eine kupferne
Waschmaschinentrommel in eine
kleine Wasserhöhle, ein Betonmischer wird zur moosbewachsenen tropfenden Grotte, Wasser
umfließt einen Wandspiegel,
gerahmt von Wurzeln und Steinen.
Das Wasser, durch eine Pumpe
angetrieben, zirkuliert in ge-
Thomas Schöns Laden in der Bergmahnstraße: eine Dekoration
aus Krimskrams und skurrilen Springbrunnen.
schlossenem Kreislauf. In manchen Becken schwimmen Stichlinge - und sie überleben dort.
Das Wasser wird nicht schlecht.
Wasser bedeutet für Thomas
Schön vor allem Ursprung allen
Lebens. „Kein Kind kann an
plätscherndem Wasser vorbeigehen Wir trinken dasselbe
Wasser, das schon die Saurier
getrunken haben. Es lebt von
Bewegung, sprudelt, implodiert.
Aber wenn es in Leitungen
gepresst wird, stirbt es", sagt
Thomas Schön.
Die Leute kehren zurück
Schöns Laden ist auch sein Garten. Wilder Wein hat seine Wurzeln durch die Erdschicht gegraben, die den Fußboden bedeckt.
Überall tröpfelt und plätschert
es. Wirft man eine Münze durch
einen Schlitz im Schaufenster,
setzt sich ein Karussell in Bewegung: Ein Wasserstrahl
füllt
einen alten Stahlhelm, daneben
geht ein Eierkocher in Betrieb.
Mit dem. Geld bezahlt Schön die
nächste Stromrechnung. Zum
Überleben reicht es so. „Aber ein
paar potentielle Käufer kommen
wieder", stellt er fest. „Jene
Leute, die das hier interessiert,
haben genug von Prenzlauer Berg
und Mitte. Sie kehren in ihren
alten Kiez nach Kreuzberg zurück." Er will einmal gehört haben, er habe diesen „Teil der
Bergmannstraße wieder zum
Leben erweckt. „Und tatsäch lich
sitzen die Leute wieder draußen
an der Straße, quatschen oder
reparieren ihre Fahrräder", sagt
er.
Manchmal verkauft Schön einen -Brunnen. Seine Stücke sind
für 480 bis 5 800 Mark zu haben.
Einige stehen bei Heilpraktikern
oder in Meditationszentren. Zurzeit sind einige seiner Werke im
„Stilwerk" an der Kantstraße 17
in Charlottenburg zu besichtigen.
Auch das Sat1-Frühstücksfernsehen hat sich schon zwei Mal
Brunnen ausgeliehen. Das Geschäft wird bald noch besser laufen, glaubt er. Die Leute sehnten
sich nach Ruhe und Spiritualität.
„Fluidum" hat Schön seinen
»Wenn Wasser in
Leitungen gepresst
wird, stirbt es. Es muss
sprudeln, um zu
leben."
Thomas Schön, Künstler
Laden genannt, als er vor vier
Jahren dort einzog. „Fluidum
bedeutet auf Lateinisch eine
Sache mit großer Ausstrahlung.
Und in Europa, sage ich,
bedeutet es Zen." Thomas Schön
interessiert „alles, was mit Zen,
Spiritualität und Feng Shui zu
tun hat". Der Künstler, heute 45
Jahre alt, hat vor 15 Jahren in
München seinen ersten Brunnen
gebaut. Davor war er Fahrlehrer,
Heilpraktiker, Oberfeldwebel,
Kartenleger, Kunstschmied und
Busfahrer.
Seinen Laden will er demnächst in eine Galerie verwandeln. Bisher ist das Geschäft
gleichzeitig auch Werkstatt. Sein
neuestes Werk ist ein Modell des
Brandenburger Tores. Vielleicht
sieht das richtige Tor ja in 3 000
Jahren so aus: Kräuter ranken
sich daran empor, von den Säulen trieft das Wasser. „Die
Natur", sagt Schön, „holt sich
immer
ihren
Lebensraum
zurück." Seinen zur Grotte
umfunktionierten Betonmischer
hat er „Sieg der Natur" ge nannt.
„Fluidum", Bergmannstraße
59, geöffnet Dienstags bis
Freitags 14-18 Uhr.